TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/16 G308 2177240-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2019
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Entscheidungsdatum

16.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G308 2177240-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch die ARGE-Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2017, Zahl: XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.05.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

2. Am 28.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er zusammengefasst an, dass er Sunnit sei und von Milizen eines Tages angehalten und entführt worden sei. Teilweise sei er auch geschlagen worden. Durch Zufall sei die Polizei gekommen und habe ihn dann befreit. Er habe weiters aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Sunniten Angst vor den allgemeinen Konflikten im Irak.

3. Am 26.07.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei Sunnit und auf dem Weg zu einer universitären Abschlussfeier seines Freundes am 08.03.2015 um 09:00 Uhr in der Früh von Regierungsfahrzeugen angehalten worden. Es seien tatsächlich jedoch keine Regierungsbeamten gewesen, sondern Milizangehörige. Im Zuge der folgenden Ausweiskontrolle sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer Sunnit sei, weshalb sie ihn zur Befragung hätten mitnehmen wollen. Nachdem der Beschwerdeführer sich geweigert habe, hätten sie ihn zum Mitkommen gezwungen. Sie hätten ihn an einen ihm unbekannten Ort in der Wüste in ein unterirdisches Haus gebracht, dort etwa sechs bis sieben Stunden festgehalten, ihn geschlagen und beschimpft. Es habe sich um einen militärischen, amerikanischen Pick-Up gehandelt. Wie viele Personen daran beteiligt gewesen seien, könne er nicht angeben. Es habe sich um Milizangehörige entweder der Asa¿ib Ahl al-Haqq, der Hashd al Shaabi oder der Saraya al Salam gehandelt. Dann sei ein Polizeifahrzeug gekommen und habe ihn wieder dorthin zurückgebracht, wo er ursprünglich angehalten worden sei. Es sei dann schon Nachmittag gewesen. Er vermute, sein Freund - welcher Schiit sei - oder seine Verwandten hätten Kontakt mit einer Miliz aufgenommen, welche dann die Polizei hingeschickt habe. Er sei von der Polizei nicht einmal befragt, sondern einfach nur zurückgebracht worden. Eine Woche nach dem Vorfall sei er wieder zur Arbeit gegangen. Als der Beschwerdeführer am 11.04.2015 von der Arbeit nach Hause gekommen sei, habe er Polizeifahrzeuge und zivile Fahrzeuge vor der Haustüre seines Elternhauses vorgefunden. Er habe gefragt, worum es gehe und gesagt, dass das Haus seinen Eltern gehöre. Daraufhin habe man ihm erst gesagt, es gehe ihn nichts an und er solle weitergehen. Er habe noch einmal gefragt, was das Problem sei. Sodann habe der Polizist seinen Ausweis verlangt und ihm diesen zuerst nicht wieder zurückgeben wollen. Schließlich habe der Polizist den Beschwerdeführer doch aufgefordert, sich den Ausweis wieder zu nehmen. Als der Beschwerdeführer dies habe tun wollen, habe es sich der Polizist wieder anderes überlegt und um aufgetragen, er möge mit zur Polizeistation kommen. Dazu habe der Polizist den Beschwerdeführer an der Schulter gepackt und wollte ihn mit sich nehmen. Der Beschwerdeführer habe sich deswegen beschwert, weshalb der Polizist den Beschwerdeführer und seine Eltern beschimpft habe. Schließlich sei es zu einem Raufhandel mit dem Polizisten gekommen und wären plötzlich sechs weitere Polizisten gekommen, die den Beschwerdeführer allesamt verprügelt hätten. Eine Nachbarin hätte sich zum Schutz auf den Beschwerdeführer gelegt und gesagt, er sei ihr Sohn und sie müssten auch sie schlagen um ihn weiter zu schlagen. In einem Polizeiauto habe er dann Nachbarn sitzen sehen, wegen denen die Polizei ursprünglich überhaupt erst gekommen sei. Die Polizisten hätten auch den Beschwerdeführer unter Zwang in ein Polizeiauto setzen wollen. Es sei dann ein Offizier aus dem Haus der Nachbarn gekommen, welcher gefragt habe, was los sei und warum sie den Beschwerdeführer mitnehmen wollen. Dazwischen habe er mit dem anderen Polizisten weiter gestritten und diesem auch Rache geschworen. Der Offizier habe den Beschwerdeführer zu seinem Haus begleitet und sich für das Verhalten der Beamten entschuldigt. Währenddessen hätten der Beschwerdeführer und der Polizist aber weitergestritten. Im Zuge dessen habe der Polizist nach der Waffe eines Kollegen gegriffen und sich dabei unabsichtlich selbst in den Fuß geschossen. Daran würde er dem Beschwerdeführer aber die Schuld geben. Er habe Angst bekommen und sei weggelaufen. Er habe sich eine Woche im ländlichen Bereich von Bagdad bei einem Freund versteckt und sei dann ausgereist. Am nächsten Tag nach dem Vorfall sei der Clan des Polizisten zum Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen und habe darauf geschossen. Auf das Haus hätten sie die Worte "Da wird Blut gesucht" geschrieben. Es handle sich um eine Blutfehde. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits zwei Tage vor dessen Ausreise legal in die Türkei ausgereist. Generell sei es auch immer wieder zu Belästigungen an den Checkpoints gekommen und fürchte er bei einer Rückkehr seinen Tod oder eine Inhaftierung aufgrund des Raufhandels mit dem Polizisten.

