TE Lvwg Erkenntnis 2019/8/30 VGW-003/032/7734/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2019
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Entscheidungsdatum

30.08.2019

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
60/02 Arbeitnehmerschutz
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren
19/05 Menschenrechte

Norm

AWG 2002 §15 Abs1
AWG 2002 §15 Abs3
AWG 2002 §79 Abs1 Z1
ASchG GKV 2018 §26 Abs1 Z2
ASchG GKV 2018 §26 Abs2
StGB §180 Abs1 Z1
VStG §22
VStG §45 Abs1 Z2
MRKZP 07te Art. 4 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde der A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 23. April 2019, Zl. MBA/..., betreffend Übertretungen 1.) des § 15 Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG 2002 iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz – VStG, sowie 2.) des § 15 Abs. 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 iVm § 9 Abs. 1 VStG, nach mündlicher Verhandlung am 28. August 2019

zu Recht e r k a n n t:

                  

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird in seinem Spruchpunkt "2." behoben und das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Die in Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Ersatzfreiheitsstrafe wird von zwei Tagen und vier Stunden auf einen Tag und zwei Stunden herabgesetzt.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass in Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses das Zitat "entgegen § 15 Abs. 1 Z 1 und AWG 2002" nach dem Wort "und" um die Ziffer "2" ergänzt wird und die Wortfolge "in der Zeit von 07.08.2018-08.08.2018" zu entfallen hat.

IV. Der gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens wird mit "€ 210,—" und der zu zahlende Gesamtbetrag mit "€ 2.310,—" festgesetzt.

V. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Das angefochtene Straferkenntnis vom 23. April 2019 hat folgenden Spruch:

"1. Datum:   08.08.2018

Ort:          Wien, C.-gasse

Firma       D. Baugesellschaft mbH. mit Sitz in E.,

F.-straße

Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D. Baugesellschaft mbH. mit Sitz in E., F.-straße zu verantworten, dass diese Gesellschaft die gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist

1) entgegen § 15 Abs. 1 Z 1 und AWG 2002, wonach bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen 1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und 2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden sind in Wien, C.-gasse bei Abbrucharbeiten auf dem Dach des mehrgeschossigen Mehrparteienwohnhauses trockene asbesthaltige Faserzementplatten, die entsprechend der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr. 570/2003 idgF in Verbindung mit der ÖNORM S 21100 'Abfallverzeichnis' der Schlüsselnummer 31412 'Asbestzement' zuzuordnen sind in der Zeit von 07.08.2018-08.08.2018 vom Dach der Gebäude dieser Liegenschaft von Mitarbeitern unsachgemäß demontiert, gesammelt und gelagert wurden und damit bei der Sammlung der asbesthaltigen Dachplattenabfälle Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen insofern nicht vermieden, als die angefallenen asbesthaltigen Dachplattenabfälle im Zuge der Durchführung der Sammlung durch Einbringung in die Scheibtruhe, Umlagerung und Einwurf in eine Schüttrutsche mehrfach zerbrochen wurden und dabei asbesthaltige Fasern freigesetzt wurden und die Gefährdung der Gesundheit von Menschen (§ 1 Abs. 3 Z 1) und die Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß (§ 1 Abs. 3 4) nicht vermieden hat.

2) entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002, wonach Abfälle von Abfallbesitzerin außerhalb von 1. hierfür genehmigten Anlagen oder 2. [f]ür die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen die D. Baugesellschaft mbH. die übernommenen Asbestzementplattenabfälle insofern entgegen § 15 Abs. 3 Ziffer 2 AWG 2002 von 07.08.2018-08.08.2018 außerhalb von für die Sammlung geeigneten Orten gelagert hat, als diese zuerst am Boden des Dachstuhls ungeschützt vor weiterer Zerstörung und anschließend auf der Straße in der nicht staubdichten Absetzmulde gelagert wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Verwaltungsübertretung(en) nach

1) § 15 Abs.1 AWG 2002 iVm § 79 Abs.1 Z 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung iVm § 9 Abs. 1 VStG

2) § 15 Abs.3 iVm § 79 Abs.1 Z 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung iVm § 9 Abs. 1 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist […] Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 2.100,00  2 Tage(n) 4 Stunde(n)   § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002

0 Minute(n)     

                                                                      

2. € 2.100,00 2 Tage(n) 4 Stunde(n)  § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002

                          0 Minute(n)

[…]

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 420,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 4.620,00"

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig erhobene und näher begründete Beschwerde, mit welcher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt wird.

