TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/3 W167 2216237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2019
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Entscheidungsdatum

03.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W167 2216237-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzvorschriften in das Bundesgebiet ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung XXXX vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschs für die Sprache Dari an, er sei in Afghanistan 7 Jahre zur Schule gegangen, könne aber weder schreiben noch lesen, da er die ganze Zeit arbeiten musste. Er möchte hier eine gute Schulbildung und eine bessere Zukunft. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er wegen des Krieges um sein Leben.

2. XXXX erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschs für die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass er und seine Familie aufgrund seiner außerehelichen Beziehung zu einem Nachbarsmädchen von deren Familie verfolgt würden.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus (Spruchpunkt VI.).

Dem Beschwerdeführer wurde ein Rechtsberater beigegeben.

4. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid Beschwerde, hielt sein Fluchtvorbringen aufrecht. Weitere Fluchtgründe wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht.

5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Vertreterin und eines Dolmetschs für die Muttersprache des Beschwerdeführers (Dari) u.a. eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren und stammt aus Kabul-Stadt. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Er ist nunmehr volljährig sowie ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren Krankheiten und ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben gelegentlich Rückenschmerzen. Er legte aber keine ärztliche Bestätigung für diese Beschwerden vor. Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer einen neurologischen Befundbericht von März 2019 mit der Diagnose "Kopfschmerz DD idiopathisch stechender Kopfschmerz" vor. Befunde über weitere Untersuchungen, welche im genannten Befundbericht mit Terminen vorgesehen waren, legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer wuchs im Familienverband in Kabul-Stadt in der Provinz Kabul auf, wo er bis zumindest kurz vor seiner Ausreise nach Europa lebte.

Der Beschwerdeführer besuchte sieben Jahre lang in seinem Heimatort eine Schule und hat neben der Schule als Autolackierergehilfe und Autowäscher gearbeitet.

Die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers leben im Heimatort.

Der Vater des Beschwerdeführers ist als Autolackierer tätig.

Die Familie bzw. Großfamilie des Beschwerdeführers ist Eigentümerin eines Hauses im Heimatort.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr XXXX aus Afghanistan aus, gelangte unter Umgehung der Grenzvorschriften ins Bundesgebiet und stellte am XXXX den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Insbesondere wurden oder werden weder der Beschwerdeführer noch seine Familie von der Familie der Nachbarstochter aufgrund einer außerehelichen Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und diesem Mädchen verfolgt.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Jahr XXXX auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und geht auch keiner Beschäftigung nach.

Der Beschwerdeführer besuchte verschiedene Kurse und Integrationsprojekte, hat an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF gemäß § 5 Integrationsgesetz teilgenommen, erwarb ein Deutschzertifikat ÖSD A2 und hat sich gemeinnützig betätigt. In seiner Freizeit geht bzw. ging er ins Fitness-Center und spielt Fußball.

Ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt mit seiner Familie in Österreich, diesen Verwandten wurde zwischenzeitlich ein Aufenthaltstitel zuerkannt. Der Beschwerdeführer war nur anfangs gemeinsam mit dieser Familie untergebracht. Seit zumindest 2,5 Jahren lebt der Beschwerdeführer nicht mehr mit diesen Verwandten zusammen. Gegenseitige finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten bestehen nicht.

Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer stammt aus Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist daher die Herkunftsregion des Beschwerdeführers.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Heimatstadt Kabul kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Der Beschwerdeführer kann im Fall einer Rückkehr nach Kabul-Stadt zumindest vorübergehend bei seinen Verwandten in deren Haus in Kabul-Stadt wohnen. Gegebenenfalls kann der Beschwerdeführer aber anfangs auch in "tea houses" ein Zimmer nehmen.

