Entscheidungsdatum
17.07.2019Norm
BBG §40Spruch
W266 2209423-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 01.10.2018, OB: XXXX , betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23.03.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten ein Grad der Behinderung von 20% vorliege.
Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 20% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt der Beschwerdeführer - unter Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, dass sehr wohl eine deutliche Einschränkung der Wirbelsäulenfunktion und der Funktionalität des linken Beines nach Fusions-Op der Lendenwirbelsäule und des linke Knies bestehe. Aus Sicht des Beschwerdeführers wären die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zur Positionsnummer 02.01.02 als Funktionseinschränkung mittleren Grades einzustufen und somit mit jedenfalls 30 v.H zu bewerten. Betreffend den Kniegelenksersatz links und Gonarthrose rechts wird vorgebracht, dass betreffend das rechte Knie mehr als eine leichtgradige Gonarthrose vorliege. Aus dem Befund vom 19.10.2018 des Röntgen Wien Nord gehe hervor, dass eine deutliche femorotibiale, massive retropatellare Arthrose vorliege. Die Kniegelenksbeschwerden wären demnach zur Positionsnummer 02.05.19 mit dem oberen Rahmensatz von 30 v.H. zu bewerten.
In der Folge wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein orthopädisches Gutachten eingeholt und dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde mit Schreiben vom 9.4.2019 zur allfälligen Stellungahme übermittelt.
Von dieser Möglichkeit haben beide Parteien keinen Gebrauch gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in das XXXX Gutachten, in die vorgelegten Befunde sowie Einholung eines unfallchirurgischen/orthopädischen Gutachtens und eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer ist XXXX Staatsbürger, am XXXX geboren und wohnhaft in XXXX Wien, XXXX .
Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 170,00 cm Gewicht: 90 kg Blutdruck: 140/70
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/ColIum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
SchuItergürtel und beide oberen Extremitäten: Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktie Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar. Zehenballenstand rechts nicht möglich, links möglich.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse.
Bei länge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Kniegelenk links: Narbe nach Knietotalendoprothese und Arthrotomie, geringgradige
Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, Patella mäßig verbacken, endlagige Beugeschmerzen, sonst unauffälliges Gelenk, geringgradige Valgusstellung.
Kniegelenk rechts: keine wesentliche Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein
Erguss, stabil, endlagige Beugeschmerzen, geringgradige Varusstellung
Vorfuß rechts: geringgradige Umfangsvermehrung im Bereich des Köpfchens MT V, Druckschmerzen, Schmerzen bei Belastung des Vorfußes.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie links 0/10/110, rechts 0/5/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte
Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann paralumbal, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Narbe LWS 10 cm median Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 15 cm, in Rotation und Seitneigen jeweils 25°
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Stieflette links und Entlastungsschuh rechts ohne Gehhilfe, das Gangbild mit Schuhen und barfuß geringgradig rechts hinkend mit gehemmtem Abrollen rechts, Schrittlänge nicht wesentlich verkürzt, Richtungswechsel sicher durchführbar, Gesamtmobilität unauffällig.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen der folgenden Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative und postoperative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden nach TLIF L5/S1 mit geringen Funktionseinschränkungen, analgetische Bedarfsmedikation erforderlich
02.01.01
20
2
Kniegelenkersatz links und Gonarthrose rechts Unterer Rahmensatz, da geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit beidseits bei stabilen Gelenken ohne wesentliche Achsenfehlstellung.
02.05.19
20
3
Tyreoidektomie am 30. 10. 2012. wegen-Struma nodosa mit einem oxyphilen Adenom und einem papillären intrathyreoidal gelegenen Karzinom pT1a (maximal 1 cm DM), LO, VO, RO Unterer Rahmensatz, da nach Ablauf der Heilungsbewährung von 5 Jahren kein Rezidiv dokumentiert. Schilddrüsenhormonersatztherapie mitberücksichtigt.
13.01.01
10
4
Bluthochdruck Fixer Richtsatzwert
05.01.01
10
und beträgt der Grad der Behinderung 20%.