3.       Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt der Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht Wien vor.

4.       Am 28. August 2019 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt handelsrechtliche Geschäftsführerin der D. Baugesellschaft mbH (ab hier: haftungsbeteiligte Gesellschaft).

Die haftungsbeteiligte Gesellschaft – ein Bauunternehmen – wurde mit dem Abbruch eines Dachs und Errichtung eines Dachausbaus an der Adresse Wien, C.-gasse, beauftragt. Dieser Auftrag umfasste auch die Entsorgung allfälliger beim Abbruch anfallender Problemstoffe.

Die Arbeiten wurden Ende 2017 begonnen und dauern derzeit noch an.

Im Zuge des Abbruchs des Dachs kam hervor, dass ein Teil der Dachschindeln möglicherweise asbesthaltig sein könnte. Die mit dem Abbruch des Dachs betrauten Arbeiter der haftungsbeteiligten Gesellschaft wurden instruiert, beim Abbruch entsprechende Schutzkleidung zu tragen, beim Umgang mit den asbesthaltigen Dachschindeln möglichst vorsichtig umzugehen, insbesondere sie nicht zu zerbrechen, eine am Boden aufgestellte Absetzmulde abzudecken und die asbesthaltigen Dachschindeln mit dem Aufzug auf Straßenniveau zu verbringen. Entsprechende Sicherheitshinweise zum Umgang mit Asbest wurden auf der Baustelle ausgehängt.

Die Dachschindeln waren zum Teil tatsächlich asbesthaltig. Beim Abtragen der Dachschindeln am 8. August 2018 wurden sehr viele Dachschindeln zerbrochen. Die zerbrochenen Dachschindeln wurden am Dachboden in einem Schütthaufen nicht luftdicht und nicht gegen Staubentwicklung geschützt gesammelt und dabei mit einer Scheibtruhe transportiert. Die zerbrochenen Dachschindeln wurden zumindest teilweise über die Schüttrutsche in die Absetzmulde auf Straßenniveau befördert, wobei die Stücke dabei in noch kleinere Teile zerbrachen und sich Staub entwickelte. Die Abdeckung der Absetzmulde wies zahlreiche Risse auf und war somit nicht geeignet, den sich entwickelnden Staub ausreichend zurückzuhalten. Beim Zerbrechen von asbesthaltigen Dachplatten werden Asbestfasern freigesetzt. Asbesthaltiger Staub ist krebserregend und stellt daher eine Gefahr für die Gesundheit von Personen dar.

Die auf Straßenniveau aufgestellten Absetzmulden wurden über Auftrag der haftungsbeteiligten Gesellschaft von der G. GmbH aufgestellt, abgeholt und deren Inhalt entsorgt.

Gegen die Beschwerdeführerin erging eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft H. vom 18. Dezember 2018 wegen Übertretung des § 26 Abs. 2 der Grenzwerteverordnung 2011 iVm § 130 Abs. 1 Z 17 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – AschG und Übertretung des § 26 Abs. 1 Z 2 der Grenzwerteverordnung 2011 iVm § 130 Abs. 1 Z 17 ASchG, weil es die Beschwerdeführerin als § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der haftungsbeteiligten Gesellschaft zu verantworten habe, dass am 7. August 2018 "im Zuge der Asbestzementplattendemontagearbeiten in Wien, C.-gasse von den Arbeitnehmern […] Asbestzementplatten vom Dach des Gebäudes weder möglichst zerstörungsfrei – noch im Ganzen – demontiert" worden seien, "obwohl bei Arbeiten nach § 21 GKV (=bei denen Arbeitnehmer/Innen Asbeststaub oder Staub von asbesthaltigen Materialien ausgesetzt sind oder sein können) Arbeitsverfahren so zu gestalten sind, dass kein Asbeststaub" entstehe. Weiters, weil "Bruchstücke von Asbestzementplatten unverpackt am Boden (Bereich Dachgeschoß)" herumgelegen seien.

