TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/25 W268 2181691-1

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Veröffentlicht am 25.07.2019
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Entscheidungsdatum

25.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W268 2181691-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), eine somalische Staatsbürgerin reiste auf legale Weise gemeinsam mit ihrer Mutter mittels eines Touristenvisums in Österreich ein und stellte mit Hilfe ihrer Mutter, zumal die BF selbst taubstumm ist, am 24.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten

Erstbefragung gab die Mutter der BF zu den Fluchtgründen der BF an, dass die BF aufgrund ihrer Taubheit auf sie angewiesen sei und deshalb gemeinsam mit der Mutter nach Österreich gereist sei. Die Mutter selbst gab zu ihren Fluchtgründen eine befürchtete Verfolgung vor der Al Shabaab an.

I.2. Am 27.09.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt, in welcher die BF über ihre Mutter zu ihren Fluchtgründen näher befragt wurde. Die Mutter der BF brachte dort im Wesentlichen vor, dass die BF seit dem Alter von sechs Monaten taubstumm sei, da sie damals runtergefallen sei. Sie kommuniziere mit Ihrer Tochter über Zeichen und Gesten. Eine Gebärdensprache gebe es nicht in Somalia und betroffene Personen würden beleidigt werden und fast nicht aus dem Haus gehen. Sie würden den Clans bzw. Subclans Hawiye/Abgal/ XXXX angehören. Die Mutter der BF habe noch drei Geschwister in Somalia, jedoch bestehe zu diesen kein Kontakt, da sie sich schon in Somalia nicht gut verstanden hätten, da sie ihre Tochter, die BF, beleidigt hätten. Zu ihren eigenen Fluchtgründen gab die Mutter der BF an, dass sie als Hebamme gearbeitet habe und dadurch in einen Konflikt mit der Al Shabaab geraten sei. Zudem habe sie Probleme aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit zu den XXXX gehabt. Die BF habe keine eigenen Fluchtgründe, da sie immer mit ihr zusammen gewesen sei. Die BF könne ohne sie nicht leben.

Anlässlich der Einvernahme wurden mehrere medizinische Befunde sowie Integrationsunterlagen betreffend die BF und ihre Mutter vorgelegt.

I.3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der BF der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde der BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21.11.2018 erteilt (Spruchpunkt III). Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die BF keine Fluchtgründe habe. Die Fluchtgründe der Mutter der BF würden in keinem Zusammenhang mit der BF stehen. Die BF habe Mogadischu nur deshalb verlassen, da ihre Mutter von dort geflohen sei. Aufgrund der individuellen Situation des BF sei dem BF jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag wurde dem Antrag der Mutter der BF stattgegeben und der Mutter der BF der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Verfahrensanordnung vom 22.11.2017 wurde der BF gemäß § 63 Abs. 2 AVG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

I.4. Mit Schriftsatz vom 21.12.2017 wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides erhoben und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht.

I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 04.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur BF:

1.1.1. Die BF ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias. Sie stellte am 24.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Die BF stammt aus Somalia und gehört dem Clan der Hawiye an. Sie ist seit ihrem sechsten Lebensmonat aufgrund eines Unfalls taubstumm und muss in Somalia als alleinstehend, ohne männlichen Schutz und ohne familiäres oder clanbezogenes Netzwerk angesehen werden. Sie hat Zeit ihres Lebens mit ihrer Mutter zusammengelebt und verließ kaum das Haus, da sie aufgrund ihrer Behinderung immer wieder diskriminiert und beleidigt wurde.

