Entscheidungsdatum
15.07.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
G301 2220809-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 22.06.2019 (fälschlich mit "23.06.2019" datiert),
Zl. XXXX, und gegen die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde hinsichtlich des angefochtenen
Schubhaftbescheides wird stattgegeben und dieser für rechtswidrig erklärt.
II. Der Beschwerde hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft von 22.06.2019, 15:05 Uhr, bis 25.06.2019, 14:50 Uhr, wird stattgegeben und diese für rechtswidrig erklärt.
III. Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen und die Eingabengebühr in Höhe von insgesamt 767,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten und offenbar fälschlich mit "23.06.2019" statt richtig mit 22.06.2019 datierten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 22.06.2019 um 15:05 Uhr, wurde über den BF gemäß "§ 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF" die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit dem am 03.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft bis zu deren Beendigung. In der Beschwerde wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das BVwG möge eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen; den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgte; in eventu die ordentliche Revision zulassen; dem BF etwaige Dolmetschkosten ersetzen und im Falle eines Obsiegens der Behörde den BF vom Ersatz des Aufwandersatzes iSd VwG-Aufwandersatz-VO befreien; in eventu die ordentliche Revision zulassen; dem BF Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatz-VO ersetzen. Weiters wurde der Ersatz der bereits geleisteten Eingabengebühr in Höhe von 30,00 Euro beantragt und der entsprechende Einzahlungsbeleg in Kopie vorgelegt.
Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage vom 03.07.2019 wurde vom BFA, RD Oberösterreich, am 04.07.2019 der Bezug habende Verwaltungsakt übermittelt. Im Zuge der Aktenvorlage wurde vom BFA eine begründete Stellungnahme zur vorliegenden Beschwerde erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den BF zum Ersatz der näher angeführten Kosten zu verpflichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Nigeria.
Der BF wurde am XXXX2019 um XXXX Uhr in XXXX aufgrund des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) aufgrund der Strafprozessordnung (StPO) festgenommen und zur weiteren Anhaltung ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) XXXX verbracht. Über Verfügung der Staatsanwaltschaft XXXX wurde der BF am 22.06.2019 um 10:15 Uhr auf freiem Fuß zur Anzeige gebracht und die Festnahme aufgrund der StPO beendet. Gleichzeitig wurde die Anhaltung des BF gemäß § 40 BFA-VG aufgrund des Vorliegens eines bereits am 25.02.2019 ausgestellten Festnahmeauftrages des BFA, RD Oberösterreich, nach § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG im PAZ XXXX fortgeführt.
Im Zuge der Festnahme des BF am 20.06.2019 wurden beim BF eine Geldtasche, Bargeld, Cannabiskraut, ein Mobiltelefon sowie Ausweise sichergestellt und dem PAZ XXXX übergeben.
Der BF war zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Besitz eines am XXXX2019 von der Quästur Palermo ausgestellten und bis XXXX2022 gültigen italienischen Konventionsreisepasses mit der Nr. XXXX ("Titolare die Status di Rifugiato") und eines ebenso in Palermo am XXXX2018 ausgestellten und bis XXXX2022 gültigen italienischen Aufenthaltstitels ("Permesso di soggiorno") mit dem Aufenthaltszweck "Asilo".
Aus den Eintragungen in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung ergibt sich, dass am 22.06.2019, 10:54 Uhr, unter anderem der Eingang folgender Dokumente in der Effektenverwaltung des PAZ XXXX verzeichnet wurde:
* "1 Aufenthaltstitel Italien"
* "1 Reisepass Italien"
* "1 e-card (Italien)"
* "1 ID-Card Italien"
Die belangte Behörde wurde am 25.05.2019, 12:30 Uhr, per E-Mail von der bevollmächtigten Rechtsvertreterin des BF - mit Berufung auf ein mit der zuständigen Referentin und der Koordinationsstelle vorher geführten Telefonats - darüber in Kenntnis gesetzt, dass dem BF in Italien der Asylstatus zukomme und dass sich der Reisepass des BF bei den "Affekten" (gemeint wohl: "Effekten") im AHZ XXXXbefinde. Gleichzeitig wurden Kopien des Konventionsreisepasses und des Aufenthaltstitels übermittelt. Aus Sicht der Rechtsvertreterin erweise sich die Schubhaft sohin als unrechtmäßig verhängt, weshalb ersucht werde, die sofortige Aufhebung der Inschubhaftnahme zu veranlassen.
