TE Bvwg Beschluss 2019/6/25 G314 2220109-1

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G314 2220109-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch dieXXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019, Zl.XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot:

A) Der Antrag, dieses Verfahren mit den Verfahren über die Beschwerden des XXXX und des XXXX zu verbinden, wird abgewiesen.

B) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene

Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der keinen Aufenthaltstitel hat und mit seinem am 24.11.2016 ausgestellten und bis 24.11.2026 gültigen bosnisch-herzegowinischen Reisepass zuletzt am 13.05.2019 in das Schengengebiet einreiste, wurde am 14.05.2019 in XXXX festgenommen und wegen unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt. Nach dem Inhalt der Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom 14.05.2019 wird ihm vorgeworfen, er habe die Aufenthaltsdauer überschritten. Nach dem Anhalteprotokoll soll er gemeinsam mit XXXX und XXXX von der Finanzpolizei bei der unerlaubten Montage von Fenstern betreten worden sein.

Im Reisepass des BF sind neben zahlreichen anderen Grenzkontrollstempeln (vor allem über Ein- und Ausreisen nach bzw. aus Kroatien) folgende Grenzübertritte in den bzw. aus dem Schengenraum (vorwiegend Slowenien) mit Grenzkontrollstempeln dokumentiert: 09.02.2017 Ein- und Ausreise, 17.03.2017 Ein- und Ausreise, 07.04.2017 Ein- und Ausreise, 12.05.2017 Ein- und Ausreise, 23.06.2017 Einreise, 24.06.2017 Ausreise, 05.08.2017 Ein- und Ausreise, 06.08.2017 Ein- und Ausreise, 19.08.2017 Einreise, 26.08.2017 Ausreise, 09.09.2017 Ausreise, 28.09.2017 Ausreise, 30.09.2017 Ein- und Ausreise, 04.10.2017 Einreise, 05.10.2017 Ausreise, 10.10.2017 Ein- und Ausreise, 12.02.2018 Einreise, 17.02.2018 Ausreise, 07.03.2018 Einreise, 10.03.2018 Ausreise, 15.03.2018 Einreise, 20.03.2018 Ausreise, 21.03.2018 Einreise, 23.03.2018 Ausreise, 16.04.2018 Einreise, 22.07.2018 Ein- und Ausreise, 16.08.2018 Einreise, 28.08.2018 Ein- und Ausreise, 01.09.2018 Ausreise, 11.09.2018 Einreise, 14.09.2018 Ausreise, 12.10.2018 Einreise, 25.10.2018 Einreise, 24.01.2019 Einreise, 08.02.2019 Einreise, 09.02.2019 Ausreise, 22.02.2019 Einreise, 20.03.2019 Einreise, 23.03.2019 Ausreise, 28.03.2019 Einreise, 30.03.2019 Ausreise, 13.05.2019 Einreise. Aus kroatischen Ein- und Ausreisestempeln ergibt sich unter anderem, dass der BF am 27.10.2018 am GrenzübergangXXXX von Slowenien kommend nach Kroatien einreiste und am 28.10.2018 Kroatien am Grenzübergang XXXX nach Bosnien und Herzegowina verließ. Am 24.01.2019 reiste er am Grenzübergang XXXX von Bosnien und Herzegowina kommend nach Kroatien ein, am 29.01.2019 verließ er Kroatien über diesen Grenzübergang wieder. Auch am 02.03.2019 ist eine Ausreise aus Kroatien am Grenzübergang XXXXdokumentiert.

Am 15.05.2019 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots sowie zur Verhängung der Schubhaft vernommen. Ein Dolmetsch für Bosnisch, mit dem sich der BF problemlos verständigen konnte, wurde der Vernehmung beigezogen. Bei der Einvernahme wurde der BF mit dem Vorwurf konfrontiert, am Vortag von der Finanzpolizei bei der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit (Fenstermontage) betreten worden zu sein. Er rechtfertigte sich damit, dass er in Bosnien und Herzegowina seit ca. einem Jahr für ein Unternehmen, das Fenster herstelle, arbeite, und die Fenster nur nach Österreich überstellt und hier abgeladen habe. Er sei schon seit 12 Jahren in diesem Bereich tätig; aktuell verdiene er EUR 450 pro Monat. Er lebe nicht in Österreich, sondern habe sich hier nur einen Tag zum Abladen der Fenster aufgehalten und wollte gleich wieder nach Hause fahren.

Die Behörde unterließ weitere Ermittlungen, z.B. zu Ziel und Zweck seiner früheren Einreisen in den Schengenraum und zu seinem konkreten Aufgabenbereich bei seinem bosnisch-herzegowinischen Arbeitgeber. Auch der Bericht bzw. die Anzeige der (Finanz-) Polizei über die Amtshandlung gegen den BF am 14.05.2019 ist nicht aktenkundig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien [sic!] fest (Spruchpunkt II.), erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF im Bundesgebiet einer illegalen Erwerbstätigkeit, nämlich der Montage von Fenstern, nachgegangen und dabei am 14.05.2019 von der Finanzpolizei betreten worden sei. Er halte sich illegal im Bundesgebiet auf. Die Annahme, dass der BF die Beschäftigung, bei der er betreten worden sei, nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen und dass er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, wird von der Behörde nicht näher begründet. Die Entscheidungsbegründung enthält mehrere aktenwidrige Angaben, z.B. dass der BF die illegale Beschäftigung zugegeben habe, dass sich seine Kernfamilie in Serbien aufhalte, dass er illegal nach Italien weiterreisen wollte, dass er sich in Kenntnis eines schengenweiten Einreise- und Aufenthaltsverbots über die Rechtsordnung Österreichs und der Mitgliedstaaten der EU hinwegsetzen wollte und aufgrund der Begehung einer strafbaren Handlung eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle und dass er in seinem Herkunftsstaat keine Beschäftigung habe.

Am 15.05.2019 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Am 19.05.2019 wurde er nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben.

Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, das Verfahren mit denen über die Beschwerden von XXXX und XXXX, denen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liege, zu verbinden, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid, in eventu das Einreiseverbot, zu beheben. Hilfsweise wird die Verkürzung des Einreiseverbots beantragt und ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er bei einem bosnischen Unternehmen beschäftigt und in das Bundesgebiet eingereist sei, um Fenster an ein österreichisches Unternehmen zu liefern. Er habe sich im Rahmen des zulässigen visumfreien Aufenthalts und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Der angefochtene Bescheid sei schon aus diesem Grund rechtswidrig. Mangels illegaler Beschäftigung hätte gegen ihn kein Einreiseverbot erlassen werden dürfen. Die Behörde habe keine Gefährlichkeitsprognose vorgenommen und nicht dargelegt, warum er in Zukunft eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Entscheidungsbegründung sei mangelhaft. Hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht ordnungsgemäß erfüllt, hätte sich ergeben, dass der BF in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Jedenfalls sei das Einreiseverbot in der Maximaldauer von fünf Jahren zu kürzen. Der BF legte mit der Beschwerde diverse Urkunden vor, von denen nur für das Schreiben vom 15.05.2019 eine deutsche Übersetzung vorliegt.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens - ohne eine Übersetzung der ausschließlich fremdsprachig vorgelegten Urkunden zu veranlassen - dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen, vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben angeführte Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG sowie aus den durchgeführten Abfragen im Zentralen Melderegister, Fremdenregister und Strafregister. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor, sodass sich eine ausführlichere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Das BVwG kann gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs 2 AVG mehrere in seine Zuständigkeit fallende Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, soweit dies im Rahmen der festen Geschäftsverteilung möglich ist (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltugnsverfahrensrecht10 Rz 798). Da dieses Verfahren der Gerichtsabteilung G314 zugewiesen wurde, die Beschwerdeverfahren des XXXX und des XXXX aber anderen Gerichtsabteilungen des BVwG (G307 bzw. G311), ist eine Verbindung der Verfahren im Rahmen der Geschäftsverteilung des BVwG nicht möglich. Der darauf gerichtete Antrag des BF ist daher abzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über eine Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wie die vorliegende dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG dann meritorisch zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, die dann an die rechtliche Beurteilung, von der das Gericht ausgegangen ist, gebunden ist.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009). Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann demnach nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13), wie sie hier vorliegen.

Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina ist der BF Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Als Inhaber eines biometrischen Reisepasses ist er grundsätzlich gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tage nicht überschreitet, befreit. Er durfte daher unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e SDÜ frei bewegen. Dazu gehört unter anderem, dass er den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben, und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt. Zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich ist der BF im Rahmen des visumfreien Aufenthalts nicht berechtigt.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen wie den BF ist gemäß § 52 Abs 1 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Mit einer Rückkehrentscheidung kann gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen. Die Behörde weist zu Recht darauf hin, dass die Erfüllung eines Tatbestands des § 53 Abs 2 FPG eine entsprechende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die idR ein Einreiseverbot erforderlich macht, indiziert.

Ausgehend von den Ein- und Ausreisestempeln im Reisepass des BF kann der in der Anzeige vom 14.05.2019 erhobene Vorwurf, er habe die erlaubte Aufenthaltsdauer überschritten und halte sich deshalb nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, nicht nachvollzogen werden. Es steht derzeit weder fest, ob er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, noch, ob er bei einer nach dem AuslBG nicht erlaubten Beschäftigung betreten wurde.

Der BF bestreitet, am 14.05.2019 Fenster montiert zu haben. Die Behörde hätte daher weitere Erhebungen zu der konkreten Tätigkeit, bei der er betreten wurde, vornehmen müssen, und dafür zumindest den entsprechenden Bericht bzw. die Anzeige der Finanzpolizei samt allfälligen weiteren Beweismitteln (Lichtbilder, Einvernahmeprotokolle etc.) beischaffen müssen. Außerdem hätte eine Übersetzung sämtlicher vom BF vorgelegter Urkunden ins Deutsche veranlasst werden müssen. Im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung hätte die Behörde dann ausgehend von all diesen Beweismitteln darlegen müssen, warum sie der Verantwortung des BF folgt oder nicht. Sollte sich dabei ergeben, dass er die Fenster nicht montiert, sondern tatsächlich nur geliefert und abgeladen hat, wäre weiter zu prüfen, ob allenfalls eine Betriebsentsendung nach Österreich iSd § 18 AuslBG vorliegt, für die möglicherweise eine Entsendebewilligung erforderlich gewesen wäre. Dabei spricht eine dauernd wiederkehrende Tätigkeit im Inland, wie sie hier aufgrund der regelmäßigen Ein- und Ausreisen des BF in den Schengenraum möglicherweise vorliegt, gegen eine bloß kurzfristige Tätigkeit iSd § 18 Abs 2 AuslBG (vgl. VwGH 21.01.2004, 2001/09/0230). Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass gegen den BF als beschäftigten Ausländer wegen eines Verstoßes gegen das AuslBG keine Strafe verhängt werden kann.

Wenn sich herausstellt, dass sich der BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (gegebenenfalls samt Einreiseverbot) gegen ihn zu prüfen. Die dabei zu beurteilende Frage nach dem Eingriff in sein Privat- oder Familienleben darf aber nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern es ist auch die Situation in den anderen "Schengen-Staaten" in den Blick zu nehmen (vgl. VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007; 20.12.2018, Ra 2018/21/0236).

Da das BFA noch keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts gesetzt hat, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob gegen den BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt werden muss und wenn ja, für wie lange. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig. Je nach dem Ergebnis der oben dargestellten, zusätzlich notwendigen Erhebungen wird das BFA nach der gebotenen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens neuerlich entscheiden müssen, ob und auf welcher Rechtsgrundlage gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) zu erlassen ist oder nicht. Dabei wird gegebenenfalls auch seine mittlerweile bereits erfolgte Ausreise aus dem Bundesgebiet zu berücksichtigen sein (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Da zu den tragenden Sachverhaltselementen keine Beweisergebnisse vorliegen, zur Klärung des relevanten Sachverhalts zusätzliche Ermittlungen notwendig sein werden und dadurch bedingte Weiterungen des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden können, führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG die Erhebungen selbst durchführt, zumal das BFA jegliche Ermittlungen zur komplexen Frage, ob der BF die Tätigkeit, bei der er betreten wurde, nach dem AuslBG ausüben durfte oder nicht, offenbar deshalb unterließ, damit diese durch das BVwG vorgenommen werden.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher - dem in der Beschwerde eventualiter gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag entsprechend - gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen. Dabei wird insbesondere auch darauf zu achten sein, den Zielstaat einer allfälligen Abschiebung (anders als hier in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids) im Einklang mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens festzulegen und die Entscheidung nachvollziehbar und im Einklang mit dem Akteninhalt zu begründen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2220109.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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