TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/29 W131 2217463-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Norm

ABGB §863 Abs1
BVergG 2018 §327
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W131 2217463-2/35E

Schriftliche Ausfertigung des am 15.05.2019 verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard

GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin MMag

Dr Annemarie MILLE als Beisitzerin der Auftragnehmerseite und durch

den fachkundigen Laienrichter Mag Franz PACHNER als Beisitzer der

Auftraggeberseite betreffend das Vergabeverfahren des Auftraggebers

Schutzwasserverband Kremstal (= AG) "Rückhaltebecken Krems-Au, BA02,

Erd- und Baumeisterarbeiten, GZ 2300/4" über den Nachprüfungsantrag

der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= AST oder ASt), einer

Bietergemeinschaft bestehend aus der XXXX , der XXXX und der XXXX ,

die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der XXXX GmbH (= Mitbeteiligte

= MB = MB GmbH) für nichtig zu erklären, nach Durchführung einer

mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

In Stattgabe des Nachprüfungsantrags wird die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der XXXX GmbH für nichtig erklärt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der AG leitete im Februar 2019 im zeitlichen Vollanwendungsbereich des BVergG 2018 das im Entscheidungskopf konkretisierte offene Vergabeverfahren über einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich ein.

2. Die ASt bekämpfte die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der MB mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag.

3. Nach Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit einem

Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, der

Erhebung von Einwendungen durch die MB und diversen anderen

Schriftsätzen der Verfahrensparteien fand am 15.05.2019 eine

mündliche Verhandlung statt, die laut Verhandlungsschrift in den

hier interessierenden Teilen wie folgt verlief

[Antragstellerinnenvertreter = ASTV bzw AStV; MBV =

Mitbeteiligtenvertreter, AGV = Auftraggebervertreter; VR =

vorsitzender Richter]:

[...]

Sohin ergeht die Anfrage an die Parteienvertreter, wie viele Referenznachweise warum verlangt gewesen sind.

AGV: Der AGV verweist auf die Festlegung, die der Ausschreibungsunterlage S. 5, Zahl B5 und die dazu präzensierende Fragebeantwortung 4, wonach zwei Unternehmensreferenzen je Leistungsteil gemäß Festlegung B.5. zur technischen Leistungsfähigkeit vorzulegen bzw. nachzuweisen sind. Aus Sicht des AG ist die MB dem geforderten Erfordernis nachgekommen. Dies durch Vorlage von sechs Referenznachweisen.

VR: Möchten Sie noch etwas zur Frage vorbringen, inwieweit eine Eigenleistung der MB, die in einem Fall als Referenz im Akt aufscheint einer tauglichen Referenz im Sinne der Ausschreibung ist?

AGV: Aus Sicht des AG haben Referenzen eine ausreichende, einschlägige Erfahrung zu belegen, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen die technische Leistung zu Beleg der Erfahrung erbracht wurde, ist in der Ausschreibungsunterlage nicht festgelegt und daher für den AG nicht von Relevanz.

VR zu AGV: Die S. 58 und 63 der Ausschreibungsunterlagen sind bekannt?

AGV: Ja.

VR ersucht MBV um Stellungnahme zum gleichen Thema (wie viele Referenzen waren verlangt, ist eine Eigenleistung eine taugliche Referenz?).

MBV: Zur Frage der erforderlichen Anzahl an Referenzen schließt der MBV vollinhaltlich des Vorbringens des AGV an. Eigenreferenzen waren zulässig. Genau wie bei Leistung für dritte Auftraggeber müssen bei Eigenleistung technischen Normen, behördliche Bewilligungen, behördliche Auflagen (z. B. Betriebsanlagengenehmigungen, Baubewilligung, Auflagen aus UVP-Bescheiden, etc.) eingehalten werden, um alle erforderlichen Bau- und Betriebsgenehmigung zu erhalten. Bei allen bewilligungspflichten Bauwerken müssen daher dieselben Sorgfaltsmaßstäbe und Normen eingehalten werden, wie bei von dritten Auftraggeber beauftragten Leistungen. Es besteht daher insofern kein Unterschied bzw. kein höheres Gefährdungspotential für öffentliche AG. In diesem Sinn verbieten auch weder die Vergaberichtlinien noch das Bundesvergabegesetz, noch die ÖNORM A2050, noch eine sonst bekannte Verfahrensnorm, die Verwendung von Eigenreferenzen. Gemäß VK Brandenburg, Beschluss vom 23.06.2009, VK 26/09, sind Eigenreferenzen nur dann unzulässig, wenn dies der AG in der Ausschreibungsunterlage ausdrücklich so festgelegt hat. Zur Seite 58 des Angebotsschreibens kurz Folgendes:

Dort sind die Formblätter bzw. Erklärung über Referenzen nur in Zusammenhang mit dem Inhaltsverzeichnis erwähnt. Im Gegensatz dazu erklärt der Bieter auf S. 59 des Angebotsschreibens ausdrücklich, dass die unter "Teil B5" des Angebotsschreibens für Bauleistungen festgelegten Eignungskriterien erfüllt sind. Es findet sich in dieser Festlegung kein Verweis auf das Formblatt.

VR nimmt kurz in das Internet Einschau und teilt mit, dass unter "Referenz", nach dem allgemeinen Sprachgebrach entweder "die von einer Vertrauensperson gegebene (lobende) Beurteilung bzw. Empfehlung verstanden wird", bzw. "eine Person oder Stelle, auf die verwiesen wird, weil sie, "lobende" Auskunft über jemanden geben kann. Klargestellt wird, dass nach der derzeitigen unpräjudiziellen Einschätzung jeweils eine dritte Person gemeint sein dürfte.

