TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/10 W192 2220771-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2019
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Entscheidungsdatum

10.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2220771-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Tadschikistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zahl 1185227007-180283678, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i.d.g.F., § 9 BFA-VG i.d.g.F. und §§ 52, 55 FPG i. d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Tadschikistans, stellte am 22.03.2018 infolge illegaler Einreise und Zurückweisung am Grenzübergang zu Deutschland den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, zu welchem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde.

Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst zu Protokoll, er bekenne sich zum islamischen Glauben, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an, sei verheiratet und habe die Grundschule in Tadschikistan sowie eine Universität in Ägypten besucht. In Tadschikistan hielten sich unverändert die Mutter, Geschwister, die Ehefrau sowie neun minderjährige Kinder des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftsstaat im Sommer 2016 verlassen und sei über Kirgisien, Kasachstan, Russland, Malaysia, Indonesien, die Türkei (dort habe er sich etwa ein Jahr lang aufgehalten), Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien nach Österreich gereist. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, tadschikische Behörden hätten ihn gezwungen, sein Studium in Ägypten abzubrechen und nach Tadschikistan zurückzukehren. Nach zwei Monaten sei er zur Polizei und zum Geheimdienst in Tadschikistan bestellt und zu seinen Aktivitäten in Ägypten und Tadschikistan befragt worden. Seine Freunde seien ins Gefängnis gesteckt worden. Ihm sei unterstellt worden, dass seine Freunde und er in Ägypten die Machtübernahme für Tadschikistan vorbereitet hätten. Der Beschwerdeführer sei jede Woche zu den Behörden bestellt worden, seine Freunde seien gezwungen worden, eine Aussage gegen ihn zu unterschreiben. Im Falle einer Rückkehr fürchte er Folter und Gefängnis.

Anlässlich seiner nach Zulassung des Verfahrens am 25.06.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgehaltenen niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, sei gesund und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer wiederholte die schon anlässlich der Erstbefragung erstatteten Angaben zu seinen familiären Verhältnissen sowie zu seiner Reisebewegung. Zum Grund seiner Flucht gab der Beschwerdeführer an, er würde im Falle einer Rückkehr nach Tadschikistan verhaftet werden. Konkretisierend führte er wörtlich wie folgt aus:

"Ich habe in Russland gearbeitet. Ich habe in Ägypten an der tadschikischen Botschaft eine Genehmigung gekauft (6500 $), um in Ägypten studieren zu können. Normalerweise kann man einfach so studieren aber diese Genehmigungen werden verkauft. Manche Studenten sind zurückgekehrt, manche nicht. Die tadschikische Botschaft teilte mir mit, dass ich unbedingt nach Tadschikistan zurückkehren soll. Ich wollte nicht freiwillig zurückkehren. Ich sagte, dass wenn sie mich zurückverweisen werde ich in Ägypten erzählen, dass die tadschikische Botschaft Genehmigungen nimmt. Ich habe die Universität beendet in Ägypten und wollte noch drei bis vier Monate bleiben um den Magistertitel zu bekommen. Ich habe arabische Kultur und Sprache studiert. Der Konsul welcher das Geld von mir bekommen hat war nicht mehr an der Botschaft. Der neue Konsul sagte ich müsse nach Tadschikistan zurückkehren. Danach kehrte ich im Februar 2016 nach Tadschikistan zurück. Etwa zwei Monate später habe ich begonnen mir in Tadschikistan Arbeit zu suchen. Ich wollte als Dolmetscher arbeiten oder arabische Sprache unterrichten. Der Präsident Tadschikistans kam in das Gebiet, in welchem ich wohnte. Er verbrachte dort eine Woche. Nach diesem Besuch hat die Polizei begonnen Leute festzunehmen und zu kontrollieren, welche in arabischen Ländern aufhältig waren. Eine Woche später kam die Polizei zu mir und meinte ich sollte am nächsten Tag zur Einvernahme kommen. Mir wurde telefonisch mitgeteilt, dass ich wöchentlich zu diesen Einvernahmen erscheinen soll. Ich ging immer dahin. Ich habe dort Papiere gehabt, das ich in Ägypten studiert habe. Ich sagte, dass sie mich nicht verhaften können weil ich ja legal dort studiert habe. Ich ging ja freiwillig von Ägypten zurück nach Tadschikistan. Die tadschikischen Gesetze sind so, dass man fünf Jahre arbeiten muss für das tadschikische Land, da man studiert hat. Die Polizei schlug mir vor, dass ich als Agent arbeiten muss im Ausland für die tadschikische Polizei. Ich sagte, dass ich das nicht will weil ich nicht zusehen kann wie sie Menschen verhaften, welche mit Politik nie was zu tun hatten. Meine Frau und meine Kinder waren auch in Ägypten für die Zeit welche ich dort studierte. Ich habe sie zurück geschickt nach Tadschikistan und meine Kinder durften dort die Schule nicht mehr besuchen. 2015 sind meine Frau und Kinder zurück nach Tadschikistan. Von September 2017 bis jetzt durften sie die Schule besuchen aber waren in der Schule nicht registriert. Obwohl der Unterrichtsminister mit meiner Frau verwandt ist konnte er mir nicht helfen. Es war ein Druckmittel, damit ich als Agent arbeite. Ich habe Angst. Ich habe neun Kinder. Wenn ich zurück gehe und den Agentenjob nicht annehme dann werde ich verhaftet."

Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Seine neun Kinder würden ebenso wie die beiden Kindesmütter nach wie vor in Tadschikistan leben; die Polizei sei oft mit Hunden gekommen und hätte diesen Angst gemacht. Er sei alleine ausgereist, da er keine Pässe für die Kinder bekommen hätte. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Reisepass eine große Zahl an Ländern durchreist hätte, im Falle eines tatsächlichen Interesses der tadschikischen Spezialbehörden an seiner Person jedoch anzunehmen wäre, dass man den Beschwerdeführer im Zuge seiner Flugreisen verhaftet hätte, erwiderte dieser, er sage nur, wie es ist. Auf weiteren Vorhalt, dass man diesfalls auch seine Familie unter Druck setzen würde, um ihn zur Rückkehr zu bewegen, entgegnete der Beschwerdeführer, er hätte niemanden umgebracht und sei kein Terrorist. Ebensowenig sei er tadschikischer Agent. Ob alle der 25 Freunde, welche begonnen hätten, mit ihm in Ägypten zu studieren, von den tadschikischen Behörden festgenommen oder vorgeladen worden wären, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Der Beschwerdeführer habe nie Schwierigkeiten mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt, hätte nie eine Straftat verübt und sei nicht politisch aktiv gewesen.

In Österreich lebe der Beschwerdeführer von der Grundversorgung, lerne Deutsch, er ginge hier keiner Beschäftigung nach und habe hier keine persönlichen Beziehungen.

Der Beschwerdeführer legte seinen tadschikischen Führerschein, zwei Bestätigungen der tadschikischen Botschaft in Ägypten über seinen Studienbesuch, ein Diplom der ägyptischen Universität, eine Kopie und Übersetzung seines tadschikischen Reisepasses (dessen Original er in Bosnien verloren hätte) ins Türkische, ein Empfehlungsschreiben sowie eine Deutschkursbesuchsbestätigung vor.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer aktualisiertes Länderberichtsmaterial zur Situation in seinem Heimatland übermittelt und es wurde ihm die Gelegenheit eingeräumt, hierzu sowie zu allfälligen sonstigen Neuerungen seit seiner letzten Einvernahme und seinen seitherigen Integrationsschritten im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu beziehen.

