Entscheidungsdatum
10.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W175 2185218-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX afghanischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zahl:
1098259702-151949715, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 07.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Bei einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.12.2015 gab der BF in Dari befragt an, afghanischer Staatsangehöriger, Tadschike und Sunnit zu sein. Er sei in der Provinz Logar geboren, traditionell verheiratet und habe keine Kinder.
Er habe elf Jahre die Grundschule in seinem Heimatdorf besucht und spreche Paschtu und Dari. Seine Eltern und seine Ehefrau seien in Logar wohnhaft. Er habe keine Familienangehörigen in Österreich. Nach seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass er als Wachmann am Militärstützpunkt in seiner Heimatprovinz gearbeitet habe. Dieser Stützpunkt sei von deutschen und französischen Truppen geführt worden. Aufgrund seiner Tätigkeit sei er von den Taliban mit dem Tode bedroht worden, daher habe er aus der Heimat flüchten müssen. Nach den Möglichkeiten einer Rückkehr befragt gab er an, er habe Angst um sein Leben.
2. Am 05.12.2017 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari befragt. Er gab an, bisher die Wahrheit gesagt zu haben. Er legte eine Tazkira aus dem Jahr 2013, Teilnahmebestätigungen an diversen Kursen in Österreich, den Nachweis einer gemeinnützigen Hilfstätigkeit bei der MA 48 sowie eine Arbeitsbestätigung aus Afghanistan vor.
Er sei in der Provinz Logar geboren und habe dort sein gesamtes Leben verbracht. Seine Eltern und seine Ehefrau seien weiterhin dort wohnhaft. Er habe zwei Monate vor seiner Ausreise geheiratet, seine Frau sei zum Zeitpunkt der Eheschließung 16 Jahre alt gewesen. Er sei ohne seine Frau geflüchtet, da er nur alle 15 Tage frei gehabt habe, bei seiner Arbeitsstätte kein Handy benutzen und mit niemandem habe Kontakt herstellen können. Er sei vor seiner Flucht zwar nach Hause gegangen, aber seine Frau sei nicht anwesend gewesen. Er habe weiterhin Kontakt zu seiner Frau und zu seinem Vater. In Afghanistan seien weiters noch ein Onkel mütterlicherseits, drei Tanten mütterlicherseits, Cousins und Cousinen aufhältig, zu denen er keinen Kontakt habe.
Er habe in Afghanistan ein Jahr lang als Security gearbeitet, anschließend sei er bei einer Baufirma beschäftigt und danach im Camp angestellt gewesen. Er sei im November 2015 aus Afghanistan aus- und im Dezember 2015 illegal in Österreich eingereist. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung, besuche einen Deutschkurs und arbeite gemeinnützig bei der MA 48. Sonst sei er in keinem Verein oder sonstiger Organisation tätig.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass er in einem Camp als Security gearbeitet habe. Er sei für das dritte Tor zuständig gewesen und habe alle 15 Tage frei gehabt. Er habe im Camp kein Handy benutzen dürfen. Eines Tages sei er am Nachhauseweg einfach in ein Auto gestiegen, da dies in Afghanistan so üblich sei. Plötzlich seien zwei weitere Männer in das Auto eingestiegen und hätten ihn mit einer Pistole bedroht. Die Männer hätten den Namen seines Vaters gekannt und gefragt, ob der BF beim dritten Tor im Camp arbeite. Er sei aufgefordert worden, sie durch das Tor zu lassen, ansonsten sie ihn töten würden. Der BF wisse nicht, was die Gruppe dort geplant habe. Danach hätten die Männer das Auto verlassen. Der BF sei nach Hause gegangen, wo ihm seine Mutter erzählt habe, dass zwei Männer bei ihr gewesen seien und sie gebeten hätten, dem BF auszurichten, dass er mit ihnen zusammenarbeiten solle, ansonsten etwas Schlimmes passieren werde. Er habe seiner Mutter vom Vorfall im Auto nichts erzählt, seine Frau sei nicht zu Hause gewesen. Er sei in derselben Nacht geflüchtet. Nachgefragt gab der BF an, er wisse nicht, ob die Männer zu den Taliban oder zum IS gehört hätten, sie hätten Umhänge getragen und man habe sie nicht erkennen können. Sie würden Leute bedrohen, die mit der Regierung zusammenarbeiten und auch Personen, die wichtige Positionen innehätten. Zu seiner Tätigkeit im Camp befragt, gab der BF an, sein Dienst habe von 18:00 bis 06:00 Uhr gedauert. Danach habe er sich in einem Zimmer aufgehalten, Essen bekommen und meistens bis 13 oder 14 Uhr geschlafen. Man habe sich entscheiden können, ob man alle 15 Tage frei haben wolle oder weitere 15 Tage arbeiten wolle. Ansonsten sei man 15 Tage zu Hause gewesen. Im Camp seien hauptsächlich Amerikaner gewesen, aber auch Deutsche, Franzosen und Inder. Es sei ein großes Camp mit einer Landebahn für kleine Flugzeuge gewesen. Er habe Schulungen bekommen, wie er mit Waffen umgehen müsse; er habe eine Kalaschnikow gehabt.