Die Mutter der BF war in Somalia mehrere Jahre als Hebamme tätig und engagierte sich auch im Kampf gegen Beschneidung und Zwangsverheiratung und geriet dadurch in einen Konflikt mit der Al Shabaab. Sie hielt sich gemeinsam mit ihrer Tochter, der BF, aufgrund der Bedrohungen durch die Al Shabaab von 2012 bis 2014 in Uganda auf, kehrte jedoch 2014 wieder zurück nach Somalia. Von 2014 bis 2016 war die Mutter der BF nicht berufstätig. Im Jahr 2016 wollte die Mutter der BF gemeinsam mit einer früheren Arbeitskollegin in einer eigens zu eröffnenden Krankenstation tätig werden. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da die Arbeitskollegin zuvor von Mitgliedern der Al Shabaab getötet wurde. Zugleich wurde die Mutter der BF von Al Shabaab gesucht, woraufhin diese gemeinsam mit der BF neuerlich die Flucht angetreten hat.

Die Mutter der BF erhielt im erstinstanzlichen Verfahren mit Bescheid vom 21.11.2017 den Status einer Asylberechtigten. Die BF erhielt mit Bescheid desselben Tages den Status einer subsidiär Schutzberechtigten.

In Somalia leben noch zwei Brüder sowie eine Schwester der Mutter der BF (somit Onkeln und Tanten der BF), jedoch besteht zu diesen kein Kontakt, zumal sie die BF aufgrund ihrer Behinderung immer wieder beleidigt und gekränkt haben. Zum Vater der BF besteht kein Kontakt. Es besteht auch kein Kontakt zu allfälligen sonstigen Verwandten in Somalia.

1.1.3. Die BF ist, abgesehen von der Tatsache, dass sie taubstumm ist, gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.12.2015).

Gewalt gegen Frauen - insbesondere sexuelle Gewalt - ist laut Berichten der UNO und internationaler NGOs in der gesamten Region weit verbreitet (ÖB 10.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern, insbesondere in Mogadischu (ÖB 10.2015; vgl. UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (UNHRC 28.10.2015; vgl. UKHO 3.2.2015; USDOS 13.4.2016). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre (HRW 27.1.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015; USDOS 13.4.2016), Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (UNHRC 28.10.2015).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 13.4.2016). Hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt herrscht aber weitgehend Straflosigkeit. Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia rar (UKHO 3.2.2015; vgl. AA 1.12.2015; ÖB 10.2015; USDOS 13.4.2016). Bei der Strafjustiz herrscht Unfähigkeit (UNHRC 28.10.2015). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (USDOS 13.4.2016; vgl. UKHO 3.2.2015).

Zwangsehen sind weit verbreitet (ÖB 10.2015). Zwangsehen durch al Shabaab kommen in der Regel nur dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat (C 18.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016; UKHO 3.2.2015; DIS 9.2015). Dort sind Frauen und Mädchen einem ernsten Risiko ausgesetzt, von al Shabaab entführt, vergewaltigt und zu einer Ehe gezwungen zu werden (UKHO 3.2.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Eine Verweigerung kann für das Mädchen oder ihre Familie den Tod bedeuten (DIS 9.2015; vgl. NOAS 4.2014). Aus Städten unter Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee gibt es keine Berichte hinsichtlich Zwangsehen mit Kämpfern der al Shabaab; wohl aber gibt es Berichte über diesbezügliche Drohungen via SMS (DIS 9.2015). Hingegen zwingen auch Angehörige bewaffneter Milizen und Clanmilizen Mädchen zur Eheschließung (UNHRC 28.10.2015).

Für alleinstehende Frauen und Alleinerzieherinnen ohne männlichen Schutz - vor allem für Minderheitenangehörige - ist eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit nicht gegeben. Dies gilt in Anbetracht der Umstände, dass weder relevante Unterstützungsnetzwerke noch eine Aussicht auf einen ausreichenden Lebensunterhalt gegeben sind (UKHO 3.2.2015).

Es mangelt den IDPs an Schutz (UNHRC 28.10.2015). Die Regierung und Regionalbehörden bieten den IDPs nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung. Dies ist vor allem auf die beschränkten Ressourcen und Kapazitäten sowie auf eine schlechte Koordination zurückzuführen (USDOS 13.4.2016). So sehen sich IDPs der Diskriminierung sowie sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt (UNHRC 28.10.2015). In Mogadischu sind dafür Regierungs- und alliierte Kräfte sowie Zivilisten verantwortlich (HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Vergewaltigungen waren Frauen und Kinder in und um Mogadischu, im Afgooye-Korridor, in Bossaso, Galkacyo und Hargeysa (USDOS 13.4.2016).

