TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/19 W204 2133056-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2019
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Entscheidungsdatum

19.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

W204 2133056-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 11.10.2016, Zl. XXXX , vollinhaltlich abgewiesen. Es wurde ihm keine Aufenthaltsberechtigung erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei und eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.2018 zu W172 2133056-1/30E als unbegründet abgewiesen.

I.2. Mit Schreiben vom 28.05.2019 beziehungsweise vom 29.05.2019, dem BF am 02.06.2019 zugestellt, wurde der BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt eines Einreiseverbots verständigt und zur Stellungnahme zu näher ausgeführten Fragen und zu den aktuellen Länderinformationen innerhalb von sieben Tagen aufgefordert.

I.3. Mit Bescheid vom 25.06.2019, dem BF am 28.06.2019 durch Hinterlegung zugestellt, erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), erließ ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 25.06.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.5. Am 10.07.2019 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. aufzuheben beziehungsweise dahingehend abzuändern, dass eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel erteilt werde, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben in eventu auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

I.6. Am 17.07.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein, deren Einlangen mit Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG bestätigt worden ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF;

-

Einsicht in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-

Einsicht in das Strafregister, das Grundversorgungssystem und das Melderegister.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und seinen Fluchtgründen:

Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Muttersprache ist Dari. Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF stellte nach Einreise am 20.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 14.12.2018 zu W172 2133056-1/30E als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem damaligen Vertreter des BF am 06.02.2019 durch Hinterlegung zugestellt.

Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern hält sich nach wie vor im Bundesgebiet auf.

Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Er hat Deutschkurse besucht. Er arbeitete ehrenamtlich bei der XXXX und beim XXXX in Österreich. Er ist kein Mitglied in einem Verein. Nach Abschluss seines Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz setzte der BF keine nennenswerten Integrationsschritte. Vielmehr war er stets auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen und verfügt auch über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er verfügt über kein Einkommen und kein Vermögen, um seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet aktuell oder in naher Zukunft selbst bestreiten zu können.

II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:

KI vom 26.03.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

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AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6- year-festival-190321064823472.html. Zugriff 26.3.2019

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AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html. Zugriff 26.3.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019):

Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

-

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,

https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods

-

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html. Zugriff 26.3.2019

-

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019

-

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghancapital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL. Zugriff 26.3.2019

-

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,

https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1 QZ2OU. Zugriff 26.3.2019

-

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,

https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/i5568633/. Zugriff 26.3.2019

-

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistankabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

-

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019

-

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,

https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidentialelection/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

- WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out

of U.S.- Taliban peace talks, running short on options,

https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11

e9-8cfc- 2c5d0999c21e story.html?noredirect=on&utm

term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Quellen:

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der

sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf. Zugriff 20.2.2019

-

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf.

Zugriff 25.2.2019

-

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf. Zugriff 20.2.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf.

Zugriff 20.2.2019

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UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092. Zugriff 20.2.2019

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache trafen bereits das BFA und das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den Antrag des BF auf internationalen Schutz. Daran haben sich auch im nunmehrigen Verfahren keine Zweifel ergeben, zumal diese weitestgehend in der Beschwerde auch bestätigt werden, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Die Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.

II.2.3. Die weiteren Feststellungen zum Antrag des BF und dessen Abweisung gründen auf dem unbedenklichen Akteninhalt im Verfahren W172 2133056-1. Dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, sondern sich weiterhin im Bundesgebiet aufhält, stellte bereits das BFA aufgrund der Aktenlage fest. Auch an dieser Feststellung haben sich keine Zweifel ergeben, zumal der BF in seiner Beschwerde selbst ausführt, dass er nicht ausgereist ist (AS 134). Das entspricht im Übrigen auch dem aktuellen ZMR-Auszug.