Die führende Funktionsbeeinträchtigung Nummer 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da diese nur von geringem Ausmaß und geringer funktioneller Relevanz sind und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht maßgeblich negativ beeinflussen. Die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.
Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten orthopädischen Gutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung am 31.1.2019 basiert. Dieses ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.
Leiden 1 (Degenerative und postoperative Veränderungen der Wirbelsäule) wird von der Sachverständigen schlüssig dem oberen Rahmensatz der Position 02.01.01 der EVO mit einem GdB in Höhe von 20% zugeordnet, da rezidivierende Beschwerden nach TLIF L5/S1 mit geringen Funktionseinschränkungen vorliegen und analgetische Bedarfsmedikation erforderlich ist.
Dies entspricht den in der EVO beschriebenen Kriterien (Funktionseinschränkungen geringen Grades, 10-20%: Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage) Mäßige radiologische Veränderungen. Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben; Keine Dauertherapie erforderlich).
Leiden 2 (Kniegelenkersatz links und Gonarthrose rechts) ordnet die Sachverständige dem unteren Rahmensatz der Position 02.05.19 der EVO mit einem GdB in Höhe von 20% zu, da eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit beidseits bei stabilen Gelenken ohne wesentliche Achsenfehlstellung vorliegt.
Dies entspricht den in der EVO beschriebenen Kriterien (Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig, 20 - 30 %:
Streckung/Beugung bis 0-0-90°).
Leiden 3 (Tyreoidektomie am 30. 10. 2012. wegen-Struma nodosa mit einem oxyphilen Adenom und einem papillären intrathyreoidal gelegenen Karzinom pT1a (maximal 1 cm DM), LO, VO, RO) wird nachvollziehbar dem unteren Rahmensatz der Position 13.01.01 der EVO mit einem GdB in Höhe von 10% zugeordnet, da nach Ablauf der Heilungsbewährung von 5 Jahren kein Rezidiv dokumentiert ist. Die Schilddrüsenhormonersatztherapie wird dabei mitberücksichtigt.
Dies entspricht den in der EVO beschriebenen Kriterien (Entfernte Malignome ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit 10 - 20 %:
Wenn durch die kurative Primärtherapie das Malignom als beseitigt angesehen wird. Bei Tumoren und Zelltypen mit guter Prognose nach geltender Lehrmeinung, das Malignom durch einen kleinen Eingriff beseitigt ist und keine weitere Therapie erforderlich ist (Chemotherapie, Bestrahlung oder andere eingreifende Behandlungen). Der Patient wird als geheilt entlassen).
Leiden 4 (Bluthochdruck) wird dem fixen Richtsatzwert der Position 05.01.01 der EVO zugeordnet.
Auf das Beschwerdevorbringen eingehend erläutert die Sachverständige, dass eine deutliche Einschränkung der Wirbelsäulenfunktion und der Funktionalität des linken Knies nicht festgestellt werden kann, vielmehr liegt jeweils ein gutes postoperatives Ergebnis mit endlagiger Einschränkung des Bewegungsumfangs ohne Hinweis für eine Lockerung von Osteosynthesematerial bzw. der Endoprothese vor. Es konnte weder ein radikuläres Defizit festgestellt werden noch eine maßgebliche muskuläre Insuffizienz. Röntgenologisch konnten zwar fortgeschrittene Arthrosezeichen im rechten Kniegelenk festgestellt werden, maßgeblich ist für die Einschätzung nach den Kriterien der EVO jedoch das klinisch objektivierbare Funktionsdefizit, dabei konnte keine höhergradige funktionelle Einschränkung festgestellt werden.
Schlüssig und nachvollziehbar begründet die Sachverständige auch den Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 20%, da das führende Leiden Nummer 1 durch die übrigen Leiden nicht erhöht wird, da diese nur von geringem Ausmaß und geringer funktioneller Relevanz sind und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht maßgeblich negativ beeinflussen. Die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt. Eine maßgebliche wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung liegt nicht vor, da Leiden 2 von geringem Ausmaß ist und die Auswirkungen des führenden Leidens 1 nicht erheblich verstärkt.