IDPs - und hier v.a. Frauen und Kinder - sind extrem vulnerabel. Humanitäre Hilfsorganisationen sehen sich Sicherheitsproblemen und Restriktionen ausgesetzt (HRW 27.1.2016). Viele IDPs leben in überfüllten und unsicheren Lagern und haben dort nur eingeschränkten Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und grundlegender Hygiene (UNHRC 28.10.2015).

Viele Minderheitengemeinden leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 13.4.2016). Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Auch einzelne andere Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Midgan, Gabooye), leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich, da sie nicht in die Clan-Strukturen eingebunden sind, in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut. Sie sind auch überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 13.4.2016). Allerdings datieren die letzten - unbestätigten - Berichte von Repressionen im engeren Sinn mit November 2013, als staatliche Sicherheitskräfte des Hawiye-Clans angeblich sesshafte Bantu-Landwirte von ihren Grundstücken vertrieben haben sollen (AA 1.12.2015). In den hier verwendeten Berichten werden keine aktuellen Beispiele gewaltsamer Repression oder der Verfolgung von Minderheiten genannt.

Die Gesundheitslage zählt zu den schlechtesten der ganzen Welt. Die Kinder- und Müttersterblichkeitsraten sind alarmierend hoch. Gleichzeitig ist die Förderung von Gesundheitsprogrammen gering (ÖB 9.2016). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 45 Jahre für Männer und 47 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen (AA 1.1.2017). Die Müttersterblichkeit hat sich von 850 pro 100.000 Lebendgeburten im Jahr 2010 auf 732 pro 100.000 im Jahr 2016 verringert (USDOS 3.3.2017), bleibt aber eine der höchsten weltweit (LI 11.6.2015).

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 1.1.2017). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA 4.2017b). Allerdings variiert der Zugang zu medizinischer Versorgung. Dieser scheint in Somaliland und in Mogadischu am besten zu sein. Da es kein staatliches Gesundheitssystem gibt, ist die Versorgungslage maßgeblich davon abhängig, wie sehr der Zugang für lokale und internationale Hilfsorganisationen in einem Gebiet gewährleistet ist. Folglich ist die Versorgungslage in den größeren Städten besser. Schätzungsweise 80% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung (LI 11.6.2015).

Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 1.1.2017). Gesundheitspersonal ist rar und Spitäler sind aufgrund von Unterfinanzierung von Schließungen gefährdet (ÖB 9.2016). Allerdings sind z.B. in Mogadischu seit 2014 einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken neu eingerichtet worden (LI 1.4.2017). Auch AMISOM betreibt oder unterstützt Spitäler bzw. bietet medizinische Versorgung, etwa in Merka (AMISOM 24.2.2017) oder Baidoa (UNSOS 16.11.2016). In Mogadischu wurde zudem ein Spital durch die Vereinten Arabischen Emirate erbaut (Horseed 4.6.2015), ein weiteres wurde von der Türkei renoviert und ausgebaut. Letzteres bietet auch eine vergleichsweise günstige Versorgung für Dialysepatienten (Hiiraan 17.6.2016).

Die Somali Red Crescent Society (SRCS) betreibt in ganz Somalia 25 feste Kliniken (ICRC 23.5.2017). Hinzu kommen elf mobile Kliniken in Süd-/Zentralsomalia. Dabei wird die SRCS vom IKRK unterstützt. Die Teams des SRCS dringen dabei auch in entlegene Gebiete vor - hundert Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt. Sie gewährleisten damit dort eine medizinische Grundversorgung (ICRC 28.7.2017).