II.2.4. Die Feststellungen zum Privatleben traf bereits das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz. Sie entsprechen zudem der Aktenlage und konnten daher durch das Bundesverwaltungsgericht auch im nunmehrigen Verfahren bedenkenlos übernommen werden. Dass der BF seitdem irgendwelche Integrationsschritte setzte, brachte der BF im gesamten Verfahren, insbesondere auch in der Beschwerde nicht vor. Von entscheidungsrelevanten Integrationsschritten ist schon aufgrund der zeitlichen Nähe zur rechtskräftigen Entscheidung zu W172 2133056-1 nicht auszugehen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug, der Bezug der Grundversorgung aus einem aktuellen GVS-Auszug. Dass der BF mittellos ist und über kein Einkommen und Vermögen verfügt, um seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet aktuell oder in naher Zukunft selbst bestreiten zu können, stellte ebenso bereits das BFA fest. Da auch diese Feststellung in der Beschwerde nicht bestritten wird und zudem der Aktenlage entspricht, war die Mittellosigkeit auch durch das Bundesverwaltungsgericht festzustellen.

II.2.5. Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan beruhen auf den bereits dem BF im behördlichen Verfahren vorgehaltenen Länderberichten, die nach Erlassung des Erkenntnisses im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz datieren. Die Berichte, auf denen die Länderfeststellungen basieren, sind nicht als veraltet zu bewerten. Sie enthalten eine Vielzahl von Berichten, legen damit ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan dar und beziehen sich zudem auch auf die persönlichen Umstände des BF. Die Länderfeststellungen wurden im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz nicht beanstandet, sondern lediglich Berichte vorgelegt, die von der Rechtskraftwirkung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz erfasst sind (siehe dazu unten II.3.2.2.). Es sind daher im Verfahren keine Gründe hervorgekommen, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen ergeben würden.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4). Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids:

II.3.2.1. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung nach § 10 Abs. 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sich ein Drittstaatsangehöriger nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan ein Drittstaatsangehöriger und es wurde im ergangenen Bescheid in Spruchpunkt I., der mangels Anfechtung insoweit rechtskräftig ist, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht erteilt.

Der BF hat seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keine weiteren Integrationsschritte gesetzt. Einer neuerlichen inhaltlichen Prüfung der Rückkehrentscheidung steht daher die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 14.12.2018 entgegen. Durch die in § 10 Abs. 2 AsylG enthaltene Anordnung, wonach die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels stets mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wird insoweit lediglich von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der Unwiederholbarkeit abgegangen. Dass das auch für die Unabänderlichkeit - das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung - gelte, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen (zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 52 Abs. 9 FPG VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002; 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Das Bundesverwaltungsgericht ist daher an die rechtskräftige Vorentscheidung im Erkenntnis zu W172 2133056-1/30E gebunden, zumal der BF keine Änderungen in der Sach- und Rechtslage vorgebracht hat und eine solche aus dem Akt auch nicht ersichtlich ist. Dem BFA kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Ergebnis kommt, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig ist, auch wenn es eine inhaltliche Prüfung durchführt.

Auch wenn man aber mit dem BFA davon ausginge, dass eine erneute inhaltliche Prüfung durchzuführen wäre, kann ihm nicht entgegengetreten werden, wenn es zum Ergebnis kommt, dass die Rückkehrentscheidung zulässig ist. Unter Beachtung der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG aufgestellten Kriterien ist nämlich nicht ersichtlich, dass der Eingriff in das Privatleben des BF unzulässig wäre, zumal er bis zum Abschluss des Vorverfahrens lediglich aufgrund seines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war und sein Aufenthalt seit Abschluss des Verfahrens rechtswidrig ist, dessen sich der BF auch bewusst sein musste, sodass eingegangene Bindungen bereits von vornherein nicht schwer wiegen könnten. Der BF ist auch relativ kurzfristig im Bundesgebiet aufhältig, sodass sich auch daraus keine maßgebliche Bindung ableiten lässt. Der BF setzte bis auf den Besuch einiger Deutschkurse und einem ehrenamtlichen Engagement keine Schritte, um sich auch sozial in die Gesellschaft zu integrieren.

Durch die erlassene Rückkehrentscheidung liegt daher keine Verletzung des Art. 8 EMRK vor, zumal eine derartige Verdichtung persönlicher Interessen, die das gegenüberstehende öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiegen würde, nicht vorliegt.

II.3.2.2. Die Rechtskraftwirkung steht auch einer neuerlichen inhaltlichen Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung entgegen. Wie der Verwaltungsgerichtshof erst unlängst erneut ausgeführt hat, sind die Entscheidungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung dieselben, sodass er seine Rechtsprechung, wonach ein inhaltliches "Auseinanderfallen" der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgeschlossen ist, bekräftigte (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, Rn 40 mwN).

