TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/10 W201 2199314-1

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Veröffentlicht am 10.07.2019
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Entscheidungsdatum

10.07.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W201 2199314-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 14.05.2018, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Grad der Behinderung nunmehr 40% beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 11.12.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Medizinische Unterlagen legte sie ihrem Antrag bei.

2. Am 13.5.2018 erfolgte die Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt für Allgemeinmedizin, das Sachverständigengutachten lautet auszugsweise:

"Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

51 jährige AW in gutem AZ kommt alleine ins Untersuchungszimmer, Rechtshänderin

Ernährungszustand:

guter Ernährungszustand, BMI: 22,66

Größe: 160,00 cm Gewicht: 58,00 kg Blutdruck: 130/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute:

unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt, normal Erblindung rechts, leichter Strabismus div., Links PR unauffällig,

Rachen: bland, Gebiss: saniert, Hörvermögen unauffällig Collum:

Halsorgane unauffällig , keine Einflussstauung, keine Stenosegeräusche

Thorax: symmetrisch, Achseldrüsen palpabel

Cor : HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min

Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken im Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent,

NL bds. frei Extremitäten:

OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. Nacken- und

Schürzengriff möglich, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Faustschluss beidseits unauffällig, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben blande

Narbenverhältnisse nach Carpaltunnelsyndromoperation und Sulcus Ulnarisoperation links, keine Atrophie der kleinen Hand- oder Thenarmuskulatur Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

trägt verstärkte Stofforthese rechtes Knie mit Fixierung in ca. 15- Grad- Stellung, eine Funktionsprüfung des Kniegelenkes rechts nicht durchgeführt, in den übrigen Gelenken altersentsprechend frei beweglich, sonst Bandstabilität, keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, Grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal. geringer Tremor im freien Stand

Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme

PSR: links unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose FBA: 15 cm, Aufrichten frei, kein Klopfschmerz, Schober: unauffällig, altersentsprechend freie Beweglichkeit der WS, Kinn-Brustabstand: 1 cm, Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt mit einer Stützkrücke hinkend rechts, Zehenballen- und Fersensowie Einbeinstand beidseits mit Anhalten durchgeführt. Die tiefe Hocke wird nicht durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen

Status Psychicus:

Bewusstsein klar. gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Affekt dysthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Position

GdB %

1

Erblindung des rechten Auges nach Bruch der rechten Augenhöhle und Gesichtsschädelfrakturen

11.02.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Zustand nach Nasenbeinfraktur sowie erfolgreich operiertem Carpaltunnelsyndrom und Sulcus nervi ulnaris Operation links erreicht keinen Grad der Behinderung.

Darüber hinaus ist nach rezenter "Kreuzband- und Seitenbandruptur rechts" davon auszugehen, dass durch eine entsprechende Therapie in den nächsten 6 Monaten eine Stabilisierung zu erreichen ist, so dass diesbezüglich keine Einstufung erfolgt.

X Dauerzustand"

3. Im Zuge des Parteiengehörs übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme.

4. Am 10.04.2018 gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Die Polyneuropathie sei nicht ausgeschlossen, sie habe eine unklare Herkunft, diese Störung werde im Gutachten nicht berücksichtigt.

5. Am 13.05.2018 gab der begutachtende Arzt eine weitere Stellungnahme ab:

"Die Antragswerberin gab im Rahmen des Parteiengehörs vom 10.04.2018 an, dass sie mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei, da ihre Leiden zu gering eingeschätzt worden seien

Beigelegt wurde ein MRT Befund des linken Kniegelenks vom 23.03.18, der ein elongiertes vorderes und anguliertes hinteres Kreuzband ohne Hinweis auf eine höhergradige rezente Binnenläsion beschreibt.

Ein weiterer Befund wurde bis jetzt noch nicht vorgelegt - insbesondere werden die, darüber hinausgehend geltend gemachten Beschwerden, nicht durch entsprechende aktuelle fachärztliche Befunde untermauert.

Die von der Antragstellerin beim Antrag und bei der Untersuchung vorgebrachten Leiden wurden von allgemeinmedizinischer Seite unter Beachtung der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und einer richtsatzgemäßen Einschätzung unterzogen.