Diese Strafverfügung wurde dem Grunde nach rechtskräftig. Infolge einer Beschwerde des Arbeitsinspektorats gegen die Strafhöhe erging jedoch ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft H. vom 6. August 2019, welches derzeit noch nicht rechtskräftig ist.

Ein gegen die Beschwerdeführerin geführtes Ermittlungsverfahren wegen einer möglichen Übertretung des § 180 Abs. 1 Z 1 StGB wurde von der Staatsanwaltschaft Wien mit Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens vom 23. Juli 2019 gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt, weil "die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre".

Bei der Beschwerdeführerin liegen durchschnittliche Einkommensverhältnisse, kein Vermögen und keine Sorgepflichten vor.

Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens, Einvernahme der Beschwerdeführerin als Beschuldigter und des I. J. als Zeugen in der mündlichen Verhandlung sowie Einholung einer Auskunft der Bezirkshauptmannschaft H. über ein dort gegen die Beschwerdeführerin anhängiges Verwaltungsstrafverfahren nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und Einholung einer Auskunft der Staatsanwaltschaft Wien betreffend eine gegen die Beschwerdeführerin erstattete Strafanzeige.

Die Feststellungen zum Umfang des von der haftungsbeteiligten Gesellschaft übernommenen Auftrags und der Entsorgung der asbesthaltigen Dachschindeln ergeben sich aus den von der Beschwerdeführerin selbst gemachten Angaben. Die Feststellungen zum Umgang mit den Dachschindeln ergeben sich zum einen aus der im Verwaltungsakt enthaltenen Dokumentation der Amtssachverständigen von der Begehung am 8. August 2018, insbesondere aus den darin enthaltenen Lichtbildern, zum anderen aus den damit übereinstimmenden Angaben des Zeugen J. in der mündlichen Verhandlung, welcher – unter anderem – angegeben hat, dass einige Dachschindeln durch die Rutsche geworfen worden seien. Für das Verwaltungsgericht Wien bestehen keine Zweifel, dass die Amtssachverständigen ihre Eindrücke bei der Begehung am 8. August 2018 wahrheitsgemäß und vollständig dokumentiert haben, es liegen auch keine Behauptungen oder Beweise vor, die einen anderen Verlauf der Geschehnisse nahelegten. Den sachverständigen Schlussfolgerungen, wonach freigesetzte Asbestfasern krebserregend seien und daher eine Gefahr darstellten, wurde im Verfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und sind diese Ausführungen auch nicht als unschlüssig zu erkennen.

Dass die Dachschindeln zumindest teilweise asbesthaltig waren, ergibt sich aus der Einschätzung der Amtssachverständigen vor Ort, sowie aus einer von der Staatsanwaltschaft Wien eingeholten Laboranalyse eines Plattenbruchstücks; diese Analyse ergab, dass es sich bei den untersuchten Fasern "um Asbestfasern des Typs Chrysotilasbest" handelt.

Die Feststellungen zur Instruktion der mit den Dachabbrucharbeiten betrauten Arbeitern und den vor Ort aufgehängten Sicherheitshinweise ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin und den Angaben des Zeugen J.. Infolge der Wahrunterstellung dieses Vorbringens der Beschwerdeführerin waren die weiteren von der Beschwerdeführerin beantragten Zeugen zu diesem Beweisthema nicht mehr einzuvernehmen (vgl. VwGH 14.4.2016, Ra 2014/02/0068, mwN, wonach Beweisanträge dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden).

Die zeitliche Zuordnung der Abbrucharbeiten zum 8. August 2018 ergibt sich aus dem Datum der Begehung der Baustelle durch die Amtssachverständigen an eben diesem Tag in Zusammenschau mit den Angaben des Zeugen J., wonach die "Abbrucharbeiten des möglicherweise asbesthaltigen Teils des Daches" an einem Tag stattgefunden hätten.

Die Feststellungen zum Verfahrensstand betreffend das Verwaltungsstrafverfahren vor der Bezirkshauptmannschaft H. ergeben sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, wie auch ihrem glaubhaften Vorbringen und einer vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Auskunft. Die Feststellungen zur Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens ergeben sich aus einer vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Wien.