Mit Eingaben vom 16.06.2019 und vom 17.06.2019 übermittelte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen zum Beleg seiner Integrationsbemühungen im Bundesgebiet.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Tadschikistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für dessen freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religion, nicht jedoch die präzise Identität, des Beschwerdeführers fest. Die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer persönlichen Verfolgung und Bedrohung seien nicht glaubhaft nachvollziehbar gewesen, weshalb nicht festzustellen gewesen sei, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsland einer konkreten Gefährdung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde beweiswürdigend im Wesentlichen festgehalten, der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung davon gesprochen, vom tadschikischen Geheimdienst bezichtigt worden zu sein, in Ägypten die Machtübernahme Tadschikistans vorbereitet zu haben, vor dem Bundesamt hätte er hingegen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörden Tadschikistans von ihm verlangt hätten, als Agent im Ausland zu arbeiten. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer mit seinem Reisepass zahlreiche Länder auf dem Luftweg durchreist hätte, weshalb es für die Behörde nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer Tadschikistan illegal verlassen hätte. Vielmehr ginge das Bundesamt davon aus, dass der Beschwerdeführer Tadschikistan legal auf dem Luftweg verlassen hätte, um in Russland Arbeit zu finden. Auch sei es wenig glaubhaft, dass der Geheimdienst dem Beschwerdeführer im Zuge der angeblichen Befragungen den Reisepass nicht abgenommen hätte. Es wäre vielmehr davon auszugehen, dass ein Staat, der die Verfolgung einer missliebigen Person beabsichtige, geeignete Maßnahmen ergreifen würde, um dieser Person habhaft zu werden und ein Unterlassen des Staatsgebiets zu unterbinden. Behördliche Maßnahmen, die es dem angeblich Verfolgten erst ermöglichen würden, sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, wie z.B. Ausstellung oder Verlängerung der Gültigkeit eines Reisepasses sowie die Gewährung einer legalen Ausreise seien daher regelmäßig als Beweis zu werten, dass eine staatliche Verfolgungsabsicht nicht bestehe. Über die angeblichen Verhaftungen seiner Freunde habe der Beschwerdeführer keine genauen Angaben tätigen können, ferner sei es praktisch sämtlichen seiner Familienmitglieder möglich, weiterhin in Tadschikistan zu leben. Im Falle eines tatsächlichen Interesses an seiner Person wäre jedenfalls von weiteren Nachforschungen und Befragungen seiner Verwandten und Freunde auszugehen. Im Ergebnis habe der Beschwerdeführer eine Verfolgung von staatlicher oder privater Seite daher nicht glaubhaft machen können.

Der Beschwerdeführer sei gesund, verfüge im Herkunftsstaat über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und demnach über Unterkunfts- und Unterstützungsmöglichkeiten und könne seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass diesem die Lebensgrundlage im Herkunftsland gänzlich entzogen wäre oder er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde.

Der unbescholtene Beschwerdeführer sei illegal ins Bundesgebiet eingereist, bestreite seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung und verfüge über keine familiären oder sozialen Kontakte und über keine schützenswerte Integration in Österreich, weshalb sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als geboten erweise.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 25.06.2019 fristgerecht Beschwerde ein, in welcher begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund als nicht glaubhaft qualifiziere. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Einvernahme angegeben, dass er seitens der tadschikischen Regierung genötigt worden sei, aus Ägypten nach Tadschikistan zurückzukehren und nach seiner Rückkehr fortan wöchentlich vorgeladen worden wäre. Desweiteren sei er aufgefordert worden, für die tadschikische Regierung als Agent im Ausland zu arbeiten, was dieser jedoch verweigert hätte, weshalb er mit einer Verhaftung zu rechnen gehabt hätte. Die Frau und die Kinder des Beschwerdeführers seien ebenso mehrmals von den örtlichen Sicherheitsbehörden aufgesucht und unter Druck gesetzt worden, außerdem sei den Kindern des Beschwerdeführers die offizielle Registrierung in Schulen verwehrt worden. Aus den vorliegenden Länderberichten ginge hervor, dass von einer aktuellen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der tadschikischen Sicherheitsbehörden nicht ausgegangen werden könne und der Beschwerdeführer kein den rechtsstaatlichen Erfordernissen genügendes Verfahren erwarten könne.

4. Mit Schreiben vom 01.07.2019 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor und bezog gleichzeitig zu den in der Beschwerde erfolgten Vorwürfen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien, ist Staatsangehöriger Tadschikistans, Angehöriger der tadschikischen Volksgruppe und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 22.03.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seitdem durchgängig im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hat in Tadschikistan die Schule sowie ein Universitätsstudium in Ägypten absolviert und war mehrjährig in der Russischen Föderation berufstätig. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat im August 2016 verlassen und reiste über Kirgisien, Kasachstan, Russland, Malaysia, Indonesien, die Türkei, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien nach Österreich. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer illegal aus Tadschikistan ausgereist ist. Im Herkunftsstaat halten sich unverändert die Mutter, Geschwister, die Ehefrau sowie neun minderjährige Kinder des Beschwerdeführers auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat durch die dortigen Behörden infolge seines Studiums in Ägypten verfolgt respektive zu einer Tätigkeit als Agent im Ausland aufgefordert worden ist und ihm aufgrund einer diesbezüglichen Weigerung im Falle einer Rückkehr eine Inhaftierung drohen würde. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tadschikistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Es besteht für den Beschwerdeführer als gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr nach Tadschikistan keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der unbescholtene Beschwerdeführer geht im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit und hat keine Verwandte oder sonst enge soziale Bezugspunkte in Österreich. Er hat Deutschkurse besucht und zuletzt eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden. Seit März 2019 ist er bei einer sozialen Einrichtung ehrenamtlich als Deutschlehrer für Asylwerber sowie als Hilfskraft in der Administration tätig.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Politische Lage

Die Republik Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik 2016 8,74 Millionen Einwohner, was ein Wachstum von ca. 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausmachte (TAJSTAT 23.5.2018). Unter dem herrschenden präsidentiellen System wird das Land seit 1994 von Emomali Rachmon (Rakhmon) streng geführt (BBC 22.4.2018). Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 20.10.2017). Tadschikistan befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 22.4.2018).

Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR am 9. September 1991 wuchsen die Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabiev und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politischen, religiösen und regionale Gegensätze. Im Zuge der gewaltsamen Eskalation 1992 verlor Nabiev seine Macht. Nach einer kurzen Übergangszeit wurde Emomali Rahmon zuerst Vorsitzender des Obersten Sowjets Tadschikistans (1992), später Staatspräsident (1994). Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des 'Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan' durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung der Mehrzahl aller tadschikischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren und am politischen Leben teilnehmen (AA 3.2018a).

Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung vordergründig ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Bestimmungen der Verfassung ins Auge (GIZ 3.2018a).

Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli), das Oberhaus, werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon), das Unterhaus, wird direkt gewählt, wobei 41 Mitglieder durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde bestimmt werden (IFES 2016, vgl. AA 3.2018a).

Der Staatspräsident wird alle sieben Jahre gewählt. Der gegenwärtige Präsident, Emomali Rachmon, wurde infolge einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2003, die eine zweimalige Wiederwahl ermöglicht, im November 2013 wiedergewählt (IFES 2016, vgl. GIZ 3.2018a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchter und zwei Söhne, sowie deren Ehepartner) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rachmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleinigen Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.2.2018).

Ende Dezember 2015 unterzeichnete Präsident Rachmon ein Gesetz, das ihn zum Führer der Nation auf Lebenszeit erhebt. Beide Parlamentskammern hatten zuvor das Gesetz ohne Gegenstimmen gebilligt (UB 29.1.2016). Das Gesetz verleiht Rachmon und seinen Verwandten überdies lebenslange Immunität. Im Jänner 2016 wurde eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht und das Mindestalter für das Präsidentenamt von 35 auf 30 Jahre herabsetzt. So wäre Rachmons ältester Sohn Rustam Emomali in der Lage bei der Präsidentenwahl 2020 zu kandidieren, er wäre dann 33 Jahre alt (RFE/RL 10.2.2016). Zu diesem Gesetz wurde am 22. Mai 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt und 95 % der Wahlberechtigten stimmten für die Annahme des Gesetzes (Guardian 23.5.2016).