Der Beschwerdeführer brachte anlässlich dieser Einvernahme eine Reihe von Beweismitteln, darunter seinen irakischen Personalausweis und irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis, ein ÖSD-Sprachzertifikat auf Niveau A1 und weitere Integrationsunterlagen zur Vorlage.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 10.10.2017, dem Beschwerdeführer am 13.10.2017 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.05.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat "Irak" (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Irak von schiitischen Milizen oder vom Clan des angeschossenen Polizisten verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Irak weder Probleme mit Behörden, aufgrund einer politischen Tätigkeit, seiner Volksgruppe oder seines Religionsbekenntnisses gehabt. Im Verhältnis zur Erstbefragung habe er sein Fluchtvorbringen vor dem Bundesamt gesteigert. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer den eigentlichen Auslöser zur Flucht in der Erstbefragung nicht erwähnt habe. Das weitere Fluchtvorbringen erweise sich in Details als widersprüchlich und logisch nicht nachvollziehbar. Die dargestellten Abläufe seien nicht realitätsnah und lebensfremd. Insgesamt erweise sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig, zumal der Bruder und zwei Schwestern bisher unbehelligt in Bagdad leben würden und keine Probleme - auch nicht mit dem Clan des Polizisten - hätten. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer einer der von ihm vorgebrachten Gefahren im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre. Er sei arbeitsfähig, verfüge im Irak über familiäre Anknüpfungspunkte und ein soziales Netz sowie eigenständige Berufserfahrung. Dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die Existenzgrundlage entzogen wäre, habe ebenso nicht festgestellt werden können. Die Rückkehr nach Bagdad sei dem Beschwerdeführer zumutbar. Eine Rückkehrentscheidung würde das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigen.

