TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/29 W261 2187400-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.2019
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Entscheidungsdatum

29.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W261 2187400-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 23.11.2015 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 23.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er aus der Provinz Ghazni stamme, Hazara sei und Afghanistan verlassen habe, weil seine Familie und er von den Taliban bedroht worden seien. Sein Vater sei Koch beim Militär gewesen, er sei bedroht worden, weil er für den Staat arbeite. Er sei entführt worden. Zudem seien der BF und seine Familie als Angehörige der schiitischen Minderheit verfolgt worden.

Aufgrund von Zweifeln an den Altersangaben des BF veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) eine medizinische Volljährigkeitsbeurteilung. Im Gutachten der medizinischen Universität Wien vom 15.08.2016 kommt der medizinische Sachverständige zum Ergebnis, dass das höchstmögliche Mindestalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt (13.08.2016) 19,5 Jahre betragen habe. Das fiktive Geburtsdatum des BF sei der XXXX , der BF sei zum Zeitpunkt der Antragstellung volljährig gewesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 25.08.2016 stellte die belangte Behörde die Volljährigkeit zum Antragszeitpunkt fest.

Am 19.01.2018 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei ledig, seine Familie lebe noch in der Provinz Ghazni. Er habe einen Onkel väterlicherseits in Mazar-e Sharif, eine Tante väterlicherseits, die in der Provinz Ghazni lebt und drei Onkel mütterlicherseits, die im Iran leben würden. Er habe acht Jahre lang die Schule besucht, er habe keinen Beruf erlernt, habe jedoch als Straßenverkäufer und Teppichknüpfer gearbeitet. Er habe Afghanistan verlassen, weil sein Vater für einen Kommandanten gearbeitet habe, dem unterstellt worden sei, dass er die Tochter eines Kontrahenten vergewaltigt habe. Dieser Kontrahent habe im selben Gebiet gelebt und habe auch seinem Vater unterstellt, an der Vergewaltigung beteiligt gewesen zu sein. Der Vater des BF sei von diesem Kontrahenten geschlagen worden. Sein Vater habe sich eine Handfeuerwaffe besorgt und sei nach einigen Tagen nicht mehr wiedergekommen. Sein Vater habe den Sohn dieses Kontrahenten erschossen, so vermute es der BF, denn der Vater sei von diesem Kontrahenten festgenommen und malträtiert worden. Sein Cousin habe den BF gewarnt, dass er in Lebensgefahr sei, da der Vater des BF nicht auffindbar sei. Plötzlich habe der Vater angerufen und angekündigt, dass er wieder nach Hause komme, was jedoch nicht geschehen sei. Da sein Vater nicht zurückgekehrt sei, habe der Cousin die Familie abgeholt und zu sich gebracht. Sein Cousin habe ihm erzählt, dass sein Vater auf dem Weg nach Hause von den Taliban aus dem Bus geholt worden sei, und man seitdem nicht wisse wo er sei. Der Cousin habe den Eindruck gehabt, dass es auch für den BF gefährlich sei, weswegen sie am nächsten Tag einen Schlepper organisiert hätten und der BF sei aus Afghanistan geflohen. Der BF sei nie persönlich bedroht worden, er habe jedoch von seinem Cousin gehört, dass der Kommandant, welcher auch für die Regierung gearbeitet habe, und welcher mit seinem Vater verfeindet sei, geschworen habe, dass er die gesamte Familie umbringen werde. Die Taliban hätten versucht, den BF anzuwerben, das Hauptproblem sei jedoch dieser Kommandant. Es hätten nie Übergriffe gegen seine Person stattgefunden.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass es keine direkte Bedrohung des BF in der Republik Afghanistan gegeben habe. Der BF habe keine Probleme mit Privatpersonen gehabt. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden seines Heimatstaates gehabt, er sei weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe noch der politischen Gesinnung in seiner Heimat von staatlichen Behörden verfolgt worden. Das Vorbringen sei nicht vollinhaltlich glaubhaft und selbst bei unterstelltem Wahrheitsgehalt erreiche es nicht Asylrelevanz. Der BF könne nicht in seine Herkunftsprovinz Ghazni zurückkehren, es stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Es bestehe kein Rückkehrhindernis. Er habe in Österreich kein schützenswertes Privatleben, weswegen eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Der BF erhob mit Eingabe vom 19.02.2018, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der Bescheid vollinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werde. Der BF habe am Verfahren mitgewirkt und alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Die belangte Behörde habe es unterlassen darauf einzugehen, dass der Vater des BF für die Regierung gearbeitet habe, und von den Taliban entführt worden sei. Dem BF werde von den Taliban aufgrund der Tätigkeit seines Vaters eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt, die sich gegen die Vorstellung der regierungsfeindlichen Kräfte richte. Der BF sei im wehrfähigen Alter, er gehöre der sozialen Gruppe der Personen an, welche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Zwangsrekrutierung betroffen sein würden. Der BF sei auch aufgrund seiner Religions- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit ständigen Bedrohungen ausgesetzt. Es sei im Falle einer Rückkehr definitiv eine Gefährdung des BF gegeben und die Furcht vor einer Rückkehr sei begründet. Der BF untermauerte dieses Furcht mit zitierten Länderinformationen. Die belangte Behörde hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem individuellen Vorbringen des BF auseinanderzusetzen. Es drohe ihm im Falle seiner Rückkehr jedenfalls eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK. Der BF wäre im Falle seiner Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen, sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Auch die Provinz Balkh sei unsicher, wie dies die zitierten Länderinformationen belegen würden. Die Sicherheitslage habe sich nach den zitierten Länderinformationen im gesamten Land verschlechtert. Dem BF stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, dass dem BF eine Ansiedlung in Afghanistan, insbesondere in der Stadt Kabul, Herat oder in der Stadt Mazar-e Sharif nicht möglich sei. Dem BF wäre daher subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 27.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Das BVwG führte am 24.09.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 11.09.2018, den Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne und einen Auszug aus der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Dürre in Herat und Mazar-e Sharif vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, führte in seiner Stellungnahme vom 26.09.2019 im Wesentlichen aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor höchst volatil sei, wie dies auch die vorgelegten Länderinformationen belegen würden. Es sei auch die Versorgung mit Lebensmitteln und Wohnraum insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie Unterstützung unzureichend, weshalb diese mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert in ernste Versorgungsschwierigkeiten geraten würden. Im Umland der Stadt Mazar- e Sharif herrsche Dürre, es sei anzunehmen, dass in Mazar- e Sharif die Wasserversorgung unzureichend sei. Es gebe in Afghanistan keine Unterstützung bei Arbeitslosigkeit, weswegen bei mangelndem familiären Rückhalt die Gefahr bestehe, in die Armut abzurutschen. Auch die Stadt Herat sei nicht sicher, Rückkehrer hätten nicht die Möglichkeit, sich in dieser Stadt anzusiedeln. Aufgrund der persönlichen Umstände sei es dem BF nicht zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren.

Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme der belangten Behörde zur Kenntnis. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 04.06.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 23.11.2015 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht und nicht erwerbstätig ist.

Aus dem vom BVwG am 04.06.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.

Das BVwG übermittelte mit Schreiben vom 05.06.2019 ergänzend das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 04.06.2019, Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und ein ecoi.net Themendossier zur Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Sharif, vom 30.04.2019 und räumte den Parteien die Möglichkeit ein hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF führte durch seine bevollmächtige Vertretung in seiner Stellungnahme vom 27.06.2019 im Wesentlichen aus, dass die Herkunftsprovinz des BF, Ghazni, zu den volatilen Provinzen Afghanistans zähle. Dem BF sei es nicht möglich, in diese Provinz zurückzukehren. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative, der BF habe keine Unterstützung zu erwarten. Auch der Onkel, der in Mazar- e Sharif lebe, werde ihn aufgrund der zwischen ihm und seinem Vater bestehenden Grundstückstreitigkeiten nicht unterstützen wollen. Er sei bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif in Gefahr, wegen dern Grundstücksstreitigkeiten Probleme zu bekommen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch der BF wegen dem seinem Vater utnerstellten Mord in Afghanistan zur Rechenschaft gezogen werde. Auch Kabul sei nicht sicher, wie die Länderinformationen belegen würden. Auch nach Herat könne der BF nicht zurückkehren. Er sei im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit einer Gefahr für Leib und Leben konfrontiert, er würde in eine ausweglose Situation geraten. Der BF sei in Österreich sehr gut integriert, wobei noch einmal auf die zahlreichen Bestätigungsschreiben verwiesen werde. Er ersuche, ihm den Status des Asylberechtigten zu gewähren, ihm jedenfalls jedoch subsidiären Schutz zuzuerkennen.

Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme der belangten Behörde zur Kenntnis. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Stadtteil XXXX , im Distrikt Ghazni, in der Provinz Ghazni, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, gesund und ledig. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er versteht Paschtu und kann etwas Englisch und Deutsch. Der BF ist Zivilist.

Der BF besuchte acht Jahre lang die Schule. Er arbeitete als Teppichknüpfer und Straßenhändler.

Der Vater des BF heißt XXXX . Seine Mutter heißt XXXX . Der BF hat Geschwister, einen Bruder, XXXX , er ist ca. 12 Jahre alt, und eine Schwester, XXXX , sie ist ca. 22 Jahre alt. Der Vater des BF war als Koch für einen Regierungskommandanten tätig. Es steht nicht fest, dass der Vater des BF verschollen ist. Die Mutter des BF ist Hausfrau.

Die Mutter und die Geschwister des BF leben beim Cousin väterlicherseits des BF in der Provinz Ghazni. Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie.

Der BF hat einen Onkel väterlicherseits, der in Mazar-e Sharif lebt. Der BF hat eine Tante väterlicherseits, und einen Cousin väterlicherseits, welche in der Provinz Ghazni leben. Der BF hat weitere Verwandte, welche im Iran leben.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses im Heimatdorf des BF.

Der BF reiste im Juli 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien und weitere Staaten nach Österreich, wo er spätestens am 23.11.2015 illegal einreiste und am selben einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von einem mit seinem Vater verfeindeten Kommandanten und/oder den Taliban verfolgt und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Dem BF droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er absolvierte in Österreich erfolgreich die Pflichtschulabschlussprüfung. In seiner Freizeit spielt der BF Fußball und fährt mit dem Rad. Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, kann er in Österreich nicht arbeiten. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden. Der BF wird von seinen Vertrauenspersonen als höflich, freundlich, hilfsbereit und ehrlich beschrieben.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, sofern er nicht bei seinem in Mazar- e Sharif lebenden Onkel wohnen will, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine acht Schulausbildung in Afghanistan, hat in Österreich den Pflichtschulabschluss erfolgreich nachgeholt, weiters hat er bereits jahrelange Berufserfahrung als Teppichknüpfer und Straßenhändler gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.

Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 04.06.2019 (LIB), in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (UNHCR), den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 (EASO 2018) und in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan:

Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo) und im ecoi.net Themendossier vom 30.04.2019 zur Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Sharif (ECOI 2019) enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. (LIB)

1.5.1.1 Herkunftsprovinz Ghazni

Ghazni, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind.

Die Provinz Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv, wobei es in der Provinz kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen kommt.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein. Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Für den Zeitraum 01.01.-15.07.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.07.2017 - 31.01.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert.

Die Provinz Ghazni zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

1.5.1.2 Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein. (EASO 2018)

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. (LIB)

Am 31. März 2019 wurden laut ACLED im Distrikt Nahri Shahi drei "Arbaki"-Kämpfer von Taliban-Kämpfern getötet. Am 27. März 2019 wurde laut ACLED im Dorf Kampirak im Distrikt Nahri Shahi ein afghanischer Polizist von Taliban-Kämpfern getötet und zwei weitere verwundet. Am 27. März 2019 wurden laut ACLED im Distrikt Masar-e Scharif zwei afghanische Polizisten von Taliban-Kämpfern getötet und ein weiterer verwundet. Am 16. März 2019 wurde laut ACLED in der Stadt Masar-e Scharif ein "Arbaki" von Taliban-Kämpfern getötet. Im März 2019 kam es laut RFE/RL in der Stadt Masar-e Scharif zu einem Feuergefecht zwischen der Polizei, die dem einflussreichen ehemaligen Provinzgouverneur Atta Mohammad Noor die Treue hält, und den Streitkräften des Innenministeriums, die geschickt wurden, um einen neuen von Präsident Ashraf Ghani ernannten Polizeichef zu unterstützen. Dabei haben nach Angaben von Krankenhaus-Sprechern mindestens 13 Menschen Schusswunden erlitten, darunter fünf Zivilistlnnen und acht Polizistlnnen.

