TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 W262 2216700-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W262 2216700-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 19.02.2019, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentliche Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines bis 31.01.2023 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. und stellte am 12.07.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde und Unterlagen einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Auf dem Antragsformular der belangten Behörde ist folgender Hinweis enthalten:

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.08.2018 erstatteten - Gutachten vom 29.10.2018 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Kleinzelliges Nierenkarzinom (Erstdiagnose 2013), Sekundärabsiedelungen in die Lunge und in die Wirbelsäule, Zustand nach Versteifungsoperation im Bereich der Wirbelsäule

2

Verlust der linken Niere

zugeordnet und mit Blick auf die abzuwartende Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung für Oktober 2022 empfohlen.

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliege. Es würden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle finden. Der Beschwerdeführer könne eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es seien keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen würden. Es bestehe keine massive hochgradige Atemnot schon bei geringster Belastung und keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie. Von den anerkannten Leiden gehe keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar mache.

3. Mit Schreiben vom 05.11.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt.

In der dazu erstatteten Stellungnahme vom 20.11.2018 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, das übermittelte Gutachten entspreche nicht seinem tatsächlichen Gesundheitszustand. Es sei ihm durch seine massive und andauernde Erkrankung und die damit verbundene Einschränkung seiner Bewegungs- und Gehfähigkeit nicht möglich, weite Strecken zu Fuß zurückzulegen, dies unabhängig von der Tagesverfassung. Dazu komme, dass er für seinen Weg zur Arbeitsstätte geschäftliche Unterlagen wie Notebook, Dokumente und eine Tasche zu transportieren habe, welche den Fußweg in Kombination mit den gesundheitlichen Einschränkungen weiter erschweren würden. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, insbesondere zu den Stoßzeiten mit fehlenden Sitzmöglichkeiten sowie das Anfahren und Abbremsen würden starke Schmerzen verursachen.

4. In der Folge forderte die belangte Behörde den bereits befassten Sachverständigen auf, zu diesen Einwendungen Stellung zu nehmen. In der am 19.02.2019 erstatteten Stellungnahme führte der Sachverständige Folgendes aus:

"...

Antwort(en):

Der Antragwerber ist mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden und wendet ein, dass aufgrund der dauernden Gesundheitsschädigungen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

Es werden keine neuen objektiven medizinischen Befunde vorgelegt.

Wie schon im Gutachten auf Abl. 6 ausführlich erörtert, kann keine Gesundheitsschädigung ermittelt werden, welche die Kriterien der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel erfüllt.

Bei Fehlen abweichender medizinischer Befunde muss an dem Kalkül, dass eben keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, festgehalten werden."

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das Sachverständigengutachten vom 29.10.2018 samt Stellungnahme vom 19.02.2019, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Das Sachverständigengutachten samt Stellungnahme vom 19.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

Abschließend merkte die Behörde an, dass ein Parkausweis gemäß § 29b StVO nicht ausgestellt werden könne, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentliche Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

6. Mit Schreiben vom 27.03.2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte begründend im Wesentlichen aus, vom Gutachter sei nur die Beweglichkeit überprüft worden, nicht jedoch die Auswirkungen von Stößen, Vibrationen und Ziehbewegungen, welche von den Armen auf die Wirbelsäule und den Brustkorb übertragen würden. Gleiches gelte für das Tragen von Lasten.

7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 29.03.2019 vorgelegt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie ein. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.06.2019 erstatteten Gutachten vom 22.06.2019 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

Jetzige Beschwerden:

Es hat sich seit 2017 einiges verschlechtert. Im Liegen vibrieren beide Beine. Dr. Krepler konnte mir das nicht erklären. Ich kann nicht lange gehen, stehen oder sitzen. Die Bauchdecke rechts ist instabil. Erschütterungen sind schlecht, ich habe das Gefühl, die Gedärme kommen raus. Große Probleme habe ich beim Anhalten in ÖVM, es krampft die Bauchdecke, die Wirbelsäule schmerzt dann auch ziemlich stark.

