TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/20 LVwG-2019/23/1514-4

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Veröffentlicht am 20.09.2019
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Entscheidungsdatum

20.09.2019

Index

90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §57 Abs8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Maßnahmenbeschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Landespolizeidirektion als belangte Behörde zurechenbare Polizeibeamte des Stadtpolizeikommando-Verkehrsinspektion im Zuge einer Amtshandlung am 20.06.2019 in der Adresse 2, Z, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu recht:

1.       Die Maßnahmenbeschwerde betreffend die Abnahme des Kennzeichens ***, am 20.06.2019 gegen 21.15 Uhr, in der Adresse 3 durch ein Organ der Landespolizeidirektion Tirol wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde den Kostenansetze für den Vorlageaufwand und den Verhandlungsaufwand mit einem Gesamtbetrag von Euro 518,04, Verhandlungsaufwand Euro 461,00 und Vorlageantrag Euro 57,04 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 30.07.2019, beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 01.08.2019 eingelangt, erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde bezogen auf die Abnahme seiner beiden Kennzeichentafeln und seines Zulassungsscheines am 20.06.2019 durch ein Organ der Landespolizeidirektion Tirol.

Die Landespolizeidirektion legte den Verwaltungsakt bestehend aus einer Anzeige und der Abnahmebestätigung der Kennzeichentafeln sowie des Zulassungsscheines dem Landesverwaltungsgericht Tirol vor und verzichtete auf eine Gegenschrift. In weiterer Folge fand am 20.09.2019 eine öffentlich mündliche Verhandlung statt in deren Rahmen der Beschwerdeführer die beiden Typisierungsergänzungen zu seinem Zulassungsschein in Ablichtung vorlegte. Weiters wurde der die Amtshandlung durchführende Polizeibeamte als Zeuge vernommen und legte dieser eine Lichtbilddokumentation der durchgeführten Vermessung der Kontrollmaße aller vier Räder des vom Beschwerdeführer gelenkten PKWs vor.

II.      Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer lenkte am 20.06.2019 gegen 21 Uhr seinen PKW mit dem Kennzeichen *** in Z auf der Adresse 4. Dort wurde der Beschwerdeführer zu einer Routinekontrolle angehalten. Da dem einschreitenden Beamten das Fahrzeug des Beschwerdeführers sehr nieder vorkam, wurde er auf die nahegelegene Tankstelle umgeleitet um eine Vermessung des Fahrzeuges auf ebenem Boden durchzuführen.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle war das Fahrzeug mit insgesamt 4 Personen besetzt. Nachdem alle Personen das Fahrzeug verlassen hatten und sich der amtshandelnde Beamte vergewissert hat, dass kein übermäßiges Gewicht mehr im Fahrzeug war, führte er eine Vermessung der Kontrollmaße an allen vier Rädern durch. Hierbei wurde an der rechten Seite vorne und hinten ein Ist-Maß von 300 mm und an der linken Seite vorne und hinten ein Ist-Maß von 310 mm gemessen. Aufgrund dieses Sachverhaltes stellte das einschreitende Organ das Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen fest untersagte die Weiterfahr und nahm dem Beschwerdeführer gegen 21.15 Uhr beide Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein ab.

Beweiswürdigend ist einleitend festzustellen, dass der grundsätzliche Ablauf der Amtshandlung ebenso wie die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers unstrittig sind.

Zur durchgeführten Messung ist festzustellen, dass es sich bei dem amtshandelnden Polizeibeamten um einen äußerst erfahrenen Polizisten mit 36 Jahren Diensterfahrung handelt. Weiters handelt es sich um einen Beamten, der im Verkehrsdienst besonders geschult ist und in dieser Funktion auch der Verkehrsinspektion beim Stadtpolizeikommando Z angehört.

Der Beamte gab nachvollziehbar an, warum er das Fahrzeug des Beschuldigten von der Adresse 4 auf die CC Tankstelle, die sich ebenfalls in der Adresse 4 befindet, umlenkte. Dies erfolgte deshalb, da Straßen immer leicht abschüssig gebaut und Tankstellen hingegen eben ausgeführt sind. Aus diesem Grund wurde das Fahrzeug auf die betonierte Fläche der Tankstelle gelotst, um dort die Vermessung im nahezu waagrechten Bereich durchführen zu können. Im Zuge der Vermessung wurde nicht nur eine Unterschreitung der Kontrollmaße festgestellt, sondern wurden hier auch (Seitenweise) unterschiedliche Maße festgestellt. Bereits aufgrund dieser Mängel war für den einschreitenden Polizeibeamten Gefahr in Verzug gegeben. Nachvollziehbarerweise führte das der besonders erfahrene Polizeibeamte auch darauf zurück, da sich im Fahrzeug vier Personen befanden und dass aufgrund des fehlenden Federweges eine akute Gefährdung durch das Fahrzeug gegeben war.

