Entscheidungsdatum
01.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
L521 2167916-1/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017, Zl. 821356208, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.09.2018 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des
angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Der Ihnen mit Bescheid vom 27.06.2013, Zahl: 12 13.562-BAS, zuerkannte Status des Asylberechtigten wird gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG wird festgestellt, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 28.09.2012 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Salzburg gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXXzu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und ledig. Außer seiner Mutter habe er drei Brüder und drei Schwestern, welche sich nach wie vor in XXXX im Irak aufhalten würden. Sein Vater sei verstorben. Er habe von 1991 bis 1999 in XXXX die Grundschule besucht und zuletzt als Lebensmittelhändler gearbeitet.
Zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, er habe in XXXX ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Im April 2012 seien unbekannte Personen im Geschäft erschienen und hätten Geld verlangt. Er würde vermuten, dass es sich um Angehörige der Mahdi-Armee handle. Er habe die Herausgabe des Geldes verweigert und sich zur Polizei begeben, die ihm jedoch nicht helfen habe können. Da er sich in der Folge weiterhin geweigert habe, seine täglichen Einnahmen herauszugeben, sei er von den Männern mehrmals geschlagen und mit dem Tode worden. Er sei mehrmals ambulant und einmal auch stationär im Krankenhaus behandelt worden. Im Mai 2012 sei in der Nacht sein Fahrzeug und am 20.07.2012 sein Geschäft in Brand gesteckt worden. Ein anderer Geschäftsinhaber habe ihm mitgeteilt, dass vor seinem Geschäft ein Drohbrief gelegen sei. Zudem habe er für die Eröffnung seines Geschäfts von einem Bekannten ein Darlehen in der Höhe von 15 Millionen Dinar erhalten. Nach der Zerstörung des Geschäfts habe er diesen Kredit nicht mehr zurückzahlen können. Er sei dann auch seitens des Geldgebers bedroht worden und habe dieser eine Klage gegen ihn eingebracht.
2. Mittels eines, am 15.11.2012 beim Bundesasylamt eingelangten, Telefaxschreiben brachte der Beschwerdeführer mehrere Urkunden in Vorlage, welche seitens des Bundesasylamtes einer Übersetzung zugeführt wurden.
3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 25.06.2013 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich einvernommen. Zuvor wurde mit dem Beschwerdeführer ein Datenblatt ausgefüllt.
Zur Person und den Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und ledig sowie kinderlos. Außer seiner Mutter habe er drei Brüder und drei Schwestern, welche sich nach wie vor in XXXX im Irak aufhalten würden. Sein Vater sei verstorben. Er habe von 1991 bis 1999 in XXXX die Grundschule besucht. Seine Familie habe ein einstöckiges Haus mit 200 m2 Grundfläche. Er habe mit einem von seinem Vater geerbten Lebensmittelgeschäft seinen Lebensunterhalt bestritten. Er stehe mit seiner Familie zumindest einmal im Monat telefonisch in Kontakt.
Zum Ausreisegrund befragt wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein in der Erstbefragung getätigtes Vorbringen, wobei sich in den Ausführungen doch erhebliche Unterschiede zeigen. Zudem erwähnte der Beschwerdeführer erstmals, Probleme wegen der Beziehung zu einem Mädchen gehabt zu haben. Deren Familie sei mit der beabsichtigten Heirat nicht einverstanden gewesen und habe ihn immer wieder bedroht.
4. Dem Beschwerdeführer wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2013, aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 28.09.2012 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
5. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11.04.2014, rechtskräftig mit 15.09.2014, wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des versuchten Mordes gemäß §§ 15 Abs. 1, 75 StGB und des Vergehens der versuchten Körperverletzung gemäß §§ 15 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
6. Das belangte Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete ein Verfahren zur Aberkennung des dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des Asylberechtigten ein und gewährte hiezu mit Erledigung vom 04.05.2017 Parteiengehör.
7. Aufgrund eines entsprechenden Ersuchens des belangten Bundesamtes vom 04.05.2017 teilte die Justizanstalt Garsten in einem Schreiben vom 08.05.2017 mit, dass der Beschwerdeführer bereits seit 04.02.2015 in einem Unternehmen Montagearbeiten verrichte und seine Arbeitsleistung durchwegs als sehr gut bewertet werde. Der Beschwerdeführer sei während seiner Inhaftierung insgesamt achtmal zur Meldung gebracht worden. Sechs Ordnungsstrafverfahren seien eingestellt worden. In zwei Fällen sei eine Ordnungsstrafe in Form einer Abmahnung und zuletzt am 19.08.2015 eine Geldbuße in der Höhe von Euro 30,-- verhängt worden. Der Abteilungskommandant bescheinige dem Beschwerdeführer in letzter Zeit ein der Hausordnung entsprechendes Verhalten. Der Beschwerdeführer habe in der Justizanstalt Garsten in der Zeit von 31.08.2015 bis 06.11.2015 an einem Deutschkurs teilgenommen.
8. Mit Schreiben vom 11.05.2017 legte der Beschwerdeführer dar, dass er zur Wahrung des Parteiengehörs einen Dolmetscher benötige. Eine Rückkehr in den Irak sei nicht möglich. Er sei gefährdet. Insoweit ersuche er um eine persönliche Einvernahme im Aberkennungsverfahren.
9. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 12.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen.
