Entscheidungsdatum
31.07.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G308 2008763-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH sowie den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.04.2019,
Zahl XXXX, betreffend die Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 17.01.2014 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2. Am 17.01.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt. Neben seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus Bagdad und gehöre der Volksgruppe der Araber sunnitisch-moslemischen Glaubens an.
3. Am 20.03.2014 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.05.2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG bezogen auf seinen Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine bis 10.02.2015 gültige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).
Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesamt im Wesentlichen mit der im Irak herrschenden instabilen allgemeinen Sicherheitslage.
5. Die gegen die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.03.2016 mit Erkenntnis vom 13.09.2016, L507 2008763-1, abgewiesen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe in Österreich inzwischen die Matura nachgeholt und, dass seine Eltern und Geschwister allesamt inzwischen in der Türkei leben würden.
6. Am 02.03.2015 beantragte der Beschwerdeführer zudem erstmals beim Bundesamt die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.03.2015 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bis 10.02.2017 verlängert.
7. Am 12.01.2017 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bis 10.02.2019 verlängert.
8. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX2018, XXXX, rechtskräftig am XXXX2018, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Das Urteil liegt im Verwaltungsakt ein (AS 427 ff).
9. Am 21.12.2018 beantragte der Beschwerdeführer zum dritten Mal die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter.
10. Mit Schreiben der bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 08.01.2019 wurde neuerlich die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter beantragt. Mit dem Antrag wurden nachfolgende Unterlagen und Bescheinigungen vorgelegt:
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Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs am 07.10.2016 (AS 441)
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Deutschkursbestätigung Alphabetisierung 2014_2015 des bfi vom 23.01.2015 (AS 442)
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Abgangsbescheinigung der Technischen Universität XXXX aus dem Vorstudienlehrgang vom 19.09.2017 (AS 443)
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ÖSD Deutsch-Zertifikat B1 vom 22.08.2017 (AS 443)
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Studierendenausweis - Technische Universität XXXX sowie österreichischer Führerschein (AS 445)
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Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers vom 01.11.2018 als Mietwagenlenker im Ausmaß von 45 Wochenstunden und einem Gehalt in Höhe von EUR 1.235,00 brutto (AS 446 ff)
11. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt darüber informiert, dass es im Irak mittlerweile Gebiet gebe, welche eine Rückkehr ohne Gefährdung seiner Rechte nach der EMRK ermöglichen würden, sodass von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung seines Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG eingeleitet worden sei. Dazu werde er um schriftliche Beantwortung der in diesem Schreiben angeführten Fragen ersucht und zugleich wurden ihm die aktuellen allgemeinen Länderberichte zum Irak mit Stand 20.11.2018 zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übermittelt.
12. Der Beschwerdeführer nahm dazu mit einem undatierten, am 03.04.2019 beim Bundesamt per Fax einlangenden, Schreiben Stellung und gab an, er habe sich zuletzt im Mai 2013 im Irak aufgehalten und würde dort keine engeren Familienangehörigen mehr leben, sondern nur weit entfernt verwandte Clanmitglieder. Er habe auch keinerlei Kontakt zu früheren Freunden im Irak, diese würden sich alle in Österreich aufhalten. In Österreich habe er an einer arabischen Schule die Matura nachgemacht und danach den Vorstudienlehrgang an der Technischen Universität besucht, jedoch keine Prüfungen absolviert. Er habe in Österreich die Führerscheinprüfung absolviert und verfüge über ein Deutschzertifikat auf Niveau B1. Er sei weiters sozialversicherungspflichtig erwerbstätig, erhalte keine Sozialleistungen, habe keine Kredite und keine Angehörigen. Er sei ledig, habe keine Kinder und keine Sorgepflichten, aber eine Freundin. Er lebe in einer Wohngemeinschaft mit einem Freund, sei gesund und durch seine Erwerbstätigkeit kranken- und unfallversichert. Vor seiner Ausreise habe er bei einem Onkel in "XXXX" im Irak gelebt. Das sei etwa 160 km von Bagdad entfernt. Er spiele mit Freunden gelegentlich Fußball, jedoch nicht im Verein. Dies erlaube seine Berufstätigkeit im Schichtdienst nicht.