Die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin beruhen auf deren eigenen Angaben, jene zu ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zum Tatzeitpunkt auf der Aktenlage.

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG 2002, BGBl. I 102/2002 idF BGBl. I 44/2018, lauten:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

         1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

         2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(2) Das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen ist unzulässig, wenn

         1. abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert werden,

         2. nur durch den Mischvorgang

         a) abfallspezifische Grenzwerte oder Qualitätsanforderungen oder

         b) anlagenspezifische Grenzwerte in Bezug auf die eingesetzten Abfälle

eingehalten werden oder

         3. dieser Abfall im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 behandelt oder verwendet wird.

Die gemeinsame Behandlung von verschiedenen Abfällen oder von Abfällen und Sachen in einer Anlage gilt jedenfalls dann nicht als Vermischen oder Vermengen im Sinne dieser Bestimmung, wenn diese Behandlung für jeden einzelnen Abfall zulässig ist. Das gemeinsame Sammeln von verschiedenen Abfallarten oder von Abfällen derselben Art mit unterschiedlich hohen Schadstoffgehalten ist dann zulässig, wenn keine chemische Reaktion zwischen den Abfällen auftritt und die gemeinsame Verwendung oder Behandlung entsprechend den genannten Kriterien zulässig ist.

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

         1. hiefür genehmigten Anlagen oder

         2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

[…]

Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

[…]

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

[…]

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht."

Asbestzement ist gemäß der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II 570/2003 idF BGBl. II 498/2008, iVm der ÖNORM S 2100 der Schlüsselnummer 31412 als gefährlicher Abfall zuzuordnen.

2.       Die belangte Behörde wirft der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit dem gegenständlichen Sachverhalt die Verwirklichung zweier Delikte, nämlich eine Übertretung des § 15 Abs. 1 und des § 15 Abs. 3 AWG 2002 vor. Weiters wurde auf den gegenständlichen Sachverhalt gründend ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin und ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gegen die Beschwerdeführerin geführt. In Hinblick auf § 22 VStG und das aus Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPEMRK) erfließende Doppelbestrafungsverbot ist daher zu prüfen, ob eine Strafverfolgung der Beschwerdeführerin nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 überhaupt zulässig ist.

2.1.    Mögliche Sperrwirkung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens:

Eine Strafbarkeit nach den §§ 180 und 181 StGB ist im Vergleich zu § 15 Abs. 1 und 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 an weiterreichende Bedingungen geknüpft. So setzt das Delikt des § 180 StGB ("Vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt") vorsätzliches Handeln und § 181 StGB zumindest eine tatsächliche Verunreinigung oder sonstige Beeinträchtigung eines Gewässers, des Bodens oder der Luft voraus. § 15 Abs. 1 (und letztlich auch § 15 Abs. 3) AWG 2002 wird jedoch bereits dann verwirklicht, wenn eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nicht vermieden wird. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen gemäß § 1 Abs. 3 AWG 2002 ist bereits dann gegeben, wenn eine der dort aufgezählten Gefahren durch ein Verhalten bewirkt werden kann, auf eine konkrete Gefahrensituation kommt es hingegen nicht an (VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0024).

Der Beschwerdeführerin wird im angefochtenen Straferkenntnis – lediglich – eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen und Verunreinigungen der Umwelt (Spruchpunkt "1.") bzw. ein unsachgemäßes Lagern von Abfällen (Spruchpunkt "2.") vorgeworfen; diese Verhaltensweisen unterliegen als solche nicht der gerichtlichen Strafbarkeit nach den §§ 180 und 181 StGB, weshalb weder § 22 VStG noch § 79 Abs. 1 AWG 2002 eine Strafbarkeit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 im Beschwerdefall ausschließen (vgl. zu dieser Abgrenzung auch VwGH 21.2.2008, 2005/07/0105).