Der BF befand sich aufgrund des im Spruch angeführten Schubhaftbescheides von 22.06.2019, 15:05 Uhr, bis zur Entlassung aus der Schubhaft am 25.06.2019 um 14:50 Uhr durchgehend in Schubhaft. Diese wurde zuletzt im Anhaltezentrum (AHZ) XXXX vollzogen.
Die Freilassung des BF unter Ausfolgung aller Effekten erfolgte aufgrund der schriftlichen Anordnung des BFA, RD Oberösterreich, vom 25.05.2019 unter Angabe des Entlassungsgrundes "Rechtliche Gründe (Entfall Schubhaftgrund)", welche dem AHZ XXXX am 25.06.2019 um 14:19 Uhr per E-Mail übermittelt wurde.
Das erkennende Gericht legt seiner Entscheidung überdies das Vorbringen in der gegenständlichen Beschwerde zugrunde, wonach der BF bei seiner Festnahme im Besitz eines gültigen Konventionsreisepasses und eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels war.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zur Festnahme und zu den sichergestellten Gegenständen, insbesondere zur Sicherstellung der oben einzeln angeführten italienischen Dokumente, beruht auf dem polizeilichen Festnahmebericht an das BFA vom 22.06.2019 (Verwaltungsakt AS 19) und den übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
Die Feststellung zum Vorliegen eines gültigen italienischen Konventionsreisepasses und eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels ergibt sich aus den der Beschwerde beigefügten Dokumentenkopien, welche auch im vorgelegten Verwaltungsakt einliegen. An der Echtheit und Richtigkeit der betreffenden Dokumente sind keine Zweifel aufgekommen. Auch aus der im Verwaltungsakt einliegenden Rückmeldung des Polizeikooperationszentrums XXXX an die belangte Behörde vom 25.06.2019 (AS 131) ergibt sich, dass diese Dokumente nach Auskunft der italienischen Polizei alle gültig und amtlich ausgestellt worden seien.
Die Feststellungen zu den Umständen vor Anordnung der Entlassung sowie zur erfolgten Anordnung und tatsächlichen Entlassung ergeben aus den im Verwaltungsakt einliegenden Aktenteilen (E-Mail der Rechtsvertreterin an die belangte Behörde, AS 119; Entlassungsschein des BFA, AS 139 ff).
Die Feststellung, dass der BF bei seiner Festnahme im Besitz der dabei abgenommenen und sichergestellten Dokumente war (Konventionsreisepass, Aufenthaltstitel), beruht auf der Behauptung in der Beschwerde, die auch von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme zu vorliegenden Beschwerde nicht bestritten wurde. Auch aus dem polizeilichen Festnahmebericht und den im PAZ XXXXerfolgten Eintragungen in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung über den Eingang von Effekten ergibt sich, dass diese und auch andere Dokumente sichergestellt wurden.
Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme dazu jedoch aus, dass das BFA zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung keine Kenntnis vom Vorhandensein des Konventionsreisepasses und des italienischen Aufenthaltstitels gehabt habe. Sobald dieser Umstand dem BFA bekannt geworden sei, sei auch der Sachverhalt unverzüglich abgeklärt und die Entlassung aus der Schubhaft am 25.06.2019 veranlasst worden. Letztlich könne aber aufgrund der zunächst nach der StPO erfolgten Festnahme und der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. 2 des Schengener Grenzkodex nicht von einem legalen Aufenthalt gesprochen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Stattgebung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid (Spruchpunkt A.I.):
Wie in der Beschwerde im Ergebnis zutreffend aufgezeigt wurde, erweist sich die Anordnung der Schubhaft durch den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig:
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Schubhaftbescheid in einem Mandatsverfahren gemäß § 57 Abs. 1 AVG als sog. "Mandatsbescheid" erlassen und diesen im Spruch ausdrücklich auf "§ 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gestützt sowie die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet hat.
In der rechtlichen Beurteilung der Bescheidbegründung (Bescheid S. 5) wird der Wortlaut des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG, der laut Spruch "idgF", also in der geltenden Fassung, herangezogen worden sei, wie folgt wiedergegeben:
"Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit bzw. Durchführbarkeit in Asylverfahren oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen."
Hier verkennt die belangte Behörde jedoch völlig die geltende und anzuwendende Rechtslage. Die Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG in der mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018), BGBl. I Nr. 56/2018, geänderten und seit 01.09.2018 in Geltung stehenden Fassung lautet nämlich wie folgt:
"§ 76. [...]
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt."
Das Vorliegen eines Schubhaftgrundes nach dem bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides geltenden § 76 Abs. 2 Z 1 FPG setzt zunächst ein anhängiges Asylverfahren aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz voraus, in dem eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen werden soll. Im gegenständlichen Fall liegt ein solches Asylverfahren allerdings nicht vor und auch die belangte Behörde selbst geht im angefochtenen Bescheid nicht von einem anhängigen Asylverfahren aus.
Dass die belangte Behörde allenfalls noch von einer anderen Rechtsgrundlage für die Anordnung der Schubhaft ausgegangen wäre, hat sich nicht ergeben.
Schon allein aus diesem Grund, dass die belangte Behörde die für die Anordnung der Schubhaft geltende Rechtslage völlig verkannt und die Anordnung der Schubhaft auf eine gar nicht dem Rechtsbestand angehörende Bestimmung gestützt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid über die Anordnung der Schubhaft in seiner Gesamtheit als rechtswidrig.
Unbeschadet dessen ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie vor Erlassung des Schubhaftbescheides jedenfalls erforderliche amtswegige Ermittlungen unterlassen hat, obwohl ihr die Vornahme solcher Ermittlungen trotz Durchführung eines Mandatsverfahrens gemäß § 57 Abs. 1 AVG durchaus zumutbar gewesen wäre.
Was die Rechtfertigung der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme zur gegenständlichen Beschwerde anbelangt, wonach das BFA zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung keine Kenntnis vom Vorhandensein des Konventionsreisepasses und des italienischen Aufenthaltstitels gehabt habe, ist entgegenzuhalten, dass sich einerseits aus dem an das BFA übermittelten polizeilichen Festnahmebericht vom 22.06.2019 ergibt, dass "Ausweise" sichergestellt worden seien, und andererseits im PAZ XXXXdiese sichergestellten Ausweise (Dokumente) mit einer konkreten Bezeichnung ("Aufenthaltstitel Italien" bzw. "Reisepass Italien") in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung eingetragen wurden. Dass die belangte Behörde allenfalls keine technische oder sonstige Möglichkeit gehabt hätte, von Amts wegen in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung Einsicht zu nehmen, hat sich nicht ergeben.
Die belangte Behörde hätte daher bereits nach Vorliegen des Festnahmeberichts insoweit tätig werden können, um in Erfahrung zu bringen, um welche sichergestellten "Ausweise" es sich dabei konkret handelt. Überdies hätte die belangte Behörde gerade im Hinblick auf die Festnahme und seitdem durchgeführte Anhaltung des BF von sich aus und im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung Einsicht nehmen bzw. beim PAZ XXXX nachfragen können.
Der belangten Behörde ist somit vorzuwerfen, dass sie notwendige Ermittlungen unterlassen und so den entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend festgestellt hat.
Die Feststellung im Schubhaftbescheid (S. 2), dass der BF nicht im Besitz von Reise- oder Identitätsdokumenten sei, ist somit unzutreffend und - im Hinblick auf den im Verwaltungsakt einliegenden Festnahmebericht - sogar als aktenwidrig zu qualifizieren. Überdies führt die belangte Behörde betreffend die Feststellungen zur rechtlichen Position in Österreich aus, dass diese aus dem Inhalt des "BFA-Aktes" sowie "aus der durchgeführten Einvernahme" resultieren würden.