Ich habe wegen des Medikaments Cabometyx Schmerzen in den Fußsohlen und den Handflächen und oft eine Übelkeit, eher abends, das sind beschriebene Komplikationen des Medikaments. Oft bin ich kraftlos.

...

Gangbild/Mobilität:

Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe gut möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand mit Anhalten möglich.

BEURTEILUNG

Ad 1) Diagnoseliste

1) Kleinzelliges Nierenzellcarcinom, Zustand nach Entfernung einer Niere und eines Lungenflügelanteiles, Zustand nach Wirbelkörperentfernung zweier Brustwirbel, Wirbelkörperersatz, Versteifung Th 7 bis Th 12. Medikamentöse Chemotherapie bzw. Antikrebstherapie mit Nebenwirkungen.

Ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten. Alle Gelenke sind stabil und ausreichend beweglich, ein relevantes Muskeldefizit findet sich nicht, auch keine relevante peripherere Nervenschädigung. Ein relevantes sensomotorisches Defizit der Extremitäten ist weder klinisch erhebbar noch befundmäßig ableitbar. Beide Arme können in Gebrauchsstellung gebracht werden, alle Gelenke der oberen Extremitäten sind stabil und ausreichend beweglich.

Ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.

Ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor.

Ad 5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Es liegt keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

Ad 6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Es liegt keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.

Ad 7) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Stellungnahme vom 20.11.2018 (Abl. 19) und der Beschwerde (Abl. 25) erhobenen Einwendungen.

Die erforderliche Gehstrecke ist von ihm sicher erbringbar. Die Vorwölbung der Bauchwand besteht, ein verringertes Vermögen zur

Rumpfstabilisierung ist glaubhaft. Klinisch ist dies ... eher schwer

festzustellen. Wenn man bedenkt, dass dem BF zwei Wirbelkörper entfernt wurden, ist eine veränderte Biomechanik paravertebral erklärbar. Zusätzlich erschwert meines Erachtens die Antikrebstherapie den Alltag.

Ad 8) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden (Abl. 1-6) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.

Die Befunde dokumentieren die zahlreichen Eingriffe, vor allem an der Wirbelsäule.

Ad 9) Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a. der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

b. der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

c. der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

d. der Schwierigkeiten beim Stehen,

e. der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,

f. der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

g. Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?:

a. die geforderte Mindestgehstrecke ist sicher möglich.

b. Ein- und Aussteigen sind möglich, die Beugefunktionen der Gelenke der unteren Extremitäten sind ausreichend, damit ist

c. möglich. Teilinstabilität zum Zeitpunkt der Beschwerde nicht evident.

d. Stehen im Nahbereich ist möglich, aber erschwert.

e. Sitzplatzsuche ist möglich.

f. Fortbewegen im öffentlichen Verkehrsmittel ist erschwert.

g. Es ist beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit leichten Schmerzen, kurzfristig bis zu mittleren zu rechnen, starke Schmerzen sind allerdings, besonders beim Transport und von der Wirbelsäule ausgehend, nicht auszuschließen. Die Beschwerden durch die Nebenwirkungen der Medikamente wirken ebenso verschlechternd.

Ad 10) Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 29.10.2018 samt Stellungnahme vom 19.02.2019 abweichenden Beurteilung.

Es ist eine Veränderung zum Gutachten erster Instanz objektivierbar. Prinzipiell sind die Ausführungen der geschätzten Kollegen nachvollziehbar und korrekt, glaube aber doch, dass besonders das Rumpfstabilisieren mangelhaft ist. Deshalb ist das Benützen von ÖVM ausreichend erschwert.

Ad 11) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine ärztliche Nachuntersuchung ist erforderlich. Schlage den Termin 10/2022 vor, nach Ablauf der Heilungsbewährung."

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2019 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. Er stellte am 12.07.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO, welcher von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gewertet wurde.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Kleinzelliges Nierenzellcarcinom, Zustand nach Entfernung einer Niere und eines Lungenflügelanteiles;

2) Zustand nach Wirbelkörperentfernung zweier Brustwirbel, Wirbelkörperersatz, Versteifung Th. 7 bis Th. 12;

3) Medikamentöse Chemotherapie bzw. Antikrebstherapie mit Nebenwirkungen.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 22.06.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Beim Beschwerdeführer liegen zwar weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit sowie psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor. Auch eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit sind beim Beschwerdeführer nicht gegeben.