2.2.    Mögliche Doppelbestrafung in Hinblick auf das Verwaltungsstrafverfahren nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz:

2.2.1.  Gegenüber der Beschwerdeführerin erging eine dem Grunde nach rechtskräftige Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft H. vom 18. Dezember 2018, mit welchem sie für den 7. August 2018 am gegenständlichen Tatort im Wesentlichen dafür bestraft wurde, dass die haftungsbeteiligte Gesellschaft zu verantworten habe, dass "im Zuge der Asbestzementplattendemontagearbeiten […] Asbestzementplatten vom Dach des Gebäudes weder möglichst zerstörungsfrei – noch im Ganzen – demontiert" worden seien, "obwohl bei Arbeiten nach § 21 GKV (= bei denen Arbeitnehmer/Innen Asbeststaub oder Staub von asbesthaltigen Materialien ausgesetzt sind oder sein können) Arbeitsverfahren so zu gestalten sind, dass kein Asbeststaub" entstehe, weiters, dass "im Zuge der Asbestzementplattendemontagearbeiten […] Bruchstücke von Asbestzementplatten unverpackt am Boden (Bereich Dachgeschoß)" herumgelegen seien.

Damit werden in wesentlichen Teilen jene Sachverhaltselemente vorgeworfen, die auch Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Abfallwirtschaftsgesetz sind, wenngleich für einen anderen Tag, nämlich den 7. August 2018.

2.2.2.  Gemäß § 22 Abs. 2 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK darf jedoch niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung – Freispruch oder Verurteilung – ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, das heißt, wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474). Kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot iSd Art. 4 des 7. ZPEMRK liegt vor, wenn gegen eine Person aus ein und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt werden, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich als auch zeitlich; bei einem solchen engen Zusammenhang kann nämlich nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden sei, die Verfahren werden vielmehr als Einheit betrachtet (VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052, mwN). Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen ist maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Zum anderen ist zu beachten, ob die unterschiedlichen Verfahren für den Beschuldigten vorhersehbar waren, ob die Verfahren so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Beweisaufnahme und unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden bzw. Beweisergebnisse in den jeweils anderen Verfahren berücksichtigt werden, und, vor allem, ob die später auferlegte Sanktion auf die bereits erfolgten vorangegangen Sanktionen Bedacht nimmt, sodass die Gesamtstrafe als verhältnismäßig anzusehen ist. Selbst wenn diese inhaltlichen Kriterien erfüllt sind, ist zusätzlich erforderlich, dass zwischen den in Rede stehenden Verfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, also die Verfahren möglichst gleichzeitig geführt und abgeschlossen werden (VwGH 11.10.2017, Ra 2017/03/0020).

2.2.3.  Das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ist dem Grunde nach, nicht jedoch der Höhe nach rechtskräftig geworden. Zunächst sind die Schutzzwecke der den jeweiligen Bestrafungen zugrunde gelegten Strafnormen zu betrachten. Während das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und die darauf fußende Grenzwerteverordnung 2018 schon ihrem Geltungsbereich nach für die Beschäftigung von Arbeitnehmern und "für Arbeitsstätten, Baustellen und auswärtige Arbeitsstellen im Sinne des ASchG" gelten (§ 1 Abs. 1 ASchG und § 1 Abs. 1 GKV 2018), ist ein Schutzzweck des Abfallwirtschaftsgesetzes, schädliche oder nachteilige Einwirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze, deren Lebensgrundlagen und deren natürliche Umwelt zu vermeiden oder sonst das allgemeine menschliche Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen so gering wie möglich zu halten (§ 1 Abs. 1 Z 1 AWG 2002).

Diesen grundsätzlichen Zielrichtungen entsprechend sind gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 und § 26 Abs. 2 GKV 2018 asbesthaltige Stoffe in geeigneten geschlossenen Behältnissen aufzubewahren und ohne Staubentwicklung abzutransportieren bzw. Arbeitsverfahren so zu gestalten, dass kein Asbeststaub entsteht. Damit soll gezielt eine Gefährdung von Arbeitnehmern in einer asbesthaltigen Umgebung möglichst hintangehalten werden. Gemäß § 15 Abs. 1 AWG 2002 sind hingegen ganz allgemein bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden. § 15 Abs. 1 AWG 2002 hat demnach einen viel weiteren Geltungsbereich und dient nicht ausschließlich dem Schutz der in einer asbesthaltigen Umgebung tätigenden Arbeitenden, sondern auch dem Schutz umliegender Anrainer oder der Tier- und Pflanzenwelt.