Das Bundesamt traf weiters Feststellungen zur Situation im Herkunftsland Irak.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 02.11.2017, beim Bundesamt am 03.11.2017 einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten, in eventu eines subsidiär Schutzberechtigten, zuerkennen; in eventu die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und dem Beschwerdeführer von Amts wegen einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilen; oder den angefochtenen Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Bundesamt zurückverweisen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Zuge der Ersteinvernahme mitgeteilt worden sei, dass er später noch Gelegenheit haben werde, seine Fluchtgründe genauer darzulegen. Der Dolmetscher sei weiters unaufmerksam gewesen. Weiters werde zu dem vom Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vorgebrachten ersten Vorfall am 08.03.2015 ausgeführt, dass es insgesamt vier Fahrzeuge gewesen seien und zwar sowohl mit Menschen in Uniform als auch in Zivil. Dass der Beschwerdeführer Sunnit sei, sei bereits aus dem Stammesnamen ersichtlich. Er sei deswegen beschimpft worden, sodass er deswegen vermute, es habe sich um schiitische Milizen gehandelt, zumal man ihn nicht auf eine Polizeistation, sondern in die Wüste gebracht habe. Es sei unstrittig, dass die Milizen mit der Polizei zusammenarbeiten würden. Das Vorbringen werde insofern berichtigt, als dass nicht die Verwandten, sondern der schiitische Freund zur Polizei gegangen sei und sich für die Freisetzung des Beschwerdeführers eingesetzt habe. Zum zweiten Vorfall am 11.04.2015 sei auszuführen, dass das Bundesamt seine Beweiswürdigung auf Spekulationen stütze, ohne den Beschwerdeführer dazu befragt zu haben. Nachdem der Polizist nach der Waffe des Kollegen gegriffen habe, habe der Beschwerdeführer nur mehr fliehen wollen und naturgemäß nicht darauf geachtet, wie es konkret dazu gekommen ist, dass sich der Polizist selbst in den Fuß geschossen habe. Nach diesem Vorfall sei er nicht mehr in sein Elternhaus zurückgekehrt, sondern sei bei einem Freund in "Bagdad Land" untergekommen und von dort ausgereist. Der Stamm des verletzten Polizisten habe das Haus der Eltern des Beschwerdeführers beschossen und mit Drohungen beschmiert. Wenn das Bundesamt ausführe, eine Rache des Polizisten am Beschwerdeführer wäre nicht nachvollziehbar, da er sich doch selbst am Fuß verletzt habe, so sei dazu auszuführen, dass der Stamm den Beschwerdeführer aufgrund des geführten Streits mit dem Polizisten für dessen Verletzung verantwortlich machen würde. Weiters habe der Beschwerdeführer die Ehre des Polizisten verletzt. Es würden auch ausgedruckte Fotos der beschmierten Hausmauer vorgelegt werden. Zur Sicherheitslage und allgemeinen Lage von Sunniten werde auf eine näher zitierte ACCORD-Anfragebeantwortung vom 27.03.2017 verwiesen. Beim Beschwerdeführer liege daher eine Verfolgung aufgrund der Religion und aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Stammesfehde, soziale Gruppe der von Rache aufgrund von Ehrverletzungen Bedrohten) vor welcher er keinen Schutz des Staates erwarten könne. Aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage im gesamten Irak sowie des Umstandes, dass der den Beschwerdeführer bedrohende Polizist im Staatsdienst ist, liege keine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Der Beschwerdeführer habe weiters in der Einvernahme angegeben, er benötige keine Medikamente mehr. Aktuell benötige er jedoch wieder Schlaftabletten. Eine ärztliche Bestätigung werde nachgereicht. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr ein reales Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK. Der Beschwerdeführer habe sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht, sich in Österreich zu integrieren und dazu auch Nachweise vorgelegt. Diese seien vom Bundesamt nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Beschwerdeführer habe eine mongolische Freundin mit anerkanntem Flüchtlingsstatus. Diesbezügliche Unterlagen würden ebenso nachgereicht werden. Die Rückkehrentscheidung hätte für auf Dauer unzulässig erklärt werden müssen.

Der Beschwerde war eine Anmeldebestätigung zu einem Wert- und Orientierungskurs am 15.12.2017 sowie einige Farbausdrucke einer auf Arabisch beschmierten Hausmauer beigelegt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 21.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

7. Mit E-Mail von 27.12.2017, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, legte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung eine mit 08.11.2017 datierte ärztliche Bestätigung einer Allgemeinmedizinerin vor, wonach der Beschwerdeführer wegen Schlafstörungen in Behandlung sei und entsprechende Medikamente (Mirtazapin, zuletzt Zolpidem) verordnet worden seien.

