Entscheidungsdatum
08.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W114 2148636-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 13.02.2017, Zl. 1085206010 - 151240649/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2019 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 01.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei der am 01.09.2015 erfolgten Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Spielfeld AGM gab der Beschwerdeführer an, dass er ursprünglich aus Daikundi in Afghanistan stamme, er habe aber ab seinem siebenten Lebensjahr Afghanistan verlassen und habe in Teheran im Iran gelebt. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater sei verschollen, seine Mutter, die im Iran lebe, werde von einem Onkel, der ebenfalls im Iran lebe, unterstützt. Er habe keine Geschwister. Er oder seine Familie verfügten in Afghanistan auch über keinen Grundbesitz
Befragt nach seinen Fluchtgründen führte er aus, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Als er ca. sieben Jahre alt gewesen wäre, sei sein Vater in Afghanistan verschwunden. Seiter sei er verschollen. Er sei mit seiner Mutter in den Iran geflüchtet, wo er illegal gelebt habe. Im Iran wären sie rechtlos gewesen. Wegen der Gefahr, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden, habe sei er aus dem Iran nach Österreich geflüchtet, worüber er viel Positives gehört habe. Im Iran würde die Gefahr nach Afghanistan abgeschoben zu werden und in Afghanistan besitze er nichts, um dort leben zu können.
3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 16.01.2017 führte er aus, dass er gesund sei. Er habe Afghanistan im Alter von sechs Jahren verlassen. Sein Vater habe sich schon länger im Iran befunden. Als er mit seiner Mutter im Iran angekommen wäre, hätten sie seinen Vater nicht mehr gesehen. Er habe sich dann elf Jahre lang im Iran aufgehalten. Ein Onkel väterlicherseits, der selbst eine Frau und drei Kinder gehabt habe und mit dem sie zusammengelebt hätten, habe sie im Iran unterstützt. Er habe keine Schule besucht und habe in einer Fabrik, in der Papier hergestellt werde, als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er sei nie wieder nach Afghanistan zurückgekehrt.
Er selbst habe in Afghanistan keine Probleme gehabt. Sein Vater habe in Afghanistan ein Haus gekauft. Als dieser in den Iran gegangen wäre, sei seine Mutter vom vormaligen Eigentümer des Hauses aus dem Haus geworfen worden. Er habe dann mit seiner Mutter beim Onkel väterlicherseits gewohnt. Gemeinsam hätten sie beschlossen, Afghanistan zu verlassen und in den Iran auszuwandern. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sie in Afghanistan Schwierigkeiten gehabt hätten, weil sie Hazara und Schiiten wären. Er könne nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren, weil er dort geschlagen oder festgenommen werden könnte.
4. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland vom 13.02.2017, Zl. 1085206010 - 151240649/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57, 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht habe. Nachdem der BF bewiesen habe, dass er im Iran als Hilfsarbeiter für seinen Lebensunterhalt sorgen habe können, sei er in der Lage auch im Falle einer Rückkehr für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine Situation kommen, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde Es würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 15.02.2017 zugestellt.
5. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alserstraße 20, 1090 Wien, mit Schriftsatz vom 16.02.2017 Beschwerde. Begründend führte er aus, dass er in Afghanistan keine Familienangehörigen habe. Eine Rückkehr nach Afghanistan verletze ihn in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens.
6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG mit Schreiben des BFA vom 20.02.2017 zur Entscheidung vorgelegt.
7. In einer Stellungnahme vom 19.04.2017 wies der BF darauf hin, dass er Hazara sei und deswegen asylrelevant verfolgt werden würde. Zudem verfüge er über kein Vermögen, habe in Afghanistan keine Familienmitglieder und auch kein anderes soziales Netz, sodass er bei einer Rückkehr nicht mit Unterstützung rechnen könnte, sei seit seinem 6. Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan gewesen und stamme ursprünglich aus der Provinz Daikundi. Die Sicherheitslage in ganz Afghanistan sei jedenfalls derart, dass jedem Afghanen, der sein Heimatland verlassen würde, jedenfalls der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen sei.
8. In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer Bewilligungsbescheide hinsichtlich der Verrichtung von Saisonarbeit sowie weitere Integrationsunterlagen übermittelt.
9. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 15.04.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan mit Aktualisierungen vom 26.03.2019 zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.
10. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.06.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen, befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 06.06.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung führte er aus, dass er wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. wegen einer depressiven Episode beim psychosozialen Dienst Burgenland in medizinischer in Behandlung stehe und medikamentös behandelt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und Ergänzungen vom 04.06.2019 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der auch bereits bei der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und ist schiitischer Moslem. Er spricht die Sprache Farsi. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Daikundi in Afghanistan geboren. Er besuchte keine Schule und hat bereits im Iran als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er hat auch in Österreich als Saisonerntehelfer gearbeitet und würde gerne am Bau als Hilfsarbeiter arbeiten, wozu er auch bereit ist.
Der Beschwerdeführer ist bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren mit seiner Mutter in den Iran ausgewandert. Sein Vater ist verschollen. Er hat keine Geschwister, ist ledig und hat keine Kinder. Zumindest ein Onkel väterlicherseits, bei dem auch seine Mutter lebt, befindet sich mit seiner Familie im Iran. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.
Am 01.09.2015 hat der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der BF befindet sich in Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.
Er hat auch keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet. Er lebt auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen.
Der BF leidet unter psychischen Problemen (Depression, posttraumatische Belastungsstörung). Er erhält Medikamente. Seine Arbeitsfähigkeit ist durch die oben genannten Erkrankungen nicht beeinträchtigt, der BF ist arbeitsfähig.
Der BF geht in Österreich derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach, lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Beziehung.
Der BF wäre im Fall einer Rückführung nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung des Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt.
Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan und die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 berücksichtigend kann sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Herat oder in Mazar-e Sharif, Städte in Afghanistan, die beide über einen für Zivilflugzeuge erreichbaren Flughafen verfügen, niederlassen und sich dort eine neue Existenz aufbauen. Die Vor-Ort-Verhältnisse, die Versorgungslage und auch die Sicherheitslage in diesen Städten ist nicht derart, dass der BF als alleinstehender, junger, weitgehend gesunder, arbeitsfähiger und volljähriger Mann mit Arbeitserfahrung bei einer Wiederansiedelung - entsprechende erforderliche Bemühungen des BF vorausgesetzt - in diesen Städten auf Dauer in eine aussichtslose Situation geraten würde, wenn auch eine Wiederansiedelung am Beginn mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019):
Politische Lage:
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen.
Friedens- und Versöhnungsprozess
Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018).
Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch dieses Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.).
Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.01.2019; vgl. NYT 28.01.2019, CNN 27.01.2019, Tolonews 28.01.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, FP 29.01.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019).
Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde (Tolonews 31.05.2019).
Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.05.2019).
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.05.2019).
Am 14.05.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.05.2019; vgl. IEC 14.05.2019, IEC 15.05.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.09.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.05.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.01.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.01.2019; vgl. WP 30.01.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019).
Sicherheitslage in Afghanistan:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)
In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)
Zivile Opfer:
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (01.01.2019 - 31.03.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.04.2019).
Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.04.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.04.2019).
Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.04.2019).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018). Zählt man nur die getöteten Zivilisten, sind die regierungstreuen Truppen im 1. Quartal sogar für mehr Opfer verantwortlich als die Aufständischen: Die afghanischen Sicherheitskräfte, ihre internationalen Unterstützer und regierungstreue Milizen töteten 305 unbeteiligte Bürger, die Taliban, die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere regierungsfeindliche Kräfte 227. Mehr Tote gab es vor allem durch Luftangriffe und bei Suchoperationen.
49 Zivilisten kamen im Kreuzfeuer und bei anderen Vorfällen um. Sie wurden in der Statistik keiner Seite zugezählt. Insgesamt starben damit dem Bericht zufolge von Januar bis Ende März 581 Zivilisten in dem Konflikt und 1192 wurden verletzt. Unter den Toten waren 150 Kinder.
Die Einsätze der afghanischen Regierungstruppen und ihrer Verbündeten haben insgesamt zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Während die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Zivilisten in den ersten drei Monaten 2019 um 23 Prozent auf 1773 Personen sank, stieg die Zahl der Opfer der Einsätze regierungstreuer Truppen um 39 Prozent auf 608 (305 Tote, 303 Verletzte). Das geht aus einem Bericht der UNO-Mission in Afghanistan hervor.
Einschließlich der Verletzten gingen die meisten zivilen Opfer weiterhin auf das Konto der regierungsfeindlichen Kräfte. Ihre Gesamtzahl sank jedoch in Jahresfrist um 36 Prozent auf 963 (227 Tote und 736 Verletzte). Weniger Opfer gab es vor allem infolge von Selbstmordattentaten.