Der neu vorgelegte Röntgenbefund zeigt keine Veränderungen auf, die eine höhere Einstufung rechtfertigen würden.

Insgesamt beinhalten die nachgereichten Einwendungen daher keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden."

6. Mit Bescheid vom 14.05.2018 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, die einen Grad der Behinderung von 30% ergeben habe.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

8. Mit Schreiben vom 27.06.2018 übermittelte die belangte Behörde den Beschwerdeakt an das Bundesverwaltungsgericht.

9. Das BVwG veranlasste eine ergänzende Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt für Allgemeinmedizin. Die Fragestellungen lauteten:

"1) Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte

Gesundheitsschädigung.

Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist.

Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist.

2) Gesamtgrad der Behinderung

Beim Zusammentreffen mehrerer Leiden ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.

3) Ist eine Veränderung zum Gutachten erster Instanz Abl. 7-9, 15 objektivierbar?

Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sich diese?

Vorgelegte Befunde 1. Instanz: Abl. 5/6, 11

4) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erhobenen Einwendungen und vorgelegten medizinischen Beweismitteln der Beschwerdeführerin.

Beschwerdevorbringen, siehe Abl. 12, 29 Vorgelegte Befunde bzw. (Privat)Gutachten, siehe Abl. 28

5) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist."

10. Am 20.12.2018 wurde nach einer Untersuchung der Beschwerdeführerin das ergänzende Sachverständigengutachten durch einen Arzt für Allgemeinmedizin erstellt. Das Gutachten lautet auszugsweise:

"Untersuchungsbefund:

Größe: -160 cm Gewicht: -60 kg Blutdruck: 135/85.

Status - Fachstatus: normaler AZ.

Kopf / Hals: voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ. Haut und sichtbare Schleimhäute normal durchblutet, normaler Visus links, rechtes Auge in Schielstellung nach außen, Gehör unauffällig, keine Einflussstauung, Schilddrüse äußerlich unauffällig.

Thorax: Mammae inspektorisch unauffällig.

Lunge: auskultatorisch unauffällig, raucht 10-15 Zig./Tag, keine Atemauffälligkeiten.

Herz: normale Grenzen, HT- rein, rhythmisch, normfrequent.

Abdomen: im TN, weich, normale Organgrenzen.

Achsenorgan: normal strukturiert und frei beweglich.

Obere Extremitäten: frei beweglich, Z. n. CTS-OP links, Z. n. OP eines Sulcus nervi ulnaris Syndrom links cubital 2013 nach Arbeitsunfall mit Unterarmbruch links, kein Tremor.

Untere Extremitäten: geringe positive vordere Schublade rechts nach Kreuzbandläsion? Keine Ödeme.

Gesamtmobilität - Gangbild:

kommt frei gehend - ohne Hilfsmittel - ins Untersuchungszimmer. Gangbild leicht ataktisch/unsicher wirkend.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr.

GdB %

1)

Neuropathiesyndrom Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da generalisiert und mit sekundärer Demyelinisierung.

04.06.01

30

2)

Erblindung des rechten Auges nach Bruch der rechten Augenhöhle und nach Gesichtsschädelfrakturen

11.02.02

30

3)

Kreuzbandläsion rechtes Kniegelenk Unterer Rahmensatz, da geringe Funktionsdefizite vorliegen.

02.05.18

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Das klinisch führende Leiden 1 - überlagert von Leiden 3 - wird durch Leiden 2 wegen maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz (Sinnesorganleiden) um eine weitere Stufe erhöht.

Beantwortung der Fragestellungen:

Ad 1) und 2) Siehe oben.

Ad 3) Es ist eine Veränderung objektivierbar - durch die bereits vorliegenden und vor allem durch die Befundnachreichung im Rahmen der neuerlichen Untersuchung.

Diese Einwendungen - soweit sie antragsrelevant sind - wurden im Rahmen der neuerlichen Untersuchung berücksichtigt, gewürdigt und in der Beurteilung unter den Punkten 1-3 korrekt berücksichtigt.