Durch Wasser verursachte Krankheiten sind weit verbreitet (AWD bzw. Cholera). 85% der Betroffenen von Cholera sind Kinder unter 5 Jahren (ÖB 9.2016). Dabei hat die Dürre die Verbreitung von Cholera verstärkt. Bis Ende Juli 2017 gab es fast 76.000 Fälle mit 1.155 Toten. Danach ist es den Behörden und Partnern gelungen, die Seuche in den meisten Gebieten einzudämmen (UNSC 5.9.2017).

In Somalia gibt es fünf Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu. Allerdings arbeiten insgesamt nur drei Psychiater an diesen Einrichtungen (WHO 2017a).

MedCOI ist nicht in der Lage, Auskünfte zu Somalia zu geben (MAO 24.9.2014). Auch IOM bietet hinsichtlich medizinischer Anfragen zu Somalia keine Kooperation (IOM 5.7.2017; vgl. IOM 31.8.2016).

1.3. Festgestellt wird, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia kein Schutz durch (männliche) Verwandte, ihren Clan oder von staatlicher Seite zur Verfügung steht. Die BF hat insbesondere aufgrund ihrer Behinderung eine spezielle Beziehung zu ihrer Mutter, mit welcher sie ein eigenes Kommunikationssystem entwickelt hat. Die BF erlernt erst seit dem Aufenthalt in Österreich die Gebärdensprache. Sie hat Zeit ihres Lebens mit ihrer Mutter verbracht und ist von dieser sowohl persönlich als auch finanziell abhängig. Der Mutter der BF wurde der Status der Asylberechtigten verliehen, weshalb eine Rückkehr nach Somalia für diese nicht mehr in Frage kommt. Die BF verfügt in Somalia somit über kein verlässliches familiäres oder clanbezogenes Netzwerk. In diesem Zusammenhang muss weiter davon ausgegangen werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr als IDP in ein entsprechendes Lager gehen müsste.

Damit besteht für die BF die Gefahr, als alleinstehende Frau sowie Angehörige der sozialen Gruppe der Personen mit Behinderung im Falle einer Rückkehr nach Somalia Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der BF nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Herkunft aus Somalia und zur Clanzugehörigkeit beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Mutter der BF im Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an diesen Angaben zu zweifeln. Inwieweit die BF aufgrund der Clanzugehörigkeit der Mutter in Somalia Probleme hatte, wie in der Beschwerde vorgebracht, kann im Hinblick auf das Endergebnis dahingestellt bleiben.

Die Feststellung zur Behinderung der BF basieren auf dem Akteninhalt, den Aussagen der Mutter der BF sowie den diesbezüglich vorgelegten medizinischen Befunden.

Die Feststellungen zur Mutter der BF ergeben sich aus dem Akteninhalt des Aktes der Mutter sowie auch dem Bescheid vom 21.11.2017, mit welchem dieser der Asylstatus gewährt wurde.

Dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia ohne familiäres oder clanbezogenes Netzwerk angesehen werden muss, ergibt sich aus den (glaubhaften) Aussagen der Mutter in diesem Zusammenhang, wonach die BF Zeit ihres Lebens bei ihr gelebt habe und zu den weiteren Verwandten kein Kontakt bestehe, da diese die BF diskriminieren würden.

Die Feststellungen zum gewährten Schutzstatus der BF sowie ihrer Mutter sowie zu den Fluchtgründen der Mutter der BF ergeben sich aus den diesbezüglichen Akten.

Dass die BF strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister vom 09.07.2019. Hinweise auf eine Erkrankung der BF kamen im Laufe des Verfahrens nicht hervor.

2.3. Die Feststellungen zu 1.2. beruhen auf den im angefochtenen Bescheid rezipierten Länderinformationen, die nicht bestritten wurden. Sie fußen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus 2016 und beruhen auf den folgenden

Detailquellen:

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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C - Experte C (18.6.2014): Dieser Experte arbeitet seit mehreren Jahren zu Somalia.