Bei den Parlamentswahlen vom 1.3.2015 gewann die regierende Volksdemokratische Partei Tadschikistans (PDPT) 51 der 63 zu vergebenden Sitze. Die OSZE bemängelte die Restriktionen hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Zugang zu den Medien während des Wahlkampfes. Die Chancengleichheit im Wahlkampf wurde nicht gewährleistet. Der Wahlgang inklusive die Auszählung war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet (OSCE 15.5.2015).

Während eines Auslandsaufenthalts im Juni 2015 verkündete der Vorsitzende der "Islamische Wiedergeburt" (PIW), Muhiddin Kabiri, nicht mehr nach Tadschikistan zurückzukehren. Kabiri befürchtete, verhaftet zu werden und befindet sich seither im Exil. Nach blutigen Unruhen wurde Ende September 2015 die PIW als letzte Oppositionspartei verboten und als terroristische Vereinigung eingestuft (bpb 11.2.2018, vgl. Standard 29.9.2015). Somit verlor Tadschikistan die letzte echte Oppositionspartei. Bis 2015 war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land Zentralasiens mit einer legal agierenden "islamischen" Partei. Die derzeit fünf im Parlament vertretenen Parteien wahren nach außen hin den Schein einer funktionierenden Demokratie im De-facto-Einparteienstaat (bpb 11.2.2018). Es herrscht derzeit ein repressives Klima, das vor oppositionellem Handeln abschrecken soll (AA 20.10.2017), die Regierung unterbindet weiterhin politischen Pluralismus (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.5.2018

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AA - Auswärtiges Amt (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419912/4598_1514382414_auswaertiges-amt-bericht-tadschikistan-stand-juni-2017-20-10-2017.pdf, Zugriff 23.5.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (22.4.2018): Tajikistan country profile, http://www.bbc.com/news/world-asia-16201032, Zugriff 7.4.2016

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bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (11.2.2018): Konfliktporträt: Tadschikistan, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54708/tadschikistan, Zugriff 23.5.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Tadschikistan, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/tadschikistan/geschichte-staat/, Zugriff 23.5.2018

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Guardian, the (23.5.2016): Tajikistan votes to allow president to rule indefinitely,

https://www.theguardian.com/world/2016/may/23/tajikistan-votes-to-allow-president-emomali-rahmon-to-rule-indefinitely, Zugriff 23.5.2018

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IFES - International Foundation for Electoral Systems (2016):

Election Guide - Democracy Assistance & Election News, Republic of Tajikistan, http://www.electionguide.org/elections/id/2738/, Zugriff 23.5.2018

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OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (15.5.2015): Tajikistan, Parliamentary Elections, 1 March 2015:

Final Report,

http://www.osce.org/odihr/elections/tajikistan/158081?download=true, Zugriff 23.5.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (10.2.2016): Date Set For Tajik Referendum On Constitutional Changes, http://www.rferl.org/content/tajikistan-date-set-for-constitutional-referendum/27542733.html, Zugriff 23.5.2018

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Standard, der (29.9.2015): Tadschikistan verbietet islamische Oppositionspartei,

http://derstandard.at/2000022978892/Tadschikistan-verbietet-islamische-Oppositionspartei, Zugriff 23.5.2018

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TAJSTAT - Statistical agency under the President of the Republic of Tajikistan (23.5.2018): macroeconomic indicators, http://www.stat.tj/en/macroeconomic-indicators/, Zugriff 23.5.2018

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UB - Universität Bremen - Forschungsstelle Osteuropa (29.1.2016):

Zentralasien-Analysen Nr. 97,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen97.pdf, Zugriff 23.5.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430381.html, Zugriff 24.5.2018

Sicherheitslage

Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Subventionen aus Moskau ausblieben und Tadschikistan "unfreiwillig" die Unabhängigkeit erhielt, entwickelte sich rasch ein Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht entlang regionaler und ideologischer Linien. Die trennenden Gruppenloyalitäten und Solidaritäten haben durch den Bürgerkrieg zusätzlichen Auftrieb erhalten und sich weiter verfestigt. Als Sieger aus diesen Machtkämpfen ging die "Kulober" Fraktion hervor. 1994 wurde Emomali Rachmon als Repräsentant dieser Fraktion zum Präsidenten gewählt (bpb 11.2.2018).

Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre waren heimischer Natur, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hat wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben. Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den periphären Regionen des Rasht-Tales und Gorno-Badachschan (BTI 2018).

Es gibt keine bedeutenden und nachhaltig operierenden Aufständischengruppierungen oder gewalttätige Gruppierungen, die den Staat in den territorialen Enklaven herausfordern. Obwohl die Behörden häufig auf eine Bedrohung durch radikal-islamistische Gruppierungen oder den IS hinweisen, hat sich diese Bedrohung bisher noch nicht manifestiert und scheint auch weitgehend übertrieben (BTI 2018).

Gewalttätige Vorfälle mit Oppositionellen gab es 2009 und 2011 in Rasht und 2012 und 2014 in Gorno-Badachschan (ICG 9.10.2017). Im Herbst 2015 kamen bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche, der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda, wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet (bpb 11.2.2018; vgl. BTI 2018) Bei der in diesem Zusammenhang durchgeführten Anti-Terror-Aktion wurden rund 40 Menschen getötet und etwa 140 festgenommen (Standard 29.9.2015).

Die Regierung konzentriert sich auf die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und beobachtet die mögliche Rückkehr tadschikischer Kämpfer aus dem Ausland. Gemäß Open-Source-Berichten haben sich ca. 1.000 Tadschiken dem IS und andere terroristische Gruppen in Irak und Syrien angeschlossen. Die potentielle Gefahr durch die Instabilität in Nordafghanistan ist der Regierung bewusst und aus Besorgnis, dass terroristische Gruppen aus Afghanistan die durchlässige Grenze nach Tadschikistan überqueren könnten, hat die Regierung die Militär- und Polizeipräsenz verstärkt und führt taktische Operationen durch. Die Regierung hat dafür Unterstützung von den USA und deren Partnern erbeten (USDOS 19.7.2017).

An der Grenze zu Afghanistan kommt es vereinzelt zu Schusswechseln zwischen afghanischen Drogenschmugglern und Angehörigen der tadschikischen Grenztruppen und der Drogenkontrollbehörde (AA 3.4.2018b; vgl. ICG 9.10.2017), insbesondere in Gorno-Badachschan. Bei Vorfällen im Jahr 2017 wurden einige Menschen verletzt (GOV.UK 13.3.2018). Diese Vorfälle stellen i.d.R. keine gezielten Angriffe auf das Territorium oder die Institutionen Tadschikistans dar. Die Afghanischen Taliban haben kein territoriales Interesse außerhalb der Grenzen Afghanistans (ICG 9.10.2017).

Die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan ist umstritten (GOV.UK 13.3.2018). Nur etwa 50 Prozent der etwa 970 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Staaten sind eindeutig festgelegt (KAS 1.2014; vgl. TA+ 4.4.2018). Seit Anfang 2014 ist es im Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und Kirgisistan wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen teilweise mit Todesopfern gekommen (AA 3.4.2018b). Insbesondere in der Nähe der Enklave Vorukh kommt es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen lokalem Ausmaßes (GOV.UK 13.3.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.4.2018b): Tadschikistan: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/TadschikistanSicherheit.html, Zugriff 30.5.2018

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bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (11.2.2018): Konfliktporträt: Tadschikistan, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54708/tadschikistan, Zugriff 23.5.2018

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Tajikistan Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 24.5.2018

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GOV.UK (13.3.2018): Foreign travel advice Tajikistan - Safety and security,

https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/tajikistan/safety-and-security, Zugriff 30.5.2018

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ICG - International Crisis Group (9.10.2017): The Rising Risks of Misrule in Tajikistan,

https://www.crisisgroup.org/europe-central-asia/central-asia/tajikistan/86-rising-risks-misrule-tajikistan, Zugriff 30.5.2018

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung (1.2014): Gefecht im Ferganatal Tadschikistan und Kirgisistan streiten um Grenzverlauf, http://www.kas.de/wf/doc/kas_36643-1522-1-30.pdf?140122165515, Zugriff 30.5.2018