Er sei niemals wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung verfolgt worden. Er sei nur wegen seines Jobs bedroht worden. Die Gruppe haben überall in Afghanistan ihre Spione. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor der Gruppe, da er der Aufforderung, sie durch das dritte Tor zu lassen, nicht nachgekommen sei. Hätte er mit diesen Männern zusammengearbeitet, hätten ihn die Amerikaner verhaftet beziehungsweise umgebracht.
3. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 29.12.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter einem wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF keine ihn betreffende individuelle Verfolgung oder Gefährdung, weder durch den Herkunftsstaat Afghanistan noch durch Drittpersonen in seinem Herkunftsstaat glaubhaft geltend gemacht habe. Auch ergebe sich aus den Länderfeststellungen keine allgemeine Gefahr. Eine landesweite allgemeine und unmittelbare Gefährdung auf Grund der schlechten Sicherheitslage habe nicht festgestellt werden können. In seiner Herkunftsprovinz Logar herrsche eine prekäre Sicherheitslage. Kabul stelle eine sichere Provinz dar und sei über den internationalen Flughafen gut erreichbar. Der BF habe sein gesamtes Leben in Afghanistan verbracht, sei bei mehreren Firmen tätig gewesen und verfüge über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte im Heimatstaat. Dem BF stehe es frei, in die Stadt Kabul zurückzukehren. Er sei volljährig, gesund und erwerbsfähig. Eine innerstaatliche Fluchtalternative komme daher in Frage. Es sei davon auszugehen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in sein Herkunftsland keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte.
4. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 05.01.2018, brachte der BF fristgerecht eine alle Spruchpunkte des Bescheides betreffende Beschwerde ein. Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF von 2009 bis 2010 für ein amerikanisches Unternehmen als Sicherheitsmitarbeiter, 2013 für eine Baufirma und ab 2014 als Wachmann in einem Militärstützpunkt tätig gewesen sei. Nach Vorbringen des Fluchtgrundes wurde festgehalten, dass der BF Tadschike sei und im Heimatstaat die Eltern und entfernte Verwandte leben würden. Der BF verfüge über Sprachkenntnisse in Deutsch, sei gut integriert und arbeite seit 2016 gemeinnützig bei der MA 48. Es wurde auf EASO Berichte, UNHCR Berichte, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Ausführungen der Gutachterin Frederike Stahlmann, den SIGAR Bericht von Jänner 2017 und weitere Berichte bezüglich der Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen. Der BF könne in Afghanistan keinen effektiven staatlichen Schutz vor den ihm drohenden Verfolgungshandlungen erhalten. Die Herkunftsprovinz des BF zähle zu den am meisten volatilen Provinzen Zentralafghanistans, auch stehe dem BF keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Dem BF drohe in ganz Afghanistan ein reales Risiko der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK. Weiters stehe die Identität des BF fest, da dieser eine Tazkira mit Lichtbild vorgelegt habe. Auch habe der BF Urkunden für seine Tätigkeit als Wachmann vorgelegt, welche von der Behörde nicht berücksichtigt worden seien. In seiner Arbeitsurkunde seien die Identitätsdaten des BF irrtümlich falsch niedergeschrieben worden, die Nummer seiner Tazkira sei jedoch korrekt vermerkt. Der BF habe bei seiner Einvernahme auch Fotos eines getöteten Verwandten, der als Polizist in Logar gearbeitet habe, vorgelegt, um auf die Gefährdung durch die Taliban hinzuweisen. Die Behörde gehe in ihrem Bescheid teilweise irrtümlich davon aus, dass der BF aus der Provinz Helmand stamme und Paschtune sei, dies zeige, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen des BF nur oberflächlich auseinandergesetzt habe. Die Fluchtgründe des BF seien plausibel und glaubwürdig.