Am 21. Oktober 2018 wurde berichtet, dass vier Wahlbeobachter im Distrikt Nahr-e Shahi von nicht identifizierten bewaffneten Kämpfern getötet wurden. Am 10. Oktober 2018 griffen Taliban-Kämpfer in der Stadt Masar-e Scharif den Justizminister Syed Mohammad Jafar Misbah und seine beiden Leibwächter an. Der Minister wurde leicht verletzt, seine Leibwächter wurden schwer verletzt. Am 1. September 2018 wurde in Masar-e Scharif laut PAN[v] ein Imam von bewaffneten Männern erschossen. Am 9. August 2018 wurden laut ACLED bei einem Angriff von Taliban-Kämpfern im Shahrak Turkamani-Gebiet im Nahri Shahi-Distrikt drei afghanische Polizisten getötet und ein weiterer verletzt. Am 24. Mai 2018 wurden laut PAN in Masar-e Scharif bei einem Angriff bewaffneter Männer auf einen Polizeikonvoi zwei Personen, darunter ein Gefangener, getötet, sieben weitere Gefangene wurden entführt; ACLED dokumentiert für diesen Vorfall nur eine getötete Person. (ECOI)

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher. (EASO 2018)

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant. (LIB)

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. (LIB)

In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden. (EASO 2018)

Mazar-e Sharif befand sich im Februar 2019 in Phase 2 des von FEWS NET verwendeten Klassifizierungssystems. In Phase 2, auch "Stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und seien nicht in der Lage sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. (ECOI)

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

(LIB)

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der BF zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

(LIB)

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 10-15 % Schiiten, wie es auch der BF ist. (LIB)

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS. (LIB)

1.5.7 Rückkehrer/innen

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden. (LIB)

1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. (LIB)

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. (Landinfo)

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8 wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Mit der Glaubhaftmachung ist demnach die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Der BF gibt als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass sein Vater für den Kommandanten XXXX gearbeitet habe, welcher die Tochter eines feindlichen anderen Kommandanten namens XXXX vergewaltigt habe. XXXX und seine Anhänger seien davon ausgegangen, dass der Vater des BF auch an der Tat beteiligt gewesen sei, weshalb sein Vater bedroht und geschlagen worden sei. Der Vater des BF sei daraufhin eines Tages mit einer Waffe nachhause gekommen. Als er wieder weggegangen sei, sei der Sohn von Kommandanten XXXX ums Leben gekommen. Der BF vermute, dass sein ihn Vater getötet habe. Nach einiger Zeit habe sein Vater wieder nachhause kommen wollen, sei aber von Taliban oder den Anhängern von XXXX festgenommen worden und seither verschollen. Der Cousin des BF habe die Mutter und Geschwister des BF zu sich genommen und dem BF die Ausreise aus Afghanistan organisiert. Der BF befürchte, dass Kommandant XXXX hinter ihm her sei und fürchte auch eine Verfolgung vor den Taliban.

Das Vorbringen des BF ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

In seiner Erstbefragung gab der BF auf die Frage nach seinen Fluchtgründen an, sein Vater habe als Koch beim Militär gearbeitet und sei bedroht und entführt worden, weil er für den Staat arbeite. Der BF und seine Familie seien von den Taliban bedroht worden. Sie seien auch verfolgt worden, da sie Schiiten seien und einer Minderheit angehören.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden.