Da der Beschwerdeführer in Kabul-Stadt aufgewachsen, dort in die Schule gegangen ist und als Autolackierer bzw. Autowäscher gearbeitet hat, steht ihm in Kabul darüber hinaus ein soziales Netzwerk von Freunden und Bekannten zur Verfügung, das er zur Unterstützung bei der Wohnraum- und Arbeitsplatzsuche in Anspruch nehmen kann. Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in Kabul-Stadt wieder Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zudem kann sich der Beschwerdeführer auch in größeren Städten wie beispielsweise Mazar-e Sharif und Herat-Stadt niederlassen. Der Beschwerdeführer verfügt dort zwar über kein familiäres und soziales Netzwerk, als alleinstehender, junger und arbeitsfähiger Mann kann er jedoch in den genannten Städten, auf Grund der dort herrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage, Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härten führen. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer kann Kabul-Stadt, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sicher erreichen und würde in größeren Städten, wie den genannten, in keine aussichtslose Lage geraten.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 sowie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2108 und in der ACCORD-Anfragebeantwortung Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 sowie in EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Kabul

Kabul-Stadt ist die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan.

Die Stadt Kabul ist immer wieder von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen, wobei es auch zu zivilen Opfern kommt. Die Anschläge und Angriffe finden aber überwiegend in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite statt. Überdies ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Laut den Kurzinformationen fanden die letzten relevanten Anschläge in Kabul im Dezember 2018 auf Islamgelehrte und im November 2018 auf Teilnehmer einer Demonstration statt. Die Regierung ist jedoch in der Lage, die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist aufgrund der erheblichen Anzahl an Rückkehrern angespannt.

Provinz Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif

Bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

Provinz Herat mit der Hauptstadt Herat-Stadt

Auch bei Herat-Stadt handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand.

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans, liegt im Westen des Landes und grenzt an den Iran.

In der Provinz leben auch tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen (abgelegenen) Distrikten der Provinz aktiv. In der Provinz werden militärische Operationen inklusive Luftangriffe durchgeführt. Es finde auch Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen statt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

1.5.2. Sichere Einreise

Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sind über internationale Flughäfen sicher erreichbar, auch die Befahrung der Straßen von den Flughäfen in die jeweilige Stadt ist untertags im Allgemeinen sicher.

Der Flughafen von Kabul liegt außerhalb des Stadtzentrums. Der Flughafen von Mazar-e Sharif liegt östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Der Flughafen von Herat liegt südlich der Stadt im Bezirk Guzara.

1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag.

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden.

Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen.

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, ist eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden. Herat nimmt eine Vorreiterrolle in der Safran-Produktion ein, die mit nationaler und internationaler Unterstützung eine Alternative zum Mohnanbau werden soll. Darüber hinaus wurde im Dezember 2017 mit Usbekistan ein Abkommen über den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat unterzeichnet. Mitte März 2018 wurde mit dem Bau der TAPI-Leitung (internationale Pipeline zur Versorgung mit turkmenischem Erdgas) in Afghanistan begonnen.

In Mazar-e Sharif und Herat-Stadt besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. In diesen beiden Städten haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind ebenfalls vorhanden.

Den Berichten ist trotz der im Umland bis vor kurzem herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt zu entnehmen.

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014. Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil. Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen.

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an. Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten. Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken. Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt.

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten.

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind. Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen. Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen. Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt.

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif. Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung.

1.5.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Kabul-Stadt, Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar.

1.5.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:

In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

1.5.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten.

1.5.7. Rückkehrer

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück.

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer allein aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.5.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

1.5.9. Legales Heiratsalter

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen. Allerdings sind frühe Verheiratungen weiterhin verbreitet. Auch wenn gesetzlich eine Mindesthaftzeit von 2 Jahren für Personen vorgesehen ist, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen. Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist.

2. Beweiswürdigung:

Bei der Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers findet in die Beweiswürdigung Eingang, dass es sich beim Beschwerdeführer bei den Einvernahmen teilweise um einen Minderjährigen handelte, sodass die Dichte des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit "normalen" Maßstäben gemessen werden kann (vgl. VwGH 24.09.2014, 2014/19/0020). Der Beschwerdeführer war bei der Erstbefragung fast 16 Jahre alt sowie bei der Einvernahme beim Bundesamt ca. 17 Jahre alt. Die Richterin nimmt deshalb darauf Bedacht, dass die Erstbefragung und die Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgte. Bei der Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung war der Beschwerdeführer hingegen volljährig.