Zum Gesundheitszustand und zur Person befragt gab der Beschwerdeführer an, derzeit überfordert und müde zu sein. Er sei psychisch instabil, ständig beim Psychologen und verwende Schlaftabletten. Ansonsten - allgemein betrachtet - gehe es ihm gut. Vor seiner Inhaftierung habe er etwa zehn Monate in einem Asylwerberquartier gelebt. Er sei bislang in Österreich nicht berufstätig gewesen, sei in keinen Vereinen aktiv und habe bislang keine beruflichen oder allgemeinen Fortbildungen besucht. In seiner Freizeit habe er versucht, Deutsch zu lernen. Gelegentlich sei er in der Ortschaft spazieren gegangen. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er besitze in Österreich keine Freunde oder Verwandten. Seine Familie befinde sich - abgesehen von einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Bruder - im Irak und stehe er mit dieser in unregelmäßigem Kontakt. Konkret handle es sich um seine Mutter, fünf Schwestern, vier Brüder und weitere Verwandte. Sein Vater sei gestorben. Seiner Familie gehe es aufgrund der allgemeinen Lage nicht so gut. Er befinde sich seit 2012 in Österreich und habe 2013 Asyl erhalten. Er spreche ein bisschen Deutsch. Er würde vermuten, sich in Österreich nie integrieren zu können, weil die österreichische Kultur für ihn sehr fremd sei. Er sei zwar lange in Österreich gewesen, aber habe zumeist mit Ausländern etwa Tunesiern und Marokkanern Kontakt gehabt. Er wolle auch die irakische Kultur nicht vergessen.
Zu gegen eine Rückkehr in den Irak sprechenden Gründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, die Zustände im Irak seien sehr schlecht. Er würde vermuten, dass man ihn umbringen werde, weil er hier politisches Asyl beantragt habe und vor den Milizen geflohen sei. Sein Leben wäre in Gefahr. Er hätte Angst vor terroristischen Gruppen. Diese seien überall im Irak.
Abschließend wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu den in Österreich begangenen Straftaten und seinem Gefängnisalltag gestellt.
Der gegenständlich relevante Teil der Einvernahme gestaltete sich ausweislich der Niederschrift wie folgt:
" [ ]
LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu machen?
VP: Zur Zeit bin ich schon total überfordert. Ich bin total müde. Zur Zeit bin ich psychisch sehr, sehr instabil und ich bin ständig beim Psychologen und ich nehme Schlaftabletten weil ich versuche, das Ganze zu vergessen.
LA: Sind Sie geistig und körperlich gesund?
VP: Es geht mir gut. Allgemein.
LA: Haben Sie einen aktuellen irakischen Reisepass?
VP: Nein.
LA: Wie lautet Ihre Adresse in Österreich vor der Inhaftierung?
VP: In XXXX. Ich weiß nur XXXX, den Rest weiß ich nicht.
LA: War das ein Asylwerberquartier?
VP: Ja.
LA: Sie wohnten also mit anderen Asylwerbern zusammen?
VP: Ja, ich war in einem Asylheim. Circa 10 Monate.
LA: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer Beziehung?
VP: Nein, nein.
LA: Haben Sie Kinder?
VP: Nein.
LA: Welche Sozialleistungen empfangen Sie?
VP: Zur Zeit beziehe ich keine Sozialleistung, aber im Gefängnis arbeite ich.
LA: Waren Sie in Österreich zuvor schon einmal berufstätig?
VP: Nein.
LA: Haben Sie berufliche oder allgemeine Fortbildungen besucht seit Sie in
Österreich sind?
VP: Nein.
LA: Sind Sie in Vereinen aktiv?
VP: Nein.
LA: Wie gestalten Sie Ihre Freizeit in Freiheit?
VP: Ich habe versucht, Deutsch zu lernen. Ich habe ein arabisches und deutsches Buch. Und ab und zu bin ich in der Ortschaft spazieren gegangen. Das war alles.
LA: Haben Sie österreichische Freunde?
VP: Nein.
LA: Haben Sie Verwandte in Österreich?
VP: In Österreich nicht, in Deutschland lebt aber mein Bruder.
LA: Welche Verwandten haben Sie im Irak?
VP: Meine Familie.
LA: Wen genau?
VP: Mein Vater ist gestorben. Im Irak befindet sich meine Mutter und fünf
Schwestern und vier Brüder habe ich noch.
LA: Haben Sie Cousinen, Cousins, Tanten oder Onkeln im Irak?
VP: ja, habe ich auch.
LA: Wie viele circa?
VP: Ich weiß es nicht.
LA: Haben Sie zu Ihren Verwandten im Irak Kontakt?
VP: Ja, mit meiner Familie.
LA: Wie häufig und auf welchen Kommunikationswegen?
VP: Das ist nicht regelmäßig, aber ab und zu zwei mal pro Woche, ab und zu wöchentlich, ab und zu monatlich, ab und zu in zwei Monaten ein Mal.
LA: Wie geht es Ihren Verwandten im Irak?
VP: Es geht meiner Familie nicht so gut.
LA: Warum?
VP: Wegen der allgemeinen Zustände, da herrscht Krieg, es gibt keinen Strom, es gibt kein fließendes Leitungswasser, es mangelt an allem.
LA: Wie gut fühlen Sie sich in die Gesellschaft Ihres Heimatlandes noch integriert?