Jedoch sind beim Beschwerdeführer bei Zustand nach Wirbelkörperentfernung zweier Brustwirbel, Wirbelkörperersatz sowie Versteifung Th. 7 bis Th. 12 das Stehen und das Fortbewegen in fahrenden öffentlichen Verkehrsmitteln erschwert und mit leichten, kurzfristig bis mittleren Schmerzen, verbunden. Aufgrund des Zusammenwirkens der bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auftretenden, von der Wirbelsäule ausgehenden starken Schmerzen, der Nebenwirkungen der im Rahmen der Krebstherapie einzunehmenden Medikamente und der mangelhaften Rumpfstabilisierung kann dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht derzeit nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen über Datum der Einbringung und Wertung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO und über das Vorliegen eines Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Funktionseinschränkungen sowie zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 22.06.2019.

Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden des Beschwerdeführers sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene medizinische Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Beide Verfahrensparteien haben sich dazu nicht mehr geäußert.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 22.06.2019, welches somit der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

3.2. Zur Wertung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO

3.2.1. Im vorliegenden Fall wurde die Eingabe des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet. Dazu ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen.

Demnach ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, 2008/07/0060 mwH).

Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (VwGH 19.05.1994, 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (VwGH 16.12.1992, 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (VwGH 27.07.1994, 90/10/0046).

Im vorliegenden Fall wurde vom Beschwerdeführer am 12.07.2018 ein Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO eingebracht.

Dieses Anbringen wurde von der belangten Behörde - wie sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt ergibt - auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet. Im Übrigen findet sich diesbezüglich im Antragsformular ein ausdrücklicher Hinweis (vgl. dazu Punkt I.1.).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wurde die Beurteilung des Parteienanbringens seitens der belangten Behörde schon deshalb in nachvollziehbarer Weise vorgenommen, weil der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe erkennbar das Ziel verfolgt hat, letztlich in den Genuss der Berechtigungen nach § 29b Abs. 2 bis 4 StVO zu kommen. Angesichts des Umstandes, dass dies ausschließlich Inhabern eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz möglich ist, die bereits über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, wurde das Anbringen seitens der belangten Behörde im Lichte einer rechtsschutzfreundlichen und für das Ziel des Beschwerdeführers günstigen Weise ausgelegt.

Der Beschwerdeführer ist der Wertung seines Anbringens - ausweislich des Verwaltungsaktes - weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Rahmen der Beschwerde entgegengetreten.

Die Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das Anbringen des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und letztlich auf die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gerichtet war.

3.2.2. Ausgehend von dieser Wertung des Anbringens durch die belangte Behörde ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes allerdings nicht nachvollziehbar, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht (auch) - entweder im Rahmen eines gesonderten Bescheides oder im Wege eines zusätzlichen Spruchpunktes im angefochtenen Bescheid - abgesprochen wurde.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.4. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.5. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

..."

3.6. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.6.1. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

3.7. Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig erkannte und im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen gebliebene Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt angesichts der bei ihm festgestellten Funktionseinschränkungen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

3.8. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.

Die belangte Behörde hat folglich die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass des Beschwerdeführers vorzunehmen.

Angemerkt wird, dass der befasste Sachverständigen von einer möglichen Besserung des Zustandes des Beschwerdeführers nach Ablauf der Heilungsbewährung im Oktober 2022 ausgeht und daher eine Nachuntersuchung empfohlen hat.

Angesichts dieses Verfahrensergebnisses ist darüber hinaus anzumerken, dass eine zeitnahe Behandlung des - bislang nicht erledigten - Antrages des Beschwerdeführers vom 12.07.2018 auf Ausstellung eines Ausweises nach § 29b StVO durch die belangte Behörde geboten ist.

3.9. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.9.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.9.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde uns aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihm seitens des Verwaltungsgerichts mitgeteilt wurde, dass - sollte er eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Der Beschwerdeführer hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umst

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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