Trotz seines Alters bei den Befragungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer konkretere, plausiblere und weniger widersprüchliche Angaben zu seinem Fluchtvorbringen sowie insbesondere zu seiner Schulbildung hätte machen können, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Es sind die Angaben des Beschwerdeführers daher auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters nicht glaubhaft.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers sowie seinem Aufwachsen im Familienverband, Sprachkenntnissen und der Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Betreffend die Angaben zum Gesundheitszustand und der Schulbildung wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer im Verfahren sehr bemüht war, seine ursprünglich angegebene Schulbildung dadurch zu relativieren, dass er umfangreiche Angaben dazu machte, weshalb er trotz des Schulbesuchs keine gute Schulbildung habe. Hierzu ist festzuhalten, dass die diesbezüglich massiv widersprüchlichen Angaben die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erschüttern.

Während er bei der Befragung durch die belangte Behörde bemüht war, als Grund für seine angeblich schlechte Schulbildung sein eigenes Desinteresse an der Schule bzw. seinen Wunsch selbständig Geld zu verdienen angab, über Nachfrage allerdings nicht erklären konnte, wie er dies gegenüber seiner Familie durchziehen habe können (Befragung BFA S. 7 f.), behauptete er in der Verhandlung vor dem BVwG erstmals, er habe aufgrund von gesundheitlichen Schwierigkeiten die Schule nicht bzw. erst später besuchen können und verstrickte sich bei Nachfragen in massive Widersprüche (VH-Protokoll S. 5). Es ist daher nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer erst später mit der Schule begonnen hat bzw. dass er trotz des jahrelangen Schulbesuchs eine viel schlechtere Bildung hat, als andere Afghanen, die ebenfalls afghanische Schulen besucht haben.

Bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei der Befragung durch die belangte Behörde noch angab, er sei gesund und benötige keine ärztliche Behandlung (Befragung BFA S. 3, lediglich im Zusammenhang damit, warum er nicht immer faste, gab er im Laufe der weiteren Befragung Magenprobleme an). Erstmals in der Verhandlung vor dem BVwG nannte er dann gesundheitliche Probleme in Afghanistan (sowohl in der Kindheit, als auch als Folge eines Vorfalls in Afghanistan) und behauptete, dass er auch in Österreich bereits gesundheitliche Problem gehabt habe, ohne jedoch diesbezügliche medizinische Unterlagen zumindest aus Österreich vorzulegen. Aus dem vorgelegten Befundbericht geht aus der Anamnese lediglich hervor, dass der Beschwerdeführer bereits am Vortag wegen Kopfschmerzen im hier gewesen sei. Unter Vorerkrankungen ist "keine" angegeben. Beschwerdeführer hat auch keine medizinischen Unterlagen zu den nachfolgenden Untersuchungen vorgelegt und auch angegeben, dass er keine weiteren medizinischen Unterlagen hat (VH-Schrift S. 13). Auch die Behauptung des auffallend durchtrainierten Beschwerdeführers, welcher zudem im Verfahren seine Integration u.a. durch teilweise per Foto belegte Hinweise auf seine sportlichen Aktivitäten (Fußball, Fitnesscenter) sowie den Hinweis auf eine bereits ein Jahr andauernde Fußballaktivität bei einem Fußballverein zu untermauern suchte, er habe mittlerweile seit ca. einem Monat gesundheitliche Einschränkungen, können mangels entsprechender medizinischer Belege nicht festgestellt werden.