5. Am 25.04.2018 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Der BF wurde in Anwesenheit seiner Vertreterin ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie seiner Integration in Österreich befragt. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsmitschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
Zu seinem Leben in Österreich befragt gab der BF an, keine Familienangehörigen oder Bekannte in Österreich zu haben. Auch sei er in keinem Verein tätig, führe hier ein normales Leben. Er arbeite seit 2016 bei der MA 48 und reinige dort mit einem österreichischen Kollegen die Straßen und Mistkübel. Im Winter streue er Salz auf die Straßen. Der BF konnte sich auf Deutsch gut verständlich machen. Er wolle in Österreich gerne als Elektriker arbeiten, wäre aber auch froh, wenn er weiterhin bei der MA 48 arbeiten könne.
Sein Vater, seine Mutter und seine Ehefrau seien nach wie vor in der Heimatprovinz an der Adresse, an welcher der BF vor seiner Ausreise gelebt habe, wohnhaft. Er habe noch Kontakt zu ihnen und gehe es ihnen gut. Die Männer, die ihn bedroht hätten, seien nach seiner Ausreise noch zwei Mal zu seinen Eltern gekommen. Wenn er nicht bedroht worden wäre, würde er nach wie vor in seiner Heimatregion leben.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er von 2009 bis 2010 bei einer Firma, die von einem Ausländer finanziert worden sei, als Supervisor gearbeitet habe. Danach habe er bis Ende 2013 bei einer anderen Firma als Securitymanager gearbeitet. Dann habe er im Militärstützpunkt angefangen. Dort hätten Amerikaner, Franzosen, Deutsche und auch Inder gearbeitet. Im Eingangsbereich habe es drei Türen gegeben, die erste sei von Afghanen, die zweite von Amerikanern und die dritte vom BF überwacht worden. Der BF schilderte kurz seinen Tagesablauf. Eines Tages habe er von der Arbeit nach Hause fahren wollen und sei mit einem Sammeltaxi gefahren. Dann seien zwei Männer in das Auto gestiegen und hätten diese den BF zu seinem Vater, seinem Heimatdorf und seiner Arbeit befragt. Er sei aufgefordert worden, mit den Männern zusammenzuarbeiten und sie durch das dritte Tor zu lassen. Auch hätten sie ihn mit einer Waffe bedroht. Zu Hause habe ihm seine Mutter erzählt, dass zwei Männer bei ihr gewesen seien und gemeint hätten, der BF solle sie in den Stützpunkt einschleusen, ansonsten er getötet werde. Da seine Mutter krank sei, habe er ihr nichts von dem Vorfall im Auto erzählt. Seine Ehefrau sei nicht zu Hause gewesen. Er sei in derselben Nacht geflüchtet.
Zunächst gab der BF an, er habe in Afghanistan keine Ausbildung gemacht. Auf Nachfrage was ihn als Supervisor für Security qualifiziert habe, gab er an, direkt am Arbeitsplatz eine Ausbildung im Sicherheitsbereich gemacht zu haben. Auch am Militärstützpunkt habe er eine Ausbildung, unter anderem Schießübungen, absolviert. Er habe Kameraüberwachungen durchgeführt und fremde Personen auf dem Stützpunkt gemeldet. Das erste Tor sei immer verriegelt gewesen. Das zweite Tor sei oft, das dritte Tor immer offen gewesen. Sie hätten immer zu zweit Wache gehalten.
