TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/27 95/05/0158

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Veröffentlicht am 27.10.1998
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Dr. Viktor Urbanek, 2. der Elisabeth Urbanek und 3. der Aloisia Schedl, beide in Wilhelmsburg, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 4, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Wilhelmsburg wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit (weitere Parteien gemäß § 8 AVG: 1) Ulrike Böhm, Wilhelmsburg, Kurzenkirchnerstraße 14, 2) Dr. Karl Böhm in Wilhelmsburg, vertreten durch Weiss-Tessbach Rechtsanwälte OEG, Wien I, Rotenturmstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den gemäß § 73 Abs. 2 AVG gestellten "Devolutionsantrag" der Beschwerdeführer vom 16. November 1994 unter Zugrundelegung nachstehender Rechtsanschauungen binnen acht Wochen bescheidmäßig zu erledigen:

1.

Auf die mit Eingaben der Beschwerdeführer vom 20. September 1993 und 11. Oktober 1993 eingeleiteten und damit vor dem 1. Jänner 1997 anhängigen baupolizeilichen Verfahren findet die Niederösterreichische

Bauordnung 1976 Anwendung.

2.

Die Eingaben der Beschwerdeführer vom 20. September 1993 und 11. Oktober 1993 sind Anträge auf Erlassung einer baubehördlichen Maßnahme gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1976 bezüglich des mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wilhelmsburg vom 22. April 1993 bewilligten Bauvorhabens.

3.

Den Beschwerdeführern steht in den in den Punkten 1. und 2. genannten baupolizeilichen Verfahren Parteistellung im Sinne des § 118 Abs. 8 Niederösterreichische Bauordnung 1976 in Bezug auf die bescheidmäßig festgesetzte Einhaltung des Abstandes (§ 118 Abs. 9 Z. 4 Niederösterreichische Bauordnung 1976) des mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wilhelmsburg vom 22. April 1993 bewilligten Bauvorhabens zu ihrem Grundstück Nr. 140/2 KG Wilhelmsburg zu.

4.

Die Bewilligungspflicht eines einer baubehördlichen Maßnahme gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1976 unterzogenen Bauwerkes muß sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages vorliegen.

5.

Die Bewilligungsfähigkeit des Bauwerkes ist anhand der bestehenden Rechtslage zu prüfen.

6.

Die Ausführung des Zubaues entspricht dann der Baubewilligung vom 22. April 1993, wenn die Südwand desselben gegenüber dem Altbestand um 20 cm zurückgesetzt ist.

Die Stadtgemeinde Wilhelmsburg hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.784,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Ulrike und Dr. Karl Böhm sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/1 Garten der Liegenschaft EZ 907, KG Wilhelmsburg, auf welchem das Haus .479 Baufläche, Kurzenkirchnerstraße 14, errichtet ist. Im Süden grenzt an das erstgenannte Grundstück das Grundstück Nr. 140/2 der Liegenschaft EZ 714, KG Wilhelmsburg, mit der Baufläche und dem darauf errichteten Haus .480, Kurzenkirchnerstraße 16, welches im Miteigentum der Beschwerdeführer steht. Aufgrund des bestehenden Bebauungsplanes besteht für die obgenannten, im Bauland Wohngebiet liegenden Grundstücke die offene Bebauungsweise mit Bauklasse II und eine Bebauungsdichte von 25 %. An der im Osten vorbeiführenden öffentlichen Verkehrsfläche Kurzenkirchnerstraße ist eine Baufluchtlinie mit einem 4 m breiten Bauwich vorgesehen.

Mit rechtskräftigem Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 28. November 1994 wurde die gemeinsame Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 140/1 und 140/2 dahingehend festgestellt, daß sie "in einer geraden Linie von der nordöstlichen Außenkante des straßenseitigen Eckeinfriedungsstehers im Osten, an der Kurzenkirchnerstraße, zu der nördlichen Außenkante des Betonsockels der hangseitigen westseitigen Einfriedung des Grundstückes Nr. 140/2 Gt verläuft und nicht im Maschendrahtzaun; und daher die Grundfläche ab dieser Linie bis zum derzeit unmittelbar südlich dieser Linie bestehenden Maschendrahtzaun im Eigentum der klagenden Parteien" (Beschwerdeführer) "steht, ebenso die gesamte Einfriedung entlang dieser Grenze".