VP: Sehr gut, noch immer.
LA: Seit wann sind Sie in Österreich?
VP: Ich bin seit 2012 da.
LA: Wann haben Sie Asyl bekommen?
VP: 2013
LA: Wie gut sprechen Sie Deutsch?
VP: Ein bisschen.
LA: Bitte antworten Sie auf Deutsch: Wie schmeckt Ihnen das österreichische Essen?
VP: (auf Deutsch) Ich liebe Reis und Süßes.
LA: Gibt es etwas, was Sie mir zu Ihrer Integration in die österreichische Gesellschaft sagen wollen?
VP: Ich glaube, ich kann mich nie hier in Österreich integrieren, weil die österreichische Kultur ist für mich sehr, sehr fremd und ich war auch lange in Österreich, aber zu dem Zeitpunkt war ich meistens mit Ausländern unterwegs, Tunesier, Marokkaner. Die Kultur ist für mich deshalb immer noch fremd und bleibt mir auch fremd. Ich will unsere irakische Kultur nicht vergessen.
LA: Was spricht gegen Ihre Rückkehr in den Irak?
VP: Ich weiß nicht ganz genau. Die Zustände im Irak sind sehr, sehr schlecht.
Aber ich glaube, man wird mich umbringen.
LA: Warum glauben Sie das?
VP: Weil ich habe hier politisches Asyl beantragt und ich bin von Milizen geflohen.
LA: Zahlreiche Iraker reisen freiwillig in ihre Heimat zurück, ist Ihnen das bewusst?
VP: Nein, das weiß ich nicht. Darüber weiß ich nicht Bescheid.
LA: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie in den Irak abgeschoben würden?
VP: Glauben Sie mir, ich weiß es nicht. Ich bin auch jetzt in Österreich, deshalb weiß ich es nicht. Aber ich glaube, mein Leben wäre in Gefahr. Ich glaube...
LA: Sie fürchten sich primär vor Milizen. Der Irak ist sehr groß und religiös und ethnisch zersplittert. Nicht überall haben die gleichen Milizen die Macht. Warum nehmen Sie nicht in einem Landesteil Unterkunft, in dem diese Miliz nicht an der Macht ist?
VP: Ich habe Angst vor terroristischen Gruppen. Terroristische Gruppen sind überall im Irak.
LA: Der IS wurde im Irak fast vollständig vernichtet. Wissen Sie das?
VP: Nein, das wusste ich nicht.
LA: Sprechen wir über Ihre Verurteilungen. Was ist am 21.07.2013 vorgefallen?
VP: Darüber weiß ich auch wirklich nichts. Die Person hat mich genervt und ich habe zugeschlagen. Ich wusste es wirklich nicht. Ich weiß, ich bin nicht im Irak, sondern in Österreich. Er sagte was, er wiederholte, ich wiederholte, schließlich habe ich zugeschlagen.
LA: Was ist im April bzw. Mai 2013 in XXXX vorgefallen?
VP: Darüber weiß ich nichts. Damals hatte ich kein Problem.
LA: Sie haben am 21.07.2013 versucht, einen anderen Asylwerber auf brutalste Weise, nämlich durch einen Kehlenschnitt, zu töten, und im April oder Mai 2013 einen anderen versucht, absichtlich schwer zu verletzen, indem Sie ihm eine Gabel in den Bauch und Hals rammten. Wie können Sie mir das erklären? Von "Zuschlagen" kann daher keine Rede sein.
VP: Diese Gabelattacke, das gebe ich nicht zu. Das ist eine Lüge. Die erste Attacke, ja. Ich habe es gemacht. Bei ersten Vorfall, habe ich ihn an der Schulter verletzt, ich habe nicht versucht, ihn umzubringen.
LA: Warum haben Sie dann vorher von "Zuschlagen" gesprochen, wenn dann doch ein Messer im Spiel war?
VP: Ich meinte auch zugeschlagen habe ich auch mit dem Messer gemeint.
LA: Dass Sie für beide Taten, nämlich für den versuchten Mord und die versuchte absichtliche schwere Körperverletzung rechtskräftig verurteilt wurden ist Ihnen bewusst? Bleiben Sie dabei, dass Sie mit dem Gabelangriff nichts zu tun hatten?
VP: Ich habe auch im Gericht gesagt, dieser Vorfall mit der Gabel ist nicht richtig. Ich habe das nicht gemacht.
LA: Sind Sie gefährlich?
VP: Nein, ich bin ein armer Mensch und ich bin nicht gefährlich. Ich habe mich nur verteidigt.
LA: Was hat denn bei dem Angriff mit dem Messer der andere vorher gemacht?
VP: Wir haben auch im Vorfeld zwei, drei Mal gestritten. Und an dem Tag, da hatte er auch ein Messer in der Hand.
LA: Nehmen Sie Therapiemaßnahmen oder ähnliches im Gefängnis in Anspruch?
VP: Ja, ich kriege Beruhigungsmittel.
LA: Nehmen Sie eine Aggressionstherapie oder ähnliches in Anspruch?
VP: Nur Beruhigungsmittel. Aber ich habe auch gesagt, das will ich nicht. Ich will mich automatisch und selber beruhigen. Zur Zeit fühle ich mich wirklich sehr, sehr allein. Ich bin der einzige Iraker und ich fühle mich wirklich miserabel. Und das ist die einzige Anstalt, in der nur ein Iraker ist.