MBV: Ich verweise hinsichtlich des Begriffsinhalts des Wortes "Referenz" auf § 85 Abs. 2 BVergG und die dort enthaltene Definition. Demnach handelt es sich bei "Referenzen" über Nachweis über erbrachte Leistungen. Nicht vorgesehen ist in § 85 Abs. 2 BVergG, dass diese Leistung gegenüber einem Dritten erbracht worden sein muss. Hätte der Gesetzgeber dies so gewollt, dann hätte er es entsprechend geregelt. Von einer Lücke des Gesetzes ist hier nicht auszugehen. Im Übrigen darf ich auf den "Wikipedia-Eintrag" zum Terminus "Referenz" verweisen, der eine Fülle von alternativen Definitionen anbietet. Zum einen wird erklärt, dass das Wort "Referenz" aus dem Lateinischen stammt und lediglich bedeutet, sich auf etwas zu beziehen. Zum anderen findet sich auch eine Definition im "Wikipedia-Eintrag" zu öffentlichen Ausschreibungen. Auch dort ist kein Verweis auf einen dritten AG zu finden. Letztlich geht es für einen öffentlichen AG nur darum, erkennen zu können, ob die ausgeschriebene Leistung vom Bieter bereits einmal erbracht wurde. Bei Zweifeln kann der AG die Eigenreferenz genauso wie eine Drittreferenz überprüfen. Hierbei besteht kein Unterschied.

VR: Bestreiten Sie die Präklusion von S. 63/66 der Ausschreibungsunterlage?

MBV: Ich bestreite nicht die Präklusion dieser Festlegung. Zum einen aber ist es fraglich, ob das Formblatt "Referenzen" überhaupt Ausschreibungsinhalt war. Zum anderen wurde mit der zeitlich nachfolgenden Fragebeantwortung Nr. 4, eine neue Festlegung getroffen, die den Ausführungen im Formblatt "Referenz" jedenfalls vorgeht. Aus Sicht des MBV wurden die Ausführungen im Formblatt "Referenzen" spätestens durch die Ausführungen in der Fragebeantwortung 4 inhaltlich abweichend geändert bzw. hinfällig.

VR hält fest, dass nach den gesichteten Angebotsunterlagen sowohl die ASt als auch die MB offensichtlich sechs Referenzformblätter, gemäß S. 63 der Ausschreibungsunterlage vorgelegt haben.

MBV: Wir haben deshalb sechs Referenzen, weil in Fragebeantwortung Nr. 4, in Verweis auf B.5. klargestellt wurde, dass sechs Referenzen vorzulegen sind. Dies ist auch die einzige Festlegung in der gesamten Ausschreibung, wo ausdrücklich sechs Referenzen verlangt wurden. Dies aber eben nur auf den Verweis auf die Festlegung im Punkt B.5.

VR hält den MBV ein Unterlagenkonvolut vor, in dem sechs Unternehmensreferenzblätter - offenbar [von der] MB - ausgefüllt wurden und fragt, ob dies bestritten wird.

MBV: Diese sechs Blätter wurden vorgelegt, weil keine anderen da waren.

AGV: Ich verweise auf Folgendes: Aus Sicht der AG umfasst die Ausschreibungsunterlage, gemäß Inhaltsverzeichnis S. 2, die S. 1 bis zum Schlussblatt. Das Schlussblatt beginnt mit S. 58 und endet mit S. 59. Alle Festlegungen, welche präkludieren könnten, befinden sich auf den ersten 59 Seiten der Ausschreibungsunterlage. Aus Sicht der AG wäre es dem Bieter auch möglich, seine technische Leistungsfähigkeit durch eine sonstige Beilage gemäß Schlussblatt S. 58 zu belegen und dies in seinem Angebot zu vermerken. Die Vorlage des Formblattes ist kein zwingendes Angebotserfordernis.

VR hält fest, dass auf der S. 58 der Ausschreibungsunterlage der MB, unter "sonstiges" keine referenzspezifischen Unterlagen angeführt [sind].

MBV: Ich verweise auf Punkt B.1. der Ausschreibungsunterlage, wo die Inhalte der Ausschreibungsunterlagen aufgelistet sind. Als erster Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen wird dort auf allfällige Fragebeantwortungen zu den Ausschreibungsunterlagen verwiesen. Die Formblätter sind hier nicht erwähnt. Die Formblätter sind nicht Teil der Ausschreibungsunterlagen. Ebenso wurden auch nur Fragebeantwortungen zu den Ausschreibungsunterlagen (wozu die Formblätter gemäß der Festlegung Punkt B.1. gerade nicht gehören), als Teil der Ausschreibungsunterlagen festgelegt. Auch daraus folgt klar, dass sich die Fragebeantwortung 4, nur auf B.5. bezieht und eben nicht auf die Formblätter und die Fragebeantwortung daher vollinhaltlich allfälligen Ausführungen in den Formblättern "Referenzen" vorgehen.

AGV: Ich korrigiere, dass nicht die S. 59 sondern die S. 61 die Ausschreibungsunterlage schließt.

ASTV: Nach Auffassung der AST bilden die Formblätter sehr wohl einen Teil der Ausschreibungsunterlage in Punkt B.1., sechster

Bulletpoint, wird das Schlussblatt mit dem Klammerausdruck:

"Angebotssummen, Bietererklärungen, Fertigung" näher beschrieben. Die Bietererklärungen folgen dem Unterfertigungsblatt S. 61, mit dem Formblatt "Erklärung" über den Gesamtjahresumsatz auf S. 62 und dem Formblatt "Erklärung über Referenzen" auf S. 63. Schon aus diesem Grund bilden diese Formblätter einen integrierenden Bestandteil der Ausschreibungsunterlage. Nach dem objektiven Verständnis durch die Bieter, sind die Vorgaben im Formblatt in Zusammenschau mit den näher konkretisierenden Festlegungen auf S. 5, unter Punkt B.5. sowie den Fragebeantwortungen zu lesen. Der Leistungsinhalt wie im Formblatt "Referenzen" auf S. 63 angesprochen, wurde unzweifelhaft näher konkretisiert, durch die Angaben und technische Leistungsfähigkeit auf S. 5. Die Vorgaben zur vergleichsbaren Auftragshöhe wurden nicht näher konkretisiert, was jedoch keinerlei Widerspruch darstellt. Die Vorgaben zum Zeitpunkt der Referenzerbringung wurden widerspruchsfrei wiederholt, auf S. 5. Auch der im Formblatt angesprochene Zweck des Nachweises der einschlägigen Erfahrung steht in keinem Widerspruch zu den konkretisierenden Angaben. Die Vorgabe im Formular auf S. 63, dass sowohl der Name des AG als auch dessen Kontaktdaten anzugeben sind, lässt unzweifelhaft erkennen, dass der AG Referenzen eines Dritten, deren ordnungsgemäße Erfüllung er durch Nachfrage verifizieren konnte, vor Augen hatte. Dazu passt auch der Hinweis auf S. 63, dass der AG berechtigt ist, bei den benannten Referenzauftraggebern, Nachfrage zu halten.

Die Verwendung des Begriffes "Nachweis" in § 85 Abs. 2 BVergG 2018, impliziert ebenso, dass als Referenz die Aussage eines Dritten und nicht des Bieters selber beizubringen ist. Auch im zitierten "Wikipedia-Eintrag", der für das objektive Verständnis hilfreich ist, wird der Eintrag "Referenzen" u. a. definiert als: "Meist in der Mehrzahl gebraucht oder Referenzliste, ein Überblick über Qualifikationen oder abgeschlossene Projekte mit Nennung des Auftraggebers, die bei öffentliche Ausschreibungen vorzulegen sind".

Die Möglichkeit zur Rückfrage eröffnet dem Fragenden nicht nur, die Überprüfungsmöglichkeit, ob eine Leistung tatsächlich erbracht wurde, sondern auch, ob sie ordnungsgemäß und pünktlich erbracht wurde, was ein wesentlicher Aspekt und nur bei Referenzen durch Dritte, ein tauglicher Nachweis ist.

Der Gesetzgeber hat in § 85 Abs. 2 BVergG 2018 ausdrücklich vorgesehen, dass bei Nachweis über erbrachten Leistungen (Referenzen), Name und Sitz des Leistungsempfängers sowie Name der Auskunftsperson angegeben werden müssen, was ebenfalls ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Eigenleistungen, die dem Bieter selber erbracht wurden, keine taugliche Referenznachweise sind. Festzuhalten ist, dass im vorliegenden Fall auch kein Bieter gefragt hat, ob derartige Eigenleistungen benannt werden dürfen.

AGV verweist auf den Umstand auf § 85 Abs. 2 BVergG 2018 ausdrücklich nicht den Begriff des "Auftraggebers einer Referenzleistung" beinhaltetet, sondern, den dezidiert den Begriff des "Leistungsempfängers" nennt und dazu den Namen einer Auskunftsperson verknüpft. Aus Sicht der AG ist damit klargestellt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen der Leistungserbringungen für den Leistungsempfänger gerade nicht maßgeblich sind.

MBV bestreitet das Vorbringen des ASTV: Zwischen der Festlegung in Punkt B.5 und den Ausführungen im Formblatt "Referenzen" besteht ein klarer Widerspruch hinsichtlich der Anforderungen an die Referenzen. Dieser Widerspruch wurde durch die Fragebeantwortung Nr. 61960-00 Nr. 4 gelöst. Und zwar dahingehend, dass Referenzen für zwei Dammbauwerke, zwei tiefgreifende Bodenstabilisierungen und zwei Projekten mit Düsenstrahlverfahren nachzuweisen sind. Auf den Nachweis einer bestimmten Auftragshöhe wurde mit dieser Festlegung bzw. der Fragebeantwortung, klar verzichtet.

ASTV bestreitet und weist daraufhin, dass sich die Fragestellung der Frage 4 ausdrücklich darauf bezogen hatte, ob mit zwei Referenzen alle Leistungsinhalte abgedeckt werden müssen oder aber die geforderten Leistungsinhalte auch in gesonderten Referenzen, erbracht werden können. Nur darauf hat sich die Antwort bezogen und klar zum Ausdruck gebracht, dass maximal sechs Referenzen benannt werden können, sodass in jeder Referenz nur ein einziger Leistungsinhalt, nachgewiesen werden kann. Eine sonstige Änderung der Ausschreibungsunterlage ist in keiner Weise erfolgt.

Nach der Entscheidung des BVA vom 10.07.2006, N-0044-BVA/10/2006-027, genügt eine von Bieter selbst ausgestellte Bestätigung nicht, wenn der AG zum Nachweis eines Referenzprojektes, eine Bestätigung fordert und es dem Bieter nicht möglich ist, diese zu erhalten. Weiters hat das BVA ausgesprochen, dass auf Verlangen des AG der Leistungsnachweis durch einen privaten AG nur dann möglich ist, wenn eine derartige Bestätigung durch den Bieter tatsächlich und trotz Bemühens nicht erlangt werden kann. Nur diesfalls ist eine Selbstdeklaration ausreichend (BVA 19.11.2007, N/0083-BVA/04/2007; N/0095-BVA/04/2007). Aus dieser Judikatur geht hervor, dass Referenzbestätigungen auch privater AG, immer von einem vom Bieter verschiedenen AG stammen müssen. Respektive muss das Referenzprojekt von einem Rechtsträger beauftragt sein, der von einem Bieter verschieden ist.

MBV: Die vom ASTV zitierte BVA-Entscheidung ist irrelevant. Diese Entscheidung erging zur alten Rechtslage und konkret zu § 75 Abs. 2 BVergG, der noch eine einschränkende Verwendung von Selbstdeklarationen vorgesehen hat. Diese Regelung findet sich in der Nachfolgebestimmung des § 85 BVergG 2018 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat offenbar ganz bewusst die einschränkende Zulässigkeit von Selbstdeklarationen fallen gelassen. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass das BVergG 2018 eine selbstbestätigende Referenz zulässt.

VR: Nunmehr ist geplant, manche Zeugen zu ihrem subjektiven Verständnis der vorliegenden Vergabeunterlagen, vorerst durch den Richter, zu befragen. Es wird ersucht, unter Hinweis auf §§ 12, 15 und 288 StGB bzw § 78 StPO die Befragung durch den Richter nicht Zwischenbefragungen etc. zu unterbrechen.

Sohin werden die Herrn DI B*** und L*** ab 11:18 Uhr zeugenschaftlich einvernommen. ladungsfähig p. A. [...].

Sohin erfolgt die Belehrung gemäß §§ 49, 50 AVG.

Danach [...].

VR: Zuerst wird die Frage an DI L*** gerichtet, ob seines Wissens die vorgehaltenen Unterlagen - sprich ein ausgefülltes Angebotsschreiben - und das Begleitschreiben zwecks Angebotslegung, an den gegenständlichen AG geschickt wurden?

Z1 (DI L***): Ja, das ist unser Angebot.

VR: Sind darinnen sechs Unternehmensreferenzen deklariert?

Z1: Ja.

VR: Ist das Begleitschreiben auch von Ihrem Unternehmen?

Z1: Ja, das ist auch von der Kollegin.

VR legt offen, dass im Begleitschreiben geschrieben steht, dass der AG im Anhang das Angebot der MB erhalten würde und im Angebotsschreiben auch sechs Formblätter für Referenzen ausgefüllt worden sind.

VR mit einer Fragestellung zum Ausschreibungsverständnis: Wurde die MB einmal aufgefordert, Referenzbestätigungen nachzureichen? Dazu wird das Schreiben der MB vom 04.04.2019 an Z1 vorgehalten.

Z1: Ja, dieses Schreiben vom 04.04., welches mit der OZ 22 nachträglich, nach der Vergabeunterlagenvorlage vorgelegt wurde, stammt von unserem Unternehmen.

VR: Hat die MB Bestätigungen dritter Auftraggeber bei den sechs benannten Referenzen vorgelegt oder mit dem Schreiben vom 04.04. eine Selbstdeklaration der Referenzen vorgenommen, maW, haben Sie von Ihrem Auftraggebern bei den Referenzen Bestätigungen eingeholt, dass diese Referenzen bei den jeweiligen Auftraggebern erbracht wurden?

Z1: Das war eine Selbstdeklaration.

VR: Nunmehr die Frage an DI B*** (Z2). Bestreiten Sie die Aussagen des DI L***?

Z2: Nein.

VR an die Parteienvertreter: Gibt es Beweisanträge zur Widerlegung der gerade gehörten Zeugenaussagen?

ASTV, AGV und MBV verneinen dies. MBV ersucht gleichfalls um Vorhalt des Schreibens.

MBV bringt vor, dass gemäß dem Aufklärungsschreiben, Beilage ./B zur Niederschrift, zwecks Bestätigung von Referenzen verlangt wurde:

-

Vorlage eine[r] Bestätigung, dass sämtliche dem Angebot beilegende Referenzen von der Fa. MB GmbH ausgeführt, dies wurde bestätigt.

Ein Ersuchen um eine Bestätigung seitens der dritten Referenzauftraggeber, ist durch die Auftraggeber an die MB nicht ergangen.

VR: Die Zeugeneinvernahme wird vorläufig beendet.

Die Zeugen aus der Sphäre des ASTV kommen wieder um 11:34 Uhr wieder in den Verhandlungssaal.

VR: Die Parteienvertreter werden der Reihe nach aufgefordert, nunmehr anzugeben, welche Beweisanträge bzw. Akteneinsichtsanträge sie derzeit noch stellen bzw. aufrechterhalten wollen bzw. möge ergänzendes Vorbringen erstattet werden.

ASTV: Ich halte die bislang gestellten Anträge aufrecht. Insbesondere den Antrag auf Akteneinsicht in die von der MB vorgelegten Referenznachweise. Ich weise daraufhin, dass nicht nur - wie schon in der Verhandlung erörtert - Leistungen, die keinem Dritten erbracht wurden, keine tauglichen Referenzen sind, sondern der AST, auf Grund ihrer Branchenkenntnis, bekannt ist, dass die MB innerhalb der letzten fünf Jahre, die im gegenständlichen Verfahren geforderten Referenzen, nicht erbracht hat.

AGV: Ich verweise auf die bisherigen schriftlichen Stellungnahmen in der heutigen Verhandlung. Zur Stellungnahme des ASTV wird seitens des AG darauf verwiesen, dass es keinen Anhaltspunkt für den AG gibt, dass MB die in den Referenzangaben dargestellten Leistungen, nicht erbracht hat. Es ist für die AG von der Richtigkeit der Angaben primär auszugehen, anderes würde strafrechtswidriges Verhalten unterstellen. Im Übrigen verweist die AG wiederholt auf den eindeutigen Wortlaut des § 85 Abs. 2 BVergG 2018, worin die gesetzlichen Anforderungen an eine Unternehmensreferenz, grundsätzlich vorgegeben sind.

MBV: Ich verweise auf mein bisheriges Vorbringen und darauf, dass der Privatgutachter Dr. [A***] die Richtigkeit und Ausschreibungskonformität der vorgelegten Referenzen ausdrücklich bestätigt hat. Ergänzend legt der MBV als Beilage ./3 der MB eine Bestätigung des Wirtschaftsprüfers der MB GmbH, der WP*** vor, wonach die vorgelegten Referenzen Nr. 1, 4 und 5 einen tatsächlichen Gesamtauftragswert von jeweils über zehn Millionen aufweisen. Dies wurde von der KPMG durch Einsichtnahme in die entsprechenden Rechnungskonvolute und in die Konzernbilanz, wo die entsprechenden Projekte aktiviert sind, festgestellt. Damit ist die allfällige Festlegung im Formblatt "Referenzen", das zwei Referenzen eine vergleichsbare Auftragshöhe mit Ausschreibungsgegenstand aufweisen müssen, jedenfalls erfüllt.

Die Beilage ./3 wird als Beilage ./C zur heutigen Niederschrift genommen und gefragt, wer dies unterschrieben hat.

MBV: Mag. MA***.

MBV legt weiters als Beilage 4, eine Unternehmensdarstellung über die Expertise im Spezialtiefbau der MB vor. Darin ist die Erfahrung und das Vorhandensein der entsprechenden Geräte, in den ausschreibungsgegenständlichen Spezialtiefbaubereichen ersichtlich (insbesondere auf den S. 12, 13, 14). Diese Broschüre ist im Internet aubrufbar.

VR zu MBV: Kennen Sie Tafeln, die vom Gewerbetreibenden üblicher Weise bei Baustellenabwicklungen gemäß Gewerbeordnung, aufgestellt werden?

MBV: Ich kenne sie schon, die Frage ist aber, was genau darauf ausgeführt ist und ob diese tatsächlich immer aufgestellt werden.

VR legt offen, dass derzeit die Frage, der vergleichbaren Auftragshöhe - gemäß S. 63 - nicht mehr zentral spruchrelevant erscheint und legt zur Verfahrensführung auch offen, dass nach dem Aktenstand die AST bislang nicht ausgeschieden wurde - EuGH C 355/15.

Schluss des Ermittlungsverfahrens.

MBV bringt vor, dass keine Bautafeln bei den vorgelegten Referenzprojekten aufgestellt gewesen sind.

Die Verhandlung wird für zwei Minuten, 11:51 bis 11:53 Uhr, unterbrochen. Klargestellt wird, dass das Ermittlungsverfahren geschlossen und die Verhandlung für eine Senatsberatung unterbrochen.

Die Verhandlung wird um 11:55 Uhr unterbrochen und um 13:25 Uhr fortgesetzt.

Das Ermittlungsverfahren bleibt geschlossen und wird die Entscheidung wie folgt verkündet:

Das BVwG hat durch den gemäß der Geschäftsverteilung zuständigen Senat bestehend aus dem vorsitzenden Richter Mag Reinhard Grasböck, der fachkundigen Laienrichterin MMag Dr Annemarie Mille als Mitglied der Auftraggenehmerseite und dem fachkundigen Laienrichter Mag Franz Pachner als Mitglied der Auftraggeberseite im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren im Namen der Republik wie folgt zu Recht erkannt:

A) In Stattgabe des Nachprüfungsantrags wird die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der MB GmbH für nichtig erklärt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Tragende Gründe:

Auf der Seite 63 der Angebotsunterlagen ist bestandsfest festgeschrieben, dass Referenzen von Auftraggebern beizubringen sind.

Da niemand sein eigener Auftraggeber sein kann, waren vor dem Hintergrund des Gesetzes und der Ausschreibungsunterlagen Eigenleistungen nicht referenztauglich.

Damit hat die MB GmbH im Vergabeverfahren gegenständlich keine von ihr als Unternehmensreferenz 4 bezeichnete und gleichzeitig zu ihren Gunsten verwertbare Referenz vorgelegt und damit insgesamt die erforderlichen Referenzen nicht nachgewiesen. Die MB GmbH wäre daher auszuscheiden gewesen und war die Zuschlagsentscheidung bereits deshalb für nichtig zu erklären.

Zudem hat die MB GmbH im Vergabeverfahren bei den anderen fünf benannten Referenzen trotz der Seite 63 der Angebotsunterlage mit den damit klaren Begrifflichkeiten dieser Ausschreibung nach einer Aufforderung namens des Auftraggebers keine Bestätigungen dieser Drittauftraggeber vorgelegt, sondern am 4.4.2019 auch bei diesen anderen fünf Referenzen nur selbst die Referenzausführung bestätigt. Objektiv redlich sind bei verlangten Referenzauftragsbestätigungen bei dieser Vergabe im Falle der Möglichkeit die Bestätigungen dieser dritten Auftraggeber bis 4.4.2019, 12.00 Uhr vorzulegen gewesen.

Der Auftraggeber hat daher trotz befundener Prüfungsnotwendigkeit der Referenzen der MB GmbH hier fünffach innerhalb der gesetzten Frist keine Unterlagen erhalten, die er zur Eignungsprüfung benötigt hätte. Bei der MB GmbH sind daher die erforderlichen Referenzen nicht fristgerecht nachgewiesen worden und hat damit keine gesetzeskonforme Prüfung des Angebots stattgefunden. Mangels gesetzmäßiger Angebotsprüfung war daher die Zuschlagsentscheidung auch deshalb gemäß VwGH 2007/04/0095 aufzuheben.

Bei diesem Verfahrensstand kann dahinstehen, inwieweit zB wegen der evident nur circa deklarierten Auftragswerte in den ausgefüllten Referenzformblättern die Angebotsprüfung kassationsbegründend unvollständig geblieben ist, bzw inwieweit bei einer gemäß Seite 63 objektiv verlangten vergleichbaren Auftragshöhe bei allen sechs Referenzen jeweils ein dem Auftragswert dieser Vergabe vergleichbarer Auftragswert erforderlich gewesen wäre bzw inwieweit der Auftraggeber zur gesetzmäßigen Angebotsprüfung zB auf Leistungsgruppenebene Teilauftragswerte für die in der Ausschreibung in B5 benannten Spezialtiefbautätigkeiten abverlangen hätte müssen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die gegenständliche Nichtigerklärung wegen nicht revisibler vertretbarer Einzelfallauslegung von Vergabeunterlagen erfolgte.

[...]

4. Der AG und die MB beantragten nach Verkündung des kassatorischen Erkenntnisses eine Ausfertigung desselben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über den Verfahrensgang hinaus ist festzustellen wie folgt:

1.1. Die Ausschreibungsunterlagen bei dieser Vergabe bestanden insb aus dem "Angebotsschreiben" im Umfang von 66 Seiten, wobei jede Seite dieser Unterlage in der Fußzeile dahin beschriftet war, dass nach dem Wort "Angebotsschreiben" die Seitenzahl und dann nach einem Schrägstrich die Zahl 66 geschrieben war.

1.2. Auf der Seite 5/66 waren insb auch folgende eignungsrelevante Passagen festgeschrieben:

[...] Technische Leistungsfähigkeit:

Mindestens zwei Unternehmensreferenzen, mit folgendem Mindestleistungsinhalt

* Errichtung eines Dammbauwerkes > 50.000 m3

* Errichtung einer Dichtwand mittels Tiefreichender Bodenstabilisierung >5.000m2.

* Errichtung einer Dichtwand mittels Düsenstrahlverfahren >1,000m2,

die nicht vor mehr als fünf Jahren (gerechnet ab dem Ende der Angebotsfrist) abgeschlossen wurden.

[...]

1.3. Auf den Seiten 58 bis 61 je von 66 war das Schlussblatt vorkonzipiert, wobei ein Bieter nach der Seite 58 zwecks Eignungsnachweises Referenzformblätter abzugeben hatte, die auf den Seiten 63 und 64 je von 66 des Angebotsschreibens vorkonzipiert gewesen sind.

1.4. Auf der Seite 63 von 66 des Angebotsschreibens finden sich vor dem eigentlichen Formblatt folgende allgemeine Ausführungen:

Formblatt "Erklärung über Referenzen

Der Bieter hat durch Angabe von zumindest zwei Unternehmensreferenzen, die mit dem Ausschreibungsgegenstand im Hinblick auf den Leistungsinhalt und die Auftragshöhe vergleichbar sind, und nicht vor mehr als fünf Jahren (gerechnet ab dem Ende der Angebotsfrist) abgeschlossen wurden, seine einschlägige Erfahrung nachzuweisen.

Der Auftraggeber ist berechtigt, bei den benannten Referenzauftraggebern Nachfrage zu halten und vom Bieter ergänzende Erklärungen, Bestätigungen, usw. einzufordern.

1.5. In den beiden Musterreferenzblättern des Angebotsschreibens der Ausschreibung wurden für die von den Bietern verlangten Referenzen verschiedene Abfragefelder vorgesehen, in denen neben dem Auftragnehmer insbesondere auch ein Auftraggeber und eine Auftragshöhe der jeweils deklarierten Referenz abgefragt wurden

1.6. Die MB hat sechs Referenzformblätter ausgefüllt, diese Zahl auf Seite 58 ihres Angebotsschreibens angegeben, und dem AG diese sechs Referenzblätter bei Angebotslegung vorgelegt.

Diese sechs Referenzblätter wurden seitens der MB ausweislich der Seite 58 des Angebotsschreibens der MB bei der Angebotslegung auch als "Erklärungen über Referenzen (siehe Formblatt)" bezeichnet; und gerade nicht als "Sonstiges" gemäß einem weiteren Freifeld auf Seite 58 des Angebotsschreibens in jenem Bereich des Angebotsschreibens, in dem die Beilagen zum Angebot anzugeben waren.

Auf der Seite 58 findet sich dabei unter der Überschrift "Inhaltsverzeichnis" eine Aufzählung von Angebotsbeilagen und hat die MB mit der Seite 59 des Angebotsschreibens bestätigt, dass ihre Angebotsbeilagen Bestandteile des Angebots sind. Die MB hat in ihrem Angebot ausdrücklich erklärt, dass ihre sechs Referenzformblätter solche als "Erklärungen über Referenzen (siehe Formblatt)" und gerade keine Beilagen mit der Qualifikation "Sonstiges" iSd Seite 58 des Angebotsschreibens sind.

Dass seitens der MB sechs Referenzformblätter vorgelegt wurden, geht darauf zurück, dass bieterseitig in der Ausschreibungsphase (maW) gefragt worden war, ob die zwei verlangten Referenzen alle drei Spezialtiefbauleistungen laut Seite 5 des Angebotsschreibens nachweisen müssten, oder ob je Spezialtiefbauleistung je zwei Referenzen vorzulegen wären.

Auftraggeberseitig wurde darauf mit der vierten Fragebeantwortung - rechtlich daher mit einer sonstigen Entscheidung während der Angebotsfrist gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018 - mitgeteilt, dass zwei Referenzen je Leistungsinhalt vorzulegen wären, also zwei Referenzen für das Düsenstrahlverfahren, zwei für die tiefgreifende Bodenstabilisierung und zwei für die Errichtung eines entsprechenden Dammbauwerkes.

Für die Bieter war es daher nach der vierten Fragebeantwortung objektiv möglich, an Stelle von zwei Referenzen mit je allen drei Spezialtiefbauleistungen laut Seite 5 des Angebotsschreibens Referenzen vorzulegen, auch wenn diese Referenzen nur je eine der drei auf Seite fünf des Angebotsschreibens konkretisierten Spezialtiefbauleistungen nachwiesen.

Die vierte Fragebeantwortung geht - wiederholend - nach den Vergabeunterlagen darauf zurück, dass bieterseitig gefragt wurde, ob die Mindestreferenzen je Leistungsinhalt gemeint wären.

1.6. Die MB legte als "Unternehmensreferenz 4" betreffend den hinterfragten Leistungsinhalt "Düsenstrahlverfahren" ein Projekt vor, bei dem sie eine Eigenleistung erbracht hatte, wo sie also keinen vom Auftragnehmer verschiedenen Auftraggeber anführen konnte.

1.7. Bei den anderen fünf Referenzblättern der MB waren andere Rechtsträger als die MB als Auftraggeber angegeben.

Auf der Seite 63 von 66 des Angebotsschreibens war aber wie oben zitiert festgelegt, dass der AG berechtigt [ist], bei den benannten Referenzauftraggebern Nachfrage zu halten und vom Bieter ergänzende Erklärungen, Bestätigungen, usw. einzufordern.

Der AG forderte insoweit von der MB bis 4.4.2019 ua wie folgt:

[...]

3. Bestätigung der Referenzen

Vorlage einer Bestätigung, dass sämtliche dem Angebot beiliegende Referenzen von der Fa MB GmbH ausgeführt wurden.

[...]

Die MB bestätigte dem AG mit Schreiben vom 4.4.2019, wie zB mit der Eingabe OZ 22 des Nachprüfungsakts W131 2217463-2 vorgelegt, dass sie alle Referenzen ausgeführt hätte.

MaW: Über auftraggeberseitige Anforderungen von Ausführungsbestätigungen der vorgelegten Referenzen teilte die MB dem AG neuerlich nur selbst mit, dass die MB die Referenzen gemacht hätte, eine Bestätigung des jeweiligen Auftraggebers bei den fünf Referenzen, die nicht als Eigenleistung deklariert worden waren, wurde nicht vorgelegt.

1.8. Die Ausschreibung und auch die sonstigen Entscheidungen während der Angebotsfrist, also insb die erwähnte Fragebeantwortung vier, wurden beim BVwG nicht mit Nachprüfungsantrag angefochten.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage der Gerichtsakten und aus den teils in Papierausdrucken und teils auf Datenträger vorgelegten Vergabeunterlagen; und va der Verhandlung vom 15.05.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gegenständlich war wegen der Vergabeverfahrenseinleitung nach dem 21.08.2018 das BVergG 2018 gemäß BGBl I 2018/65 einschlägig, § 376 BVergG 2018.

3.1.1. Das BVwG hatte gegenständlich in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 328 BVergG 2018 iVm § 6 VwGVG.

Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG 2018 das VwGVG und die in § 333 BVergG 2018 verwiesenen Teile des AVG anzuwenden.

Die ASt wurde nicht ausgeschieden und ist deren Antragslegitimation unbestritten geblieben - EuGH Rs C-355/15. Die formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Nachprüfungsantrags blieben unbestritten.

3.1.2. Nach der stRsp des VwGH, wie zB zu Zl 2013/04/0029 ersichtlich, ist eine Ausschreibung als präkludiert und bestandfest auch dann anzuwenden, wenn die Ausschreibung vergaberechtswidrig sein könnte, aber deren allfällige Rechtswidrigkeiten nicht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Anfechtungsfrist bei der zuständigen Vergabekontrollinstanz angefochten wurden.

Siehe insoweit den RS aus der VwGH - Rsp zu VwGH Ra 2016/04/0132, der lautet:

Allfällige Rechtswidrigkeiten einer bestandfesten Entscheidung dürfen vom VwG im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht mehr aufgegriffen werden (Hinweis E vom 17. Juni 2014, 2013/04/0029, mwN).

Damit ist klar, dass insb allfällige Rechtswidrigkeiten der gegenständlichen Ausschreibung oder anderer Entscheidungen vor der gegenständlichen Zuschlagsentscheidung nicht mehr als rechtswidrig beseitigt werden können, sondern diese präkludierten Entscheidungen unbeschadet deren allfälliger Rechtswidrigkeit im weiteren Vergabeverfahren anzuwenden sind.

3.1.3. Aus VwGH Zl 2006/04/0024 ist iZm der gebotenen Ausschreibungsauslegung entsprechend der stRsp des VwGH festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt bei der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen, somit hinsichtlich der Willenserklärungen des Auftraggebers, den objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt für maßgebend erachtet (Hinweis E vom 19. November 2008, 2007/04/0018, mit Verweis auf die Vorjudikatur). Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters.

Zu A) Zur Nichtigerklärung:

3.2. Die Ausschreibung ist gemäß § 2 Z 7 BVergG 2018 die an eine bestimmte oder unbestimmte Zahl von Unternehmern gerichtete Erklärung des Auftraggebers, in der er festlegt, welche Leistung er zu welchen Bedingungen erhalten möchte (Bekanntmachung sowie Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen).

Insoweit ist das oben erwähnte Angebotsschreiben im Umfang von 66 Seiten inkl der Formblätter beginnend ab Seite 63 von 66 Bestandteil der gegenständlichen Ausschreibung, zumal dort referenzspezifisch nähere Bedingungen für eine Auftragserteilung formuliert sind.

Insoweit der AG und die MB dies, sprich die Eigenschaft als Ausschreibungsbestandteil, mitunter bestreiten, sind sie darauf zu verweisen, dass dann, wenn Bieter eine derartige Ausschreibungsunterlage vom AG inkl der Formblätter vom AG zwecks Angebotslegung zur Verfügung gestellt erhalten, nach dem objektiven Erklärungswert und ohne vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, davon auszugehen ist, dass die Ausschreibungsunterlage eben aus allen 66 Seiten besteht - § 863 Abs 1 ABGB.

