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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des E K in W, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien VII, Lerchenfelderstraße 39, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission der Bundeshauptstadt Wien (Senat 10) vom 5. April 1996, Zl. MA 2/29/96, betreffend Verhandlungsbeschluß in einem Disziplinarverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand im Zeitpunkt der ihm zum Vorwurf gemachten Handlungen als Lohnschlächter im Schlachthof x in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
Im Jahr 1991 wurde er beschuldigt, er habe zumindest seit 1986 fortlaufend bis Mai 1991 aus dem Schlachthof x gemeinsam mit anderen Personen große Mengen von Rindfleisch weggenommen, um aus dessen Verkauf monatliche Zusatzeinnahmen zu erzielen. Hinsichtlich dieser Vorwürfe wurde gegen den Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen schweren Bandendiebstahls zur Zl. 6cVr 6144/91, Hv 6479/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Anklage erhoben und ein Strafverfahren durchgeführt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 1995, 6c Vr 6144/91, Hv 6772/94, wurde der Beschwerdeführer von dem gegen den ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Bereits mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Personalamt, vom 24. Juni 1991 war der Beschwerdeführer vom Dienst suspendiert worden. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1992, Zl. 91/09/0175, abgewiesen.
Am 12. Oktober 1995 erstattete die Magistratsabteilung 2 Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission, zu der der Beschwerdeführer gehört wurde (Schriftsatz vom 15. November 1995). Mit Bescheid der Disziplinarkommission - Senat 10 vom 5. April 1996 wurde die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich des in der Disziplinaranzeige unter Punkt 1 genannten Vorwurfes gemäß § 97 Abs. 1 Z. 3 Dienstordnung 1994 (DO 1994) verfügt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Disziplinarkommission der Bundeshauptstadt Wien - Senat 10 vom selben Tag (5. April 1996) wurde - aufgrund des in einer Sitzung vom 28. Februar 1996 gefaßten Beschlusses - die mündliche Verhandlung im Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich des verbleibenden Punktes 2 der Disziplinaranzeige vom 12. Oktober 1995 anberaumt. Danach wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe entgegen dem Verbot, während des Dienstes und innerhalb der Dienstgebäude (Arbeitsstätte) einer privaten Arbeit nachzugehen,
a) zumindest ab dem Jahr 1986 bis Mai 1991 in seiner ehemaligen Dienststelle im Schlachthof x das Fleisch, welches er, wie im Punkt
1) der Disziplinaranzeige der MA 2 vom 12.10.1995, Zl. MA 2/429851 B, dargestellt, widerrechtlich an sich brachte, während der Dienstzeit nachgeputzt, in Plastiksäcke abgefüllt, zu seinem PKW transportiert und in diesen verladen und
b) in wiederholten Malen in dem in Punkt 1) der Disziplinaranzeige der MA 2 vom 12.10.1995, Zl. MA 2/429851 B, angeführten Zeitraum während der Dienstzeit Fleisch, welches er, wie im Punkt 1) der zitierten Disziplinaranzeige dargestellt, widerrechtlich an sich brachte, mit seinem PKW an die in Punkt 1) der zitierten Disziplinaranzeige genannten Fleischhauer ausgeliefert, wobei er jedenfalls am 21. Mai 1991 in der Zeit zwischen 8.10 Uhr und 8.40 Uhr die Fleischhauerei F, und in der Zeit zwischen 11.16 Uhr und 11.55 Uhr die Fleischhauerei K, mit dem PKW Ford Escort, weiß lackiert, polizeiliches Kennzeichen W, beliefert habe. Hiedurch habe er die in § 18 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Magistrates der Stadt Wien normierten Dienstpflichten verletzt. Die belangte Behörde begründete dies im wesentlichen damit, gemäß § 100 Abs. 3 der Dienstordnung 1994 habe der Senat, wenn der Sachverhalt ausreichend geklärt sei und das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 97 einzustellen sei, die mündliche Verhandlung anzuberaumen. Aufgrund der Disziplinaranzeige der MA 2 vom 12. Oktober 1995 und der durchgeführten Erhebungen sei die mündliche Verhandlung anzuberaumen gewesen. Der im Spruch zitierte Punkt 1 der Disziplinaranzeige der MA 2 vom 12. Oktober 1995 laute folgendermaßen:
"Er hat im Dienst und außer Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, und hat dem Verbot, sich oder sonstigen Dritten Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen, zuwidergehandelt, indem er zumindest ab dem Jahr 1986 bis Mai 1991 aus seiner ehemaligen Dienststelle im Schlachthof x in W, regelmäßig Muskelfleisch, welches im Zuge der Fettentfernung vom Hals der Rinder, beim "Auslungern" (letztmaliges Zuputzen bzw. Fettentfernung) und beim Entfernen des 'Bladernstengels' durch tiefere Einschnitte als nötig mitabgeschnitten wurde, und ebenso Abfallfleisch, nämlich den ausgeschnittenen und zugeputzten 'Bladernstengel', welches er nach dem ihm erteilten Auftrag der Tierkörperverwertung zuzuführen gehabt hätte, zurückbehalten und dieses in wöchentlichen Mengen bis zu 400 kg zu einem Kilopreis bis zu öS 38,- an verschiedene ihm bekannte Fleischhauer, nämlich an
F F, in W,
K A, in W,
B, in G und
G, in L,
verkauft hat, um sich einerseits aus einem Teil des Erlöses monatliche Zusatzeinkommen zu verschaffen und andererseits den übrigen Teil des Erlöses einer Gemeinschaftskassa zuzuführen, aus der in x tätige Schlächter Anteile erhielten."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Zeitpunkt der Begehung der dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Handlungen in Geltung gestandenen und daher maßgeblichen materiellen Bestimmungen der Wiener Dienstordnung 1966 lauten:
"§ 19 (1): Der Beamte hat die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
(2) Der Beamte hat ferner im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte."