Dass der BF eine Verfolgung die Vergewaltigung der Tochter des Kommandanten XXXX , den Tod von XXXX Sohn und die Verfolgung seines Vaters - und damit die angeblich tatsächlichen Ausreisegründe des BF aus Afghanistan - zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, sondern die Verfolgung seines Vaters mit dessen Tätigkeit beim staatlichen Militär begründete, ist für das BVwG jedoch nicht nachvollziehbar. Dabei ist hervorzuheben, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftssaat geflüchtet zu sein, über wesentlich Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (VwGH 08.07.1993, 92/01/1000; 30.11.1992, 92/01/0832; 20.05.1992, 92/01/0407; 19.09.1990, 90/01/0133).

Der BF steigerte sein Vorbringen auch in der Folge noch weiter und gab in der Einvernahme vor der belangten Behörde erstmals an, die Taliban hätten gewollte, dass er für sie arbeite (vgl. S 11 der Einvernahme vor dem BFA). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG änderte er diese Angabe insoweit, als er angab, die Taliban hätten gewollt, dass er am Religionsunterricht teilnehme (vgl. S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). In der Stellungnahme vom 27.06.2019 brachte er schließlich erstmals vor, dass er auch befürchte, von seinem Onkel in Mazar-e Sharif wegen Grundstücksstreitigkeiten, die sein Vater mit diesem Onkel gehabt haben will, bedroht werde. Diese Steigerung seines Fluchtvorbringens ist nach Ansicht des BVwG zumindest als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Vorbringen zu werten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF, trotz mehrmaliger Möglichkeit, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen, diese bei jeder Befragung änderte und ergänzte.

Darüber hinaus blieb der BF bei der Schilderung seines Fluchtvorbringens äußerst vage, schilderte dieses ohne Erlebnisdetails und stützte sich betreffend die fluchtauslösenden Vorfälle ausschließlich auf Hörensagen. Der BF beschränkte sich dabei vielfach auf Vermutungen und berief sich wiederholt auf die Erzählungen seines Cousins. Der BF gab an zu glauben, aber nicht zu wissen, dass sein Vater XXXX Sohn getötet habe. Er war weiters nicht im Stande widerspruchsfrei anzugeben, wie die angebliche Verschleppung des Vaters abgelaufen oder wer dafür verantwortlich gewesen sei. Auf die Frage, ob er jemals persönlich von den Taliban bedroht worden sei, gab der BF vor der belangten Behörde zuerst an, die Taliban hätten auf dem Weg zur Schule von ihm verlangt, für sie zu arbeiten. Er sei deshalb auch nicht mehr zur Schule gegangen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG antwortete er auf die gleiche Frage, dass die Taliban gewollt hätten, dass der BF und andere Jungen am Religionsunterricht teilnehmen, um bereits im nächsten Satz von einem Jungen namens XXXX zu erzählen, der von den Taliban getötet worden sei, weil er ein Handy gehabt habe. Eine tatsächliche Bedrohung der Taliban konnte er damit nicht glaubhaft darlegen, er selbst gab auf weitere Befragung auch an, sein Hauptproblem seien nicht die Taliban, sondern XXXX (vgl. S 11 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA und S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG). Jedoch gelang es dem BF auch nicht, eine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung durch den Kommandanten XXXX und dessen Leute vorzubringen. Vor dem BFA bestätigte er selbst, nicht direkt von XXXX oder seinen Leuten bedroht worden zu sein, sondern gab an, sein Cousin habe gehört, dass XXXX geschworen habe, dass er die gesamte Familie des BF ausrotten werde (vgl. S 11 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA). Es habe Gerüchte darüber gegeben, man habe die Sachen "halt mitbekommen" (vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG). Damit habe laut dem BF nicht einmal der Cousin selbst eine Bedrohung wahrgenommen, sondern habe auch dieser nur von einer solchen gehört. Selbst der Entschluss zum Verlassen seines Herkunftslandes ging nicht vom BF aus (S 12 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA: "Mein Cousin sagte mir, ich solle nach England."; S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG: "Mein Cousin hat mir gesagt, dass mein Vater ein Mörder sei, und ich soll so schnell wie möglich von dort flüchten, wenn nicht, werden sie mich töten.). Dass der BF aus Furcht vor persönli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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