Er sei weder verwaltungsrechtlich noch strafrechtlich vorbestraft. Dazu wurde ein Strafregisterauszug vom 04.10.2018 zur Vorlage gebracht, sowie Lohn-/Gehaltszettel vom Jänner und Februar 2019.
13. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 09.04.2019, der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers am 11.04.2019 zugestellt, wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 12.05.2014, Zahl XXXX, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG vom 08.01.2019 abgewiesen (Spruchpunkt II.), im ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei sunnitischer Moslem und stamme aus Bagdad. Ihm sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der Situation im Irak zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, konkret aufgrund einer Gefahr der körperlichen Sicherheit bzw. des Lebens des Beschwerdeführers, zuerkannt worden. Obschon die Lage im Irak teilweise nach wie vor prekär sei, stehe einer sicheren Rückkehr in manche Gebiete und dem Aufbau einer gesicherten Existenz inzwischen nichts entgegen. Er sei in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu finanzieren. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und sei auch im Irak in der Lage gewesen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Der Beschwerdeführer verfüge weiters übers soziale Anknüpfungspunkte im Irak. Eine Rückkehr sei zumutbar und möglich. Hingegen sei er in Österreich zwar vollzeitbeschäftigt, habe aber keine relevanten privaten sowie familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und liege eine maßgebliche Integration nicht vor.
Die belangte Behörde traf sodann auszugsweise allgemeine Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Irak.
Im Zuge der Beweiswürdigung stellte das Bundesamt sodann disloziert fest, dass laut einem Medienbericht die Stadt Tikrit [Provinz Salah al-Din, Anm.] als Vorbild gesellschaftlicher Stabilisierung zu sehen sei. Dazu zitiert das Bundesamt einen Internetartikel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 01.07.2016. Weiters stellte das Bundesamt fest, dass nach Medienberichten auch Mossul [Provinz Ninewa, Anm.] befreit und Ost-Mossul durch die irakische Armee vollständig erobert worden sei und viele Menschen bereits nach Mossul zurückkehren würden. Dazu zitiert das Bundesamt Internetartikel der "Tagesschau" vom 25.01.2017, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 23.01.2017 und des "Kurier" vom 19.05.2017.
Es sei weiters amtsbekannt, dass die Anzahl freiwilliger Rückkehrer in den Irak ständig ansteige, weshalb das Bundesamt davon ausgehe, dass die Lage im Irak nicht in allen Landesteilen derart gravierend schlecht sein könne, dass schlechthin jedem, der zurückkehre, der sichere Tod drohe. Dies treffe gegenständlich auch auf den Beschwerdeführer zu und befänden sich auch seine Familienangehörigen nach wie vor im Irak.
Weiters stellt das Bundesamt disloziert fest, dass die freiwillige Rückkehr in den Irak aus Österreich über Vermittlung entsprechender Rückkehrberatungseinrichtungen möglich und mit finanzieller Unterstützung möglich sei. Dazu zitiert das Bundesamt Rückkehrzahlen aus 2015 und 2016 bzw. Rückkehrprojekte aus den Jahren 2012 bis 2014. Schließlich trifft das Bundesamt noch in der Beweiswürdigungen Feststellungen zur innerstaatlichen Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit im Irak basierend auf einem Bericht des British Home Office vom 24.12.2014 in der Fassung vom 22.10.2015 und führt dort zusammengefasst aus, dass gewisse irakische Personaldokumente unerlässlich für eine Niederlassung, Registrierung und den Zugang zu Lebensmittelrationen seien. Ohne solche Dokumente komme es zu Problemen beim Passieren von Checkpoints und der Registrierung bzw. bei der Erlaubnis zur Niederlassung, was in der Folge auch zu Einschränkungen beim Bezug staatlicher Leistungen führe.