Aufgrund der Bauverhandlung vom 15. Juli 1953 wurde mit Zustimmung der damaligen Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/2 (nunmehr Grundstück der Beschwerdeführer) den Rechtsvorgängern der nunmehrigen Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/1 die Baubewilligung für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses erteilt. Die "Lage des Baues" wurde in der Niederschrift zu dieser Bauverhandlung festgehalten mit:

"4 m hinter der Baulinie (Vorgartentiefe) - 3,30 m von der rechten und 2,70 m von der linken Nachbargrenze (d.i. zum Grundstück der Beschwerdeführer) entfernt;

..."

Das aufgrund dieser Baubewilligung errichtete Gebäude bildete die Grundlage für das Ansuchen vom 15. März 1993 der nunmehrigen Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/1 als Bauwerber für die baubehördliche Bewilligung eines Zu- und Umbaues an diesem Wohnhaus. Zur mündlichen Verhandlung am 5. April 1993 über dieses Ansuchen wurden die damaligen Miteigentümer des Grundstückes Nr. 140/2 geladen. Die verbale Projektsbeschreibung ist in der Niederschrift zu dieser Verhandlung enthalten, die Baubeschreibung des Bauleiters war ebenso Grundlage der Verhandlung wie die dem Antrag zugrunde gelegten Pläne. Bezüglich des neu zu errichtenden "Freibades" enthält die Niederschrift die Ausführung:

"Das im Westen befindliche Freibad wird abgetragen und an dessen Stelle im weiteren ein neues betoniertes Bad mit einer Größe von 4 x 8 m und einer ungefähren Tiefe von 1,5 m hergestellt."

Nähere Angaben und Unterlagen bezüglich des Freibades liegen nicht vor.

Die Miteigentümer des Grundstückes Nr. 140/2 haben gegen dieses Bauvorhaben keine Einwendungen erhoben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wilhelmsburg vom 22. April 1993 wurde die beantragte Baubewilligung

"zur Errichtung eines unterkellerten Zubaues, zum teilweisen Umbau des Erd- sowie zum Umbau des Dachgeschosses, zum Einbau einer gasbefeuerten Warmwasser-Zentralheizungsanlage und zur Errichtung eines Schwimmbeckens im Ausmaß von 8 m x 4 m auf dem Bauplatz (Grundstück) in Wilhelmsburg, Kurzenkirchnerstraße 14, mit dem Grundstück Nr. 140/1 und Baufläche 479, EZ 907, KG Wilhelmsburg"

erteilt. Die Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung wurde zum wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides erklärt. Die bezughabenden Baupläne wurden mit dem Vermerk versehen, daß sie sich auf diesen Bescheid beziehen. Diesen Plänen ist u.a. zu entnehmen, daß der bewilligte Zubau an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführer an der östlichen Seite des bestehenden Gebäudes in einer Länge von 6,50 m und einer Breite von 8,76 m derart angebaut werden soll, daß die südliche Mauer (d.i. die Seite zum Grundstück der Beschwerdeführer) gegenüber der an dieser Seite bestehenden Mauer des Altbaues um 20 cm Richtung Norden zurückgerückt ist. Im Lageplan 1 : 500 (Blatt A/2) ist zusätzlich die Entfernungsangabe dieses Zubaues von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer mit 3 m angegeben. An diesen Zubau schließt - für das Beschwerdeverfahren weiter nicht entscheidungserheblich - ein 6,10 m breiter und 2,65 m langer Wintergarten an.

Mit Eingabe vom 20. September 1993 teilten die damaligen Miteigentümer des Grundstückes Nr. 140/2 der Baubehörde erster Instanz mit, daß der "Rohbau abweichend von dieser Bewilligung zu uns hinten versetzt" worden sei, "sodaß der Seitenabstand/Bauwich von 3 m deutlich unterschritten wird". Bezüglich des Freibades wurde mitgeteilt, daß das alte Metallkunststoffbecken einen Bauwich von mehr als 3 m gehabt habe und nunmehr "so neu hergestellt" worden sei, "daß der Bauwich zu uns nur etwa 2 m beträgt". Es werde die Baueinstellung beantragt. Mit Eingabe vom 11. Oktober 1993 wurde der "Abbruch der bereits errichteten Baulichkeiten" beantragt. Mit dem am 18. November 1994 beim Gemeinderat der Stadtgemeinde Wilhelmsburg eingelangten Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG beantragten die Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht bezüglich der Anträge vom 20. September und 11. Oktober 1993.