Die Messung selbst führte der Beamte mit einem privat angeschafften Rollmeter durch. Im Hinblick auf die Lichtbilddokumentation, die der Zeuge im Rahmen der öffentlich mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, ergeben sich keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit dieser Messung. Die Richtigkeit der Messung wurde im Übrigen auch nicht vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bestritten.

Soweit der Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung weitere Beweisanträge, wie insbesondere die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens und die Einvernahme eines näher bezeichneten Sachverständigen der „KFZ-Prüfstelle“ zum Zustand des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges am 13.8.2019 stellte, so waren diese Beweisanträge in Ansehung der Amtshandlung am 20.6.2019 zurückzuwiesen. Insbesondere ist an dieser Stelle explizit darauf hinzuweisen, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers mit einem Gewindefahrwerk ausgestattet ist und dieses jederzeit mit einfachsten Mitteln verstellt werden kann. Somit ist eine nachträgliche Begutachtung des verwendeten Fahrzeuges jedenfalls irrelevant.

Zum Beweisantrag auf Einvernahme der bei der Amtshandlung anwesenden zweiten Polizeibeamtin, ist darauf hinzuweisen, dass der als Zeuge vernommene Polizeibeamte mehrfach klar angegeben hat, dass ausschließlich er die Amtshandlung geführt hat und weiters hat der Rechtsvertreters des Beschwerdeführers die Richtigkeit des Messvorganges (hier ist wiederum auf die in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelegte Lichtbilddokumentation zu verweisen!) nicht bestritten. Insofern war daher dieser Beweisantrag mangels Relevanz abzuweisen.

III.     Rechtliche Erwägungen:

Zur Zulässigkeit:

Gegenstand dieser Beschwerde ist die Abnahme von zwei Kennzeichentafeln und eines Zulassungsscheines im Zuge einer Verkehrskontrolle am 20.06.2019.

Die Abnahme eines Kennzeichens stellt einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (siehe etwa VwGH vom 30.05.2001, Zl 2001/11/0037).

Nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit; nach Art 131 Abs 1 B-VG erkennen über Maßnahmenbeschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder im vorliegenden Fall das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Der angefochtene Akt wurde am 20.06.2019 gesetzt. Die Beschwerde wurde am 01.08.2019 binnen der sechswöchigen Frist nach § 7 Abs 4 VwGVG eingebracht und ist daher rechtzeitig und zulässig.

In der Sache:

Gemäß § 57 Abs 8 KFG ist, sofern die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet wird, bei Gefahr in Verzug der Zulassungsschein und die Kennzeichentafel unverzüglich abzunehmen.

Diese Maßnahme, die einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, ist allerdings nur dann zulässig, wenn der Mangel sich augenscheinlich als so schwer erweist, dass unter Zugrundelegung von kraftfahrtechnischen Erfahrungswissen befürchtet werden muss, es werde sich bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben.

Im vorliegenden Sachverhalt schilderte jener Polizist, der die Kennzeichen im Zuge der Amtshandlung abnahm, dass er bei dieser Amtshandlung seine beruflichen Fortbildungen und Erfahrungen aus 36 Jahren Verkehrsdienst zugrunde legte und vor der Vermessung des Fahrzeuges erst alle im Fahrzeug befindlichen Personen aus dem Fahrzeug heraus bat. Selbst bei einer Vermessung des komplett leeren Fahrzeuges ergab sich sodann eine Unterschreitung des absoluten Grenzwertes.

Hierzu ist anzuführen, dass das Fahrzeug des Beschuldigten bereits anlässlich der Einzeltypisierung am 29.09.2014 auf das absolute gesetzliche und technische Mindestmaß im Hinblick auf Bodenfreiheit herunter typisiert worden ist.

Nachfolgend wurde die Mindestbodenfreiheit von 11 cm nochmals um 2 cm unterschritten.