Die jeweiligen Verfahren verfolgen für das Verwaltungsgericht Wien demnach eindeutig verschiedene Zwecke. Fallbezogen ist zudem ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den gegen die Beschwerdeführerin geführten Verwaltungsstrafverfahren zu sehen, weil diese Verfahren parallel geführt werden bzw. wurden und Entscheidungen zeitnah getroffen wurden. Auf die Verhältnismäßigkeit der insgesamt zu verhängenden Strafe kann schließlich im Zuge des Beschwerdeverfahrens betreffend die Strafhöhe der Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes noch ausreichend Bedacht genommen werden. Für das Verwaltungsgericht Wien ist folglich in der parallelen Führung von Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und dem Abfallwirtschaftsgesetz kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot iSd Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK zu erkennen.

2.2.4.  In Hinblick auf die eben dargestellten unterschiedlichen Schutzzwecke im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und dem Abfallwirtschaftsgesetz ist zudem – entgegen dem Beschwerdevorbringen – nicht davon aus zugehen, dass durch die Bestrafung der Beschwerdeführerin nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz der Unrechts- und Schuldgehalt ihres Verhaltens vollständig erschöpft wurde. So war in jenem Verfahren ausschließlich eine mögliche Gefährdung von Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz Gegenstand, während im vorliegenden Verfahren – wie ebenfalls bereits dargestellt – viel weitergehende Interessen geschützt werden sollen. In der vorliegenden Konstellation umfasst das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts nicht in jeder Beziehung, weshalb ein weitergehendes Strafbedürfnis nicht entfällt (vgl. dazu das von der Beschwerdeführerin zitierte Erkenntnis VwGH 26.6.2018, Ra 2017/05/0294).

2.2.5.  Da aus all diesen Gründen ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot jedenfalls nicht vorliegt, kann dahingestellt bleiben, ob die beiden Verwaltungsstrafverfahren angesichts der unterschiedlichen Tatzeitpunkte – einmal 7. August 2018 und einmal 8. August 2018 – überhaupt dieselbe Tat betreffen.

2.3.    Parallele Deliktsverwirklichung nach § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002:

2.3.1.  In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf eine vorgeworfene Lagerung von Asbestzement und eine in der Folge ergangene Bestrafung nach § 15 Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 wie auch nach § 15 Abs. 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ausgesprochen, dass der Unrechtsgehalt des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 darin besteht, dass der Normunterworfene beim Umgang mit Abfällen die Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft nicht beachtet hat. Der maßgebliche Unrechtsgehalt des Tatvorwurfs des Lagerns von Asbestzement ist im Lichte der verwiesenen materiellen Normen des § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 gleich, weshalb eine unzulässige Doppelbestrafung vorliegt (VwGH 26.6.2018, Ra 2017/05/0294).

Bei Betrachtung der beiden Tatvorwürfe im angefochtenen Straferkenntnis fällt auf, dass bei beiden angelasteten Delikten die unsachgemäße Lagerung von Asbestzement durch die Beschwerdeführerin im Vordergrund steht. Ein in einem der beiden Tatvorwürfe über den anderen hinausgehender Unrechtsgehalt ist für das Verwaltungsgericht Wien in Hinblick auf die Formulierung der Tatvorwürfe nicht erkennbar, weshalb in Anbetracht der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer unzulässigen Doppelbestrafung auszugehen ist.

2.3.2.  Es bleibt folglich zu prüfen, ob einer der beiden im angefochtenen Straferkenntnis gemachten Tatvorwürfe zutrifft:

Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei den asbesthaltigen Gebäudeteilen, welche im Zuge der Abbrucharbeiten anfielen, um Abfall iSd § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt (vgl. allgemein zum Abfallbegriff VwGH 28.11.2013, 2010/07/0144). Es handelt sich bei diesen der Schlüsselnummer 31412 zuzuordnenden Stoffe um gefährliche Abfälle (vgl. § 2 Abs. 4 Z 3 AWG 2002).