Der BF wurde zum im Rahmen der Einvernahme durch das BFA vorgelegten Arbeitsvertrag mit den Amerikanern befragt. Es habe einen 15 Tage-Arbeitsrhythmus gegeben. Man habe 15 Tage gearbeitet und habe dann 15 Tage frei bekommen. Jedes Mal nach diesen freien Tagen habe es einen neuen Vertrag gegeben; ein Hauptvertrag sei nicht abgeschlossen worden. Er habe nur den vorgelegten Vertrag bekommen, alle anderen Unterlagen seien im Büro geblieben. Der vorgelegte Vertrag sei Anfang 2014 für eine Probezeit abgeschlossen worden. Er habe nur im Inneren des Stützpunktes gearbeitet. Auf Nachfrage weshalb ein anderer Name und ein anderes Geburtsdatum am Arbeitsvertrag aufscheine, gab der BF an, die Amerikaner hätten sich bei seinem Namen geirrt, die Nummer seiner Tazkira sei jedoch korrekt.
Bei einer Rückkehr würden sich die Männer an ihm rächen. Die Amerikaner würden ihn nicht aufnehmen und ihn auch nicht beschützen.
Der BF zeigte im Rahmen der Verhandlung Fotos eines Verwandten väterlicherseits, welcher nach seiner Vermutung am Weg zur Arbeit gezielt erschossen worden sei.
6. Bezugnehmend auf die mündliche Verhandlung und die aktuellen Länderberichte führte der BF in der am 03.07.2018 abgegebenen Stellungnahme aus, dass er im Juni 2018 - nach Anschlägen im Heimatort - den Kontakt zu seinen Familienangehörigen verloren habe und in großer Sorge um sie sei. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich sehr verschlechtert. Im Fall einer Rückkehr wäre der BF einer ernsten Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt. Auf das Gutachten von Frederike Stahlmann von März 2018, eine Stellungnahme von amnesty international, den SIGAR Bericht aus 2017, einen Review der UNAMA, Berichten von UNHCR sowie weitere Quellen bezüglich der Sicherheitslage in Afghanistan wurde verwiesen. Im Falle des BF würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen. Aufgrund der ehemaligen Tätigkeit des BF für internationale Streitkräfte bestehe für diesen ein besonderes Risikoprofil, was in Kombination mit der prekären Sicherheitslage dazu führe, dass von einem realen Risiko der Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK sowie einer ernsthaften Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgegangen werden müsse. Dem BF habe keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative.
7. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018) inkl. des Updates von 26.03.2019, die UNHCR Guidelines zu Afghanistan von 30.08.2018 sowie der ESAO Bericht zu Sozioökonomischen Kennzahlen vom 20.04.2019 wurden durch das BVwG im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 24.04.2019 in das Verfahren eingebracht.
10. In der diesbezüglichen Stellungnahme vom 09.05.2019 führte der BF im Wesentlichen aus, dass der BF aus der Provinzhauptstadt stamme, in welcher - laut Meldungen der Taliban - 70% des Gebietes unter Kontrolle der Taliban seien. Auch nach dem Länderinformationsblatt zähle Logar zu den volatilen Provinzen Afghanistans. In den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 werde eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul grundsätzlich verneint. Angesichts der schlechten Sicherheitslage und der bestehenden Gefahren des Bürgerkrieges in Afghanistan, der bereits an die Grenzen gelangten Aufnahmekapazität der Provinz- und Distriktzentren Afghanistans, der hohen Arbeitslosigkeit, der ständig steigenden Armut und Nahrungsmittelunsicherheit, der Schwierigkeiten in Afghanistan ohne Unterstützungsnetzwerk Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen zu erhalten, des Umstandes, dass der BF keine Familienangehörigen außerhalb von Gebieten, die von den Taliban kontrolliert würden, habe, erscheine es äußerst unwahrscheinlich, dass der BF sich in Afghanistan eine Existenzgrundlage aufbauen und ein Leben ohne unbillige Härten führen könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:
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den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 08.12.2015, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 05.12.2017, die Beschwerde vom 24.01.2018, die Stellungnahmen vom 03.07.2018 und vom 09.05.2019
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die Länderfeststellungen des BFA zu Afghanistan (Gesamtaktualisierung 29.06.2018) inkl. des Updates von 26.03.2019, die UNHCR Guidelines zu Afghanistan von 30.08.2018 und der EASO Bericht zu Sozioökonomischen Kennzahlen vom 20.04.2019
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die vorgelegten Unterlagen zum Thema Integration
Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 25.04.2018.