Nach der medizinisch nicht belegten Angabe des Beschwerdeführers begannen die Schmerzen ca. ein Monat vor der Verhandlung und er machte trotzdem jedenfalls freie Sportübungen zu Hause (VH-Schrift S. 6) Zudem bestätigte er noch Ende Februar 2019 schriftlich, dass er zweimal wöchentlich an einem Fußballtraining teilnehme, im Verein sei er seit August 2018 Mitglied. Darüber hinaus trainiere er mehrmals wöchentlich in einem Fitnesscenter (AS 249).

Im Übrigen wird festhalten, dass selbst ein allfälliges kurzzeitiges Bestehen von Kopf- oder Rückenschmerzen, welche im Übrigen selbst nach Aussage des Beschwerdeführers weiterhin Sport zulassen, die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht dauerhaft einschränken würde.

Im Hinblick auf die vorgelegte Bewerbung des Beschwerdeführers, seinen Berufswünschen und mangels gegenteiliger substantiierter Behauptungen im Verfahren wird von einer Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen.

Die Angaben zum Aufenthaltsort seiner Familie sind ebenfalls sehr widersprüchlich. Der Beschwerdeführer gab selbst an, dass seine Familie jedenfalls noch ca. ein Jahr im Heimatort unter normalen Umständen gelebt habe (Befragung BFA S. 7 und VH-Protokoll S. 15). Bei der Befragung bei der belangten Behörde gab er außerdem an, dass seine Familie in den Iran verzogen sei. Die angebliche Übersiedlung der Familie in den Iran wurde vom Beschwerdeführer als Flucht vor den männlichen Familienangehörigen des Nachbarmädchens dargestellt (Befragung BFA S. 7). Im Hinblick darauf, dass sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubhaft erwiesen hat (siehe dazu unten unter 2.2.) ist eine Übersiedlung der Familie aus diesem Grund nicht anzunehmen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer selbst angegeben, dass sein Vater eine Beschäftigung hatte. Aus dem Gesamtvorbringen (insbesondere auch der Schulbesuch der Kinder und zumindest eigenes Haus der Großfamilie im Heimatort) sowie der Möglichkeit der Familie die Ausreise des Beschwerdeführers zu finanzieren, ergibt sich auch, dass die Familie des Beschwerdeführers in vergleichsweise guten finanziellen Verhältnissen lebte. Insgesamt sind keine plausiblen Gründe hervorgekommen, wieso die Kernfamilie plötzlich in den Iran übersiedeln sollte. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Kernfamilie des Beschwerdeführers, v.a. die Eltern, - zu der dieser nach wie vor Kontakt hat (vom Beschwerdeführer bestätigt, siehe VH-Protokoll S. 7) - nach wie vor in Afghanistan im Heimatort aufhält.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben im Einleitungssatz dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

Der Zeitpunkt der Ausreise aus dem Heimatstaat des Beschwerdeführers sowie der Asylantragsstellung in Österreich ergibt sich unbestritten aus dem Verwaltungsakt.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund unplausibler Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen als unglaubhaft. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers noch, welche sich auch bei den Angaben zu seiner Person zeigte (siehe oben 2.1). Im Rahmen der Verhandlung ergaben sich weitere Ungereimtheiten in seinem Vorbringen, welche der Beschwerdeführer nicht schlüssig erklären konnte.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im Beschwerdefall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Dennoch fällt auf, dass Beschwerdeführer in der Erstbefragung sein nunmehr zentrales Vorbringen mit keinem Wort erwähnt, sondern vielmehr als Grund für seine Ausreise den Wunsch nach besserer Bildung und einer besseren Zukunft angab.

Neben zahlreichen Abweichungen in den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe seines Asylverfahrens zu seiner Schulbildung erwies sich auch sein Vorbringen zu den einzelnen nach seinen Angaben fluchtauslösenden Vorfällen als unplausibel und teilweise widersprüchlich.