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Standard, der (29.9.2015): Tadschikistan verbietet islamische Oppositionspartei,

http://derstandard.at/2000022978892/Tadschikistan-verbietet-islamische-Oppositionspartei, Zugriff 23.5.2018

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TA+ - Media Group Tajikistan Asia-Plus (4.4.2018): Tajik border guards prevent mas brawl between residents of Tajik and Kyrgyz border villages, one border guard slightly injured, https://news.tj/en/news/tajikistan/incidents/20180404/tajik-border-guards-prevent-mas-brawl-between-residents-of-tajik-and-kyrgyz-border-villages-one-border-guard-slightly-injured, Zugriff 30.5.2018

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USDOS (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1404730.html, Zugriff 30.5.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 20.4.2018, vgl. BTI 2018). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten, was den Einfluss und die politische Macht betrifft. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung oder dem Sicherheitsdienst (BTI 2018). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 20.4.2018).

Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig. Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener freier Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen. Die Gerichte verleihen jedoch den Aussagen der Staatsanwaltschaft weit mehr Bedeutung als jenen der Verteidigung. Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund der starken Einflussnahme der Politik auf die Justiz, den geheimen und intransparenten Verfahren gegen politische Gegner und der sehr selektiven Justiz, stufte Freedom House 2017 die Bewertung Tadschikistans in Bezug auf die Unabhängigkeit und das Funktionieren der Justiz auf 7,0 herab (2014: 6,25; 2015: 6,50; 2016: 6,75; 2017:

7,0; 2018: 7,0). Auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 11.4.2018).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. De-facto wird der Rechtsschutz für politische Straftäter dadurch eingeschränkt, dass ihre Prozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden und Rechtsanwälte wegen der ihnen selbst drohenden Gefahren immer weniger bereit sind, politisch heikle Fälle zu übernehmen (AA 20.10.2017). Seit 2014 wurden sieben Menschenrechtsanwälte verhaftet und zwei von ihnen, die Mitglieder der "Gruppe 24" verteidigten, in nicht öffentlichen Verfahren zu 21 bzw. 23 Jahren Haft verurteilt (FH 11.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419912/4598_1514382414_auswaertiges-amt-bericht-tadschikistan-stand-juni-2017-20-10-2017.pdf, Zugriff 23.5.2018

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Tajikistan Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 24.5.2018

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FH - Freedom House (11.4.2018): Nations in Transit 2018 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1429180.html, Zugriff 24.3.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430381.html, Zugriff 24.5.2018

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017).

Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (BTI 2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.5.2018

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Tajikistan Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 24.5.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430381.html, Zugriff 24.5.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter. Trotz der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 20.4.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften entsprechend sowjetischer Tradition. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017). Seit 2012 wurden die Strafen für Folter verschärft und seither wurden auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt (AA 3.2018a); die Täter kamen aber häufig in den Genuss von raschen Amnestien (AA 20.10.2017).

Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).

Die NGO "Koalition gegen Folter" berichtet für das Jahr 2016 von Verbesserungen im Kampf gegen die Folter in Tadschikistan (CaT 2017). Für das Jahr 2016 wurden 57 Fälle dokumentiert (AA 20.10.2017; vgl. CaT 2017), die vermutlich nicht die Gesamtheit aller Fälle erfassen (AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 wurden fünf Armeemitglieder wegen unmenschlicher Behandlung verurteilt, erstmals erhielt ein Bürger eine offizielle Entschuldigung wegen Polizeigewalt und 25 Personen erhielten psychosoziale Hilfe (davon zehn Folteropfer und 15 Angehörige) (CaT 2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.5.2018

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AA - Auswärtiges Amt (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419912/4598_1514382414_auswaertiges-amt-bericht-tadschikistan-stand-juni-2017-20-10-2017.pdf, Zugriff 23.5.2018

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CaT - Civil society Coalition against torture and impunity in Tajikistan (2017): 2016 Annual Report, http://notorturetj.org/sites/default/files/articles/2017/files/annualreport2016_eng.pdf, Zugriff 24.5.2018

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HRW - Human R

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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