Von den Bauwerbern und Eigentümern des Grundstückes Nr. 140/1 wurden in der Folge Auswechslungspläne vorgelegt, die offensichtlich die tatsächlichen und von der Bewilligung abweichenden Baumaßnahmen wiedergeben sollen. Aufgrund dieser Auswechslungspläne - die nach Angaben der Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/1 in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof vom 23. September 1998 richtig sein sollen - beträgt die geringste Entfernung des Altbaues zur (neuen) Grundstücksgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführer 2,68 m, die geringste Entfernung des 6,55 m langen und 8,94 m breiten Zubaues 2,73 m und das 7,5 m lange und 4 m breite Schwimmbecken ist 2,10 m von der Grundstücksgrenze entfernt.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG, eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 30. Mai 1995, beantragen die Beschwerdeführer, "der Verwaltungsgerichtshof möge über unsere Anträge vom 20.9.1993 sowie 11.10.1993 selbst in der Sache erkennen".

Mit Verfügung vom 8. Juni 1995 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und erteilte der belangten Behörde den Auftrag, innerhalb von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen.

Die belangte Behörde ist der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nachgekommen und hat nach mehrfacher Urgenz die Akten des Verwaltungsverfahrens erst am 8. Juli 1998 vorgelegt.

Nach Einräumung des Parteiengehörs haben sowohl die Beschwerdeführer als auch die benachbarten Bauwerber und Grundstückseigentümer des Grundstückes Nr. 140/1, KG Wilhelmsburg, nach Akteneinsicht und Vorlage weiterer Urkunden Stellungnahmen abgegeben.

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Gemäß § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen NÖ Bauordnung 1996 sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Mit Eingabe vom 11. Oktober 1993, bei der Baubehörde erster Instanz eingelangt am 12. Oktober 1993, beantragten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die konsenswidrige Bauführung auf dem Grundstück Nr. 140/1, KG Wilhelmsburg, die Anordnung aller "Sicherungsmaßnahmen" und den "Abbruch der bereits errichteten Baulichkeiten zu verfügen". Schon in ihrer Eingabe vom 20. September 1993, bei der Baubehörde erster Instanz eingelangt am 21. September 1993, haben die Beschwerdeführer bezüglich des auf dem Grundstück Nr. 140/1 errichteten Rohbaues darauf hingewiesen, daß dieser entgegen der Baubewilligung zum Grundstück der Beschwerdeführer hin versetzt worden sei und der Bauwich nicht eingehalten worden sei. In diesem Schriftsatz wurde die Einstellung der Bauarbeiten beantragt.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der durch die vorgenannten Anträge der Beschwerdeführer erfolgten Einleitung des Verwaltungsverfahrens ist auf den Beschwerdefall die NÖ Bauordnung 1976 anzuwenden. In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 118 Abs. 8 leg. cit. ausgeführt, daß diese Bestimmung dem Nachbarn dann ein Mitspracherecht (Parteistellung) im Bauauftragsverfahren einräumt, wenn sein tatsächliches Interesse an Ablauf und Ergebnis dieses Verfahrens durch eine materielle Verwaltungsvorschrift mit Rechtsschutz ausgestattet ist, die im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer dient (vgl. hiezu die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, S. 469, referierte hg. Rechtsprechung). Dem Nachbarn steht ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung gemäß § 118 Abs. 9 Z. 4 leg. cit. zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/05/0001). Der Antrag der Beschwerdeführer auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zur Erzielung des rechtmäßigen Abstandes von ihrem Grundstück ist daher zulässig. Weder die Baubehörde erster Instanz noch die im Devolutionswege zuständig gewordene belangte Behörde haben fristgerecht über die Anträge der Beschwerdeführer entschieden.

Gemäß § 113 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) hat die Baubehörde folgende baubehördlichen Maßnahmen zu erlassen:

"(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesondere die Räumung von Gebäuden oder Teilen von solchen, anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

...

3. für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und

a) die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder

b) der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat."

Nach den vorliegenden Beweisergebnissen, insbesonders auch dem Vorbringen der Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/1, KG Wilhelmsburg, ist das auf ihrem Grundstück errichtete Gebäude bezüglich seiner Lage zum Grundstück der Beschwerdeführer nicht entsprechend der Baubewilligung aus dem Jahre 1953 und der baubehördlichen Bewilligung eines Zu- und Umbaues vom 15. März 1993 errichtet.

