Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Sysel in der Strafsache gegen Kazbeck B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andre D***** sowie die Berufungen der Angeklagten Kazbeck B***** und Achmed Da***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Geschworenengericht vom 29. März 2019, GZ 13 Hv 150/18i-54, ferner über die Beschwerde des Angeklagten D***** gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Andre D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Andre D***** jeweils eines Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB (III 1) und nach § 102 Abs 2 (Z 1) StGB (III 2), der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (III 3) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 (zweiter Fall) StGB (III 4), weiters mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III 5), eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1, Z 3 WaffG (III 6) sowie mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (III 7 und 8) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten.
Nach Vorlesung der an die Geschworenen zu richtenden Fragen (§ 310 Abs 1 zweiter Satz StPO) erklärte dieser (durch seinen Verteidiger), den „Antrag“ zu stellen, „dass die Fragen an die Geschworenen so zu formulieren sein sind, dass sich daraus der Tatbestand des Delikts ergibt“ (ON 48 S 34).
Aus Z 4 rügt die Beschwerde, das „Erstgericht“ (richtig: der Schwurgerichtshof; vgl ON 48 S 34) habe diesen „gemäß § 310 StPO gestellten“ „Antrag auf Abänderung“ zu Unrecht abgewiesen und dadurch diese Bestimmung verletzt, sodass „die Nichtigkeit des Verfahrens“ vorliege.
§ 310 StPO bedroht jedoch ausschließlich die Verletzung des Gebots, die an die Geschworenen zu richtenden Fragen zu verlesen, mit Nichtigkeit (Abs 1 zweiter Satz, Abs 3 zweiter Satz leg cit). Durch den von der Beschwerde relevierten Vorgang wurde daher keine Bestimmung (in der Hauptverhandlung) verletzt oder missachtet, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (§ 345 Abs 1 Z 4 StPO; Lässig, WK-StPO § 310 Rz 8).
Umgekehrt ist es unter dem Aspekt der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO bedeutungslos, ob (und in welcher Weise) der Beschwerdeführer von seinem in § 310 Abs 3 erster Satz StPO normierten Antragsrecht Gebrauch gemacht hat (RIS-Justiz RS0100406).
Mit (erneuter) Kritik am Unterbleiben einer seinem Begehren – das im Übrigen jede Bestimmtheit vermissen ließ – entsprechenden „Abänderung oder Ergänzung der Fragen“ verfehlt die Fragenrüge (Z 6) daher den Bezugspunkt der Anfechtung.
Durch die (pauschale) Behauptung, dass „eine Verfahrensvorschrift der §§ 312 bis 317 StPO verletzt“ worden sei, wird – in Ermangelung einer Darlegung, weshalb und in welcher Hinsicht dies der Fall gewesen sein soll – ein (angeblich) Nichtigkeit begründender Tatumstand nicht deutlich und bestimmt (§§ 344, 285a Z 2 StPO) bezeichnet (zur gesetzeskonformen Ausführung einer Fragenrüge siehe Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).
Ebenso wenig wird mit dem Vorbringen (nominell Z 6), „aus den Fragen an die Geschworenen“ ergäbe sich „nicht ein Tatbestand“, deutlich und bestimmt (§§ 344, 285a Z 2 StPO) vorgebracht, dass (und inwieweit) der – in Beantwortung dieser Fragen ergangene – Wahrspruch der Geschworenen den Schuldspruch nicht trüge (Z 11 lit a oder 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
An die (unter Zugrundelegung des Wahrspruchs zu den Hauptfragen XVI, XVII und XVIII) – dem Angeklagten D***** nicht zum Nachteil gereichend – verfehlte Subsumtion (Z 12) der vom Schuldspruch III 6 umfassten Tat nach Z 1 und 3 (anstelle der Z 2), der vom Schuldspruch III 7 umfassten Tat nach Z 2 (anstelle der Z 3) und der vom Schuldspruch III 8 umfassten Tat nach Z 2 (anstelle der Z 1 und 3) jeweils des § 50 Abs 1 WaffG ist das Oberlandesgericht dabei (aufgrund der hier getroffenen Klarstellung) nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
Keinen Anlass zu amtswegigem Vorgehen fand der Oberste Gerichtshof auch in der (bloß) fehlerhaften Subsumtion (Z 12) der vom Schuldspruch des Mitangeklagten Markus B***** (IV 1 und 2) – der das Urteil unbekämpft ließ – umfassten (einzigen) Tat: Unter Zugrundelegung des Wahrspruchs zur Eventualfrage VII und zur Hauptfrage XXI wurden dadurch nicht „die“ Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 12 dritter Fall, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (US 31), sondern ein solches Verbrechen nach §§ 12 dritter Fall, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 2 StGB verwirklicht. Angesichts der zutreffend nach § 145 Abs 1 StGB vorgenommenen Strafrahmenbildung und des Umstands, dass sich der Rechtsfehler auch bei der Strafbemessung nicht zum Nachteil dieses Angeklagten auswirkte (US 41), hat es mit diesem Hinweis sein Bewenden.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E126342European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00109.19T.1008.000Im RIS seit
18.10.2019Zuletzt aktualisiert am
18.10.2019