Zusammengefasst würde sich ergeben, dass es allgemein- und amtsbekannt sei, dass die Flughäfen "außerhalb des vom IS besetzten Gebiets im Irak" ohne Einschränkungen in Betrieb standen und stehen würden, woraus sich die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Irak praktisch möglich sei, zwingend ergebe. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme im Jahr 2014 angegeben habe, dass sich seine Angehörigen alle im Irak befinden würden, seien seinen nunmehrigen Angaben in der schriftlichen Stellungnahme [aus dem Jahr 2019; Anm.], dass er keine Anknüpfungspunkte mehr im Irak verfüge, nicht glaubhaft.
Rechtlich führte das Bundesamt sodann aus, dass dem Beschwerdeführer inzwischen die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 AsylG offen stehe. Er könne beispielsweise in den kurdischen Gebieten, in Mossul oder in Bagdad Schutz finden, ohne der von ihm in seinem Antrag auf internationalen Schutz geltend gemachten Bedrohung ausgesetzt zu werden. Diese Gebiete seien problemfrei über irakische Flughäfen erreichbar und würde der Beschwerdeführer angesichts seines Alters, Geschlechtes, seines Gesundheitszustandes und seiner Ausbildung sowie seiner Arbeitsfähigkeit, seines ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrundes sowie schließlich seiner bestehenden familiären Anknüpfungspunkte auch nicht Gefahr laufen, in eine aussichtslose Lage zu geraten. Er gehöre der Mehrheitsbevölkerung an und könnten ihm die im Irak lebenden Angehörigen Unterstützung und Unterkunft bieten. Es sei auch eine Beständigkeit bzw. Nachhaltigkeit der Verbesserung der allgemeinen Lage im Irak insbesondere in Kurdistan und in Mossul zu verzeichnen. Angesichts des erst kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet und der aufrechten Beziehung zu seinen im Irak wohnhaften Angehörigen gehe die erkennende Behörde noch nicht davon aus, dass er im Bundesgebiet ein maßgebliches Privatleben führe, dass einer Rückkehrentscheidung entgegenstünde. Seinen sozialen Kontakten in Österreich sei es unbenommen, ihn im Irak zu besuchen oder über das Internet bzw. Telefon Kontakt zu halten. Für eine Fortsetzung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet spreche lediglich, dass er "mutmaßlich gewillt" sei, im Bundesgebiet zu bleiben und er sich legal im Bundesgebiet aufhalte. Dagegen spreche jedoch, dass er kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet führe, nur kurze Zeit aus dem Irak abwesend gewesen sei und daher nach wie vor eine Bindung zum Herkunftsstaat anzunehmen sei und die strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. Eine Rückkehrentscheidung sei zulässig.
14. Gegen diesen Bescheid wurde sowohl mit Schriftsatz vom der ARGE-Rechtsberatung vom 02.05.2019 als auch mit Schriftsatz des MigrantInnenvereins St. Marx vom 06.05.2019 jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
15. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 10.05.2019 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014,
Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat.
Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch unterlassen worden.
3.2. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft bzw. wurde in wesentlichen Punkten gar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt:
3.2.1. Der mit "Status des subsidiär Schutzberechtigten" betitelte § 8 AsylG 2005 lautet:
"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Der mit "Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten" betitelt § 9 AsylG 2005 lautet:
"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."
Der mit "Ermittlungsverfahren" betitelt § 18 AsylG 2005 lautet:
"§ 18. (1) Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
(2) Das Bundesamt hat, sofern es sich bei einem Asylwerber um einen unbegleiteten mündigen Minderjährigen handelt, eine Suche nach dessen Familienangehörigen im Herkunftsstaat, in einem Drittstaat oder Mitgliedstaat nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten durchzuführen. Das Bundesamt hat im Falle von unbegleiteten unmündigen Minderjährigen diese auf deren Ersuchen bei der Suche nach Familienangehörigen zu unterstützen.
(3) Im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers ist auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen."
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet auszugsweise:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
[...]"
Gemäß § 37 erster Satz AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Gemäß § 39 Abs. 1 AVG sind für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Verwaltungsvorschriften maßgebend. Dazu sieht § 39 Abs. 3 erster Satz AVG vor, dass, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen hat. Dabei hat sich die Behörde bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (vgl § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG).