Dass im gegenständlichen Verfahren aber tatsächlich eine Einvernahme des BF durchgeführt worden wäre, lässt sich weder dem Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten entnehmen. Dazu wird in der Beschwerde auch ausdrücklich eingewandt, dass eine niederschriftliche Einvernahme des BF nicht stattgefunden habe.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich der gegenständliche Schubhaftbescheid somit als rechtswidrig, weshalb der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 und 3 FPG stattzugeben und der Schubhaftbescheid für rechtswidrig zu erklären war.
Im Hinblick darauf, dass sich der angefochtene Schubhaftbescheid schon aufgrund völliger Verkennung der geltenden Rechtslage (inhaltliche Rechtswidrigkeit) und mangelhafter Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts als rechtswidrig erwiesen hat, war auf die übrigen in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen, etwa wonach sich der BF - entgegen der im Bescheid vertretenen Ansicht - aufgrund der vorliegenden Reisedokumente sehr wohl rechtmäßig in Österreich aufhalte, nicht weiter einzugehen.
3.2. Stattgebung der Beschwerde betreffend Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):
Im gegenständlichen Fall wurde mit dem angefochtenen Schubhaftbescheid über den BF die Schubhaft angeordnet und diese auch in Vollzug gesetzt.
War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, Zl. 2009/21/0162; 26.01.2012, Zl. 2008/21/0626; 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114). Ein einmal rechtswidriger Schubhaftbescheid kann nicht - quasi partiell für einen "Teilzeitraum" - konvalidieren, zumal dies im Ergebnis einer im Gesetz insoweit nicht vorgesehenen Schubhaftverhängung "auf Vorrat" gleichkommen würde. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten.
Der Beschwerde war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG auch hinsichtlich der auf den rechtswidrigen Schubhaftbescheid gestützten Anhaltung in Schubhaft stattzugeben und diese in der in Spruchpunkt A.II. näher angeführten Dauer - von der Erlassung des Schubhaftbescheides bis zur Beendigung durch Freilassung - ebenso für rechtswidrig zu erklären.
3.3. Zum Ausspruch über den Kostenersatz (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1
Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Da der Beschwerde zur Gänze stattgegeben wurde, ist die beschwerdeführende Partei gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG obsiegende und die belangte Behörde unterlegene Partei.
Die beschwerdeführende Partei hat in der Beschwerde beantragt, ihr Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden VwG-Aufwandersatzverordnung zuzuerkennen.
Dem Bund (vertreten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) war daher spruchgemäß als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (Schriftsatzaufwand) in der Höhe von 737,60 Euro aufzuerlegen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz war folglich gemäß § 35 VwGVG abzuweisen.
In der gegenständlichen Beschwerde wurde über den (pauschalierten) Aufwandersatz hinaus auch der Ersatz der bereits geleisteten Eingabengebühr in Höhe von 30,00 Euro beantragt.
Auch wenn Eingabengebühren in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht ausdrücklich erwähnt sind, so sind gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG die §§ 52 bis 54 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 (WV) i. d.g.F., auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG sinngemäß anzuwenden (vgl. Ennöckl in Raschauer/Wessely [Hrsg.], VwGVG [2018], § 35 Rz 5).
Gemäß § 52 Abs. 2 letzter Satz VwGG sind einer Partei Kommissionsgebühren, die Eingabengebühr gemäß § 24a und Barauslagen in dem Ausmaß zu ersetzen, in dem sie von ihr tatsächlich entrichtet worden sind.
Die beschwerdeführende Partei hat die Eingabengebühr in Höhe von 30,00 Euro nachweislich entrichtet.
Dem Bund (vertreten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) war daher als unterlegener Partei - zusätzlich zum bereits angeführten Aufwandersatz - der Ersatz der tatsächlich entrichteten Eingabengebühr in Höhe von 30,00 aufzuerlegen.
Der dem Kostenersatz unterliegende Gesamtbetrag war somit im Spruch mit 767,60 Euro festzusetzen.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte - trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde -eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Schubhaftbescheid und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären sind.
3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkte B. und D.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufwandersatz, Mangelhaftigkeit, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2220809.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.10.2019