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DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 4.4.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

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NOAS - Norwegian (4.2014): Persecution and protection in Somalia,

A fact-finding report by NOAS,

http://www.noas.no/wp-content/uploads/2014/04/Somalia_web.pdf, Zugriff 14.4.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

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http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

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UKHO - UK Home Office (3.2.2015): Country Information and Guidance

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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017b): Somalia - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Wirtschaft_node.html, Zugriff 13.9.2017

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AMISOM (24.2.2017): AMISOM equips hospital in Marka, http://amisom-au.org/2017/02/amisom-equips-hospital-in-marka/, Zugriff 20.11.2017

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GJ - Goobjoog News (25.1.2017): MSF returns to Somalia after 3 years, http://goobjoog.com/english/msf-returns-somalia-3-years/, Zugriff 9.1.2018

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Hiiraan Online (17.6.2016): Ergogan Hospital former Digfeer, restoring Somali's Healthcare System, https://www.hiiraan.com/news4/2016/Jun/105961/ergogan_hospital_former_digfeer_restoring_somali_s_healthcare_system.aspx, Zugriff 20.11.2017

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Horseed (4.6.2015): UAE sets up a mobile hospital in Somalia, https://horseedmedia.net/2015/06/04/uae-sets-up-a-mobile-hospital-in-somalia/, Zugriff 20.11.2017

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ICRC - International Committee of the Red Cross (ICRC) (23.5.2017): Annual Report 2016 - Somalia, http://www.refworld.org/docid/59490dab2.html, Zugriff 11.11.2017

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Antwort per E-Mail

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IOM - Internationale Organisation für Migration (31.8.2016):

Antwort per E-Mail

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LI - Landinfo (11.6.2015): Somalia - Children and Youth, https://landinfo.no/asset/3520/1/3520_1.pdf, Zugriff 20.11.2017

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MAO - Medical Advisors Office (24.9.2014): Update Somalia / Specific Northern Provinces in Somalia

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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United Nations Support Office in Somalia constructs fully equipped hospital for AMISOM,

https://unsos.unmissions.org/united-nations-support-office-somalia-constructs-fully-equipped-hospital-amisom, Zugriff 20.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WHO - World Health Organization (2017a): Somalia - Mental Health, http://www.emro.who.int/som/programmes/mental-health.html, Zugriff 20.11.2017

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WVI - World Vision International (16.9.2017): Health Investment in Puntland, http://www.wvi.org/article/health-investment-puntland, Zugriff 20.11.2017

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit und Verlässlichkeit der Länderinformationen zu zweifeln.

Zwischenzeitlich wurden diese Länderinformationen jedoch aktualisiert; das Länderinformationsblatt zur Gänze am 12.01.2018; die Versorgungssituation zuletzt am 17.09.2018. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich nach einer Einschau in die aktualisierten Länderberichte jedoch davon versichern, dass sich die relevante Situation von Frauen, IDPs sowie Personen mit speziellen gesundheitlichen Einschränkungen nicht geändert, insbesondere nicht verbessert, hat (vgl. dazu die S. 101 ff des LIB 2018 betreffend Frauen; S. 120 f LIB 2018 betreffend IDPs und Flüchtlinge sowie S. 137 zur medizinischen Versorgung).

2.4. Zur Feststellung unter 1.3., die der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden soll, ist schließlich zu sagen, dass bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon ausgeht, dass bei der BF die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bestehe, da die sicherheitspolitische Lage in Mogadischu für Frauen zu unsicher ist (vgl. S. 51 des angefochtenen Bescheids). Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kamen keine Hinweise darauf hervor, dass diese Einschätzung der Behörde nicht zu teilen wäre.