Der Beschwerdeführer gab bei der Befragung bei der belangten Behörde als Grund für seine Flucht aus Afghanistan die außereheliche sexuelle Beziehung zu einem tadschikischen Nachbarsmädchen an. Festgehalten wird, dass sich der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer - anders als noch bei der belangten Behörde - im Rahmen der Gerichtsverhandlung auf eine auffallend kurze Schilderung der Gründe für seine Flucht beschränkte (VH-Protokoll S. 9 f).

Sein Fluchtvorbringen ist aus folgenden Gründen nicht plausibel:

Einerseits gibt der Beschwerdeführer an, dass seine Eltern um die Hand des Nachbarsmädchens, welches aus einer einflussreichen Familie stammen soll, für den Beschwerdeführer angehalten hätten. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt ca. 14-15 Jahre alt war, keine abgeschlossene Schulausbildung hatte und auch keiner regelmäßigen Arbeit nachging sowie aus einer nach eigenen Angaben nach weniger einflussreichen Familie stammt als das Mädchen und er sich zudem als "schwierigen und unfolgsamen" Sohn beschreibt (v.a. betreffend die von den Eltern gewünschte Schulkarriere), ist nicht nachvollziehbar, weshalb seine Familie um die Hand dieses Mädchens angehalten haben soll, nur weil der damals auch nach afghanischen Verhältnissen noch lange nicht ehemündige Beschwerdeführer ihnen erzählt haben soll, dass er das Mädchen liebe, mit ihr verlobt werden möchte und die Familie angeblich von der Beziehung der beiden wusste (VH-Protokoll S. 11). Hierzu ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben das Mädchen bis dahin immer nur auf der Straße getroffen hat, wenn sie zur Schule ging (VH-Protokoll S. 11), es also zu diesem Zeitpunkt auch nach seinen Angaben noch keine sexuelle Beziehung gab. Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass gegebenfalls auch erst eine längere Verlobungszeit ins Auge gefasst hätte werden können, ist aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, wieso sich die beiden Familien auf ein derartiges Arrangement hätten einlassen sollen.

Andererseits gibt der Beschwerdeführer an, dass er keine Angaben zum Heiratsantrag der Eltern oder dazu machen kann, wie ihm die Eltern erzählt haben, dass der Heiratsantrag nicht genommen wurde. V.a. letzteres scheint in Anbetracht vom Beschwerdeführer beteuerten großen Liebe zu dem Mädchen und dem Wunsch nach einer Verlobung/Eheschließung lebensfremd und nicht nachvollziehbar (VH-Protokoll S. 12). In diesem Zusammenhang berichtete der Beschwerdeführer in der Verhandlung plötzlich erstmals von Anfällen mit starken Schmerzen, die er in Afghanistan und Österreich gehabt habe (VH-Protokoll S. 12 f., wobei er sich kurz hintereinander bei der Anzahl der Anfälle in Österreich widerspricht, indem er einmal zwei Anfälle S. 11 und dann drei Anfälle angibt, wobei festgehalten wird, dass nur medizinische Unterlagen aus dem Jahr 2019 vorgelegt wurden).

Eine Verfolgung durch die Familie des Mädchens aufgrund des erfolglosen Heiratsantrags hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Wenn er einerseits vorbringt nach dem Heiratsantrag noch weitere 5 Monate in Kabul verbracht zu haben (VH-Protokoll S. 12), und anderseits nach dem von ihm vorgebrachten sexuellen Kontakt noch einen Monat in Kabul verbracht zu haben (VH-Protokoll S. 14), ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer und seine Familie auch nach seinen Angaben keinerlei Probleme aufgrund des abgelehnten Heiratsantrags hatten.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er das Mädchen nach dem abgelehnten Heiratsantrag bei ihr zu Hause besuchte während ihre Familie nicht zu Hause war, mit ihr sexuellen Kontakt hatte und sie danach immer noch Jungfrau war (VH-Protokoll S. 13 f). Dies sei der Grund für die Probleme mit der Familie des Mädchens gewesen (VH-Protokoll S. 13). Danach sei der Beschwerdeführer dann vom Bruder des Mädchens bedroht worden. Nach einer gewissen Zeit sei der Beschwerdeführer mit dem Messer attackiert und niedergestochen worden. Nach einem weiteren Monat zu Hause in Kabul sei der Beschwerdeführer dann zuerst nach Nimroz geflüchtet und dann ausgereist. (siehe dazu VH-Protokoll S. 9 f.).

