TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/27 98/05/0189

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Veröffentlicht am 27.10.1998
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Maria Eleonora Hayduck in Wien, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 34/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 11. August 1998, Zl. MD-VfR - B XI - 19/98, betreffend ein Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Felix Szauer, Wien XI, Kunitschgasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 23. Juni 1998 wurde der mitbeteiligten Partei als Bauwerber gemäß § 70 der Bauordnung für Wien unter Hinweis auf die bescheidmäßig bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines unterkellerten Einfamilienhauses in gekuppelter Bauweise und ausgebautem Dachgeschoß in Wien XI, Ohligsgasse 14, erteilt.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des links an die zu bebauende Liegenschaft anschließenden Grundstückes Wien XI, Ohligsgasse 16.

Nach der zuletzt am 14. Juli 1997 bestätigten und von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen ist für das zu bebauende Grundstück die Widmung Wohngebiet, Bauklasse I, mit einer Beschränkung der Gebäudehöhe auf 7,50 m sowie die offene oder gekuppelte Bauweise angeordnet. Ein Vorgarten von 5 m Tiefe ist einzuhalten.

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung über das am 12. März 1998 eingebrachte Baubewilligungsansuchen der mitbeteiligten Partei mit dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Pläne wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zugestellt. Aus den Plänen ist deutlich erkennbar, daß sowohl ein Wohnhaus als auch ein Nebengebäude unmittelbar an der linken Grundgrenze errichtet werden sollen. Die Ladung zur mündlichen Bauverhandlung für den 8. April 1998 enthielt den Hinweis, daß Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung, die nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde bekanntgegeben oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung mehr finden und angenommen wird, daß der Beteiligte dem Gegenstand der Verhandlung zustimmt. Auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG im Falle der Nichterhebung von Einwendungen wurde in der Ladung hingewiesen. An der mündlichen Bauverhandlung am 8. April 1998 hat ein Vertreter der Beschwerdeführerin teilgenommen, der erklärte, daß der Bebauung zugestimmt werde und kein Einwand gegen das vorgelegte Projekt bestehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, mit Rücksicht auf die im § 42 AVG vorgesehene Präklusion sei es der Beschwerdeführerin verwehrt, die einmal erteilte Zustimmung zu dem Bauvorhaben ihres Nachbarn mit Wirkung für das baubehördliche Bewilligungsverfahren zu widerrufen. Ob ein solcher Widerruf allenfalls Auswirkungen im Bereich des Zivilrechts habe, sei von der Baubehörde nicht zu prüfen. Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes müsse die Berufungsbehörde davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin als Nachbarin der Errichtung von Gebäuden an der Grundgrenze zugestimmt habe, sodaß die Einhaltung der gekuppelten Bauweise gemäß § 76 Abs. 4 BO zulässig sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei ihr nicht zumutbar, daß die Nachbarfenster direkt an der Grundstücksgrenze angebracht werden sollen, sei unverständlich, weil die Einhaltung der gekuppelten Bauweise die Bauwerber zur Herstellung von Feuermauern an der linken Grundgrenze zwinge, welche ohne Öffnungen herzustellen seien; der Bauplan sehe Öffnungen an der Grundgrenze auch nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten als Nachbarin beeinträchtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bezüglich der in der Berufungsentscheidung enthaltenen Begründung, die Beschwerdeführerin sei präkludiert, wird, ausgehend von dem von der Berufungsbehörde festgestellten und von der Beschwerdeführerin unbekämpft gebliebenen Sachverhalt, in der Beschwerde ausgeführt, in der Ladung zur Bauverhandlung vom 17. März 1998, auf welche sich die Baubehörde beziehe, sei in keiner Weise darauf hingewiesen worden, daß die Bauwerber ihr Gebäude in gekuppelter Weise zu errichten beabsichtigen sowie daß dieses Gebäude unmittelbar an der Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin errichtet werden soll.

Das Mitspracherecht der Nachbarn im baurechtlichen Bewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.).

Präklusion im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG tritt für einen zur Verhandlung rechtzeitig persönlich geladenen Beteiligten (siehe § 42 Abs. 2 AVG) ein, wenn er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen vorgebracht hat. Präklusion kann jedoch nur dann eintreten, wenn - abgesehen von den übrigen Voraussetzungen - Identität zwischen dem Gegenstand der abgeführten Verhandlung und dem in der Kundmachung angeführten Gegenstand besteht. Sie kann immer nur innerhalb der durch den angegebenen Gegenstand gezogenen Grenzen eintreten (vgl. hiezu die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), S. 608 zu § 42 AVG referierte hg. Rechtsprechung). Eine Präklusion kann demnach nicht eintreten, wenn Gegenstand der Verhandlung Bauvorhaben sind, welche in der Ladung (Kundmachung) nicht genannt worden sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. November 1992, Zl. 92/05/0053). Dies wird jedoch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Sie trägt auch nicht vor, daß der Ladung nicht hätte entnommen werden können, welches Projekt Gegenstand der Verhandlung sein soll. Aufgrund der unbekämpft gebliebenen Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß in der Ladung auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die das Projekt betreffenden Pläne hingewiesen worden ist, war die Beschwerdeführerin nicht gehindert, sich rechtzeitig hinreichend Kenntnis vom Verfahrensgegenstand zu verschaffen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. September 1991, Zl. 91/05/0023).

War die Beschwerdeführerin aber präkludiert, dann war zwar ihre Berufung zulässig, sie hat jedoch keinen Rechtsanspruch auf Überprüfung des unterinstanzlichen Bescheides (siehe hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, S. 108). Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben die Rechtsfolgen der Präklusion zu berücksichtigen. Aus der Bestimmung des § 42 Abs. 1 AVG erwächst nämlich dem Bauwerber das Recht, daß die Behörde nur dann eine Sachentscheidung über eine Einwendung zu treffen hat, wenn sich der Nachbar seines Rechtes, das Vorhaben zu bekämpfen, nicht verschwiegen hat (vgl. hiezu Hauer, a.a.O., S. 110, und die dort wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung). Auf das die eingetretene Präklusion mißachtende Beschwerdevorbringen ist daher nicht einzugehen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998050189.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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