8. Per E-Mail vom 27.07.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er sich von seiner mongolischen Freundin getrennt hat und die Beziehung nicht weiter besteht.

9. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.05.2019 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderinformationen zum Irak, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.04.2019, übermittelt und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs, auch unter explizitem Hinweis auf ein etwaiges Vorbringen zum aktuellen Privat - und Familienleben iSd Ar.t 8 EMRK sowie mit dem Ersuchen, aktuelle medizinische Befunde und/oder Therapienachwiese vorzulegen, eingeräumt.

10. Mit Schriftsatz vom 04.06.2019, am 05.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangend, nahm der Beschwerdeführer zu den übermittelten Länderberichten insofern Stellung, als dass diese zur Kenntnis genommen und sich auch ihrer hohen Aktualität nach mit der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers in Einklang bringen lassen würden. Es werde auf das bisherige Vorbringen sowie ergänzend auf die Reisewarnung des österreichischen Außenministeriums vom 09.01.2019, die "Briefung Notes" der Group 62 des BAMF vom 05.11.2018, einen Bericht des Human Rights Watch vom Jänner 2019, einen Bericht des IDMC vom November 2018 sowie weiter näher angeführten Berichten verwiesen.

Ein aktuelles Vorbringen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, seiner weiteren allfälligen Integration wurde nicht erstattet und insbesondere wurde auch der Aufforderung des erkennenden Gerichtes, aktuelle medizinische Unterlagen und oder einen Therapieplan vorzulegen, ohne Begründung nicht nachgekommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl Erstbefragung vom 28.052015, S 1 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 26.07.2017, S 3 ff; vorgelegter irakischer Personalausweis sowie irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis samt Überprüfungs-Bestätigung).

Der Beschwerdeführer reiste seinen Angaben nach am 19.04.2015 oder 20.04.2015 mit dem Bus bzw. einem PKW von Bagdad über Kirkuk und Kurdistan legal in die Türkei, wo er sich etwa dreizehn Tage in Istanbul aufhielt. In der Folge reiste er schlepperunterstützt von der Türkei über Griechenland und weitere ihm unbekannte Länder bis nach Österreich, wo er am 26.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte Arabisch (vgl Erstbefragung vom 28.052015, S 1 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 26.07.2017, S 3 ff).

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beim Beschwerdeführer im Arztbrief vom 04.03.2017 gestellte Diagnose einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (F43.2) zum Entscheidungszeitpunkt noch besteht bzw., dass der Beschwerdeführer sich deswegen aktuell in einer (medikamentösen oder therapeutischen) Behandlung befindet. Auch sonst konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar wäre (vgl Erstbefragung vom 28.052015, S 3;

Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 26.07.2017, S 2; aktenkundiger Arztbrief des XXXX-Klinikums, Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 04.03.2017;

ärztliche Behandlungsbestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 23.03.2017; ärztliche Behandlungsbestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 08.11.2017).

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt eine Lebensgemeinschaft führt. Er ist in Bagdad geboren und aufgewachsen und lebte dort auch bis zu seiner Ausreise im April 2015, unterbrochen durch einen Aufenthalt in Syrien von 2006-2010. Der Beschwerdeführer hat neun Jahre die Grundschule besucht und im Anschluss als Bauarbeiter, Schweißer und Maschinenbediener gearbeitet. Vor seiner vorübergehenden Ausreise nach Syrien war er fünf Jahre als Kran- und Staplerfahrer tätig. In Syrien hat er in unterschiedlichen Bereichen, aber nach seiner Rückkehr nach Bagdad im Jahr 2010 bis zum 11.04.2015 neuerlich als Kranfahrer beim selben Unternehmen gearbeitet. Er konnte sich mit seiner Erwerbstätigkeit ausreichend seinen Lebensunterhalt finanzieren. Bis eine Woche vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer in Bagdad mit seinen Eltern und einem seiner Brüder im Elternhaus. Eine Schwester sowie die beiden Eltern des Beschwerdeführers leben mittlerweile in der Türkei. Der Bruder des Beschwerdeführers ist verheiratet, lebt in Bagdad bei den Schwiegereltern und ist als Medikamentenlieferant erwerbstätig. Zwei weitere, ebenso bereits verheiratete, Schwestern des Beschwerdeführers leben mit ihren Ehemännern auch in Bagdad. Das Elternhaus ist unbewohnt. Zu seinen Geschwistern im Irak hat der Beschwerdeführer etwa alle sechs Monate Kontakt, zu seiner Mutter in der Türkei monatlich (vgl Erstbefragung vom 28.052015, S 1 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 26.07.2017, S 3 ff).