2. Feststellungen:
Zur Person des BF:
Die Identität des BF steht nicht fest. Angaben zu seiner Person dienen lediglich einer Identifizierung für das Verfahren.
Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und Sunnit. Der BF wurde in der Provinz Logar geboren und ist dort aufgewachsen. Er hat elf Jahre lang eine Schule besucht und spricht Dari und Paschtu. Seine Eltern und seine Frau haben im Zeitpunkt der Ausreise des BF aus seinem Heimatstaat in Afghanistan gelebt und halten sich nach wie vor dort auf. Der BF gab in seiner Stellungnahme vom 03.07.2018 an, seit einem Monat - nach Anschlägen in seinem Heimatort - keinen Kontakt mehr zu seinem Vater, seiner Mutter und seiner Frau zu haben. In Afghanistan leben weiters ein Onkel, drei Tanten, Cousins und Cousinen des BF.
Der BF spricht Dari und Paschtu, nahm an mehreren Deutschkursen teil und kann sich auf Deutsch gut verständigen.
Der BF reiste 2015 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein, stellte am 07.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither aufgrund eines vorläufigen Aufenthaltsrechts als Asylwerber im österreichischen Bundesgebiet auf.
Er hat in Österreich keine Familienangehörigen, ist traditionell verheiratet und hat keine Kinder. Er hat keinen Freundeskreis in Österreich aufgebaut. Der BF geht gelegentlich gemeinnütziger Hilfstätigkeiten für die MA 48 nach.
Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Es liegen keine strafrechtlichen Verurteilungen vor.
Zu den Fluchtgründen des BF:
Dem BF droht bei einer Rückkehr keine physische oder psychische Gewalt, Strafverfolgung oder sonstige Verfolgung durch die Taliban oder andere Personen aufgrund einer angeblichen Anstellung bei einem internationalen Militärstützpunkt.
Ebenso wenig droht ihm Verfolgung, Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit oder einer (ihm unterstellten) politischen Gesinnung. Der BF konnte eine nach außen in Erscheinung tretende liberale pro-westliche Gesinnung oder Entfremdung von der afghanischen Community nicht darlegen.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF aufgrund einer Asylantragstellung oder aufgrund seines Auslandaufenthaltes Repressalien von erheblicher Intensität drohen.
Er wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.
Zur Rückkehrsituation des BF in seinem Herkunftsland:
Der volljährige BF leidet unter keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen, ist arbeitsfähig, kinderlos und traditionell verheiratet. Er hat in Afghanistan elf Jahre die Schule besucht und Berufserfahrung in der Sicherheitsbranche. Der BF spricht Dari und Paschtu und kann sich auf Deutsch gut verständlich machen. Außergewöhnliche Gründe, die diesbezüglich eine Rückkehr des BF ausschließen könnten, konnten nicht festgestellt werden.
Es kann angenommen werden, dass die Familie beziehungsweise zumindest weiter entfernte Verwandte des BF weiterhin in Afghanistan leben und den BF zumindest marginal unterstützen können.
Der BF stammt aus der Provinz Logar. Die Lage in dieser Provinz ist volatil und die sichere Erreichbarkeit des Heimatdistrikts ist nicht gewährleistet.