LA: Wie gestaltet sich Ihr Gefängnisalltag?
VP: Ich arbeite hier im Gefängnis. Es gibt einen kleinen Betrieb. Von 8 Uhr bis 14 Uhr bin ich dort tätig. Ab und zu täglich, ab und zu wenns keine Arbeit gibt dann bleiben wir auch in der Zelle.
LA: Warum suchen Sie in Österreich um Schutz vor Gewalt an und begehen dann selbst brutalste Verbrechen?
VP: Ich habe nicht versucht, jemanden umzubringen. Ich habe nur mich verteidigt. Und es war ein Ausraster. Ich habe sogar Probleme mit meiner eigenen Familie. Zur Zeit kann ich nicht richtig klar denken. Ich habe so viele Freunde und Verwandte, die im Irak umgebracht wurden. Und diese Person hat mich wirklich geärgert. Und es war ein Ausraster.
LA: Wie stellen Sie sich Ihre weitere Zukunft in Österreich vor?
VP: Im Gefängnis ist es die Hölle und ich sehe für mich hier im Gefängnis keine Zukunft. Wenn ich draußen bin habe ich vielleicht eine Zukunft, aber hier herinnen sehe ich keine Zukunft.
LA: Hatten Sie im Gefängnis jemals Probleme irgendwelcher Art? zB disziplinärer Natur?
VP: Ich habe da nur ein Mal Probleme mit einer anderen Person gehabt, er war Türke und man brachte mich zu seiner Zelle und wir haben uns auseinandergesetzt, aber nur mit Sprache, weil er von Anfang an sagte, er möchte einen Türken und keinen Araber in seiner Zelle haben. Aber wir haben uns darüber nur in Gesprächen aufgeregt und danach fand man auch für mich eine andere Zelle.
LA: Sie sind sogar jetzt in Haft noch auffällig und weisen insgesamt 8 disziplinäre Vormerkungen auf. Warum verhalten Sie sich nicht einmal in Haft ordnungsgemäß?
VP: Worüber? Darüber weiß ich nicht Bescheid.
LA: (Vorhalt der Ordnungswidrigkeiten) JA Salzburg: 11.04.2014, Raufhandel; 14.04.2014, Nichtbefolgung einer Anordnung und Widerstand gegen die Staatsgewalt; 24.06.2014, Unerlaubte Gewahrsame (Medikamente); JA Garsten: 19.01.2015, unerlaubte Gewahrsame;
29.06.2015, unerlaubte Gewahrsame; 19.08.2015 Pflichtverletzung;
17.10.2015, unerlaubte Gewahrsame; 01.02.2016, unerlaubte Gewahrsame
VP: Glaubt mir, ich weiß über das nichts Bescheid, ich weiß nur über meine Verurteilung. Man hat mir darüber überhaupt nicht Bescheid gesagt, ich hatte wirklich bis jetzt mit keinem Menschen Probleme gehabt. Aber bringen Sie mir auch Beweise, dass ich über diese Vorfälle Bescheid weiß.
Anm.: VP wird das Dokument vorgehalten
VP: Das ist deren Problem, ich habe selber kein Problem gehabt. Außer "Guten Tag" habe ich zu niemandem was gesagt.
LA: Können Sie mir einen Grund nennen, warum das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon absehen sollte, Ihren Asylstatus abzuerkennen und gegen Sie eine Rückkehrentscheidung sowie ein unbefristetes Einreiseverbot für den Schengenraum zu erlassen?
VP: Aber ich kehre zurück zur ersten Frage. Ich wusste überhaupt über die ganzen Vorfälle nichts Bescheid, man hat mich darauf überhaupt nicht angesprochen. Und wegen Ihrer Frage wegen
Entscheidung: das ist euer gutes Recht. Gottes Erde ist groß. Das ist eure Entscheidung, da habe ich auch nichts damit zu tun. Das ist nicht meine Entscheidung. Das kann sein, vielleicht sollte ich mich bei euch auch bedanken, dass ich eine Weile bei euch bleiben konnte, aber ich sage euch auch ehrlich: die Gesamtsituation im Irak ist zur Zeit sehr, sehr schlecht. Und ich kam nach Österreich, weil ich gesehen habe, dass die Österreicher sehr nett und hilfsbereit sind. Und es ist ein gutes Land und ein sicheres Land.
[ ]"
Im Gefolge dessen wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten, die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde zur Lage im Irak zu erhalten und hiezu eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer übernahm die Unterlagen, ließ jedoch die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ungenützt verstreichen.