Im Gegensatz dazu teilt das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht die vorherige Einschätzung des BFA, wonach die BF im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu in keine ausweglose Situation geraten würde, da sie dort über Verwandtschaft verfüge und einem der großen Clans angehören würde. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Mutter der BF im Rahmen der Einvernahme angegeben hat, dass zu ihren in Mogadischu lebenden Geschwistern kein Kontakt mehr bestehen würde, da diese die BF aufgrund ihrer Behinderung immer wieder diskriminiert hätten. In Einklang mit den Länderfeststellungen sieht das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang keinen Grund, an den diesbezüglichen Angaben der Mutter der BF zu zweifeln, zumal sie auch immer gleichlautende Angaben zu ihren Angehörigen tätigte und sich auch sonst keine Widersprüche in ihrem Vorbringen ergaben. Den glaubhaften Angaben der Mutter der BF wurde vom BFA zudem insofern Rechnung getragen, als dieser der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Ergänzend lässt sich in diesem Zusammenhang zudem feststellen, dass sich die Beweiswürdigung des BFA zur Gewährung des subsidiären Schutzes generell als nicht plausibel erweist, zumal zunächst davon ausgegangen wurde, dass ausgeschlossen werden könne, dass die BF bei einer Rückkehr nach Mogadischu in eine ausweglose Situation geraten könne, da sie dort über Verwandtschaft verfüge und einem der stärksten Clans angehöre, während dann im darauffolgenden Absatz demgegenüber ausgeführt wurde, dass bei der BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bestünde.

Die Feststellung, dass die BF daher in Gefahr wäre, im Falle einer Rückkehr als IDP in ein entsprechendes Lager gehen zu müssen, stellt eine Konsequenz zu ihren fehlenden sozialen Anknüpfungspunkten in Somalia dar.

Die Feststellung zur Gefährdung der BF, im Falle einer Rückkehr als alleinstehende Frau und Angehörige der sozialen Gruppe der Personen mit Behinderung Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden, ergibt sich aus der Zusammenschau der Feststellungen zur persönlichen Situation der BF als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz in Zusammenschau mit ihren körperlichen Einschränkungen, zumal sie taubstumm ist, und den unter 1.2. festgestellten Länderinformationen. Aus diesen ergibt sich auch, dass staatlicher Schutz nicht gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass die Mutter der BF derzeit die einzige Person ist, mit welcher die BF tatsächlich kommunizieren kann und eine Rückkehr der Mutter der BF nach Somalia aufgrund ihres Asylstatus ausgeschlossen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Trennung der BF von ihrer Mutter diese in eine ausweglose Lage bringen würde. Daher war die entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung zu treffen.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Mutter betreffend die BF keine eigenen Fluchtgründe angeführt hat, ist letztendlich im Einklang mit den Ausführungen in der Beschwerde auszuführen, dass es sich hierbei um eine rechtliche Beurteilung handelt und daher nicht als alleinige Begründung herangezogen werden kann, um davon auszugehen, dass bei der BF keine Fluchtgründe vorliegen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BFA im Hinblick auf die Mutter der BF eine asylrelevante Situation angenommen hat, eine solche jedoch für die BF selbst ausschließt, obwohl die Mutter der BF im Rahmen der Schilderung ihres Fluchtvorbringens sogar angab, dass die Männer der Al Shabaab auch nach ihrer Tochter gefragt haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Die BF muss als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz, die der Gruppe von Personen mit Behinderungen angehört und in Somalia über keine familiären oder clanbezogenen Anknüpfungspunkte verfügt, angesehen werden, für die ein ernstzunehmendes Risiko besteht, sich im Falle einer Rückkehr in einem IDP Lager wiederzufinden. Sie unterliegt damit einer ausreichend wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr als Mitglied der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen und Mitglied der Gruppe von Personen mit Behinderungen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.

3.2.2. Von einer Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden.

3.2.3. Aus den Länderberichten ergibt sich zur Frage nach einer innerstaatlichen Fluchtalternative, dass für alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz und insbesondere Personen mit derartigen Einschränkungen wie bei der BF, eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit nicht gegeben ist. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann außerdem vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der BF nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint; im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im vorliegenden Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Die belangte Behörde hat in den Länderfeststellungen in ihrem Bescheid selbst auf die prekäre, von Gewalt bedrohte Lage junger, alleinstehender Frauen Bezug genommen. Die Behörde hat diese Feststellungen lediglich rechtlich unrichtig beurteilt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,
Schutzunwilligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W268.2181691.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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