Gemäß § 45 Abs. 1 AVG bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Im Übrigen hat die Behörde nach Abs. 2 leg. cit. unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Den Parteien ist überdies gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
3.2.2. Für das Verfahren vor dem Bundesamt gilt daher sowohl das Amtswegigkeitsprinzip gemäß § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung des Parteiengehörs iSd. § 45 Abs. 3 AVG.
Das Recht auf Parteiengehör bezieht sich auf den von der Behörde gemäß § 37 AVG festzustellenden maßgebenden Sachverhalt. Den Parteien ist daher gemäß § 37 iVm § 45 Abs. 3 AVG das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vorzuhalten, das sind insbesondere all jene rechtserheblichen Tatsachen, die das zuständige Organ als erwiesen erachtet (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 15.10.2014, 2013/08/0087).
Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Die Behörde ist auch nicht gehalten, die Partei zu der von ihr vertretenen Rechtsansicht anzuhören, ihr also mitzuteilen, welche Vorgangsweise sie in rechtlicher Hinsicht auf Grund des als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes ins Auge fasst (vgl VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mit Verweis auf VwGH vom 25.02.2010, 2008/18/0411; vom 27.04.2011, 2010/08/0091; vom 31.01.2013, 2011/23/0432; Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 25 f, mwN).
3.2.3. Das Bundesamt nimmt ohne nähere Begründung eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer in Mossul, Kurdistan und "Bagdad" an, wobei der Beschwerdeführer ja aus Bagdad stammt. Sie setzt sich überhaupt nicht mit den im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen bezogen auf diese drei Orte bzw. Gebiete auseinander und trifft stattdessen in der Beweiswürdigung dislozierte zusätzliche Feststellungen, die etwa hinsichtlich der Lage in "Tikrit" keinen Bezug zu den gegenständlich ins Treffen geführten Orten einer möglichen Rückkehr aufweisen und weiters veraltet sind, da diese auf Berichten aus den Jahren 2015 bis 2017 basieren. Das Bundesamt hat sich weder mit der konkreten, aktuellen Sicherheitslage in Bagdad oder den von ihr angeführten innerstaatlichen Fluchtalternativen auseinandergesetzt, noch hat es konkrete Feststellungen dazu getroffen, welche Voraussetzungen der Beschwerdeführer konkret erfüllen müsste (etwa Bürgschaft durch Angehörige bzw. Ortsansässige, nötige Dokumente, sonstige Voraussetzungen, wie Sicherheitschecks), dass er sich dort jeweils niederlassen könnte und wie sich die dortige Versorgungslage konkret für den Beschwerdeführer darstellt und ob er tatsächlich Zugang zu Unterstützungsleistungen erhalten könnte, zumal der Beschwerdeführer den Sunniten angehört und sich für diese tendenziell schwierigere Rückkehrbedingungen ergeben können.
Der Beschwerdeführer hat bereits in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im März 2016 ausgeführt, über keine familiären Bindungen mehr im Irak zu verfügen, da seine Familie nunmehr in der Türkei lebe. Ohne ein Ermittlungsverfahren dazu durchzuführen, geht das Bundesamt gegenständlich aber weiterhin und aktenwidrig davon aus, dass der Beschwerdeführer über tragfähige familiäre Bindungen im Irak verfügt, noch dazu ohne anzuführen, um welche Angehörigen es sich dabei handeln soll und wo diese leben. Auch hat das Bundesamt keine Ermittlungen dazu durchgeführt, ob diese - allenfalls im Irak noch vorhandenen Angehörigen - ihm auch tatsächlich Unterkunft oder Unterstützung gewähren würden. Aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich zudem nicht, dass der Beschwerdeführer jemals über familiäre oder sonstige Bindungen in Mossul oder Kurdistan verfügt hätte. Das Bundesamt hat demnach Regionen festgestellt, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative darstellen sollen, ohne sich mit der konkreten Lage des Beschwerdeführers und der aktuellen Sicherheitslage 2018/2019 auseinanderzusetzen.