Die für die belangte Behörde im Zeitpunkt des Einlangens der Disziplinaranzeige maßgebenden formellen Bestimmungen der Wiener Dienstordnung 1994, BGBl. Nr. 56/1994, lauten:
"§ 97 (1) Das Disziplinarverfahren ist von der Disziplinarbehörde, bei der das Verfahren anhängig ist, mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder
nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der weiteren Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten.
(2) Das Disziplinarverfahren gilt als eingestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.
...
§ 100 (1) Nach Einlangen der Disziplinaranzeige hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission den zuständigen Senat - allenfalls unter Bedachtnahme auf § 83 - zu ermitteln und die Disziplinaranzeige an diesen weiterzuleiten. Der so bestimmte Senat bleibt bis zur Beendigung des Verfahrens zuständig, auch wenn sich die Umstände, die für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens ändern. Je eine Abschrift der Disziplinaranzeige ist dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln, wobei ihnen Gelegenheit zu geben ist, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Stellung zu nehmen.
(2) Der Vorsitzende des zuständigen Senates der Disziplinarkommission hat nach Ablauf der zweiwöchigen Frist (Abs. 1) den Senat einzuberufen. Sind zur Klärung des Sachverhaltes ergänzende Ermittlungen erforderlich, so sind diese auch vom Magistrat im Auftrag des Senates durchzuführen.
(3) Ist der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat der Senat, sofern das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 97 einzustellen ist, die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß). Zu dieser sind die Parteien unter Bekanntgabe des Verhandlungsbeschlusses sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden."
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst, sowohl dem Strafakt als auch seiner Stellungnahme zur Disziplinaranzeige hätte die belangte Behörde entnehmen müssen, daß der Beschwerdeführer weder einen Diebstahl begangen, noch in der Dienstzeit Arbeiten verrichtet, insbesondere Transporte durchgeführt habe. Wären diese Feststellungen getroffen worden, wäre das Disziplinarverfahren zur Gänze einzustellen gewesen.
Der Beschwerdeführer verkennt jedoch, daß im Disziplinarverfahren - anders als im strafgerichtlichen Verfahren - nicht die strafrechtliche Qualifikation seiner Handlungen (Diebstahl) zu beurteilen ist, sondern sich die Prüfung der Disziplinarbehörde auf die Beurteilung des vom Beschwerdeführer gesetzten - und im Sachverhalt auch nicht bestrittenen - Verhaltens aus disziplinärer Sicht beschränkt. Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1992, Zl. 91/09/0175, ausgeführt, obliegt diese Prüfung den Disziplinarbehörden auch unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer wegen seines Verhaltens angeklagt bzw. strafrechtlich verurteilt wurde oder nicht. Insoweit kann sich mangels Deckungsgleichheit der unter Sanktion gestellten Verhaltensweisen aus einem Freispruch im strafgerichtlichen Verfahren auch nicht ergeben, inwieweit eine Dienstpflichtverletzung dennoch vorliegen könnte.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides rügt der Beschwerdeführer zunächst, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei unvollständig, als in diesem Spruch auf einen Punkt in der Disziplinaranzeige Bezug genommen werde, jedoch nicht zu ersehen sei, "daß der Punkt 1 der Disziplinaranzeige integrierender Bestandteil des Spruches des Verhandlungsbeschlusses sein soll". Es sei daher nicht zweifelsfrei festzustellen, welcher Sachverhalt Gegenstand des Disziplinarverfahrens sein solle.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind im Spruch eines Verhandlungsbeschlusses die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen, d.h., daß im Anschuldigungspunkt der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Insbesondere ist klarzustellen, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird (wobei eine endgültige rechtliche Subsumtion jedoch noch nicht vorgenommen werden muß, dies vielmehr dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Disziplinarbehörde vorbehalten bleibt). Eine Denkunmöglichkeit der von der Behörde vorgenommenen Subsumtion ist ebensowenig zu erkennen wie eine nicht im Verdachtsbereich begründete Anschuldigung der vorgeworfenen Sachverhalte (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0095, 0110, und die dort wiedergegebene Judikatur). Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde rügt, die ihm zum Vorwurf gemachten Tathandlungen seien nicht konkret genug umrissen, ist er darauf zu verweisen, daß der ihm angelastete Vorwurf nicht nur durch Verweis auf die Disziplinaranzeige vom 12. Oktober 1995, sondern im Begründungsteil auch durch die wörtliche Wiedergabe derselben in dem aufrecht gebliebenen Punkte zweifelsfrei definiert ist, sodaß die Anforderungen an einen Verhandlungsbeschluß im vorliegenden Beschwerdefall als erfüllt angesehen werden müssen, weil der Beschwerdeführer diese Disziplinaranzeige am 13. November 1995 erhalten und hiezu auch am 15. November 1995 eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hat. Daß die belangte Behörde dabei allenfalls eine unrichtige rechtliche Subsumtion (unrichtige Rechtslage) vorgenommen hat, kann im oben dargelegten Sinne den Beschwerdeführer in keinen subjektiven Rechten verletzen.
Die im weiteren vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufgezeigten Unschlüssigkeiten sind nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium, weil die Frage des tatsächlichen Geschehensablaufes erst Gegenstand der mit dem angefochtenen Bescheid anberaumten Disziplinarverhandlung sein wird.
Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß
§ 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Oktober 1998
Schlagworte
Spruch und Begründung Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090169.X00Im RIS seit
21.03.2001Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008