Als wesentlich erschwerend ist auch zugrunde zu legen, dass die nicht typisierte Tieferlegung des Fahrzeuges nicht Seitengleich erfolgte, sondern auf der linken Seite durchgehend einen Zentimeter tiefer als auf der rechten Seite war.

Ausgehend von diesem Sachverhalt kann dem, als besonders fachkundig geltenden Polizeibeamten nicht entgegen getreten werden, wenn er diese Situation bereits als dermaßen besorgniserregend einstuft, dass er sich entschloss, die Kennzeichen des Fahrzeuges abzunehmen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die weitere Aussage des Polizisten zu verweisen, der nach Feststellung dieser Mängel angab, dass er auf weitere Mängel gar nicht mehr geachtet habe, da bereits dieser Sachverhalt für ihn als Grundlage für eine Kennzeichenabnahme ausreichend war und für ihn zweifelsfrei Gefahr in Verzug vorgelegen hat.

Da es sich beim einschreitenden Polizeibeamten nicht um ein durchschnittliches Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gehandelt hat, sondern vielmehr um ein besonders geschultes und mit 36 Jahren einschlägiger Berufserfahrung sehr erfahrenes Straßenaufsichtsorgan, ist davon auszugehen, dass das Einschreiten dieses Organes bei Feststellung des maßnahmenrelevanten Sachverhaltes und bei dessen Interpretation unter Zugrundelegung von kraftfahrtechnischem Erfahrungswissen gesetzeskonform war und dass befürchtet werden musste, es werde sich bei (bestimmungsgemäßer) weiterer Verwendung des Fahrzeuges im Straßenverkehr eine Unfallsituation ergeben. Das Vorgehen des einschreitenden polizisten und die von ihm gesetzten Maßnahmen erweisen sich daher vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGh (bspw Er. 29.9.2005, 2005/11/0125) als rechtmäßig.

Soweit der Beschwerdeführer weiters vorbringt, dass es sich bei der Zulassung des verwendeten Fahrzeuges um ein Wechselkennzeichen handeln würde, und schon aus diesem Grund eine Abnahme von Kennzeichen und Zulassung nicht zulässig wäre, so ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, der zu Folge es allein Sache des Zulassungsbesitzers ist, welches der mit einem Wechselkennzeichen zugelassenen Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet wird. Somit ist aber dann dieses Fahrzeug auf einen bestimmten Zeitpunkt ein nach diesem Kennzeichen (dem für die Beschreibung eines bestimmten KFZ die entscheidende Bedeutung zukommt (VwGH v 22.3.1999, 98/17/0251)) bestimmtes Kraftfahrzeug (VwGH v 23.11.2001, 2000/02/0256).

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Kostenentscheidung:

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 35 Abs 1 und 2 VwGVG wonach die im Verfahren nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten.

Im vorliegenden Fall setzen sich die Kosten gemäß § 1 Z 1 Z 2 und 3 der VwG-Aufwandsersatzverordnung BGBl II Nr 517/2013 als Vorlageaufwand und Verhandlungsaufwand zusammen.

Diese wurden anlässlich der mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt und ergibt sich somit der spruchgemäß festgesetzte Aufwandsersatz für die belangte Behörde als obsiegende Partei.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage der Kennzeichenabnahme ist eine ausreichende und gesicherte Judikatur des Verwaltungsegrichtshofes vorliegend (Beispielsweise VwGH vom 29.09.2005 zur Zahl 2005/11/0125 und vom 30.05.2001, Zl 2001/11/0037), und das Landesverwaltungsgericht Tirol weicht weder von dieser Judikatur ab, noch ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen. Weitere Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu Lösenden Rechtsfrage liegen ebenfalls nicht vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösende Rechtsfrage konnte anhand der in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden. Eine außerhalb dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegende Rechtsfrage ist für das erkennende Gericht beim Gegenstandsfall nicht hervorgekommen

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Kennzeichen;
Abnahme;
Wechselkennzeichen;
nicht typisierte Tieflegung;
Gefahr in Verzug;

Anmerkung

Mit Beschluss vom 25.02.2020, Z E 4006/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20.09.2019, Z LVwG-2019/23/1514-5 erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20.09.2019, Z LVwG-2019/23/1514-5, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 28.05.2020, Z Ra 2020/11/0056-3, zurück.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.23.1514.4

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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