TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 W262 2215446-1

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Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W262 2215446-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 26.02.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), vom 23.05.2017 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Begründung abgewiesen, dass sie mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen dafür nicht erfülle. Mit Bescheid vom 24.05.2017 wurde ihr Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO abgewiesen, da sie nicht Inhaberin eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sei.

2. Die Beschwerdeführerin beantragte am 22.11.2018 bei der belangten Behörde die Ausstellung eines Behindertenpasses mit den Zusatzeintragungen "Bedarf einer Begleitperson" und "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

3. In weiterer Folge wurde seitens der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15.01.2019 erstatteten - Gutachten vom 18.01.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Dilative Cardiomyopathie Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mit mittel bis höhergradig reduzierter linksventrikulärer Funktion nach cardialer Dekompensation 12/2017 und mittelgradiger Mitralklappeninsuffizienz - inkludiert auch arteriellen Bluthochdruck

05.02.02

60

2

Parkinsonsyndrom Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da kleinschrittiger Gang mit Freezing und milden Dyskinesien sowie mild cognitive impairment

04.09.02

50

3

Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Zustand nach osteoporotischem Wirbelbruch TH12 und L1 Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da rezidivierendes Cervicolumbalsyndrom ohne maßgebliche neurologische Defizite - inkludiert auch Osteoporose

02.01.02

30

4

Degenerative Gelenksveränderungen Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mäßige Funktionseinschränkungen der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke sowie Hallux rigidus links

02.02.02

30

5

Leichte chronisch obstruktive Lungenerkrankung, overlapping Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da ständige Monotherapie erforderlich, jedoch keine signifikante Klinik und keine Oxygenierungsstörung evident

06.06.01

20

6

Chronische Niereninsuffizienz Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Kreatinin um 1,4 mg

05.04.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Erhöhung der führenden funktionellen Einschränkung 1 durch Leiden 2 bis 4 um zwei Stufen aufgrund der zusätzlichen Beeinträchtigung durch diese Leiden gerechtfertigt sei. Leiden 5 und 6 würden nicht weiter erhöhen, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Es komme im Vergleich zum Vorgutachten zu einer erstmaligen Berücksichtigung der Leiden 1 und 6 sowie zu einer Verschlimmerung von Leiden 2 und 4. Insgesamt erhöhe sich der Gesamtgrad der Behinderung um vier Stufen. Es handle sich um einen Dauerzustand.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde mit näherer Begründung bejaht. Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Bedarf einer Begleitperson" wurde nicht näher begründet.

4. Am 30.01.2019 ergänzte der bereits befasste Arzt für Allgemeinmedizin sein Sachverständigengutachten und führte Folgendes aus:

"Es liegen keine Funktionseinschränkungen vor, welche die Hilfestellung einer Begleitperson zur selbstständigen Fortbewegung erfordern. Die selbständige Orientierungsfähigkeit ist gegeben."

5. Im Rahmen des zu diesem Gutachten samt Ergänzung gewährten Parteiengehörs erstattete die bevollmächtigte Tochter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sich ihre Mutter nur schwer orientieren könne und ohne Begleitperson nicht die nötige Standfestigkeit für einen Transport in einem fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel aufweise.

6. Am 18.02.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. und den Zusatzeintragungen "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen", "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs.1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" ausgestellt.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.02.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für diese Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Abschließend merkte die belangte Behörde an, dass aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin der Antrag neuerlich geprüft worden sei, der Sachverständige seine Einschätzung aber bestätigte. Das Gutachten vom 18.01.2019 samt Stellungnahme vom 30.01.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

8. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 01.03.2019 fristgerecht Beschwerde und führte begründend im Wesentlichen aus, dass sie sich im öffentlichen Raum nicht mehr ohne Rollator bewegen könne und für die Unebenheiten und Hindernisse immer eine Hilfestellung durch ihre 24-Stunden-Pflege benötige. Der Weg ins Seniorenheim, in dem sie ihre einzig verbleibende Freundin einmal in der Woche besuche, könne nur mit Hilfe bewältigt werden.

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 04.03.2019 vorgelegt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht forderte in weiterer Folge mit Schreiben vom 06.03.2019 den bereits befassten Arzt für Allgemeinmedizin auf, sein Gutachten vom 30.01.2019 anhand spezifischer Fragestellungen zu ergänzen.

11. In dem daraufhin aufgrund der Aktenlage erstatteten Sachverständigengutachten vom 26.03.2019 führte der Arzt für Allgemeinmedizin auszugsweise Folgendes aus (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

Stellungnahme

Die von der Partei beim Antrag und bei der Untersuchung vorgebrachten Leiden wurden von allgemeinmedizinischer Seite unter Beachtung der von der Partei zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und einer Einschätzung unterzogen.

1. Ist die Beschwerdeführerin überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen?

Ein überwiegendes Rollstuhlerfordernis der Beschwerdeführerin ist aufgrund der eingestuften Leiden mit den objektivierbaren Funktionseinschränkungen nicht begründbar.

2. Ist die Beschwerdeführerin blind, hochgradig sehbehindert oder taubblind?

Die Beschwerdeführerin ist nicht blind, hochgradig sehbehindert oder taubblind.

3. Leidet die Beschwerdeführerin an kognitiven Einschränkungen, sodass sie im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständig der Hilfe einer zweiten Person bedarf?

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen kognitiven Einschränkungen, die das ständige Erfordernis einer zweiten Person im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung erfordern würden.

