TE Lvwg Erkenntnis 2019/10/3 LVwG-2019/40/0984-1

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Entscheidungsdatum

03.10.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §44a
VStG §45 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der Frau AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 18.03.2019, Zl *****, wegen einer Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Sie haben vom Standort in Y, Adresse 2, zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls seit dem 17.05.2017, konkret jedoch am 29.04.2018 (Feststellung der Übertretung) Tätigkeiten eines reglementierten Gewerbes – im gegenständlichen Fall nach § 94 Z. 26 Gewerbeordnung 1994 (GewO) - Gastgewerbe, die Beherbergung von Gästen – an einen größeren Kreis von Personen angeboten, indem Sie auf der Internetseite www.xxxxxx.com das Ferienhaus „CC“, sowie „DD “ (diese Appartements verfügen über Wlan, Sauna und es wird auch weiters ein Brötchenservice angeboten) anpreisen und dadurch für die Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, dass Ihrerseits eine unter dem Wortlaut der Ankündigung fallenden gewerblichen Tätigkeit entfaltet wird.

Nach § 1 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994 (GewO) wird das Anbieten einer dem Gegenstand des Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibung der Ausübung eines Gewerbes gleichgehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1 Abs. 4 zweiter Satz iVm § 94 Z. 26 iVm § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO)

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe (€):

Gemäß:

Ersatzfreiheitsstrafe:

1.000,00

§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994 (GewO)

6 Tage

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 100,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.

€ 0,00 als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 1.100,00.“

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass es möglich sei, dass in früheren Zeiten Interneteintragungen getätigt worden seien, welche eine gewerbliche Tätigkeit vermuten lassen hätten können. Das damalige Straferkenntnis sei lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen nicht bekämpft worden. Hier einen Bezug zu der vormaligen Verwaltungsstrafe zu erheben sei nicht zulässig. Es würden keinesfalls 15 Gästebetten zur Verfügung stehen. Der Ausdruck aus der Internetseite vom 29.04.2018 enthalte keinerlei Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin eine Bettenanzahl zu Beherbergungszwecken anbiete, welche über die im Privatzimmervermittlungsgesetz 1959 reglementierte Anzahl hinausgehe. Die angebotenen Dienstleistungen könnten leicht von der Beschwerdeführerin als im Haus Adresse 2 wohnende Vermieterin besorgt werden. In erster Linie werde eine langfristige Wohnraumvermietung für diverses Personal von verschiedenen Firmen angeboten. Der verbleibende „Leerstand“ – jedenfalls aber weniger als 10 Betten - werde im Sinne der Ausübung einer Privatzimmervermietung auf der Seite des X Tourismus beworben. Dass im Rahmen einer Privatzimmervermietung auch diverse Dienstleistungen angeboten würden, wie zB Brötchenservice, WiFi und anderes, widerspreche nicht dem Privatzimmervermietungsgesetz. Eine Übertretung nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung sei nicht zu erkennen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt.

II.      Rechtsgrundlagen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, lauten wie folgt:

„§ 31.

(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

[...]

§ 32.

[...]

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dg!.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

[...]

§ 44a.

Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

§ 45.

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine

Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner

Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

[...]"

Folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 sind ebenfalls von Belang:

„§ 1.

[...]

(4) ... Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen

größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes

gleichgehalten. Die Veröffentlichung über eine den Gegenstand eines Gewerbes bildenden

Tätigkeit in Registern gilt nicht als Ausübung, wenn die Veröffentlichung auf Grund von

gesetzlichen Verpflichtungen erfolgt.

§ 366.

(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht,

wer

1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu

haben, und nicht Z 10 oder § 367 Z 8 anzuwenden sind;

[...]"

III.     Rechtliche Erwägungen:

Der Spruch eines Straferkenntnisses hat gemäß § 44a VStG unter anderem die als erwiesen angenommene Tat aufzuweisen. Die als erwiesen angenommene Tat ist der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Die Umschreibung der Tat hat dabei so präzise zu sein, dass der Beschuldigte einerseits seine Verteidigungsrechte wahren kann und im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren im Stande ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und er andererseits nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Die Tat ist daher so präzise zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschriften erforderlich sind, möglich ist. Das Tatverhalten muss dabei im Spruch selbst (und nicht erst in der Bescheidbegründung) umschrieben sein. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren, die Frage ihrer Übereinstimmung mit den Erfordernissen des § 44 a Z 1 ist folglich in jedem konkreten Fall einzeln zu beurteilen (vgl. zu alledem Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 44a Rz 2 und 3 mwH auf die einschlägige Literatur sowie die Judikatur des VwGH, Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 (2004) 1520 ff).

Nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, und nicht Z 10 oder § 367 Z 8 anzuwenden sind.

Die Behörde ist nun rechtsrichtig davon ausgegangen, dass es sich bei dem der Gewerbeausübung gleichgehaltenen Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen um eine von der unbefugten Gewerbeausübung über einen bestimmten Zeitraum zu unterscheidenden Verwaltungsübertretung handelt. Erst im Hinblick auf das nach § 1 Abs 4 zweiter Satz GewO 1994 gebotene Gleichhalten ergibt sich die gegenüber einer unbefugten Gewerbeausübung gesonderte Strafbarkeit eines solchen Anbietens (vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 19943 (2011) § 366 Rz 22 mit zahlreichen Beispielen und Hinweisen auf die Judikatur des VwGH und der Verwaltungsgerichte).

Allerdings kommt in der als erwiesen angenommenen Tat nicht zum Ausdruck, dass die Beschuldigte die vorgehaltene Ankündigung getätigt hat, „ohne über die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt zu haben". Hiebei handelt es sich um ein nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 erforderliches Tatbestandsmerkmal, weil erst dieser Vorwurf das strafbare Handeln näher umschreibt. Mit dem „bloßen" Vorhalt, eine Tätigkeit, die Gegenstand eines Gewerbes ist, angeboten zu haben, kommt dies nicht zum Ausdruck. Die Beschwerdeführerin beruft sich ja gerade darauf, keine eigene Gewerbeberechtigung zu benötigen.

Hätte die Behörde I. Instanz in Bezug auf dieses Tatbestandselement rechtzeitig eine ausreichende Verfolgungshandlung gesetzt, wäre im gegenständlichen Fall dieser spruchgemäße Mangel seitens des erkennenden Gerichts behebbar gewesen. Eine derartige Verfolgungshandlung liegt jedoch nicht vor.

Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigte gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung - hier binnen 1 Jahr - wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.

Das hier maßgebliche Tatbestandselement „ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben“ wurde – wie erwähnt – der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren nicht vorgehalten. Sohin erübrigt sich ein Eingehen auf die inhaltlichen Beschwerdeausführungen und war spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Spruch mangelhaft;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.40.0984.1

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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