TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/2 G311 2220193-1

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Veröffentlicht am 02.07.2019
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Entscheidungsdatum

02.07.2019

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G311 2220193-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am

XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2019, Zahl XXXX:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). In den übrigen Spruchpunkte II. bis VI. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG über die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde über sie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot verhängt.

In der Bescheidbegründung wurden folgende Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin sei laut ihren eigenen Angaben seit 08.04.2019 im Bundesgebiet aufhältig. Sie habe keine Barmittel, sei in Österreich nicht behördlich gemeldet und sei sie bei der illegalen Arbeitsaufnahme betreten worden. Sie sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Ihre Familie lebe in Serbien. Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes wurde festgehalten, dass sie am 22.05.2019 von Beamten der Landespolizeidirektion XXXX bei der Schwarzarbeit betreten worden sei, sie sei nicht aus touristischen Gründen eingereist, sondern sei von Beginn an ihr Ziel gewesen einer unerlaubten Beschäftigung nachzugehen. Beweiswürdigend wurde zur Erlassung des Einreiseverbotes festgehalten, dass sich die Betretung bei der Schwarzarbeit aus der Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX ergebe.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.) wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin befinde sich seit 08.04.2019 im Bundesgebiet, ihr Aufenthalt sei nicht geduldet. Sie sei nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für eine amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG würden nicht vorliegen, dass habe die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.

Hinsichtlich der Erlassung der Rückkehrentscheidung bleibt die belangten Behörde in den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung unklar, worauf sich die Qualifikation des unrechtmäßigen Aufenthaltes stützt. Bezüglich der Erlassung des Einreiseverbotes wurde auf die Betretung bei der Schwarzarbeit verwiesen. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde auf die Ausführungen zu Spruchpunkt I. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG) verwiesen, ihr Verbleib im Bundesgebiet stelle daher eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu den Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides aufzuheben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 08.04.2019 in Bundesgebiet gereist sei um eine Freundin zu besuchen und um eine Arbeit für ihre Tochter zu suchen. Bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde habe sie glaubwürdig erklärt, dass sie keine illegale Arbeitstätigkeit ausgeübt habe, sie habe nur einer Freundin kurz auf freiwilliger Basis ausgeholfen. Die belangte Behörde habe es völlig unterlassen auf das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen.

Im vorgelegten Verwaltungsakt liegen folgende relevante Unterlagen ein:

Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom 23.05.2019: Demnach sei die Beschwerdeführer am 22.05.2019 um 23:00 Uhr an einer konkret genannten Örtlichkeit in einem Lokal in XXXX angetroffen worden, als sie Geschirr aus dem Geschirrspüler räumte. Man habe auch deutlich hören können wie die Beschwerdeführerin "Scheiße" gesagt habe. Der Reisepass der Beschwerdeführerin sei im Jänner erneuert worden, weshalb frührere Einreisen nicht überprüft werden hätten können. Die Beschwerdeführerin habe somit eine unerlaubte Beschäftigung ausgeübt.

Aktenkundig sind weiters Kopien des am 31.01.2019 ausgestellten Reisepasses. Daraus sind ein Einreisestempel nach Ungarn am 08.04.2019 sowie ein Einreisestempel nach Bulgarien am 07.03.2019 sowie ebenfalls am 07.03.2019 eine Einreisestempel in die Türkei ersichtlich. Die weiteren Stempel auf der Reisepasskopie sind nicht leserlich.

Bei ihrer Einvernahme am 23.05.2019 vor der belangten Behörde von 14.05 bis 14.35 Uhr gab die Beschwerdeführerin an, sie sei am 08.04.2019 in Bundesgebiet gereist um nach einer Arbeit für ihre Tochter zu suchen. In dem Café sei eine Freundin Kellnerin, sie habe ihr nur beim Abtrocknen helfen wollen.

Die Beschwerdeführerin wurde am 23.05.2019 von 16.15 bis 16.50 Uhr neuerlich von der belangten Behörde einvernommen: Die Beschwerdeführerin gab dabei an, sie sei erst vor zwei Tagen aus XXXX gekommen. Sie habe Euro 250,--, die seien in der Wohnung ihrer Freundin. Ihre Familie lebe in Serbien, auch ihre Tochter, diese sei schon 21 Jahre alt. Sie habe in Österreich nicht gearbeitet, das sei nur ein blöder Zufall gewesen. Sie sei dort nur gestanden und habe geredet. Sie wolle freiwillig aus Österreich ausreisen.

Im Akt liegt weiters eine Ausreisebetätigung des Vereins Menschenrechte Österreichs vom 12.06.2019 über die erfolgte Ausreise am 07.06.2019 per Bus nach XXXX ein.

II. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,

Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."

Dabei ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.11.2014, Ra 2014/09/0005, zu verweisen, wonach als Gefälligkeitsdienste nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden können, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Empfänger der Leistungen erbracht werden, der Übergang zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer "kurzfristigen" Beschäftigung iSd AuslBG wird als "fließend" bezeichnet, für die Abgrenzung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen und Bedenken sind aber dort angebracht, wo die Tätigkeit für einen Gewerbebetrieb erfolgen soll.

Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Umstände vermuten lassen, dass gegenständlich eine bewilligungspflichtige Beschäftigung vorlag. Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch bereits im Verfahren vor der belangten Behörde bestritten. Mit diesem Umstand hat sich die belangten Behörde in keiner Weise auseinander gesetzt, vielmehr hat sich darauf überhaupt nicht Bezug genommen.

In Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin die Beschäftigung bestritten hat, reicht das einzig vorliegende Ermittlungsergebnis nicht aus, zumal die Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX äußerst kurz und oberflächlich gehalten ist.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, die meldungenlegenden Organe der Landespolizeidirektion XXXX sowie die vor Ort anwesenden Zeugen bzw. den verantwortlichen Betreiber des Lokals detailliert zu befragen.

Es liegen somit gravierende Ermittlungslücken der belangten Behörde vor.

Die belangte Behörde wird daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2220193.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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