10. Das belangte Bundesamt erließ sodann den angefochtenen Bescheid vom 28.07.2017, Zl. 821356208, worin der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt wurde, dass ihm gemäß § 7 Absatz 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde ferner der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 3 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 5 FPG 2005 wider den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 12.07.2017 und den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aus, dem Beschwerdeführer sei der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden, da er von radikal-islamischen Kräften beziehungsweise kriminellen Banden erpresst worden sei und keine Hilfe von Seiten der Regierung zu erwarten gehabt habe. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11.04.2014 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB sowie des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 StGB (sic!) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von elf Jahren verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 21.07.2013 in XXXX versucht habe, den XXXX zu töten, indem der Beschwerdeführer zu einem Kehlschnitt angesetzt und diesem zwei Messerstiche gegen den Halsbereich versetzt habe sowie im April oder Mai 2013 in XXXX versucht habe, XXXX durch zwei mit einer Besteckgabel gegen den Bauch- und Halsbereich abzielende Stiche am Körper zu verletzen. Der Beschwerdeführer sei als gemeingefährliche Person zu qualifizieren und eine Fortsetzung seines Aufenthalts stelle eine Gefährdung der Allgemeinheit dar, zumal zu befürchten sei, dass er erneut Delikte gegen die körperliche Integrität Dritter begehen werde. Der Beschwerdeführer habe durch die Begehung von einem gerichtlich strafbaren Tatbestand klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechts- und Werteordnung zu unterwerfen. Er habe die österreichische Rechtsordnung missachtet, indem er Straftaten begangen habe und deshalb in weiterer Folge gerichtlich verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein persönlich vorwerfbares und massiv strafbares Verhalten gezeigt, dass er gewillt sei beziehungsweise zumindest in Kauf nehme, durch sein Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darzustellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Sein weiterer Aufenthalt würde weiterhin eine Gefahr für das Rechtsgut der körperlichen Integrität darstellen. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wozu auch der Rechtsfriede im Bereich des geordneten Fremden- und Zuwanderungsrechtes sowie des gerichtlichen Strafrechtes zähle, stelle jedenfalls ein Grundinteresse der hiesigen Gesellschaft dar. Obschon die Lage im Irak nach wie vor teilweise prekär sei, stehe einer sicheren Rückkehr in manche Gebiete und dem Aufbau einer gesicherten Existenz inzwischen nichts entgegen. Er habe Arbeitserfahrung als Einzelhandelskaufmann. Seine Mutter, neun Geschwister sowie zahlreiche entferntere Verwandte seien im Irak aufhältig. Der Beschwerdeführer leide an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankungen und sei arbeitsfähig. Eine Rückkehr in seine Heimat sei ihm zumutbar und möglich, zumal ihm im Falle seiner Rückkehr weder eine Gefährdung seines Lebens oder Sicherheit drohe, noch drohe ihm, in eine ausweglose Lage zu geraten. Von allfälligen negativen Lebensumständen im Irak sei er nicht in höherem Maße betroffen, als andere Staatsbürger in einer vergleichbaren Lage. Was das Privat- und Familienleben sowie den Aufenthalt in Österreich betrifft, wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit September 2012 in Österreich befinde. Er verfüge hier über keine privaten oder familiären Anknüpfungspunkte. Er beherrsche die deutsche Sprache nicht und bestreite seinen Lebensunterhalt mithilfe von Transferleistungen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung ferner Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 17-46 des angefochtenen Bescheides).
In der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung wird begründend dargelegt, warum dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 27.06.2013 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 AsylG 2005 aberkannt worden sei und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 8 Absatz 1 AsylG 2005 ausgegangen werden könne. Zudem wird ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde, weshalb gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei. Schließlich wird dargelegt, weshalb gemäß § 53 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Z. 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot wider den Beschwerdeführer erlassen wurde.
11. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Absatz 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
12. Gegen den dem Beschwerdeführer am 04.08.2017 eigenhändig zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird dargelegt, dass der Beschwerdeführer auch nach Verbüßung der Strafhaft in Österreich verbleiben wolle. Er habe im Irak viele Probleme und sei gefährdet. In der Justizanstalt werde er psychiatrisch behandelt. Er sei krank. Des Weiteren wird ausgeführt, dass er einen Anwalt für das Rechtsmittelverfahren benötigen würde.
13. Mit Schreiben vom 17.08.2017 wurde seitens des Beschwerdeführers im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatung eine Beschwerdeergänzung an das belangte Bundesamt übermittelt.
In dieser werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und wird beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren, in eventu - falls dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt werde - dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak zuzuerkennen und den Spruchpunkt II. aufzuheben, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 vorliegen und ihm daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ein derartiger Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sei, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und zur Durchführung eines erneuten Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen und in eventu das unbefristete Einreiseverbot zu beheben sowie in eventu dessen Dauer herabzusetzen.
In der Sache wird zunächst im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr darstelle. Er bereue seine Taten und habe daraus gelernt.
Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr von der unsicheren Situation in seinem Herkunftsland stark betroffen sein würde, zumal er im Irak über keine tragfähigen sozialen Anknüpfungspunkte mehr verfüge. Insbesondere aufgrund seiner langen Abwesenheit aus dem Irak werde er als entwurzelt zu betrachten sein.
In der Folge wird unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, weshalb das belangte Bundesamt zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 6 Absatz 1 Z 4 AsylG ausgegangen sei. So setze die Annahme des Asylausschlussgrundes des § 6 Absatz 1 Z 4 AsylG voraus, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des Straftäters am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Im gegenständlichen Fall sei eine Aufenthaltsbeendigung nicht möglich, da eine Abschiebung in den Irak eine Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde. Was das unbefristete Einreiseverbot betrifft, wird argumentiert, dass unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers nicht von einer gegenwärtigen Gefahr ausgegangen werden könne, zumal sich der Beschwerdeführer rechtskonform verhalten und eine bessere Zukunft aufbauen wolle.