Betreffend Abl. 28 ist anzumerken, dass der Befund am rechten Kniegelenk unter Punkt 3 der Beurteilung berücksichtigt wurde und dass am linken Kniegelenk keine einschätzungsrelevante Funktionsbehinderung vorliegt.

Ad 4) Diese Einwendungen - soweit sie antragsrelevant sind - wurden im Rahmen der neuerlichen Untersuchung berücksichtigt, gewürdigt und in der Beurteilung unter den Punkten 1-3 korrekt berücksichtigt.

Betreffend Abl. 28 ist anzumerken, dass der Befund am rechten Kniegelenk unter Pkt 3 der Beurteilung berücksichtigt wurde und dass am linken Knie keine einschätzungsrelevante Funktionsbehinderung vorliegt.

Ad 5):

Dauerzustand ist anzunehmen, eine Nachuntersuchung ist NICHT erforderlich

Zusammenfassung:

Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher allgemeinmedizinischer Untersuchung und nach Durchsicht des Akteninhaltes und der Befundnachreichungen eine Änderung des bisherigen Gesamtgrades der Behinderung vorzunehmen ist. Die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen wurden in der Beurteilung nach dem BBG entsprechend berücksichtigt und mit 40 VH bewertet."

12. Am 08.01.2019 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde gaben binnen der eingeräumten Frist eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund des ergänzenden Sachverständigengutachtens ergibt sich ein Grad der Behinderung von 40%. Die Beschwerdeführerin leidet an einem Neuropathiesyndrom, welches unter dem oberen Rahmensatz eingestuft ist, da es generalisiert und mit sekundärer Demyelinisierung verbunden ist, die Einschätzung ergab diesbezüglich einen Grad der Behinderung von30%. Das rechte Auge ist nach dem Bruch der Augenhöhle und einer Gesichtsschädelfraktur erblindet. Der Grad der Behinderung beträgt diesfalls ebenfalls 30%. Eine Kreuzbandläsion des rechten Kniegelenks wurde aufgrund der geringen Funktionsdefizite mit 10% Grad der Behinderung eingestuft. Da Leiden 1, überlagert von Leiden 3, durch Leiden 2 um eine weitere Stufe erhöht wird, ergibt dies einen Gesamtgrad der Behinderung von 40%.

1.3. Die Beschwerdeführerin erfüllt mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40% nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem darin enthaltenen fachärztlichen Gutachten.

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.12.2018 verwiesen. Im genannten Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß sowie auf ihr Beschwerdevorbringen ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden der Beschwerdeführerin auseinander. Es wurden die Leiden 1 und 3 neu in die Beurteilung aufgenommen und festgestellt, dass Leiden 1 - überlagert von Leiden

3 - durch Leiden 2 wegen maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz

um eine weitere Stufe erhöht wird.

Der Befund des rechten Kniegelenks wurde berücksichtigt, am linken Knie liegen hingegen keine einschätzungsrelevanten Funktionsbehinderungen vor.

Der Gutachter kam auf Grund der Gesundheitsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung aller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Befunde und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nachvollziehbar zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.

Das ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf den Fall bezogen:

Die Beschwerdeführerin hat eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht, der den Grad der Behinderung mit 30% feststellte.

Im vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 20.12.2018 wurde auf sämtliche von der Beschwerdeführerin bei ihrer Antragstellung sowie in ihrem Schreiben vom 10.04.2018 geltend gemachten und durch Befunde belegten Beeinträchtigungen und Erkrankungen sowie auf die nachträglich beigebrachten Befunde eingegangen und diese gemäß der Anlage zur Einschätzungsverordnung gewürdigt. Im Zuge der ergänzenden Untersuchung wurden das Leiden 1 und 3 neu in die Einschätzung aufgenommen, es wurde auch dargelegt, dass diese Leiden das führende Leiden um eine Stufe erhöhen. Es wurde nachvollziehbar der Gesamtgrad der Behinderung mit 40% festgestellt.

Die Beschwerdeführerin ist dem ergänzenden Sachverständigengutachten nicht mehr mit einer Stellungnahme entgegengetreten.

Die Beschwerdeführerin erfüllt mit einem GdB von 40% nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W201.2199314.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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