Einen Vergleich der Lage im Irak zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. dessen zweimaliger Verlängerung mit der aktuellen Lage lässt der Bescheid ebenso vermissen. Das Bundesamt hat keinerlei Feststellungen dazu getroffen, weshalb sich seiner Ansicht nach die allgemeine Lage derart nachhaltig verbessert haben soll, dass nunmehr eine Rückkehr für den Beschwerdeführer einerseits gefahrlos und andererseits faktisch tatsächlich möglich und zumutbar sein sollte.
Das Bundesamt hat auch kein bzw. ein äußerst mangelhaftes Ermittlungsverfahren zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich durchgeführt und trotz seines fünfeinhalbjährigen Aufenthalts, seiner legalen Erwerbstätigkeit und den nachgewiesenen Sprachkenntnissen auf Niveau B1 lapidar ausgeführt, dass aufgrund des "kurzen Aufenthalts" im Bundesgebiet nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer ein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet führen würde. Dazu, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nach den Angaben in der schriftlichen Stellungnahme eine Freundin hat, wurden vom Bundesamt überhaupt keine Ermittlungen durchgeführt.
Weiters hat das Bundesamt die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu seinem Nachteil berücksichtigt, ohne ihm diese jemals vorzuhalten.
Der Beschwerdeführer wurde vor dem Bundesamt ein einziges Mal im März 2014 niederschriftlich einvernommen. Aus dem Verwaltungsakt geht auch nicht hervor, dass das Bundesamt den Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich zu einer Einvernahme geladen hätte.
Aktuelle Informationen über das tatsächliche Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers lagen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nur in Grundzügen vor und hätten weiterer Ermittlungen bedurft, um einen maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können.
Das Bundesamt hat es daher unterlassen den konkreten, für die rechtliche Beurteilung nötigen, Sachverhalt zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, seinem persönlichen Vorbringen und seinem Privat- und Familienleben in Österreich zu erheben. Mangels Erhebung des konkreten Sachverhalts ist eine nachfolgende rechtliche Beurteilung nicht möglich.
3.3. Mit Blick auf die in Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze, insbesondere jenes der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit, (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren9 (2011), Rz 315ff), wonach die belangte Behörde zur amtswegigen Ermittlung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes verpflichtet ist, wäre es der belangten Behörde mit Hinblick auf ihre mangelhaften Ermittlungen und unterlassenen Feststellungen sohin verwehrt gewesen, den gegenständlichen Sachverhalt als im Sinne eines umfassenden Ermittlungsverfahrens hinreichend geklärt anzusehen. Die belangte Behörde hätte hinreichende Feststellungen zu treffen, diese zu begründen und durch Subsumtion des erhobenen Sachverhaltes unter die einschlägigen rechtlichen Normen eine Entscheidung zu treffen und diese hinreichend und nachvollziehbar zu begründen gehabt. (vgl. VwGH 13.2.1991, 90/03/0112; 17.8.2000, 99/12/0254; 3.9.2002, 2002/09/0055: wonach rechtliche Beurteilungen auf getroffene Feststellungen zu beruhen haben.)
Da die belangte Behörde all dies jedoch unterlassen hat, erweist sich deren Entscheidung sohin als gravierend mangelhaft.
3.4. Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit in Summe gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.
Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren vor dem Bundesamt mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weitreichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des Bundesverwaltungsgerichtes als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
3.5. Insbesondere zum Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet wird das Bundesamt in Anbetracht des über fünfeinhalbjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers, seiner Erwerbstätigkeit und Deutsch-Kenntnisse sowie der von ihm angeführten Beziehung weitere Ermittlungen zu tätigen und diese Umstände im Sinne des § 9 BFA-VG auch angemessen zu würdigen haben.
3.6. Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das Bundesamt als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren die oben dargelegten Ermittlungsschritte vorzunehmen und den dabei erhobenen Sachverhalt sowie die vorgelegten Beweismittel, mit Setzung von weiteren, über die bisherigen Ermittlungsschritte hinausgehenden, Ermittlungsschritten rechtlich unter die konkret anzuwendenden Normen zu subsumieren und zu würdigen haben.
3.7. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2008763.2.00Zuletzt aktualisiert am
18.10.2019