14. Die Beschwerdevorlage langte am 18.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
15. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2017 wurde das Landesgericht Salzburg um Übermittlung des Strafaktes des Beschwerdeführers ersucht. In der Folge übermittelte das Landesgericht Salzburg im Wege der Amtshilfe die Protokolle der Beschuldigtenvernehmung, der Haupt- und der Berufungsverhandlung, die im Verfahren des Beschwerdeführers ergangenen Urteile des Landesgerichtes Salzburg vom 11.04.2014 und des Oberlandesgerichtes Linz vom 15.09.2014 sowie den im Verfahrens des Beschwerdeführers ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 12.08.2014. Zudem übermittelte das Landesgericht Salzburg ein neuropsychiatrisches Gutachten in der Strafsache des Beschwerdeführers vom 05.09.2013.
16. Mit E-Mail des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.08.2018 wurde die Leitung der Justizanstalt Garsten zwecks Optimierung der Entscheidungsfindung ersucht, eine Stellungnahme hinsichtlich des Verhaltens des Beschwerdeführers in Haft und seiner Mitwirkung am Strafvollzug abzugeben. Des Weiteren wurde um Auskunft gebeten, ob sich der Beschwerdeführer derzeit in psychiatrischer Behandlung befinde.
Eine begründete Stellungnahme wurde seitens der Leitung der Justizanstalt Garsten nicht erstattet.
17. Am 03.09.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, eines Vertreters der bevollmächtigten Rechtsberatung, dreier Justizwachebeamter sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller Länderdokumentationsunterlagen erörtert, welche dem Beschwerdeführer ausgefolgt und eine Stellungnahme hiezu freigestellt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Schreiben vom 16.08.2018 mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten und die Abweisung der Beschwerde zu begehren.
18. Mit E-Mail vom 14.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatung eine Stellungnahme zu den ihm ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen. Hiebei wird zunächst angemerkt, dass die im Zuge der mündlichen Verhandlung ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen zwar ein allgemeines Bild der Sicherheits- und Versorgungslage im Irak zu zeichnen vermögen, allerdings nur bedingt auf die speziellen Umstände des Einzelfalles des Beschwerdeführers eingehen würden. Insoweit wird auszugsweise auf das Papier des United Nations High Commissioner for Refugees (nachfolgend: UNHCR) "UNHCR-Position zu Rückkehr in den Irak" vom 14.11.2016 verwiesen. Des Weiteren wird moniert, dass den ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen nicht zu entnehmen sei, wie es dem Beschwerdeführer als - bei seiner Rückkehr ehemaligen - Strafgefangenen ergehen werde. Dass die Konditionen für einen ehemaligen Strafgefangenen in Österreich aber besser seien als im Irak, dürfte evident sein. Aufgrund dieser drohenden Ungewissheiten seien jedenfalls noch Ermittlungen bezüglich der Situation von Rückkehrern als ehemalige Strafgefangene anzustellen.
19. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer mit Note vom 20.12.2018 weitere Länderdokumentationsunterlagen zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.
20. Mit Eingaben vom 07.01.2019 brachte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einerseits eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Salzburg über die Erhebung einer Anklage wider den Beschwerdeführer wegen §§ 15, 83 und 270 StGB zur Kenntnis, ferner wurde der bezughabende Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion Garsten vom 20.12.2018 in Vorlage gebracht. Demzufolge ist der Beschwerdeführer verdächtig, am 30.08.2018 in der Krankenstation der Justizanstalt Garsten einen Justizwachebeamten mit geballter Faust angegriffen und einen Mithäftling durch Faustschläge verletzt zu haben, wobei dieser Hämatome und Prellungen am Oberkörper erlitt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der schiitischen Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX in XXXX in der irakischen Provinz al-Qadisiyya geboren und lebte dort zuletzt gemeinsam mit seiner Mutter und mehreren Geschwistern in einem Haus im Eigentum der Familie. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Arabisch.
Der Beschwerdeführer besuchte in XXXX mehrere Jahre die Grundschule und betrieb nach dem Tod seines Vaters ein Lebensmittelgeschäft.
Ein Bruder befindet sich in der Bundesrepublik Deutschland. Seine Mutter und mehrere Geschwister wohnen weiterhin inXXXX. Letztere gehen einer Arbeit am Markt nach und versorgen - trotz finanziell angespannter Situation - die Mutter des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer unterhält mit seiner Familie unregelmäßigen Kontakt.
Mitte September 2012 verließ der Beschwerdeführer den Irak illegal von XXXX ausgehend in die Türkei und gelangte in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 28.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2013 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 28.09.2012 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
1.2. Der Beschwerdeführer gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hat in seinem Herkunftsstaat in der Provinz al-Qadisiyya keine Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre und er asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.
Ferner wird dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des Islamischen Staates oder ein sonstiges Naheverhältnis zum Islamischen Staat vor der Ausreise unterstellt werden.
1.3. Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Der Beschwerdeführer steht nicht in dauerhafter psychiatrischer Behandlung. Hinsichtlich Kopfschmerzen und Schlafstörungen erhält er eine medikamentöse Behandlung. Eine signifikante Verschlechterung des Gesundheitszustandes, insbesondere ein lebensbedrohlicher Zustand im Fall einer Rückführung in den Irak, ist insoweit nicht anzunehmen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
Der Beschwerdeführer ist ein - abgesehen von Bluthochdruck, Atemproblemen und gelegentlichen Kopfschmerzen sowie Schlafstörungen - gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hinreichender Ausbildung in der Schule und Berufserfahrung als Lebensmittelhändler. Der Beschwerdeführer verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft durch seine Familie.
