TE Bvwg Beschluss 2019/7/18 G314 2221247-1

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Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Norm

AuslBG §18 Abs12
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G314 2221247-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018 (richtig wohl 2019), Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot:

A) Der Antrag, dieses Verfahren bis zur Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren gegen den mutmaßlichen Arbeitgeber des Beschwerdeführers nach AuslBG, ASVG, SBBG, LSD-BG oder EStG auszusetzen, wird abgewiesen.

B) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene

Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der über einen am 15.01.2015 ausgestellten und bis 15.01.2025 gültigen bosnisch-herzegowinischen Reisepass verfügt, wurde am 11.06.2019 von Organen der Finanzpolizei beim Streichen einer Fassade in XXXX, für das slowenische Unternehmen XXXX s.p. angetroffen. Noch am selben Tag wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) u.a. zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen. Ein Dolmetsch für Bosnisch, mit dem sich der BF problemlos verständigen konnte, wurde der Vernehmung beigezogen. Bei der Einvernahme wurde der BF mit dem Vorwurf konfrontiert, von der Finanzpolizei bei nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Arbeiten an einer Baustelle betreten worden zu sein. Er rechtfertigte sich damit, dass er legal für ein slowenisches Unternehmen tätig gewesen sei. Er stimmte seiner Abschiebung in seinen Herkunftsstaat nicht zu, sondern gab an, nach Slowenien zu wollen, wo seine Frau und seine Kinder lebten und wo er arbeiten könne. Die Behörde unterließ weitere Ermittlungen zur Erwerbstätigkeit, Aufenthaltsgenehmigung und sonstigen privaten und familiären Anknüpfungen des BF in Slowenien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina fest (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne Beschäftigungsbewilligung betreten worden sei, im Bundesgebiet kein schützenswertes Privat- oder Familienleben habe und keine tiefgehende Integration festgestellt werden könne. Der Umstand, dass er nicht zur Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet berechtigt sei, wurde beweiswürdigend mit Abfrageergebnissen im Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger und im Zentralen Melderegister (ZMR) begründet. Sein Verstoß gegen arbeitsmarkt- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen zeige, dass er nicht willens sei, die im Bundesgebiet geltende Rechtsordnung zu respektieren. Die Betretung bei einer Arbeitstätigkeit, die er nach dem AuslBG ohne eine entsprechende Bewilligung nicht ausüben hätte dürfen, rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden könne, sodass ein fünfjähriges Einreiseverbot zu erlassen sei. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der (wirtschaftlich schädlichen) Schwarzarbeit und den fehlenden Mitteln zur Finanzierung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet begründet.

Am 13.06.2019 wurde der BF nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben.

Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, das Verfahren bis zur Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren gegen den mutmaßlichen Arbeitgeber des BF nach AuslBG, ASVG, SBBG, LSD-BG oder EStG auszusetzen und den angefochtenen Bescheid, insbesondere Spruchpunkt III., in eventu das Einreiseverbot, zu beheben. Hilfsweise werden die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde beantragt.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er einen unbefristeten slowenischen Aufenthaltstitel habe und dort mit seiner Frau und seinen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebe. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und insbesondere keine Feststellungen zur slowenischen Aufenthaltsgenehmigung des BF und zu seinem Familienleben in Slowenien getroffen. Er habe sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Für die Rückkehrentscheidung sei § 52 Abs 6 FPG maßgeblich. Die Behörde habe den BF nicht zur Ausreise nach Slowenien verpflichtet. Seine sofortige Ausreise sei nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich gewesen. Ein fünfjähriges Einreiseverbot sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen, vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben angeführte Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG sowie aus den durchgeführten Abfragen im IZR, ZMR und Strafregister. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor, sodass sich eine ausführlichere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Die (rechtskräftige) Bestrafung einer Person nach dem AuslBG wegen Beschäftigung eines Fremden entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes bewirkt keine Bindung in einem gegen diesen Fremden geführten aufenthaltsbeendenden Verfahren. Da es auf den Ausgang eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens mangels Präjudizialität nicht ankommt, kommt eine Aussetzung des Verfahrens gegen den BF gemäß §§ 38 AVG, 17 VwGVG nicht in Betracht (siehe VwGH 31.01.2013, 2011/23/0538). Der darauf gerichtete Antrag ist daher abzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über eine Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wie die vorliegende dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG dann meritorisch zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, die dann an die rechtliche Beurteilung, von der das Gericht ausgegangen ist, gebunden ist.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009). Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann demnach nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13), wie sie hier vorliegen.

Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Wenn der BF tatsächlich über einen slowenischen Aufenthaltstitel verfügt, hat er sich trotzdem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, wenn er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachging (siehe § 31 Abs 1 Z 3 FPG). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots kommt ungeachtet dessen nur nach Maßgabe des § 52 Abs 6 FPG in Frage (vgl VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0060). Die Behörde hat nicht geprüft, ob diese Voraussetzungen hier vorliegen.

Mit einer Rückkehrentscheidung kann gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen. Die Erfüllung eines Tatbestands des § 53 Abs 2 FPG indiziert idR eine entsprechende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die ein Einreiseverbot erforderlich macht.

Wenn der BF (wie er behauptet) in Slowenien ordnungsgemäß beschäftigt war und im Bundesgebiet nach österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt wurde, bedarf er für eine vorübergehende Arbeitsleistung im Bundesgebiet keiner Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung, sondern gemäß § 18 Abs 12 AuslBG einer EU-Entsendebestätigung. Ob eine solche vorliegt, kann durch die von der Behörde durchgeführten Abfragen im IZR, ZMR und beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht festgestellt werden, sodass insoweit lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt wurden.

Wenn sich herausstellt, dass der BF im Bundesgebiet einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachging und sein Aufenthalt daher nicht rechtmäßig war, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (gegebenenfalls samt Einreiseverbot) gegen ihn zu prüfen. Die dabei zu beurteilende Frage nach dem Eingriff in sein Privat- oder Familienleben darf aber nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern es ist auch die Situation in den anderen "Schengen-Staaten", konkret in Slowenien, in den Blick zu nehmen (vgl. VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007; 20.12.2018, Ra 2018/21/0236).

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren prüfen müssen, ob der BF über den behaupteten slowenischen Aufenthaltstitel verfügt und Ermittlungen zu seinem Privat- und Familienleben dort anstellen müssen. Außerdem werden geeignete Schritte zur Erhebung, ob für die Beschäftigung des BF am 11.06.2019 eine EU-Entsendebestätigung (oder eine andere gegebenenfalls erforderliche Bestätigung oder Bewilligung nach dem AuslBG) erteilt wurde, zu setzen sein. Zur (allenfalls relevanten) Frage der Mittellosigkeit sind die finanziellen Mittel des BF (unter Berücksichtigung eines legalen Erwerbseinkommens) der beabsichtigten Dauer seines Aufenthalts und den Kosten der Rückreise gegenüberzustellen.

Da das BFA somit noch keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts gesetzt hat, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob gegen den BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt werden muss und wenn ja, für wie lange. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig. Je nach dem Ergebnis der oben dargestellten, zusätzlich notwendigen Erhebungen wird das BFA nach der gebotenen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens neuerlich entscheiden müssen, ob und auf welcher Rechtsgrundlage gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) zu erlassen ist oder nicht. Dabei wird gegebenenfalls auch seine mittlerweile bereits erfolgte Ausreise aus dem Bundesgebiet zu berücksichtigen sein (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Da zu den tragenden Sachverhaltselementen keine Beweisergebnisse vorliegen, zur Klärung des relevanten Sachverhalts zusätzliche Ermittlungen notwendig sein werden und dadurch bedingte Weiterungen des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden können, führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG die Erhebungen selbst durchführt, zumal das BFA jegliche Ermittlungen zur komplexen Frage, ob der BF die Tätigkeit, bei der er betreten wurde, nach dem AuslBG ausüben durfte oder nicht, offenbar deshalb unterließ, damit diese durch das BVwG vorgenommen werden.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher - dem in der Beschwerde eventualiter gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag entsprechend - gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2221247.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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