Auch an die rechtskräftige Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die damit zusammenhängende Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung aus dem Vorverfahren ist das Bundesverwaltungsgericht somit gebunden. Mit der Regelung des § 52 Abs. 9 FPG, der nach seinem Wortlaut für den Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausnahmslos anordnet, es sei gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, wird insoweit lediglich von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der Unwiederholbarkeit abgegangen. Dass das auch für die Unabänderlichkeit - das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung - gelte, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen (vgl. neuerlich VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002; 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Auch zu dieser Frage brachte der BF jedoch keine neue Sach- oder Rechtslage vor, vielmehr bezieht er sich in seiner Beschwerde auf Berichte von November 2018 und auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, die er jedoch bereits im ersten Verfahren hätte geltend machen müssen beziehungsweise die in Bezug auf die UNHCR-Richtlinien ohnehin vom Bundesverwaltungsgericht bei dessen Entscheidung beachtet wurden. Auch aus dem dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig vorliegenden und dem BF vom BFA vorgehaltenen und im Akt einliegenden ergänzenden Feststellungen zu Afghanistan ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht ersichtlich. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

II.3.2.3. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat."

Das BFA stellte völlig zutreffend fest, dass der BF in Österreich mittellos ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 21.06.2012, 2011/23/0305, mwN). Der BF hat in keiner Weise dargelegt, dass er irgendwelche Mittel zur auch nur kurzfristigen Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Es ist somit der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt und bereits daher ein Einreiseverbot gerechtfertigt, zumal durch die daraus resultierende Gefahr der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen beziehungsweise einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Die Erlassung eines Einreiseverbots wegen Mittellosigkeit gegen Fremde, deren Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ beendet wurde und die über keinen Aufenthaltstitel verfügen und gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig sind, ist zulässig (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0197; 24.05.2018, Ra 2018/19/0125; 20.09.2018, Ra 2018/20/0349). Soweit der BF dazu in der Beschwerde vorbringt, bei ihm bestehe diese Gefahr nicht, da er sich weder bisher der "Schwarzarbeit" schuldig gemacht habe noch dies in Zukunft vorhabe, verkennt er, dass die Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bereits alleine dadurch besteht, dass er selbst über kein Einkommen oder Vermögen verfügt und mangels Aufenthaltsrechts über keine Arbeitsbewilligung verfügt, sodass mit einer Belastung der Gebietskörperschaften zu rechnen ist.

Zudem führt das BFA zutreffend aus, dass der BF seiner rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist. So wurde dem BF mit Erkenntnis vom 14.12.2018, das dem Vertreter am 06.02.2019 zugestellt wurde, rechtskräftig auferlegt, seiner Ausreiseverpflichtung innerhalb von 14 Tagen nachzukommen. Der BF hält sich nunmehr beinahe ein halbes Jahr nach rechtskräftiger Erlassung immer noch im Bundesgebiet auf und hat, wie er in der Beschwerde deutlich zum Ausdruck bringt (AS 134), auch nicht die Absicht, dieses in nächster Zeit freiwillig zu verlassen. Mit diesem Verhalten zeigt der BF, dass er nicht bereit ist, rechtskräftige Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichte zu akzeptieren, sondern vielmehr versucht, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet durch Missachtung der getroffenen Entscheidungen zu erzwingen. Dadurch zeigt sich die mangelnde Akzeptanz des BF rechtsstaatlich getroffene Entscheidungen zu akzeptieren, woraus ebenfalls eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit resultiert. Es liegt daher insoweit auch eine Änderung der Sachlage vor, als zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz noch keine Ausreiseverpflichtung bestand, sodass dem BFA nicht entgegengetreten werden kann, wenn es seine Rückkehrentscheidung nunmehr mit einem Einreiseverbot verbindet.

Wie bereits das BFA weiter zutreffend ausführte, ist die Aufzählung des § 53 FPG demonstrativ. Es können daher auch nicht explizit aufgezählte Umstände ein Einreiseverbot rechtfertigen, solange diese mit den im Gesetz aufgezählten von ihrer Interessenslage her vergleichbar sind. Nach Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie), der durch § 53 FPG umgesetzt wird, geht eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einher, falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde (

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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