Der Beschwerdeführer verfügt über irakische Ausweisdokumente im Original (Personalausweis).
1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit Ende September 2012 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein und war bis zur Erlassung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2013 als Asylwerber im Bundesgebiet aufhältig.
Dem Beschwerdeführer wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.06.2013 aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 28.09.2012 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Absatz 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem Bescheid kann keine Begründung entnommen werden, einem im Akt aufliegenden "Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" kann entnommen werden, dass glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer "von radikal-islamischen Kräften bzw. kriminellen Banden zur Herausgabe seiner Einkünfte aus einem Lebensmittelladen genötigt wurde. Da er dies in weiterer Folge nicht mehr tun konnte, wurde sein Geschäft verwüstet und sein Auto gestohlen. Hilfe seitens der Regierung ist nicht zu erwarten, diese ist mit der gegenwärtigen innenpolitischen Situation des Irak überfordert".
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11.04.2014 wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des versuchten Mordes gemäß §§ 15 Absatz 1, 75 StGB und des Vergehens der versuchten Körperverletzung gemäß §§ 15 Absatz 1, 83 Absatz 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dem Wahrspruch der Geschworenen zufolge hat der Beschwerdeführer am 21.07.2013 in XXXX versucht, den XXXX, indem er zu einem Kehlschnitt ansetzte und diesem zwei Messerstiche gegen den Halsbereich versetzte, zu töten sowie im April oder Mai 2013 in XXXX versucht, XXXX durch zwei mit einer Besteckgabel gegen den Bauch- und Halsbereich abzielende Stiche am Körper zu verletzen. Als mildernd bei der Strafzumessung wurde die bisherige Unbescholtenheit sowie dass die Taten beim Versuch geblieben sind gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen.
Der Beschwerdeführer bezog seit der Antragstellung bis 22.07.2013 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und war zunächst in zwei Unterkünften für Asylwerber untergebracht. Seit dem 22.07.2013 ist er in verschiedenen Haftanstalten im österreichischen Bundesgebiet durchgehend inhaftiert, wobei er sich seit 26.11.2014 zur Verbüßung seiner Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Garsten befindet.
Er ist als grundsätzlich erwerbsfähig anzusehen, etwaige gesundheitliche Einschränkungen des Beschwerdeführers - abgesehen von Bluthochdruck, Atemproblemen und gelegentlichen Kopfschmerzen sowie Schlafstörungen - sind nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und verrichtet(e) auch keine gemeinnützigen Arbeiten.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und pflegte, insbesondere im Rahmen seiner Freizeitaktivitäten, vor der Verbüßung seiner Haftstrafen normale soziale Kontakte vorwiegend zu Personen aus dem arabischen Kulturkreis. Er verfügt hier über keine Freunde, ist kein Mitglied in einem Verein und für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.
Der Beschwerdeführer hat während der Verbüßung der Haft einen Deutschkurs besucht. Er hat keine Prüfungen absolviert, verfügt jedoch aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts über rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache. Anderweitige Integrationsschritte hat der Beschwerdeführer nicht ergriffen.
1.5. Dem Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion Garsten vom 20.12.2018 zufolge ist der Beschwerdeführer verdächtig, am 30.08.2018 in der Krankenstation der Justizanstalt Garsten einen Justizwachebeamten mit geballter Faust angegriffen und einen Mithäftling durch Faustschläge verletzt zu haben, wobei dieser Hämatome und Prellungen am Oberkörper erlitt.
Wider den Beschwerdeführer wurde deshalb von der Staatsanwaltschaft Steyr am 27.12.2018 zu 4 St 215/18w Anklage wegen des versuchten tätlichen Angriffs auf einen Beamten und wegen Körperverletzung erhoben.
1.6. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
1.7. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der dem Beschwerdeführer gegenüber offengelegten Quellen getroffen:
1. Aktuelle Ereignisse
27.06.2018: Papst Franziskus kreierte Patriarch Mar Louis I Sako, Oberhaupt der Chaldäisch Katholischen Kirche, als Kardinal. Ägypten betonte, dass es sich weiter am Wiederaufbau und an der Stabilisierung des Irak beteiligen wird. Muqtada al-Sadr gab bekannt, dass er alle Operationen seiner Miliz Saraya al-Salam in Basra einstellen lassen wird, nachdem es Zwischenfälle mit den örtlichen Kräften gegeben hatte.
01.07.2018: Die nationale irakische Ölgesellschaft kündigte an, dass sie mit Zustimmung der OPEC eine schwimmende Ölspeicherplattform bauen wird um ihre Kapazität auf sechs Millionen Barrel zu erhöhen.
02.07.2018: Die Sicherheitssituation an der irakisch-syrischen Grenze entspannt sich wegen der Militäroperationen gegen die konzentrierten IS-Zellen in der Region.
02.0.7./04.07.2018: Die Bundespolizei verlegte einige ihrer Truppen in die Provinz Kirkuk um die Sicherheit zu gewährleisten, da sich IS-Kämpfer im Süden formierten. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), die PMUs und die Peshmerga starteten eine gemeinsame Offensive in der Region.
