Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der J KEG in W, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf und Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwälte in Wien III, Esteplatz 7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. August 1996, Zl. 10/13113/1580630, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. April 1996 beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den kroatischen Staatsangehörigen M M für die berufliche Tätigkeit als Musiker; nach den Antragsangaben seien als spezielle Kenntnisse oder Ausbildung "dalmatische und italienische Musik" erforderlich.
Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Angestellte Wien mit Bescheid vom 5. Juni 1996 gemäß § 4a Abs. 1 und 3 AuslBG ab.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, das Arbeitsamt für Angestellte habe für verschiedene Arbeitgeber ab 6. Juni 1989 für den beantragten Ausländer Beschäftigungsbewilligungen für die berufliche Tätigkeit als Musiker erteilt. Der beantragte Ausländer sei somit seit Jahren amtsbekannt als Musiker tätig. Es bestünden demnach keine begründeten Zweifel an der Ausübung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit des beantragten Ausländers. Obgleich ihr eine Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen nicht zugekommen sei, werde mit dem Berufungsschriftsatz gleichzeitig der geforderten Vorlage von Urkunden entsprochen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. August 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4a Abs. 1 und 3 AuslBG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die Begründung dieses Bescheides lautet:
"Sie suchen einen Musiker und beantragten für M M die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Als Qualifikationsnachweis des Beantragten für die berufliche Tätigkeit als Musiker wurde lediglich darauf verwiesen, daß bereits Beschäftigungsbewilligungen als Musiker erteilt wurden. Eine Beschäftigungsbewilligung entspricht jedoch keinem Ausbildungsnachweis. Die Qualifikation des Beantragten als Musiker konnte somit nicht glaubhaft nachgewiesen werden. Da jedoch gemäß § 4a Abs. 3 AuslBG die Voraussetzung der künstlerischen Tätigkeit des Ausländers bei begründeten Zweifeln glaubhaft zu machen sind, wurde ihr Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für M M abgewiesen.
Weiters wurde anhand des vorgelegten Bauplanes festgestellt, daß das größte Zimmer in der für die Musikdarbietung vorgesehenen Baulichkeit 25 m2 groß ist. Seitens des Arbeitsmarktservice Wien werden für Gaststätten in dieser Größe keine Beschäftigungsbewilligungen für Musiker erteilt.
Es war daher wie im Spruche zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer verletzt. Sie beantragt eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durchzuführen und den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird geltend gemacht, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 4a AuslBG unrichtig ausgelegt bzw. angewendet, weil nach dieser Bestimmung kein Ausbildungsnachweis zu erbringen, sondern die Ausübung der künstlerischen Tätigkeit des beantragten Ausländers glaubhaft zu machen sei. Auf Grund der jahrelang für den beantragten Ausländer erteilten Beschäftigungsbewilligungen als Musiker in verschiedenen Lokalen (teils als Ensemblemitglied, teils als Solist) sei glaubwürdig bescheinigt worden, daß dieser tatsächlich Musiker sei. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Mitwirkungspflicht somit nachgekommen.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.
Die belangte Behörde hat die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung auf § 4a AuslBG gestützt.
Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle darf die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer, dessen unselbständige Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, auch bei Fehlen der Vorausetzungen gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 nur versagt werden, wenn die Beeinträchtigung der durch dieses Bundesgesetz geschützten öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Freiheit der Kunst des Ausländers.
Bei der Abwägung gemäß Abs. 1 ist zufolge Abs. 2 leg. cit. insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, daß durch die Versagung der Beschäftigungsbewilligung dem Ausländer eine zumutbare Ausübung der Kunst im Ergebnis nicht unmöglich gemacht wird. Dabei darf weder ein Urteil über den Wert der künstlerischen Tätigkeit, deren unselbständige Ausübung beantragt wurde, noch über die künstlerische Qualität des Künstlers, für den die Beschäftigungsbewilligung beantragt wurde, maßgebend sein.
Die Voraussetzungen der künstlerischen Tätigkeit des Ausländers im Sinne des Abs. 1 sind nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle bei begründeten Zweifeln glaubhaft zu machen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 9. September 1997, Zlen. 97/09/0244 und 97/09/0245, dargelegt hat, ist bei der Prüfung der sachverhaltsmäßigen Anwendungsvoraussetzungen des § 4a AuslBG zu berücksichtigen, daß dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert, was immer dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind. Dies trifft auf die Bestimmung des § 4a AuslBG insofern zu, als die nach Abs. 1 leg. cit. vorzunehmende Interessenabwägung notwendiger Weise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbringen der Partei über die beabsichtigte künstlerische Tätigkeit des Ausländers voraussetzt.
Die belangte Behörde hat die Rechtslage insoweit verkannt, als nach der angewendeten Bestimmung des § 4a AuslBG kein "Qualifikationsnachweis" zu erbringen ist, sondern lediglich die Voraussetzung der beabsichtigten künstlerischen Tätigkeit bei begründeten Zweifeln glaubhaft zu machen ist. Die Beschwerdeführerin ist daher damit im Recht, daß sie ihrer Mitwirkungspflicht im vorliegenden Verwaltungsverfahren dahingehend nachgekommen ist, daß allfällige Zweifel über die künstlerische Tätigkeit des Ausländers durch die Vorlage der in der Vergangenheit für diesen erteilten Beschäftigungsbewilligungen zunächst ausreichend ausgeräumt wurden. Amtswegige Ermittlungen dahingehend, daß diese von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemachten Umstände tatsächlich unrichtig wären, wurden von der belangten Behörde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht angestellt. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß ein "Qualifikationsnachweis" bzw. ein "Ausbildungsnachweis" von der Beschwerdeführerin vorzulegen gewesen wäre, entbehrt jedenfalls einer gesetzlichen Grundlage. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der im angefochtenen Bescheid dargelegten Begründung auch nicht zu erkennen, warum im vorliegenden Fall zweifelhaft sein soll, daß sich der beantragte Ausländer tatsächlich als Musiker bei der Beschwerdeführerin betätigen wird, wird doch im angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht lediglich der Wortlaut des § 4a Abs. 3 AuslBG wiedergegeben, aber nicht festgestellt, aus welchem Sachverhalt sich die "begründeten Zweifel" ergeben könnten.
Insoweit die belangte Behörde die Versagung der Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG aus vorgelegten Bauplänen ableitet, verkennt sie, daß derartige Gesichtspunkte im vorliegenden Bewilligungsverfahren nach dem AuslBG für die Erteilung oder Versagung einer Beschäftigungsbewilligung rechtlich unerheblich sind. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid darauf, daß "für Gaststätten dieser Größe keine Beschäftigungsbewilligungen für Musiker erteilt werden" stellt keinen gesetzmäßigen Versagungsgrund (nach dem AuslBG) dar und erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu einer negativen Sachentscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin gelangte, belastete sie schon aus den dargelegten Gründen den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090294.X00Im RIS seit
20.11.2000