Im ersten Quartal 2019 wurden vier Angriffe mit Selbstmordattentätern dokumentiert; ein Jahr zuvor waren es noch 19 gewesen. Dazu könne der harte Winter beigetragen haben, heißt es. Unklar sei, ob auch die Gespräche der Taliban mit den USA zur Lösung des Konflikts damit in Zusammenhang stünden.
Zur Veranschaulichung öffentlichkeitswirkamer werden hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
* Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
* Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.01.2019; vgl. NYT 21.01.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019, Tolonews 21.01.2019).
* Am Vortag, dem 20.01.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.01.2019; vgl. IM 22.01.2019).
* Des Weiteren detonierte am 14.01.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.01.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019, RFE/RL 14.01.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019).
* Am 08.05.2019 haben Taliban-Kämpfer in der afghanischen Hauptstadt Kabul die Einrichtung der internationalen NGO Counterpart International angegriffen. Das teilte das afghanische Innenministerium am Mittwoch mit. Counterpart International mit Hauptsitz in Arlington in Virginia arbeitet in verschiedenen Projekten mit der US-Entwicklungsbehörde USAID zusammen. Laut einem Sprecher des afghanischen Gesundheitsministeriums wurden zunächst neun Verletzte in verschiedene Krankenhäuser Kabuls gebracht.
* Am 26.05.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.05.2019).
* Am 27.05.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019).
* Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.05.2019).
* Am 30.05.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.05.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.05.2019).
* Am 31.05.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.05.2019).
* Am 02.06.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 02.06.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 02.06.2019).
* Am 03.06.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 03.06.2019).
US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 03.06.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.05.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.05.2019).
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Zur Provinz Daikundi:
Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom (UNDP 05.02.2017); davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan (Pajhwok. o.D.). Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten (Pajhwok o. D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan (Pajhwok o.D.; vgl. UNOCHA 4.2014). Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, unterliegt der Administration von Uruzgan (UNODC 11.2017). Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben (UNDP 5.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 475.848 geschätzt (CSO 4.2017).
Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden (Pajhwok 06.09.2017). In den letzten 17 Jahren wurden Quellen zufolge in der Provinz nur zehn Kilometer an Straßen gebaut. Dennoch sind laut Regierung Projekte für die Implementierung des Straßenbaus im Gange (Tolonews 05.11.2017).
Bis September 2017 war Daikundi die einzige Provinz im Land, die eine Frau als Gouverneurin vorweisen konnte; Ende September 2017 wurde Masooma Muradi dann von einem Mann ersetzt (Kurier 27.09.2017; vgl. TET 27.09.2017).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:
Einer Quelle zufolge ist Daikundi eine sichere Provinz (Tolonews 10.03.2018). Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten (Pajhwok 06.09.2017).
Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). Eine weitere Quelle berichtete allerdings von keinen Opfern im Jahr 2017 in der Provinz Daikundi (Pajhwok 14.01.2018).
Militärische Operationen in Daikundi
Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet (GIM o.D.). In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen (Pajhwok 01.01.2018). Ende Dezember 2017 wurde Daikundi einer Quelle zufolge als ruhige Provinz beschrieben (LAT 10.12.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Daikundi:
Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist (Pajhwok 1.2.2018). Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet:
Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine
aufständischen Aktivitäten erlauben (Pajhwok 14.01.2018). Des Weiteren wurde für den Zeitraum 01.01.2017 - 31.01.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet (ACLED 23.02.2018).
Zur Provinz Balkh und zur Stadt Mazar-e Sharif:
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und
Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt
(CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 07.06.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz
Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.03.2018; vgl. Reuters 22.03.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.03.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage:
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.03.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.01.2018; vgl. Khaama Press 20.08.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.03.2018; vgl. Khaama Press 16.01.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 07.03.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.04.2017; vgl. BBC 17.06.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.03.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.06.2017; vgl. Tolonews 22.04.2017).
Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert.
Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh:
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.01.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.03.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.08.2017, Pajhwok 10.07.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.03.2018; vgl. PT 06.03.2018, Pajhwok 10.07.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.03.2018; vgl. Tolonews 07.03.2018, PT 06.03.2018, Tolonews 22.04.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 07.03.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.01.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.08.2017).
Im Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.07.2017 - 31.01.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.02.2018).
Zur Provinz Herat und zur Stadt Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.09.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen:
ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o. D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.01.2018). Die Safranproduktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.01.2018; vgl. EN 09.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.02.2018; vgl. RFE/RL 06.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.02.2018; vgl. RFE/RL 23.02.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 04.03.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.03.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.02.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.06.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).