Der Beschwerdeführerin wird in Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, dass asbesthaltige Faserzementplatten unsachgemäß demontiert, gesammelt und gelagert worden seien, indem die "asbesthaltigen Dachplattenabfälle im Zuge der Durchführung der Sammlung durch Einbringung in die Scheibtruhe, Umlagerung und Einwurf in eine Schüttrutsche mehrbrach zerbrochen wurden und dabei asbesthaltige Fasern freigesetzt wurden". Nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen ist dieser Tatvorwurf faktisch zutreffend, weil sich alle diese Umstände tatsächlich ereignet haben. Durch dieses Verhalten wurde zweifellos gegen § 15 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG 2002 verstoßen, weil es zu einer Gefährdung der auf der Baustelle arbeitenden Arbeitnehmer sowie auf Grund der Staubentwicklung zu einer Gefährdung der umliegenden Anrainer kam, wodurch öffentliche Interessen iSd § 1 Abs. 3 AWG 2002 verletzt wurden.

2.3.3.  Die der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt "1." angelastete Verwaltungsübertretung ist damit in objektiver Hinsicht verwirklicht. Die im Spruch genannte Rechtsgrundlage des § 15 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ist um die offensichtlich vergessene (arg.: "und AWG 2002") Ziffer 2 zu ergänzen. Der festgestellte Sachverhalt bietet weiters keinen ausreichenden Anlass, von einer Tatbegehung (auch) am 7. August 2018 auszugehen, wie der Fließtext des Spruchpunkts "1." des angefochtenen Straferkenntnisses suggeriert. Es ist daher auch zur Vermeidung von Widersprüchlichkeiten in Zusammenhang mit dem zu Beginn des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses genannten Datums "08.08.2018" die Wortfolge "in der Zeit von 07.09.2018-08.08.2018" zu streichen.

Der sich nur mehr auf die unsachgemäße Lagerung beziehende Spruchpunkt "2." des angefochtenen Straferkenntnisses ist ohne weitere inhaltliche Prüfung wegen Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK zu beheben und das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

2.4.    Bei der Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, bei dem zufolge § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG das Verschulden der Täterin vermutet wird, sofern sie nicht glaubhaft macht, dass ihr die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne ihr Verschulden unmöglich gewesen sei (vgl. zu nicht gefährlichen Abfällen VwGH 25.2.2009, 2008/07/0182). Die Beschwerdeführerin hat im Unternehmen der haftungsbeteiligten Gesellschaft entsprechende Anweisungen an ihre Dienstnehmer im Umgang mit Asbest gegeben und an der Baustelle zudem Sicherheitshinweise aushängen lassen.

Damit ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem zu erfüllen. So entschuldigt die Erteilung entsprechender Weisungen den Arbeitgeber nur dann, wenn er darlegt und nachweist, dass er Maßnahmen ergriffen hat, die die Einhaltung der erteilten Anordnungen gewährleisten, insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet hat und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat (vgl. unter vielen VwGH 4.4.2019, Ra 2016/08/0032). Anhaltspunkte für eine Durchführung von Kontrollen oder sonstigen Maßnahmen zur Gewährleistung der erteilten Anordnungen liegen im Beschwerdefall nicht vor. Um die Einhaltung der sie treffenden Verpflichtungen zu sichern, wäre es an der Beschuldigten gelegen gewesen, zur Umsetzung ihrer gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehenden Kontrollpflichten ein wirksam begleitendes Kontrollsystem einzurichten, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften jederzeit sichergestellt werden kann (VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092).

Auch die subjektive Tatseite liegt im Beschwerdefall somit vor.

3.       Zur Strafbemessung:

3.1.    Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind im Verwaltungsstrafgesetz nicht taxativ aufgezählt. Auch die Dauer eines strafbaren Verhaltens kann im Rahmen der Strafbemessung maßgebend sein (VwGH 12.12.1995, 94/09/0197). Bei der Strafbemessung kommt es gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG – unter anderem – auf die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht an. Die Strafbemessung setzt entsprechende Erhebungen dieser Umstände durch das Verwaltungsgericht voraus, wobei allerdings in der Regel mit den Angaben des Beschuldigen das Auslangen zu finden sein wird (vgl. zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 VwGH 22.12.2008, 2004/03/0029 mwN).

3.2.    Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde von einem gewerbsmäßigen Handeln der haftungsbeteiligten Gesellschaft im Bereich der Abfallwirtschaft aus. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die haftungsbeteiligte Gesellschaft gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist und verweist darauf, dass sie die Entsorgung der asbesthaltigen Dachplattenabfälle durch die G. GmbH vornehmen habe lassen, welche dafür zwei Absetzmulden auf der Baustelle bereitgestellt und letztlich abgeholt habe.