10.07.2018: Gemäß einer Aussage von Premier Abadi habe sich die Sicherheitssituation in Mosul seit dem erklärten Sieg über den IS im Dezember 2017 massiv verbessert.
13.07.2018: Laut den Aussagen von PMU-Patrouillen bleibt die Sicherheitssituation in der Region westlich von Bayji wegen der IS-Zellen angespannt.
16.07./17.07.2018: Der irakische Elektrizitätsminister kündigte an, dass Teheran keine Elektrizität mehr in den Irak exportieren wird. Daraufhin reiste der irakische Minister für Planung nach Jeddah um die Energiekrise mit einer saudischen Delegation zu besprechen.
23.07.2018: Kuwait bot dem Irak mit der Sendung von mobilen Generatoren Hilfe an um seine Energiekrise zu lösen.
14.08.2018: Die Türkei und der Irak einigten sich auf ein Abkommen um einen neuen Grenzübergang nahe dem Grenzübergang Fish-Khabour zu eröffnen. Jordanien unterzeichnete mit dem Irak ein Sicherheitsabkommen um die Straße zwischen Amman und Bagdad und um die Grenze zu öffnen.
16.08./21.08.2018: Durch das Wiederinkrafttreten der Iransanktionen ist der damals amtierende Premierminister Abadi bemüht das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran auszubalancieren. Dank einer intensiven wirtschaftlichen Kooperation reiste eine irakische Delegation nach Washington um Ausnahmen von den Sanktionen zu verhandeln.
19.08.2018: Die irakische Zentralregierung und die kurdische Regionalregierung einigten sich mittels eines Abkommens darauf gemeinsame Checkpoints an der Straße von Erbil nach Kirkuk einzurichten um die Straße öffnen zu können.
20.08.2018: Die Türkei und der Irak unterzeichneten ein Energieabkommen, in dem festgehalten wurde, dass die Türkei dem Irak Elektrizität liefern werde und bei der Entwicklung der lokalen Infrastruktur Unterstützung leisten wird.
20.10.2018/21.10.2018: Die irakischen Streitkräfte setzen ihre Militäroperationen gegen den IS fort. So töteten Sicherheitskräfte am 20.10.18 vier Extremisten in ihrem Versteck in Hit, drei Extremisten in Kirkuk und zwei Extremisten in der Provinz Diyala. Mindestens 23 Menschen wurden bei jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfällen getötet. So kamen am 21.10.18 mindestens vier irakische Polizisten bei zwei Bombenexplosionen ums Leben, die von den Kämpfern des IS in den Regionen al-Shoura und Makhmour verübt wurden. Ebenfalls am 21.10.18 wurde eine turkmenische Familie von unbekannten bewaffneten Männern im Distrikt Hawija, rund 55 Kilometer südwestlich von Kirkuk, getötet. Auch in Jalawla, Provinz Diyala, töteten Unbekannte eine Familie.
25.11.2018: Am 25.11.18 verkündete das Gesundheitsministerium, dass bei starken Regenfällen mindestens 21 Menschen ums Leben gekommen und etwa 180 Personen verletzt worden seien. Laut der UN-Mission im Irak (UNAMI) sind in Salah ad-Din etwa 10.000 und in Ninewa etwa 15.000 Menschen in Folge der Fluten auf Unterstützung angewiesen. Am stärksten betroffen seien der Distrikt Shirqat (Provinz Salah ad-Din) und die Vertriebenenlager Qayyarah und Jedda (Provinz Ninewa). Flutschäden wurden auch in einigen südlichen Provinzen gemeldet. Häuser und Viehbestände seien hier zerstört sowie Brücken und Dörfer überschwemmt worden. UNAMI beteiligt sich an einer Notfallunterstützungsmission.
03.12.2018: Die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) nominiert Nechviran Barzani als Präsidentschaftskandidaten für die autonome Region Kurdistan. Sein Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten soll Masrur Barzani (Sohn des langjährigen Präsidenten Massud Barsani) werden.
04.12.2018: Laut Medienberichten unterbrachen Parlamentsabgeordnete am 04.12.18 eine Parlamentssitzung, die zu einer Regierungsbildung nach der Wahl im Mai 2018 führen sollte. Die Posten u.a. für das Innen- und Verteidigungsministerium bleiben unbesetzt. Dem Stillstand liegt eine Spaltung zwischen den zwei schiitischen Hauptblöcken von Moqtada Sadr und dem Milizenführer Hadi al-Amiri zugrunde.
07.12.2018: Massive Regenfälle haben in weiten Teilen des Landes zu Zerstörungen und Beschädigungen von Infrastruktur sowie Wohnhäusern geführt. Besonders betroffen sind intern Vertriebene in den Provinzen Salah ad-Din und Ninewa (Mosul, Nimrud, Sinjar Gebirge). Lokalen Medien zufolge wurden etwa 80 Familien aus dem Dorf Zanazel (Provinz Ninewa) evakuiert. Das Krisenkoordinierungszentrum des kurdischen Innenministeriums (Joint Crisis Coordination Centre) meldete am 07.12.18, dass im Vertriebenenlager Dibaga 2 in der Provinz Erbil etwa 700 intern Vertriebene auf Notfallhilfe angewiesen seien.
2. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.02.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 002.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 02.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018) Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstle