TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/6 W264 2131144-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2019
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Entscheidungsdatum

06.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W264 2131144-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario ZÜGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6.3.2018, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Dem Antrag vom 28.11.2017 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 6.6.2021 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.5.2015 vor einer Dienststelle der LPD Burgenland einen Antrag auf internationalen Schutz und erfolgte am 11.5.2015 die Erstbefragung nach dem AsylG. Er gab an der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und aus der Provinz Nangarhar zu stammen. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass sein Vater Geheimagent gewesen und aus diesem Grund von den Taliban getötet worden sei. Er selbst sei auch von den Taliban bedroht worden und habe flüchten müssen.

2. Der Beschwerdeführer wurde am 25.4.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als "belangte Behörde", als "Bundesamt" oder auch "BFA" bezeichnet) einvernommen. Dort gab er an, vier Jahre lang die Schule besucht zu haben. Er stamme aus der Stadt XXXX in der Provinz Nangarhar. Er habe zuletzt in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Er habe sich immer in seinem Heimatdorf aufgehalten. Sein Vater sei von den Taliban getötet worden, seine übrige Familie lebe weiterhin in seinem Heimatdorf. Sein Onkel mütterlicherseits betreibe nunmehr die Landwirtschaft. Er habe noch einen Onkel in Kabul sowie weitere Verwandte in der Provinz Nangarhar. Er habe drei Tage nach dem Tod seines Vaters einen Drohbrief der Taliban erhalten und aus diesem Grund Afghanistan verlassen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.7.2016, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtvorbringen völlig ungeeignet sei, um dieses als glaubhaft befinden zu können.

Zu Spruchpunkt II. wurde dargetan, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr wiederum in der Lage sein würde, durch eine Tätigkeit - wenn auch nur als Tagelöhner - eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Letztlich stünde es dem Beschwerdeführer auch offen, sich an in Kabul ansässige, nicht staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen zu wenden. Wenngleich nicht verkannt werde, dass von diesen Einrichtungen individuelle Hilfseinrichtungen nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß gewährt werden könne, lasse sich jedoch keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ableiten.

Im Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass aus dem Privatleben des Beschwerdeführers keine objektiven Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstehen würden. Es werde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.

4. Der Beschwerdeführer brachte dagegen ein Rechtsmittel ein und mit Schriftsatz des Rechtsvertreters vom 11.10.2016 wurde die gegen Spruchpunkt I. gerichtete Beschwerde zurückgezogen und ein ergänzendes Vorbringen erstattet. Demnach habe der Beschwerdeführer lediglich vier Jahre die Grundschule besuchen können, weil er von früher Jugend seinem Alter bei der Ausübung des Transportgewerbes und bei der Bewirtschaftung des elterlichen Grundbesitzes habe unterstützen müssen. Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers würden ebenso wie ein Bruder und eine Schwester des Vaters des Beschwerdeführers weiterhin im Heimatdorf leben, eine Schwester der Mutter des Beschwerdeführers lebe in einem Nachbardorf, ein Bruder der Mutter des Beschwerdeführers halte sich gemeinsam mit seiner Familie in der Stadt Kabul auf. Der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Ausreise nach Europa stets in seinem Heimatdorf gelebt. Er habe sich jedoch nie außerhalb der Provinz Nangarhar befunden. In den Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat verfüge er - bis auf seinen genannten Onkel in Kabul - über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte.

Weiters wurden Auszüge aus Gutachten des länderkundigen Sachverständigen, Dr. Rasuly, zur Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar angeführt.

Überdies wurde auf die fehlende Ausweichalternative in den Großstädten hingewiesen. Bezüglich einer möglichen Unterstützung durch den in der Stadt Kabul lebenden Onkel des Beschwerdeführers sei - bezugnehmend auf ein näher bezeichnetes Gutachten des länderkundigen Sachverständigen Dr. Rasuly - darauf hinzuweisen, dass dieser als Verwandter mütterlicherseits weder nach religiösem Recht noch nach afghanischer Tradition verpflichtet sei, den Beschwerdeführer zu unterstützen. Dieser Onkel habe auch die finanzielle Unterstützung seiner im Heimatdorf befindlichen Angehörigen eingestellt, weil sein Geschäft in Kabul nicht mehr so gut laufe. Aus diesem Grund habe sich der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Onkel sehr abgekühlt, sodass er im Fall seiner Rückkehr nicht auf seine weitere Aufnahme und Versorgung zählen könne. Seine Berufserfahrung als Landwirt sei in den erwähnten Großstädten ebenfalls nicht verwertbar. Die finanzielle Situation seiner Familie sei auch nicht so gut, dass sie dem Beschwerdeführer eine finanzielle oder logistische Unterstützung ermöglichen könnte, um sich dort eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

5. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.1.2017, XXXX , gemäß § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigtem bis zum 3.1.2018 erteilt.

6. Der Beschwerdeführer gab am 28.11.2017 seinen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs 4 AsylG ab.

7. Mit Schreiben vom 4.12.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens informiert.

8. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers übermittelte der Behörde mit Email vom 8.1.2018 eine Stellungnahme und führte darin zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz Nangarhar aus, zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr sowie dazu, dass sich seit dem 3.1.2017 keine signifikante Veränderung der Sach- oder Rechtslage ergeben habe.

9. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers übermittelte der Behörde mit Email vom 25.1.2018 ein Zertifikat über eine Teilnahme am Deutschkurs, ÖIF Prüfungszeugnis über A1-Fit Prüfung, Verdienstnachweise, Lohn-/Gehaltsabrechnungen von September und Oktober 2017, Mitteilung der WGKK. Ausgeführt wurde näher zu den Voraussetzungen des Beschwerdeführers in seiner Herkunftsprovinz im Falle seiner Rückkehr.

10. Im vorgelegten Fremdakt liegen Emails von österreichischen Staatsbürgerinnen ein, worin diese über ihren Kontakt zum Beschwerdeführer berichten.

11. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 6.3.2018 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.1.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

12. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer gegen alle Spruchpunkte mit dem Beschwerdeschriftsatz seines Rechtsanwaltes fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz Nangarhar seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.1.2017 nicht verbessert habe und sich die Sicherheits- und die Versorgungslage in als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Städten nicht verbessert habe. In Kabul sei sie im Verlauf des Jahres 2017 eher noch schlechter geworden. Auch die persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers hätten sich nicht signifikant geändert. Er habe in Österreich seinen Lebensmittelpunkt, sei unbescholten.

13. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht den Akt zur Entscheidung vor und langte dieser am 26.3.2018 ein.

14. Am 24.1.2019 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

(Es folgt ein Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"RV: Zur Aberkennung des subsidiären Schutzes wird auf den Beschwerdeschriftsatz verwiesen. Das Beweisverfahren wird ergeben, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse, die in der Person des BF gelegen sind, nicht wesentlich zum Besseren verändert haben, er insbesondere immer noch keine Berufs-/Fachausbildung, keine Tragfähigen Beziehungen außerhalb der Provinz Nangahar aufweist und außerhalb von Nangahar keine tatsächlichen Unterstützungen erhalten würde.

RV zu den Länderinformationen:

Den LIB wird vollinhaltlich zugestimmt. Daraus ergibt sich, dass die Herkunftsprovinz Nangahar nach wie vor unsicher ist und eine Rückführung in die Herkunftsprovinz aus Sicherheitsgründen derzeit nicht in Betracht kommt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in andere Landesteile kommt aus den im Beschwerdeschriftsatz vorgetragenen Gründen, wegen des Eingriffs in die Rechtskraft des dem subsidiären Schutz zuerkennenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes - nicht in Betracht.

Aus meiner Sicht ist Kern des heutigen Verfahrens, ob der durch den Aberkennungsbescheid vom BFA vorgenommene Eingriff in die Rechtskraft dieses Erkenntnisses zulässig ist.

R: Nachdem dem BF mit Erkenntnis XXXX vom 03.01.2017 der subsidiäre

Schutz zuerkannt bis zum 03.01.2018 wurde, frage ich Sie: wurde die Aufenthaltsberechtigung vom BFA verlängert?

RV: Der Antrag der Verlängerung vom 28.11.2017 mit dem gegenständlichen Bescheid abgewiesen. Infolge rechtzeitiger Berufung und der damit verbunden aufschiebenden Wirkung besteht aber nach wie vor der Status des Subsidiär Schutzberechtigten, weshalb nach wie vor ein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht.

Eine entsprechende Bestätigung des AMS vom 8.10.2018 liegt vor. Vorgelegt wird diesbetreffend eine Bestätigung des RV vom 1.10.2018 und wird der R zur Einsichtnahme die Bestätigung des AMS gem § 3 Abs 8 AuslBG vorgelegt (Beilage ./B) und diese dem RV wieder ausgehändigt.

RV: Es gibt zur Aberkennung unterschiedliche Judikatur. Ich kann aus dem Gedächtnis heute die Geschäftszahlen der Entscheidungen dieses Hauses nicht wiedergeben, werde diese aber nachreichen.

Die Sicherheits- u. Versorgungslage haben sich nicht nachhaltig positiv verändert, die individuellen Voraussetzungen (die damals den Subsidiären Schutz tragenden Elemente in der Person des BF) haben sich nicht geändert: der BF ist nicht zu Geld gekommen, hat keine Ausbildung nachgeholt, keine Kenntnisse des Lebens in Großstädten, die Familienverhältnisse haben sich auch nicht geändert.

Im Übrigen ist der BF soweit sozial integriert und verfestigt, dass auch im Lichte der Rechtsprechung des BVwG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung inzwischen dauerhaft unzulässig geworden ist.

Zum Spruchpunkt II. gibt es zwei Varianten: entweder wird - wie hier gegenständlich - die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen, oder alternativ der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen.

Der Antrag auf Verlängerung wurde am 28.11.2017 gestellt, damit hat sich die Aufenthaltsberechtigung verlängert.

[...]

BF: Mein Vater ist verstorben, ich habe meine Mutter noch. Sie wohnt in Nangarhar im Distrikt XXXX . Wir halten alle drei Monate telefonisch Kontakt.

R: Was sagt Ihre Mutter über die wirtschaftliche und finanzielle Lage Ihrer Mutter zuhause?

BF: Sie sagt, es geht mir gut. Aber wenn es ihr auch schlecht geht sagt sie es mir nicht. Sie will mir nicht belasten. Sie will mich nicht psychisch unter Druck stellen.

R: In welchem Land und in welcher Provinz leben Ihre Geschwister, Onkel, Tanten und wie heißen die?

BF: Ich habe nur einen Bruder namens XXXX .

R: Warum hat er einen anderen Nachnamen?

Bei der Ersteinvernahme hat mich der Polizist gefragt wie ich heiße und woher ich komme. Er hat den von mir angegebenen Namen meines Dorfes als meinen Nachnamen geschrieben, obwohl ich das bei dem BFA erwähnt habe, haben sie meinen Nachnamen mit XXXX belassen. Jetzt sagen alle so zu mir.

Mein Bruder XXXX wohnt bei meiner Mutter, er ist noch jung - 15 oder 16 Jahre alt. Meine Mutter versorgt ihn. Wenn ich mit der Mutter telefoniere, telefoniere ich auch mit ihm.

Ich habe in Afghanistan in meinem Dorf XXXX drei Tanten mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits namens XXXX . Die Tante väterlicherseits heißt XXXX und sie alle leben in meinem Dorf. Die drei Tanten mütterlicherseits heißen XXXX . Diese drei Tanten sind verheiratet, ihnen geht es finanziell und wirtschaftlich schlecht gestellt, sie sind arme Leute.

R: Schicken Sie von Österreich Geld nach Hause zu Mama?

BF: Bis jetzt habe ich nichts geschickt.

R: Haben Sie nicht auch einen Onkel in Kabul?

BF: ich hab schon einen gehabt, aber keinen Kontakt mit ihm und weiß nicht wo er lebt. Er heißt XXXX .

R: Was hat XXXX beruflich gemacht?

BF: Er hat damals als Geschäftsmann gearbeitet und Waren an Geschäfte verteilt.

R: Waren Sie schon einmal in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat?

BF: Ich war noch nie in meinem Leben in Mazar-e Sharif oder Herat. Aber als ich Afghanistan verlassen habe, bin ich in Kabul durchgereist und bin dort für nur drei Tage gewesen.

R: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

BF: Nein.

R: Hat Ihre Familie Vermögen in Ihrem Herkunftsdorf XXXX ?

BF: wir haben Ackerland (ich glaube im Ausmaß von 1/2 bis 1 ha) und auch ein Haus. In diesem Haus wohnen meine Mutter und mein Bruder.

R: Ist ein Teil des Hauses vermietet?

BF: Nein, wir haben es an niemanden vermietet. Es ist unser eigenes Haus.

R: Sie sind Paschtune. Kennen Sie Paschtunwali?

BF: Was ist Paschtunwali? Was meinen Sie damit?

R: Ich meine damit, ob Sie wissen was es ist, was damit überliefert wird.

BF: Paschtunwali hat mehrere Bedeutungen: Wenn ich einen Gast bekomme, dann werde ich ihn ehren soviel ich nur kann. Das ist eines der Merkmale von Paschtunwali.

R: Sie stammen aus dem Stamm XXXX . Ist es Ihnen möglich in Ihrem Herkunftsland sich auf die Gastfreundschaft von Paschtunwali bei einem anderen Angehörigen aus diesem Stamm zu berufen?

BF: Es geht nicht.

R: Warum?

BF: Es gibt andere Sachen. Ich hab nämlich Probleme mit den Taliban und die XXXX Leute sind nicht so stark, dass sie mich gegen die Taliban schützen und wegen mir mit den Taliban kämpfen.

R: Haben Sie Fragen an das Gericht oder möchten Sie von sich aus noch etwas sagen?

BF auf deutsch: Ich habe noch eine Bitte: Zum Beispiel zum ersten Mal haben sie mir Augen gegeben und das Visum und sie haben mir das Visum abgenommen, so das war sehr schwierig für mich in diesen zwei Jahren. Ich habe Tag und Nacht nur gedacht und bin in Deutschkurs gegangen, habe Deutsch gelernt. Das war sehr schwierig für mich. Ich hoffe, dass ich wieder hier kann bleiben und möchte etwas machen. Es wäre sehr schwer für mich wieder zurückgehen nach Afghanistan.

BF weiter in Paschtu: wenn mich jemand fragt wie alt ich bin, sage ich "4 Jahre alt". Ich sage es deswegen: ich bin 26 Jahre alt und ich mache es minus 22, die Jahre die ich in Afghanistan gelebt habe. Das mache ich extra, weil in Afghanistan war immer Krieg, kein Mitmensch mit Gefühl. Ich habe dort nichts gelernt. Als ich nach Österreich kam und in diesen ca. vier Jahren habe ich sehr viel über Menschen, über Kultur und über die Menschlichkeit gelernt und ich hoffe, dass ich hier bleibe.

Ich habe auch das Ziel des Lebens in Österreich gelernt. Die Leute hier werden Arzt oder Richter.

R: In Afghanistan gibt es auch Ärzte und Richter.

BF: Dort ist es anders, man bekommt keine Unterstützung. Wenn ich die Möglichkeiten gehabt hätte, wäre ich dort vielleicht auch etwas gewesen.

R: Wie gefällt es Ihnen im XXXX ?

BF: Viele Leute. Gestern Nacht ich habe bis 0.20 Uhr gearbeitet. Der Chef hatte den Dienstplan schon geschrieben, das war schwer für mich wieder mit dem Chef zu sprechen. Ich habe wegen der Verlegung vom 25.1. auf heute nur drei Stunden geschlafen. Dort arbeiten viele Leute. Jeden Tag es gibt große Party. Letzte Woche waren 400 Leute.

Die Chefin Frau XXXX habe ich noch nie gesehen, aber es gibt noch zwei Männer, die das Hotel leiten. Die habe ich schon in der Kantine gesehen. Ich habe an meinem Arbeitsplatz im XXXX auch schon viele Freunde, zB XXXX und der andere ist XXXX - so nenne ich, sein Name ist schwierig.

R: Ihr Rechtsanwalt wird uns noch Unterlagen übermitteln und ich sende ihm das heutige Protokoll noch zu.

BF: Ich hoffe, dass ich hier bleibe und dass Sie mich nicht wieder zurückschicken. Ich bin von der Dunkelheit ins Licht gekommen. Bitte schicken Sie mich nicht wieder zurück in die Dunkelheit."

15. Zur Integration wurden dem Gericht vorgelegt:

• Terminkarte ÖIF

• Werte- und Orientierungskurs ÖIF vom 24.05.2017

• Teilnahmebestätigung an einer BC-Lerngruppe im September/Oktober 2018

• Teilnahmebestätigung am Kompetenzcheck Berufliche Integration Februar/März 2018

• Kursbestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen auf Niveau A1

• A2 sowie B1 sowie die Prüfungszeugnisse für die Niveaustufen A1, A2, B1 (ÖSD Zertifikat B1 vom 10.09.2018

• Versicherungsdatenauszug vom 14.01.2019, mit Ausweis einer laufenden Beschäftigung bei der Firma XXXX seit 19.11.2018

• Verdienstnachweise für Juli, August, September, Oktober 2017 sowie November und Dezember 2018

• Dienstvertrag mit dem XXXX , wirksam ab 19.11.2018 als Steward sowie

Bestätigung des Dienstgebers vom 07.12.2018 über "Ausgezeichnete Leistungen"

• unbefristeter Mietvertrag über eine Einzimmer-Wohnung mit 30 m²

• Empfehlungsschreiben von der Frau XXXX , wohnhaft in Villach

• Ein Konvolut an Fotodokumentationen über einen Besuch von Frau Dr. XXXX in Wien vom 20.01.2019, sowie in Kärnten sowie an der Teilnahme an einem Volksfest in XXXX sowie mit Frau XXXX , Autorin und Filmproduzentin sowie Gemeindevorstand der Marktgemeinde XXXX welche den Beschwerdeführer in ihrem Privathaus, mit ihrer Mutter am Ossiachersee sowie mit Frau XXXX in Villach zeigen.

16. Mit Email vom 7.2.2019 übermittelte der Rechtsvertreter eine Aufstellung von aus seiner Sicht relevanter Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts zu der Thematik Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und stammt aus der Provinz Nangarhar.

Der Beschwerdeführer ist der Sprachen Paschto und Deutsch mächtig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich erwerbstätig und verfügt über eine aus Eigenem finanzierte Unterkunft.

Der Beschwerdeführer erwarb in Afghanistan eine Schulausbildung sowie Arbeitserfahrung bei der Unterstützung seines Vaters im Transportgewerbe und in der familieneigenen Landwirtschaft.

1.1.2. In den Lebensumständen des Beschwerdeführer in Österreich und denen seiner Familie in Afghanistan haben sich seit der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.1.2017, Zahl XXXX , mit welchem ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, keine wesentlichen und nachhaltigen Änderungen ergeben.

1.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Bezogen auf die Situation des Beschwerdeführers sind folgende Länderfeststellungen als relevant zu werten:

Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation

vom 29.6.2018 idgF:

KI vom 4.6.2019 (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde.

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingungen

geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde.

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek

21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem

Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die

Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. [...]

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

[...]

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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