3.3. Soweit die MB und der AG weiters vertreten, dass Eigenleistungen im Rahmen der von der MB vorgelegten Unternehmensreferenz 4 bei dieser Vergabe einen tauglichen Referenznachweis darstellen sollen, ist festzuhalten, dass nach der gebotenen Auslegung der Ausschreibung und insb der Formblätter betreffend Referenzen dort ein Auftraggeber und ein Auftragnehmer zu benennen gewesen sind. Insoweit konnten bei dieser Vergabe Referenzen nur von einem von der MB als Auftragnehemer verschiedenen Auftraggeber zum Referenznachweis herangezogen werden konnten, da man dem AG nach dem objektiven Erklärungswert seiner Vergabeunterlage nicht zusinnen kann, dass er sinnlose Abfragefelder normiert, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass bei einer derartigen Ausschreibungsunterlage ein Auftraggeber nur Referenzaufträge zwecks Eignungsprüfung vorgelegt haben wollte bzw will, bei denen ein vom Bieter verschiedener Auftraggeber letztlich bestätigen kann, dass der Bieter einen bestimmten Auftrag (zufriedenstellend) abgewickelt hat.

3.3.1. Gestärkt wird dieses Auslegungsergebenis weiters auch dadurch, dass nach der Seite 63 des Angebotsschreibens der Auftraggeber berechtigt war und ist, bei den benannten Referenzauftraggebern Nachfrage zu halten und vom Bieter ergänzende Erklärungen, Bestätigungen, usw. einzufordern. Insb auch diese Passage kann nur so verstanden werden, dass in Auslegung der Ausschreibungsunterlage unter Referenzauftraggeber ein vom Bieter verschiedener Rechtsträger zu verstehen ist, denn sonst hätte der AG in der Ausschreibungsunterlage nicht zwischen Referenzauftraggebern einerseits und Bietern andererseits begrifflich differenzieren müssen und schlicht Eigendeklarationen verlangen müssen.

3.3.2. Wenn die vierte Fragebeantwortung nach den Vergabeunterlagen darauf zurückgeht, dass bieterseitig gefragt wurde, ob die Mindestreferenzen je Leistungsinhalt gemeint wären, bezog sich die Bieteranfrage nur darauf, wie viele Referenzen vorzulegen wären, entweder zwei mit allen drei Leistungsinhalten oder maximal sechs Referenzen, mit denen die drei verlangten Referenzleistungsinhalte jeweils zumindest zweifach nachgewiesen würden.

Insoweit wurde mit der vierten Fragebeantwortung objektiv redlich gerade keine Aussage getroffen, die in irgendeiner Form etwas enthielte, wie der Referenznachweis zu führen ist. Auch die MB hat zu ihren Referenznachweisen die Formblätter gemäß Seiten 63f der des Angebotsschreibens, sprich der Ausschreibungsunterlage verwendet.

3.3.3. Dadurch, dass die MB mit ihrer Unternehmensreferenz 4 eine Eigenleistung als Referenznachweis vorlegte, hat sie keine zweite Unternehmensreferenz betreffend den Leistungsinhalt "Düsenstrahlverfahren" iSd gegenständlichen Ausschreibung nachgewiesen, da Eigenleistungen nach der Ausschreibung keine tauglichen Referenzen darstellen.

Die angefochtene Zuschlagsentscheidung erschien daher mangels vollständigen Eignungsnachweises durch die MB ergebnisrelevant rechtswidrig und war daher für nichtig zu erklären - § 347 Abs 1 BVergG 2018.

3.4. Dadurch, dass gemäß der gegenständlichen Ausschreibung in deren gebotener Auslegung und einer Anforderung des AG; objektiv redlich Bestätigungen von Referenzauftraggebern, die von der MB verschiedene Rechtsträger sind, im Vergabeverfahren verlangt worden waren und die MB insoweit nur selbst bestätigte, dass sie die (insoweit relevanten fünf) Referenzen bei anderen Auftraggebern gemacht hätte, hat der AG wegen Duldung einer solchen Eigenbestätiging ohne weitere Schritte die Angebotsprüfung nicht vergaberechts- bzw ausschreibungskonform durchgeführt.

Ohne Einholung von Referenzbestätigungen von von der MB verschiedenen Referenzauftraggebern, die der AG zutreffend und gemäß Ausschreibung objektiv sowie zulässig verlangt hat, wurde die Angebotsprüfung durch den AG nicht vergaberechtskonform abgeschlossen. Da es nicht Aufgabe der Vergabekontrolle ist, ersatzweise Angebotsprüfungen durchzuführen, war die Zuschlagsentscheidung auch mangels abgeschlossener Angebotsprüfung für nichtig zu erklären - VwGh Zl 2007/04/0095.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.5. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision war hier nicht zuzulasssen, da die gegenständliche Nichtigerklärung wegen nicht revisibler vertretbarer Einzelfallauslegung von Vergabeunterlagen erfolgte - VwGH 18.12.2018, Ra 2018/04/0106 mwN.

Schlagworte

Auslegung der Ausschreibung, Bauauftrag, bestandfeste Ausschreibung,
Bietergemeinschaft, Eigenbestätigung, Eigenleistung,
Eignungsnachweis, Eignungsprüfung, Mangelhaftigkeit,
Mindestanforderung, mündliche Verhandlung, mündliche Verkündung,
Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren, Nichtigerklärung der
Zuschlagsentscheidung, objektiver Erklärungswert, Referenzprojekt,
schriftliche Ausfertigung, Vergabeverfahren, Vorlagepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W131.2217463.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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