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82 GesundheitsrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung eines Säumniszuschlages zu den Wohlfahrtsfondsbeiträgen der Ärztekammer wegen Pflichtverletzung mangels einer - sowohl im Zeitraum der Entstehung der Beitragspflicht als auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorhandenen - RechtsgrundlageSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist als Arzt tätig und wurde mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 2. August 1988 von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds (mit Ausnahme des Beitrages für die Todesfallbeihilfe) gemäß §7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds befreit.
2. Mit gesonderten Bescheiden hat der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die vom Beschwerdeführer zu zahlenden Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 2001 bis 2003 inklusive eines Säumniszuschlages festgesetzt. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 17. Mai 2006 in einem abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass eine Befreiung nach §7 Abs1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, gemäß §7a der Satzung mit 1. Juli 2001 unwirksam wird, wenn eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist. Dieser Fall sei durch die erneute Anmeldung einer Ordination am 1. September 1998 eingetreten.
3. Gegen diesen Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums als auch die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
II. Zur Rechtslage wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2007, B821/06, verwiesen.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2. Ein derartiger in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist der Behörde jedoch bei Erlassung des Bescheides vorzuwerfen:
Wenn die Behörde davon ausgeht, dass die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2001 bis 2003 zulässig wäre, übersieht sie, dass keine Grundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlages für den in Betracht kommenden Zeitraum, nämlich für die Jahre 2001 bis 2003, existiert. Daran mag auch der Umstand nichts zu ändern, dass für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2005 die in diesem Zeitraum iSd §109 Abs5 ÄrzteG 1998 entstandene Pflichtverletzung allenfalls durch eine einmalige Festlegung eines Säumniszuschlages geahndet werden konnte. Der Gerichtshof kann es dahingestellt lassen, ob der Säumniszuschlag als materiellrechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschrift zu qualifizieren ist, da weder im Zeitraum, als die Beitragspflicht entstanden war noch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien eine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorhanden war.
Dadurch, dass die Behörde jedoch für die Jahre 2001 bis 2003 einen Säumniszuschlag erhob, hat sie einen derart schweren Fehler begangen, dass der angefochtene Bescheid schon deswegen aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen war.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabegebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,--.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher mündlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht, Säumniszuschlag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Rückwirkung, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1167.2006Dokumentnummer
JFT_09929075_06B01167_00