Grundlage für die Ermittlung des Seitenabstandes bilden ausschließlich die in den der Baubewilligung zugrunde liegenden Plänen eingezeichneten Koten und Maße der Grenzabstände (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/05/0337). Im Beschwerdefall ist jedoch für die Ermittlung des Seitenabstandes maßgeblich, daß das im Jahre 1953 baubehördlich verhandelte und offensichtlich bewilligte Zweifamilienwohnhaus auf dem Grundstück Nr. 140/1 aufgrund der Zustimmung der damaligen Eigentümer des Grundstückes Nr. 140/2 2,70 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze dieser beiden Grundstücke entfernt errichtet werden durfte, wobei von den Parteien dieses Verfahrens davon ausgegangen wurde, daß die in der Folge erfolgte Ausführung des bewilligten Bauwerkes tatsächlich unter Einhaltung des konsentierten Seitenabstandes von 2,70 m erfolgt ist. Dieser offensichtlich dem Konsens aus dem Jahre 1953 auch in seiner Ausführung entsprechende Bau bildete die Grundlage für die Bewilligung des Zu- und Umbaues mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wilhelmsburg vom 22. April 1993. Aus den diesem Baubewilligungsbescheid zugrunde liegenden Plänen, welche Gegenstand der Bauverhandlung vom 14. April 1993 waren, geht aufgrund der entsprechenden Maßangaben hervor, daß der Zubau (unmittelbar beim Anschluß an das Altgebäude) 20 cm weiter von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer entfernt liegen soll, als das im Jahre 1953 bewilligte Altgebäude. Daraus ergibt sich mangels Einwendungen der damaligen Grundstückseigentümer des Grundstückes Nr. 140/1, daß der bewilligte Seitenabstand des Zu- und Umbaues anhand der dem Bewilligungsbescheid vom 22. April 1993 zugrunde liegenden Pläne im Verhältnis zum bestehenden Altbau zu errechnen ist und die Beschwerdeführer in dem ihnen zukommenden, in den beschwerdegegenständlichen Anträgen geltend gemachten subjektiven-öffentlichen Recht auf Einhaltung des Abstandes i. S. des § 118 Abs. 9 Z. 4 Niederösterreichische Bauordnung 1976 nur dann verletzt sein können, wenn der planmäßige Abstand des Zubaues nicht mindestens 20 cm größer ist als der Abstand des Altgebäudes auf Höhe des Zubaus zum Grundstück der Beschwerdeführer. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, daß im Lageplan 1 : 500 der Abstand des Zubaues mit 3 m angegeben ist, weil diese Angabe in offensichtlichem Widerspruch zu den übrigen Angaben in den Einreichplänen steht und auch für die Beschwerdeführer als Parteien des Baubewilligungsverfahrens erkennbar war, daß diese Angabe schon im Hinblick auf den bestehenden und bewilligten Altbestand nicht richtig sein konnte. Bei Ermittlung des konsentierten Bauwichs ist demnach davon auszugehen, daß das mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wilhelmsburg vom 22. April 1993 bewilligte Bauvorhaben im Vergleich zum bestehenden Altgebäude 20 cm von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer hin zurückversetzt ist. Daraus ergibt sich, daß es im Beschwerdefall auf die mit Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 28. November 1994 festgesetzte Grundstücksgrenze nicht ankommt.

Bei Beurteilung der Frage, ob ein nicht bewilligtes Bauwerk im Sinne des § 113 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1976 bewilligungsfähig ist, ist davon auszugehen, daß die Bewilligungspflicht desselben sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages vorgelegen sein muß und die Zulässigkeit des Vorhabens anhand der nunmehr bestehenden Rechtslage zu prüfen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1997, Zl. 96/05/0277, zur insoweit vergleichbaren oberösterreichischen Rechtslage). Bezüglich des Schwimmbeckens ist in diesem Zusammenhang auf § 21 Abs. 11 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 zu verweisen, wonach außerhalb der Baufluchtlinien u.a. Schwimmbecken, sofern sie nicht mehr als 1 m über das Gelände ragen, errichtet werden dürfen und gemäß § 17 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1996 die Auf- oder Herstellung von Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen bis zu 50 m3 ein bewilligungs- und anzeigefreies Vorhaben darstellen.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auf § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG hinausgehenden Schriftsatzaufwand.

Wien, am 27. Oktober 1998

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995050158.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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