Der Beschwerdeführer weist seit 10.07.2015 ununterbrochen Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet nach (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 23.04.2019). In Österreich ging er bisher keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (vgl Sozialversicherungsdaten- und Grundversorgungsdatenauszug vom 23.04.2019). Er hat einen Deutsch-Grundkurs der Caritas (vgl Bestätigung vom 28.04.2016), einen Deutschkurs auf Niveau A1 und eine Basisausbildung beim bfi (vgl aktenkundige Teilnahmebestätigung vom 01.12.2016) absolviert, verfügt über ein ÖSD-Deutsch-Zertifikat auf Niveau A1 (vgl aktenkundiges Zertifikat vom 05.12.2016) und spricht bereits gut Deutsch (vgl Vermerk in der Niederschrift des Bundesamtes vom 26.07.2017, S 9). Er ist in keinem Verein oder ehrenamtlich tätig, obwohl er sich darum bemüht hat (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 26.07.2017, S 3 ff).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 23.04.2019).

Insgesamt konnten jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen im Irak hatten Probleme mit staatlichen Behörde oder Gerichten, es ist gegen ihn kein Gerichtsverfahren anhängig, er ist kein Mitglied einer Partei bzw. einer parteiähnlichen Organisation und hatte auch nicht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Irak Probleme.

Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Irak mit Stand 09.04.2019, auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Dazu ist bezogen auf den Beschwerdeführer festzuhalten:

1. ""KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm.

https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019/ [Karte gelöscht, Anm.]

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019).

https://www. iraqbodycount.org/database/ [Karte gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).

https://www.iraqbodvcount.org/database/ [Tabelle gelöscht, Anm.]

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

BAGDAD

Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).

Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)

In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).

Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).

Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).

Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).

In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).

In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al- Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).

SÜDIRAK

Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).

In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).

Quellen:

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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019),

Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemy-lines-uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail

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BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019

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Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants,

http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019

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EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq security situation.pdf, 13.3.2019

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ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes-historic-sanctuary.html, Zugriff 12.3.2019

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Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites,

https://www.janes.com/article/86167/protests-in-iraq-s-basra-likely-throughout-2019-but-security-force-presence-mitigates-disruption-risk-to-oil-sites, Zugriff 13.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (10.12.2018): Security In Iraq Dec 1-7, 2018,

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Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (4.2.2019): Slight Uptick In Islamic State Ops In Iraq As New Year Begins, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/02/slight-uptick-in-islamic-state-ops-in.html, Zugriff 12.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-be-coming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (26.3.2019): Security In Iraq Mar 15-21, 2019,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/securitv-in-iraq-mar-15-21-2019.html, Zugriff 27.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (1.4.2019): Security In Iraq Mar 22-28, 2019,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/security-in-iraq-mar-22-28-2019.html, Zugriff 2.4.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019,

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Kurdistan 24 (12.3.2019): WATCH: Clashes between Basra tribes kill, injure ten people,

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Liveuamap - Live Universal Awareness Map (13.3.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/13.03.2019, Zugriff 13.3.2019

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OIR - Operation Inherent Resolve (29.3.2019): Fight is not over:

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2. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.

Zugriff 12.10.2018

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Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker- 180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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