Aufgrund der vorliegenden Länderberichte wird somit festgestellt, dass dem BF eine Rückkehr in seine unmittelbare Heimatprovinz aufgrund der dort herrschenden volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar ist. Es stehen ihm aber zumutbare innerstaatliche Fluchtbeziehungsweise Schutzalternativen in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er verfügt dort zwar über kein familiäres oder soziales Netzwerk, als junger und gesunder Mann kann er jedoch in diesen Städten auf Grund der dort herrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage Fuß fassen und ein landesübliches Leben ohne unbillige Härten führen. Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der BF kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Unter Bezugnahme auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 04.06.2019), die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, sowie dem "EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2018" inklusive des "EASO - Afghanistan - Country of Origin Information Report, Key socio-economic indicators" vom 20.04.2019 werden folgende entscheidungsrelevante, die Person des BF individuell betreffende Feststellungen zu Lage in Afghanistan getroffen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung 29.06.2018, Letzte KI vom 04.06.2019):
"KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).
Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl
Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Tali9ban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).
(...)
Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019). Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).
Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019). Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).
Anschläge in Kabul-Stadt
Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).
Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b). Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).
Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).
Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).
Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)
US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).
Rückkehr
Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).
Quellen:
1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul,
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AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul,
https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centrekabul-190530082719388.html, Zugriff 3.6.2019
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per Email BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf Heise (16.5.2019):
Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?, https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-4422023.html, Zugriff 3.6.2019
IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):
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https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572?__tn__=-R, Zugriff 4.6.2019 IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019):
Kabul - Wolesi Jirga Final Results, http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2, Zugriff 4.6.2019 LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombs-bus-securitypersonnel-in-western-kabul.php, Zugriff 3.6.2019
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Tolonews (3.6.2019): Five Killed As Explosion Targets Govt Employees Bus In Kabul,
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Tolonews (31.5.2019a): Taliban Wants An ‚Inclusive Post-Peace Govt', https://www.tolonews.com/afghanistan/taliban-wants-inclusive-post-peace-govt, Zugriff 3.6.2019
Tolonews (31.5.2019b): Concerns Mount Over Sharp Increase In Attacks
In Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/concerns-mount-over-sharp-increase-attacks-%C2%A0kabul, Zugriff 3.6.2019
Tolonews (31.5.2019c): Heavy Explosion Rocks Kabul; 4 Civilians Killed,
https://www.tolonews.com/afghanistan/heavy-explosion-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019
Tolonews (27.5.2019a): Seven Members Of One Family Murdered in Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/seven-members-one-family-murdered-kabul, Zugriff 3.6.2019
Tolonews (27.5.2019b): 10 Wounded As Blast Targets Govt Employees Bus In Kabul,
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TW - The Week (2.6.2019): Afghan officials: 3 bomb blasts in capital, 1 killed,
https://www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1-killed.html, Zugriff 3.6.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_-_first_quarter_report_2019_english_.pdf, Zugriff 3.4.2019
VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growing-bigger-moredangerous/4927406.html, Zugriff 4.6.2019
Politische Lage / Friedens- und Versöhnungsprozess
Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme beziehungsweise Ablehnung des Angebots in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt:
die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").
Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).
Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
Quellen:
AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https://www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019
AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens,
https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compound-gun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019
IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018
NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html, Zugriff 8.1.2019
ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019
Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-election-to-july-election-body-idUSKCN1OT0FR, Zugriff 8.1.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election,
https://www.rferl.org/a/afghan-commission-invalidates-all-kabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html, Zugriff 17.12.2018
TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos, https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018
Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen, https://www.heise.de/tp/features/Chaos-nach-Parlamentswahlen-4248743.html, Zugriff 17.12.2018
Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations,
https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fake-result-sheets-polling-stations%E2%80%99, Zugriff 8.1.2019
Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43, https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43, Zugriff 8.1.2019
Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,
https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 17.12.2018
Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes,
https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision%C2%A0%C2%A0review-kabul-votes, Zugriff 17.12.2018
WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July,
https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-presidential-elections-delayed-until-july/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-6f878a26288a_story.html?noredirect=on&utm_term=.07428f9afbb6, Zugriff 8.1.2019
ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul,
https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-99-340827, Zugriff 8.1.2018
Am 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
Quellen:
CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',
https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019
DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019
FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,
https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019
IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",
https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019
Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,
https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019
NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019
Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,
https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019
WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019
Sicherheitslage
KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independent Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIG