TE Vfgh Beschluss 1996/11/25 G255/96, G256/96, G257/96, G258/96, G259/96

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Veröffentlicht am 25.11.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Tir RaumOG 1994 §15 ff

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des Tir RaumOG 1994 betreffend Freizeitwohnsitze mangels Legitimation

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Durch §§15 bis 16a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. für Tirol 81/1993, idF der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. für Tirol 4/1996 (im folgenden: TROG 1994), wird - ungeachtet der (hier unbeachtlichen) Übergangsbestimmung des §110 - die Errichtung von Gebäuden, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, ausgeschlossen. Gleiches gilt grundsätzlich für Zubauten bzw. Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen werden. Lediglich die Vergrößerung bestehender Freizeitwohnsitze ist in eingeschränktem Ausmaße erlaubt. "Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes" (§15 Abs2 leg.cit.) bestehende Freizeitwohnsitze unterliegen einer Anmeldung gemäß §16 TROG 1994 und Wohnsitze dürfen überdies nur in sehr eingeschränkter Weise als Freizeitwohnsitze benützt werden (vgl. §15 Abs3 leg.cit.). Bei gesetzwidriger Verwendung von Freizeitwohnsitzen droht eine Verwaltungsstrafe bis zu S 500.000,-- (§15 Abs6, 7 und 8 TROG 1994).

Der hier vornehmlich maßgebliche §16a Abs3 des TROG 1994 hat folgenden Wortlaut:

"§16a

Verbot neuer Freizeitwohnsitze,

Wiederaufbau und Erweiterung

bestehender Freizeitwohnsitze

(1) (Neubauten) ...

(2) ...

(3) Zubauten und Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen, sind nur mehr insoweit zulässig, als dadurch die Baumasse des betreffenden Freizeitwohnsitzes um insgesamt nicht mehr als 25 v. H., höchstens jedoch um 30 m3, vergrößert wird. Maßgebend ist die Baumasse des auf Grund der Feststellung nach §16 Abs2 oder der Ausnahmebewilligung nach §15 Abs3 rechtmäßig bestehenden bzw. bei einem Neubau nach Abs2 des danach rechtmäßig bestandenen Freizeitwohnsitzes. Zubauten und Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die selbständige Freizeitwohnsitze neu geschaffen werden sollen, sind nicht mehr zulässig.

(4) ...

(5) ..."

2. Mit ihren auf Art140 Abs1 B-VG gestützten - weitgehend identen, durch denselben Rechtsvertreter eingebrachten - Anträgen begehren die Antragsteller jeweils,

"§16 a Abs3 TROG 1994 (idF LGBl. 4/1996) zur Gänze, in eventu in §16 a Abs3 TROG 1994 (idF LGBl. 4/1996) die Worte 'Zubauten und' und 'durch die bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen, sind nur mehr insoweit zulässig, als dadurch die Baumasse des betreffenden Freizeitwohnsitzes um insgesamt nicht mehr als 25 v.H., höchstens jedoch um 30 m3, vergrößert wird,' in eventu in §16 Abs3 TROG 1994 (idF LGBl. 4/1996) die Worte 'Zubauten und' als verfassungswidrig aufzuheben."

Sämtliche Antragsteller sind dem Antragsvorbringen zufolge Eigentümer von Wohnungen in Kitzbühel - die Antragsteller zu G255/96 von je zur Hälfte fünf, die zu G256/96 und G259/96 antragstellende Gesellschaft von insgesamt 28 Wohnungen; die Antragstellerin zu G257/96 von einer und diejenige zu G258/96 schließlich von zehn Wohnungen - die "ordnungsgemäß als Freizeitwohnsitz angemeldet" worden seien. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen alle Antragsteller jeweils aus, daß sie beabsichtigten, das "gegenständliche Haus" bzw. die "gegenständliche Wohnung" zu erweitern,

"damit infolge des Umstandes, daß die Wohnungsbenutzer sich in familiärer Hinsicht durch Vergrößerung der Familie verändert haben, zusätzliche Räume geschaffen werden, da die bisherigen Wohnungen für die Größe der Familien, die sie bewohnen, zu eng geworden sind. Eine Erweiterung eines derartigen Freizeitwohnsitzes über einen geringfügigen in der Novelle LGBl. 4/1996 beschriebenen Umfang hinaus ist nicht zulässig. Die Antragsteller beabsichtigen konkret und aktuell, das gegenständliche Wohnhaus (bzw. die gegenständliche Wohnung) durch Aufstockung, An- und Zubau zu vergrößern, damit die bestehenden Wohnungen den von ihnen bewohnten Familien ausreichend Platz bieten.

... Die Antragstellerin beabsichtigt konkret und aktuell eine sinnvolle bauliche Maßnahme, nämlich die Vergrößerung ihres Zweitwohnsitzes im Hinblick auf die Vergrößerung ihrer Familie.

...

Gemäß §16 a Abs3 TROG 1994 idF LGBl. 4/1996 ist eine Vergrößerung des bestehenden Freizeitwohnsitzes um höchstens 30 m3 Baumasse, was - je nach Raumhöhe - einer Wohnfläche von ca.

10 - 15 m2 entspricht, zulässig.

   Gemäß §16 a Abs3 TROG 1994 idF LGBl. 4/1996 darf eine

Baubewilligung für den geplanten Neubau im Ausmaß von ca.

100 - 120 m2 nicht erteilt werden. Ein Bescheid, mit dem entgegen

§16 a Abs3 die Baubewilligung erteilt wird, würde gemäß §16 a Abs5 an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leiden."

Weiters führen die Antragsteller aus, daß Bauverfahren nicht anhängig seien. Abgesehen von einem eindeutig als unzumutbar angesehenen Verwaltungsstrafverfahren bestünde für die Antragsteller nur die Möglichkeit, die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen bewirkte Rechtsverletzung über ein - "im Hinblick auf die schwebende Unwirksamkeit des Kaufvertrages" von den Antragstellern zu unterfertigendes - förmliches Bauansuchen nach den §§27 und 28 der Tiroler Bauordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die Antragsteller müßten diesfalls allein zum Zweck der Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen die nach der Tiroler Bauordnung für ein Bauansuchen erforderlichen Planunterlagen durch einen Architekten anfertigen lassen, was der Verfassungsgerichtshof nach ständiger Judikatur als unzumutbar werte.

Die einzelnen Anträge enthalten darüber hinaus Darlegungen zur Rechtslage und jene Erwägungen, aus welchen das bekämpfte Gesetz bzw. die bekämpften Regelungen als verfassungswidrig erachtet werden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge, die er in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden hat, erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

Kraft §62 Abs1 VerfGG 1953 hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Es ist daher Prozeßvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG, daß sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Normen im einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8594/1979, 11610/1988). Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich ausschließlich auf die Behauptung des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985, 11610/1988).

2. Das ergibt für die vorliegenden Anträge:

2.1. Antrag auf Aufhebung des §16a Abs3 TROG 1994 zur Gänze:

Die Antragsteller tun nicht einmal ansatzweise dar, warum sie von dieser Bestimmung, die ua. auch Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden verbietet, was den vorliegenden Anträgen zufolge gar nicht intendiert ist, betroffen sein sollen. Insoweit leidet dieser Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (vgl. VfSlg. 13717/1994).

2.2. (Eventual-)Antrag auf Aufhebung der Worte "Zubauten und" und "durch die bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen, sind nur mehr insoweit zulässig, als dadurch die Baumasse des betreffenden Freizeitwohnsitzes um insgesamt nicht mehr als 25 v.H., höchstens jedoch um 30 m3, vergrößert wird" sowie (Eventual-)Antrag auf Aufhebung (bloß) der Worte "Zubauten und" in §16a Abs3 TROG 1994:

Da die Wortfolge "Zubauten und" in §16a Abs3 TROG 1994 zweimal enthalten ist, nämlich im ersten und im dritten Satz dieser Bestimmung, fehlt es diesen Anträgen an der von §62 Abs1, erster Satz, VerfGG 1953 geforderten, ohne jeden Zweifel über den Umfang des Aufhebungsantrages ausschließenden Grenzziehung. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht befugt, Gesetzesvorschriften aufgrund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen(teile) der Antragsteller ins Auge gefaßt haben könnte, in Prüfung zu ziehen (vgl. VfSlg. 11152/1986, 13710/1994). Auch diese Anträge sind daher zurückzuweisen.

3. Die Anträge erweisen sich sohin schon deshalb insgesamt als nicht zulässig, sodaß nicht zu prüfen war, ob allenfalls weitere Zurückweisungsgründe vorliegen.

III. Dies konnte gemäß §19

Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Raumordnung, Wohnsitz Freizeit-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G255.1996

Dokumentnummer

JFT_10038875_96G00255_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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