Auf die Frage, wie das Mädchen regiert habe, als sie von der Ablehnung des Heiratsantrags erfahren habe, und was ihre Familie mit ihr gemacht habe, gab der Beschwerdeführer an, sie sei danach brutal geschlagen worden, hatte überall am Körper blaue Flecken und hätte das dem Beschwerdeführer erst bei der ersten Kontaktaufnahme durch den Beschwerdeführer von Österreich aus erzählt (VH-Schrift S. 16).

Es erscheint lebensfremd anzunehmen, dass ein Mädchen, das angeblich von ihrer Familie bereits allein aufgrund der Tatsache, dass die Familie des Beschwerdeführers einen Heiratsantrag gestellt hat, misshandelt wurde, zeitnah mit dem Beschwerdeführer eine sexuelle Beziehung beginnt, über einen längeren Zeitraum regelmäßig mit dem Beschwerdeführer in Europa Kontakt hat und diesen Kontakt nur abbricht, weil sie den in Europa aufhältigen Beschwerdeführer vor ihrer Familie schützen möchte.

Auch die Angaben zur Familie des Mädchens sind unplausibel. Einerseits geht bzw. ging das Mädchen nach den Angaben des Beschwerdeführers zu Schule und kann auf dem Schulweg problemlos Kontakt mit dem Beschwerdeführer habe. Der Beschwerdeführer beobachtet sie, um herauszufinden, ob sie einen Freund hat. Auch nach dem erfolglosen Heiratsantrag der Familie des Beschwerdeführers ist es dem Mädchen möglich, unbeaufsichtigt zu Hause zu sein und den Beschwerdeführer zu empfangen. Auch der angebliche sexuelle Kontakt mit dem Beschwerdeführer führte zu keiner erheblichen Einschränkung der Freiheiten des Mädchens: Es war der Schwester des Beschwerdeführers möglich die Kontaktdaten von dem Mädchen erfragen und der Beschwerdeführer konnte mit dem Mädchen regelmäßig über das Internet Kontakt haben.

Diese Angaben deuten darauf hin, dass das Nachbarsmädchen aus einer liberalen afghanischen Familie stammt, was auch der Beschwerdeführer grundsätzlich bestätigte (Befragung BFA S. 13, "Ihre Familie war nicht so konservativ. [...]"). Da jedoch selbst in einer liberalen Familie im patriarchal und traditionell geprägten Afghanistan die Ehre des Mädchens und der Familie einen hohen Stellenwert hat, ist aufgrund des Vorgehens der Familie davon auszugehen, dass kein sexueller Kontakt stattfand.

Die vom Beschwerdeführer geschilderte massive Bedrohung seiner Person sowie seiner Familie durch die Familie des Mädchens ist auch im Hinblick darauf unplausibel, dass der Beschwerdeführer selbst noch ein Monat nach den Drohungen gegen ihn und dem angeblichen Angriff auf ihn zu Hause aufhältig war und seine Familie noch ca. ein weiteres Jahr unbehelligt neben den mächtigen Verfolger gelebt haben soll. Würde die Familie des Mädchens wie vom Beschwerdeführer angegeben mit Gewalt ihre Ehre verteidigen, so wäre mit unmittelbaren Sanktionen gegen den Beschwerdeführer, seine Familie sowie auch das Mädchen selbst zu rechnen gewesen.

Auch die Angaben des Beschwerdeführers dazu, dass das Mädchen von ihrer Familie geschlagen worden sei und Selbstmordversuche unternommen habe, sind im konkreten Fall unplausibel: Als Grund für den Abbruch des Kontakts zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mädchen gab dieser an, dass sich das Mädchen Sorgen darum mache, dass ihre Familie ihn finden könnte (VH-Protokoll S. 12). Im Hinblick auf die amtsbekannte Situation von Frauen in Afghanistan, denen Ehrverletzungen vorgeworfen werden, scheint die Sorge des Mädchens um den in Österreich aufhältigen Beschwerdeführer im konkreten Fall nicht nachvollziehbar.

In ihrer Gesamtheit erwecken diese Unplausibilitäten starke Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens.

Weiters weist das Vorbringen des Beschwerdeführers in zentralen Punkten unzählige Ungereimtheiten und Widersprüche auf, welche auch nicht mit dem Alter des Beschwerdeführers erklärbar sind:

Der Beschwerdeführer machte widersprüchliche Angaben dazu, in welchem Alter er das Mädchen kennen bzw. lieben lernte (Befragung BFA: S. 4 - zehn oder elf Jahre, S. 10 - dreizehn oder vierzehn Jahre; VH-Protokoll S. 9: im Jahr 2014/2015 als ich 14/15 Jahre alt war).

Bei der belangten Behörde berichtete er von drei erfolglosen Heiratsanträgen durch seine Familie (Befragung BFA: S. 10 und 11), beim Gericht hingegen nur allgemein, dass seine Familie um die Hand des Mädchens angehalten habe und dass er keine Angaben zum Heiratsantrag machen könne (VH-Schrift S. 9, 12).

Auch die Bedrohung durch den Bruder des Mädchens - den von ihm vorgebrachten Grund für seine Ausreise aus Afghanistan - schildert der Beschwerdeführer sehr unterschiedlich. Während er bei der belangten Behörde von drei Bedrohungen spricht, wobei er beim letzten Mal mit dem Tod bedroht und mit einem Messer gestochen worden sei (Befragung BFA S. 10) und angab, dass der Bruder des Mädchens ihn mit vier oder fünf Personen und auch telefonisch bedroht hätte (Befragung BFA S. 11), gab er beim Gericht an, er wurde "dann von ihrem Bruder auf der Straße mit dem Tod bedroht. Er gab mir auch eine Ohrfeige, anscheinend hat ihm jemand gesagt, dass ich eine Beziehung zu seiner Schwester habe. Nach einer gewissen Zeit, wurde ich mit einem Messer attackiert." (VH-Schrift S. 9 f).

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten. Auch vom Beschwerdeführer wurde keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.

2.3. Zu den Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde, in den Stellungnahmen seiner Vertretung zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Eine Reise nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden dem Beschwerdeführer im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.

Dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in seine Herkunftsstadt Kabul-Stadt (und allenfalls nach Mazar-e Sharif oder Herat) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte und den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

Der Beschwerdeführer stammt aus Kabul-Stadt, wo er auch sein Leben bis zur Ausreise aus Afghanistan im Familienverband verbracht hat, wo er zur Schule ging und auch bereits neben der Schule erwerbstätig war. Die Familie des Beschwerdeführers ist nach wie vor in Kabul-Stadt aufhältig, es ist jedenfalls ein Haus und damit Wohnraum in Kabul vorhanden, es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest anfänglich von seiner Familie mit Nahrung versorgt werden könnte. Aber selbst ohne Familie vor Ort wäre der Beschwerdeführer in der Lage, für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, selbst wenn er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hätte.

Darüber hinaus wäre es den Beschwerdeführer entgegen den Ausführungen in der Beschwerde und der Stellungnahme des BFV in der Verhandlung möglich, in die Städte Mazar-e Sharif und Herat-Stadt als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif und Herat-Stadt sind, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der Beschwerdeführer ist, weitgehend sicher, sodass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in diese Städte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in den Städten Mazar-e Sharif und Herat-Stadt die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die darin genannte Basisinfrastruktur steht dem Beschwerdeführer zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif und Herat-Stadt keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

Aufgrund seiner schulischen und

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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