Zudem setzt sich die Sachverständige auch mit den vorgelegten Befunden auseinander, welche sie wie folgt zusammenfasst und dazu Stellung bezieht:
* Befund Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie 17.10.2018 (deutliche Einschränkung der Wirbelsäulenfunktion und der Funktionalität des linken Beins nach Fusionsoperation der LWS und Knietotalendoprothese links. Stiegensteigen, sicheres Belasten des linken Beins und längeres Stehen und Gehen wegen Restischialgie nicht möglich, rechts incipiente Gonarthrose, links nicht mehr voll belastbar) - maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Die bei der Begutachtung festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden in vollem Umfang berücksichtigt. Der vorgelegte Befund steht nicht in Widerspruch zu getroffener Einstufung, festgestellte Abnützungserscheinungen der LWS und Kniegelenke werden berücksichtigt.
* Röntgen rechtes Kniegelenk 19.10.2018 (deutliche femorotibiale, massive retropatellare Arthrose) - maßgeblich ist für die Einschätzung jedoch das klinisch objektivierbare Funktionsdefizit, dabei konnte keine höhergradige funktionelle Einschränkung festgestellt werden.
* Bericht chirurgische Krankenhaus Göttlicher Heiland 30.11.2012 (Thyreoidektomie) - Befund wird in Leiden 3 berücksichtigt.
* Histologischer Befund 30.10.2012 (papilläres Schilddrüsenkarzinom, Adenom) Befund wird in Leiden 3 berücksichtigt.
* Röntgen Cor/Pulmo und LWS 13.2.2017 (linksverbreitetes Herz, Skoliose, degenerative Listhese Grad I L5/S1, mäßige degenerative Veränderungen) - Befund wird in Leiden 1 berücksichtigt.
* MRT der LWS 13.2.2017 (mäßige degenerative Veränderungen, degenerative Listhese L5/S1 Grad I) - Befund wird in Leiden 1 berücksichtigt.
* Befund Orthopädie Otto-Wagner-Spital 27.3.2017 (TLIF L5/S1) - Befund wird in Leiden 1 berücksichtigt.
* Bericht Orthopädie Otto-Wagner-Spital 18.1.2018 (Knietotalendoprothese links) - Befund wird in Leiden 2 berücksichtigt.
Im Übrigen kommt die orthopädische Sachverständige zum gleichen Ergebnis wie die von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige. Das gegenständliche Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:
02.01 Wirbelsäule
02.01.01
Funktionseinschränkungen geringen Grades
10 - 20 %
Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage) Mäßige radiologische Veränderungen Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben Keine Dauertherapie erforderlich
Kniegelenk
Funktionseinschränkungen im Kniegelenk als Folge von Knorpel-, Band- und Meniskusläsionen. Ausprägungen von Knorpelschäden geringeren, mittleren und schwereren Grades werden in der Einschätzung mitberücksichtigt.
02.05.19
Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig
20 - 30 %
Streckung/Beugung bis 0-0-90°
13. Malignome
13.01.01
Entfernte Malignome ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit
10 - 20 %
Wenn durch die kurative Primärtherapie das Malignom als beseitigt angesehen wird Bei Tumoren und Zelltypen mit guter Prognose nach geltender Lehrmeinung, das Malignom durch einen kleinen Eingriff beseitigt ist und keine weitere Therapie erforderlich ist (Chemotherapie, Bestrahlung oder andere eingreifende Behandlungen). Der Patient wird als geheilt entlassen
05.01.01
Leichte Hypertonie
10 %
Gemäß § 3 Abs. 1
Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Daraus folgt:
Das gegenständliche orthopädische Gutachten entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.
Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.
Die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers betragen jedoch, wie festgestellt, 20% da diese, wie bereits oben unter Punkt 2 ausgeführt, von der Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.
Da beim Beschwerdeführer keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden konnten, und der Grad der Behinderung sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm mit den Positionen 02.01.01, 02.05.19, 13.01.01 und 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 20% beträgt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.
In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten XXXX sowie aus dem vom BVwG eingeholten orthopädischen Gutachten. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
ZU B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W266.2209423.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.10.2019