TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/19 W265 2219253-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2019
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Entscheidungsdatum

19.07.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W265 2219253-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.04.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 28.11.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.12.2018 basierenden orthopädischen Gutachten vom 08.01.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Skoliose, 1 Sectio

Derzeitige Beschwerden:

Seit der Schwangerschaft sind die Rückenbeschwerden schlechter geworden, ich habe Schmerzen jeden Tag. Ich habe Schmerzen im Kreuz und im Rücken, ich kann nicht lange Stehen.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Seractil, Pantip

Laufende Therapie: Physiotherapie

Hilfsmittel: keine

Sozialanamnese:

Arbeitet bei Merkur

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

09/2017 und 11/2018 Röntgenbefund der WS beschreibt Ausgeprägte Fehlstellung, vor allem der BWS und LWS sowie massive Skoliose, wie beschrieben. Chondrosen C3/C4, C4/C5 und laterale Höhenreduktion der Bandscheiben Konkavbereich der Skoliose sowie incipiente Spondylose eben dort. Beckenschiefstand mit einem Plus von fast 2 cm, Beinlängendifferenz mit einem Plus von fast 3,7 cm rechts. Die Brustkyphose zeigt einen Cobb-Winkel von ca. 54° (gemessen zwischen der Deckplatte Th4 und der Grundplatte Th10. Die lumbale Rotationsskoliose zeigt einen Cobb-Winkel von 71° (gemessen zwischen der Deckplatte Th11 und der Grundplatte L4).

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Altersentsprechend

Ernährungszustand:

normal

Größe: 160 cm Gewicht: 51 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ist in 3 Gangarten durchführbar, Einbeinstand ist möglich, die tiefe Hocke ist nicht eingeschränkt. Knick- Senkfüße beidseits. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit:

Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Wirbelsäule:

Der rechte Beckenkamm steht etwa 1,5 cm höher. Ausgeprägte s-förmige

Rotationsskoliose von Brust- und Lendenwirbelsäule, Rippenbuckel links gut 4 cm, kein auffälliger Lendenwulst. Der linke Rippenbogen tangiert den Beckenkamm. Kein auffälliger Hartspann. Deutlich Klopfschmerz am thorakolumbalen Übergang. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei. Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt.

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 5, Rückwärtsneigen ist nicht möglich, Seitwärtsneigen ist jeweils 2/3 eingeschränkt, Rotation 25-0-25

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt in Stiefeln zur Untersuchung, das Gangbild ist symmetrisch, hinkfrei. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus:

Wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Hochgradige Achsverkrümmung der Wirbelsäule (Cobb 54° bzw. 71°) Unterer Rahmensatz dieser Position, da hochgradig eingeschränkte Beweglichkeit, jedoch ohne relevante motorische Ausfälle

02.01.03

50

 

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

 

 

...

[x] Dauerzustand

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren

Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist zumutbar und möglich. Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern, sind behinderungsbedingt nicht erforderlich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Keine.

..."

Unter Zugrundelegung dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde der Beschwerdeführerin am 18.01.2019 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Am 11.03.2019 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

Die belangte Behörde legte diesem Antrag das zuvor eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten vom 08.01.2019 zugrunde, brachte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.03.2019 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit am 03.04.2019 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, in welcher sie im Wesentlichen ausführte, das orthopädische Sachverständigengutachten sei unvollständig und beinhalte einige Fehler. Es werde darin nicht auf ihre Beschwerden beim Heben und die Hebelimitierung von 10 kg eingegangen. Bei der Zusammenfassung relevanter Befunde sei fälschlicherweise angegeben, dass das rechte Bein länger sei, tatsächlich sei aber das linke Bein länger. Im Klinischen Status habe der Gutachter die Beinlänge wiederum als ident beschrieben. Das Gangbild sei ebenso fälschlich als hinkfrei angegeben, obwohl bei der Beschwerdeführerin ein Beckenschiefstand und eine Beinlängendifferenz von mehr als 4 cm bestehe. Die Beschwerdeführerin werde sich im Herbst einer operativen Wirbelsäulenbegradigung unterziehen, auf die eine langwierige Rehabilitation folge. Sie sei auf einen Behindertenparkplatz angewiesen, da ihr zweijähriger Sohn bereits 12 kg wiege und sie mit dem zusätzlichen Heben von Kinderwagen und Tasche rund 30 kg bewältigen müsse. Nach 10 Minuten Gehen müsse sie sich aufgrund der auftretenden Schmerzen einige Zeit hinlegen. Die Beschwerdeführerin könne keine körperlichen Tätigkeiten wie Heben oder längeres Stehen (z.B. beim Bügeln) ausführen. Die Beschwerdeführerin habe weitere Untersuchungstermine und werde Befunde nachreichen. Ab 23.04.2019 befinde sie sich drei Wochen lang auf Reha. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr nicht zumutbar. Die Beschwerdeführerin schloss ihrem Schreiben einen Befund eines Facharztes für Orthopädie vom 21.03.2019 an, in welchem eine hochgradige Skoliose diagnostiziert und eine Hebelimitierung von 10kg festgehalten wird.

Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen und Facharzt für Orthopädie um eine ergänzende Stellungnahme. In der Stellungnahme vom 08.04.2019, basierend auf der Aktenlage, wurde Folgendes ausgeführt:

"...

Die Einwendungen gegen das GA zielen auf den Zusatzeintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ab.

Hinsichtlich Funktion der unteren Extremitäten, Gangbild und Gangleistung bestehen keine Einschränkungen. Gehhilfen sind nicht erforderlich.

Ein nachgereichter orthop. Befundbericht beschreibt die bekannte hochgradige Skoliose. Der Befund beschreibt ein Hebelimit von 10 kg. Der Befund wiederspricht nicht der Einschätzung des Leidens im GA. Eine Änderung des Gutachtens oder Anpassung der Einschätzung ist aus Sicht des Gutachters nicht erforderlich.

..."

Mit angefochtenem Bescheid vom 08.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. In der Begründung des Bescheides werden im Wesentlichen die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 08.01.2019, welches als schlüssig erachtet werde, wiedergegeben. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Aufgrund der im Zuge des Parteiengehörs vorgebrachten Einwände sei eine abermalige Überprüfung durch den ärztlichen Sachverständigen durchgeführt und festgestellt worden, dass sich keine Änderung im Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergeben habe. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten und die ergänzende Stellungnahme des Gutachters übermittelt. Weiters wurde im Bescheid angemerkt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da laut Entscheidung der belangten Behörde die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen.

Mit Email vom 22.05.2019 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dabei brachte sie im Wesentlichen vor, sie sei gerade auf Reha gewesen, was aber zu keiner Schmerzlinderung geführt habe, sie könne noch von keinem Erfolg der Behandlungen berichten. Nach wie vor habe sie täglich starke Schmerzen und nach kurzer Zeit beim Stehen massive Beschwerden. Das orthopädische Sachverständigengutachten sei fehlerhaft und unvollständig, beinhalte widersprüchliche Feststellungen und sei unrichtig. Die Beschwerdeführerin habe erhebliche Probleme längere Zeit zu stehen, hinke wegen ihrer Rotationsskoliose und dem Beckenschiefstand ständig beim Gehen und könne maximal 10 Kg heben. Die Rotationsskoliose behindere sie beim Liegen durch den Rippenbuckel, die neuesten Röntgenaufnahmen würden sogar das Tangieren der Lunge belegen. Im Gutachten sei nicht auf die Einschränkung beim Heben eingegangen worden, sei links mit rechts verwechselt und eine gleiche Beinlänge attestiert worden, die aber links um 3,7 cm differiert. Der zweijährige Sohn der Beschwerdeführerin habe bereits 13 kg, mit Kinderwagen und Tasche müsse sie rund 30 kg befördern und schon beim Verlassen der Wohnung sechs Stiegen überwinden. Bis zur Haltestelle des nächsten öffentlichen Verkehrsmittels seien es 200 Meter und bereits dort verspüre die Beschwerdeführerin einen brennenden Schmerz im Rücken. Auch beim Aufstehen in der Früh brauche sie schon einige Zeit, bis sie sich überhaupt aufrichten könne. Die Beschwerden hätten sich im letzten halben Jahr durch das oftmalige Heben ihres Sohnes deutlich verschlechtert. Die Beschwerdeführerin habe von zwei weiteren unabhängigen Orthopäden Befunde eingeholt, die ihre Angaben eindeutig belegen und die Feststellungen des Gutachters widerlegen. Ihr sei geraten worden, sich in zwölf Monaten operieren zu lassen - die Operation dauere mindestens sechs Stunden - sonst blühe ihr in absehbarer Zeit der Rollstuhl. Sie habe einen Antrag auf Pflegegeld gestellt und müsse zum Monatsende wieder ihrem Beruf nachgehen. Der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises müsse ihr ohne Einschränkung bewilligt werden. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Sie stellte am 11.03.2019 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt.

Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

- Hochgradige Achsverkrümmung der Wirbelsäule (Cobb 54° bzw. 71°)

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 08.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.12.2018, sowie der ergänzenden Stellungnahme des orthopädischen Sachverständigen vom 08.04.2019 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führte, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 08.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 18.12.2018 und die ergänzende Stellungnahme des orthopädischen Sachverständigen vom 08.04.2019.

Die von der Beschwerdeführerin geschilderten, durch ihre Skoliose hervorgerufenen Schmerzen, insbesondere bei längerem Stehen und Liegen aber auch beim Heben und längerem Gehen sind nachvollziehbar und im Sachverständigengutachten in der Einschätzung der festgestellten Funktionseinschränkung berücksichtigt und mitumfasst. Es bestehen jedoch keine Einschränkungen in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, sie könne maximal 10 kg heben, müsse aber aufgrund ihres zweijährigen Sohnes inklusive Kinderwagen und Taschen meistens 30 kg tragen, so ist festzustellen, dass als Prüfungskriterien der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel herangezogen werden. Entscheidungsrelevant ist daher betreffend die oberen Extremitäten, ob das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel ausreichend gewährleistet ist, was aufgrund der festgestellten hinreichenden Kraft und Beweglichkeit der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar ist. Auch die Funktion der unteren Extremitäten ist bei der Beschwerdeführerin nicht erheblich eingeschränkt. Nicht entscheidungsrelevant für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist die Frage, in welchem Ausmaß die Beschwerdeführerin Lasten heben und tragen kann, da dies für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erforderlich ist.

Insoweit die Beschwerdeführerin die unrichtigen Feststellungen betreffend ihre Beinlängendifferenz vorbringt, ist festzuhalten, dass die monierte "Verwechslung" der rechten und linken Seite durch den Sachverständigen unter dem Punkt "Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe)" aus dem von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Röntgenbefund der Wirbelsäule und des Beckens vom 20.09.2017 stammt, aus dem der Sachverständige wortwörtlich zitiert. Die Verwechslung von linker und rechter Seite vermag jedoch in keinem Fall zu einer Änderung der Beurteilung zu führen, zumal laut der Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen eine erhebliche Funktionseinschränkung in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegt und die Beschwerdeführerin eine Beinlängendifferenz von 3,7cm aufweist. Dass die Beschwerdeführerin durch die Beinlängendifferenz und den Beckenschiefstand hinkt, konnte weder durch vorgelegte Befunde noch durch die Statuserhebung in der persönlichen Untersuchung am 18.12.2018 belegt werden, in welcher sich das Gangbild symmetrisch und hinkfrei zeigte, der Barfußgang in drei Gangarten durchführbar, Einbeinstand und Hocke nicht eingeschränkt und die Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen seitengleich frei beweglich waren. Die Beschwerdeführerin benötigt auch keine Gehhilfe.

Die geplante Wirbelsäulenoperation führt ebenfalls nicht zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Bei der Beurteilung des zur Einschätzung des Grades der Behinderung zu Grunde zu legenden Leidens der beschwerdeführenden Partei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Sachlage maßgebend (vgl. etwa VwGH 26.11.2002, 2001/11/0404 und 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118). Hierbei ist es daher rechtlich unerheblich, dass künftig mögliche Verschlechterung des Leidenszustandes drohen könnten, weil es auf eine aktuelle Beurteilung zum Entscheidungszeitpunkt ankommt und keine Prognose zu treffen ist, wie und unter welchen Voraussetzungen sich Funktionseinschränkungen entwickeln könnten. Darüber hinaus hat die geplante Operation das Ziel, zu einer Besserung des Zustandes zu führen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen zwar Probleme im Bereich der Wirbelsäule, die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300 bis 400 Meter, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden. Das sichere Aus- und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist ebenfalls möglich. Es liegen auch keine Hinweise auf relevante Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder kognitive Defizite vor, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würden.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 08.01.2019 und der ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-

vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-

laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-

Kleinwuchs,

-

gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-

bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."

..."

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 08.04.2019 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 59/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 08.01.2018 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden körperlichen Defizite - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Weiters sind keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.

Die Beschwerdeführerin verwendet keine Gehhilfe. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft, das Stehen sowie das sichere Ein- und Aussteigen (Überwinden von Niveauunterschieden) sind der Beschwerdeführerin durch die im ausreichenden Ausmaß objektivierten Bewegungsumfänge, die ausreichende Kraft und Koordination uneingeschränkt möglich.

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass erforderlichen Voraussetzungen einer erheblichen Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind somit nicht erfüllt. Für das Vorliegen weiterer Tatbestände des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen haben sich im gegenständlichen Fall keinerlei konkrete Anhaltspunkte ergeben.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrecht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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