Wenngleich nicht jeder, der gewerbsmäßig eine unter das Abfallwirtschaftsgesetz fallende Tätigkeit ausübt, gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 27.2.2018, Ra 2016/05/0021), hat die haftungsbeteiligte Gesellschaft im Beschwerdefall als Generalunternehmerin gegenüber ihrem Vertragspartner auch die entgeltliche Entsorgung der bei den Abbrucharbeiten anfallenden Abfälle als Leistung angeboten. Sie hatte somit die Verfügungsgewalt über die asbesthaltigen Abfälle, hat diese eigenständig gesammelt und behandelt und musste sich auf eigenes wirtschaftliches Risiko um eine Entsorgung dieser Abfälle kümmern. Für das Verwaltungsgericht Wien stellen die der Beschwerdeführerin angelasteten Tathandlungen damit zweifellos gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft liegendes Handeln der haftungsbeteiligten Gesellschaft dar (vgl. zu einem ähnlichen Leistungsumfang VwGH Ra 2017/05//0294).

Dementsprechend ist gemäß § 79 Abs. 1 letzter Satz AWG 2002 ein Strafrahmen von € 4.200,— bis € 41.200,— heranzuziehen gewesen. Dennoch hat die belangte Behörde ohne weitere Begründung für die beiden vorgeworfenen Delikte jeweils eine Geldstrafe von € 2.100,— verhängt. Eine Erhöhung der Geldstrafe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren scheidet auf Grund des Verschlechterungsverbots in jedem Fall aus (VwGH 5.9.2018, Ra 2018/11/0144). Es bleibt aber zu prüfen, ob ein Entfall des Strafausspruchs oder eine weitere Unterschreitung der Mindeststrafe vorzunehmen ist.

Das strafrechtlich geschützte Rechtsgut – der Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren und der Schutz der Umwelt – haben keine geringe Bedeutung, weshalb eine Anwendung des § 33a VStG oder des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von vornherein ausscheidet. Auch die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG liegen im Beschwerdefall mangels besonderen Gewichts der Milderungsgründe nicht vor (vgl. zu den Voraussetzungen näher VwGH 25.4.2018, Ra 2017/09/0044). Eine weitere Herabsetzung der Strafe, weil durch die Korrektur im Spruch der Tatzeitraum eingeschränkt wurde, scheidet infolge der bereits erfolgten Unterschreitung der Mindeststrafe aus.

Bei der Beschwerdeführerin sind durchschnittliche Einkommensverhältnisse anzunehmen. Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was als mildernd zu berücksichtigen ist. Dass bei einem Ungehorsamsdelikt kein Schaden eingetreten ist, kommt nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. zu § 79 Abs. 1 Z. 9 [erster Fall] AWG 2002 VwGH 25.9.2014, 2012/07/0214). Der Verschuldensgrad ist im Beschwerdefall als durchschnittlich anzusehen, es wurde in nicht unerheblichem Maße die Gesundheit von Menschen durch die Entwicklung asbesthaltigen Staubs gefährdet.

Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die von der belangten Behörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich als schuld- und tatangemessen. Infolge der Einschränkung des Tatzeitraums war die in Spruchpunkt "1." verhängte Ersatzfreiheitsstrafe jedoch entsprechend herabzusetzen.

4.       Durch die Behebung des Spruchpunkts "2." des angefochtenen Straferkenntnisses und der Korrektur des Tatzeitraums in Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses von zwei Tagen auf einen Tag wurde der Unrechtsgehalt zugunsten der Beschuldigten verringert, weshalb der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen ist.

5.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung von der gerichtlichen Zuständigkeit iSd § 22 Abs. 1 VStG, zur unzulässigen Doppelbestrafung oder zur Annahme von Gewerbsmäßigkeit im Bereich der Abfallwirtschaft ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Doppelbestrafungsverbot; ArbeitnehmerInnenschutz; Schutzzweck der Norm; Schuldgehalt; Unrechtsgehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.003.032.7734.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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