4. Ist die Beschwerdeführerin in Folge von Bewegungseinschränkungen zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig auf die Hilfe einer zweiten Person angewiesen?

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde (Abl. 62), ständig auf einen Rollator angewiesen zu sein und zur Überwindung von Unebenheiten und Behinderungen ständig auf die Hilfe einer zweiten Person angewiesen zu sein.

Die Beschwerdeführerin kann sich mit Rollator selbständig im öffentlichen Raum fortbewegen. Auch diesbezüglich ist die Hilfestellung einer 2. Person nicht erforderlich.

Die Argumentation, zur Überwindung von Unebenheiten und Behinderungen ständig auf die Hilfe einer 2. Person angewiesen zu sein, ist nicht ausreichend nachvollziehbar, da die selbständige Gehfähigkeit mit Rollator erhalten ist und auch das Anheben der Vorderräder eines Rollators - bei heutiger üblicher Bauweise und unter Berücksichtigung der ausreichend erhaltenen Armkraft - möglich ist.

Darüber hinaus steht die Angabe, dass eine Station mit der U-Bahn mit einer Pflegerin noch bewältigt werden kann, im Widerspruch zu der bereits zuerkannten Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel'."

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2019 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. und den Zusatzeintragungen "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen", "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor".

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" wurde mit Bescheid vom 26.02.2019 abgewiesen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.) Dilative Cardiomyopathie mit mittel- bis höhergradig reduzierter linksventrikulärer Funktion nach cardialer Dekompensation 12/2017 und mittelgradiger Mitralklappeninsuffizienz sowie arteriellem Bluthochdruck;

2.) Parkinsonsyndrom mit kleinschrittigem Gang, Freezing und milden Dyskinesien sowie mild cognitive impairment;

3.) Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Zustand nach osteoporotischem Wirbelbruch TH12 und L1, rezidivierendes Cervicolumbalsyndrom ohne maßgebliche neurologische Defizite und Osteoporose;

4.) Degenerative Gelenksveränderungen, mäßige Funktionseinschränkungen der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke sowie Hallux rigidus links;

5.) Leichte chronisch obstruktive Lungenerkrankung sowie overlapping Asthma bronchiale ohne Erfordernis ständiger Monotherapie und ohne evidente Oxygenierungsstörung;

6.) Chronische Niereninsuffizienz.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Gesundheitsschädigungen bzw. ihrer Art und Schwere werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.01.2019 samt Ergänzung vom 30.01.2019 und in dem vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Ergänzungsgutachten vom 26.03.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der durch die degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen in Kombination mit dem Parkinsonsyndrom und dem Herzleiden eingeschränkten Mobilität der Beschwerdeführerin wurde mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" Rechnung getragen.

Die Beschwerdeführerin benötigt zur Fortbewegung einen Rollator, ist aber aus medizinischer Sicht nicht überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen. Die Beschwerdeführerin ist zur Fortbewegung im öffentlichen Raum und auch bei Verwendung des Rollators nicht ständig auf die Hilfe einer zweiten Person angewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist nicht blind, hochgradig sehbehindert oder taubblind. Sie leidet auch nicht an kognitiven Einschränkungen, welche ein ständiges Erfordernis einer zweiten Person zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdungen bedingen würden.

Bei der Beschwerdeführerin liegen weder multifaktorielle Defizite vor, die im Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen eine Begleitperson erforderlich machen, noch besteht ein Leiden, das aufgrund seines Schwergrades für sich alleine eine Begleitperson erfordert.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Behindertenpass, zur Antragstellung und zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zum Nichtvorliegen erheblicher - den Bedarf einer Begleitperson bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin mit der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten Ergänzung.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die von der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren und anlässlich der Untersuchung vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde.

In den Gutachten wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände nachvollziehbar dargelegt, warum die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht keiner Begleitperson bedarf.

Auch die im Verfahren erhobenen Einwendungen vermögen keine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese vom befassten Sachverständigen in seinem im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden Gutachten vom 26.03.2019 gehörig gewürdigt und mittels einer schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Insbesondere wurde im Ergänzungsgutachten diesbezüglich nachvollziehbar ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nicht überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist und sich mit Hilfe eines Rollators selbstständig im öffentlichen Raum bewegen und auch Hindernisse und Unebenheiten durch Anheben der Vorderräder des Rollators bei Bestehen ausreichender Armkraft überwinden kann. Darüber hinaus steht die Angabe der Beschwerdeführerin, sie könne die Fahrt in der U-Bahn mit ihrer Pflegerin noch bewältigen, in Widerspruch zu der bereits zuerkannten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel".

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen des in diesem Verfahren bestellten Sachverständigen zu entkräften, ist dem ergänzenden Sachverständigengutachten vom 26.03.2019 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Sie hat sich zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr geäußert, sondern dieses unwidersprochen zur Kenntnis genommen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den vorliegenden Sachverständigenbeweis vom 18.01.2019 samt Ergänzung vom 30.01.2019 und ergänzendem Gutachten vom 26.03.2019 für schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Er wird der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a) einer Begleitperson bedarf;

diese Eintragung ist vorzunehmen bei

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen;

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen;

-

bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;

-

Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;

-

Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und

-

schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr).

...

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind, um die Frage der Notwendigkeit einer Begleitperson beurteilen zu können, - regelmäßig unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen - die Art der Gesundheitsschädigung des Betroffenen und deren Konsequenzen für die allfällige Notwendigkeit der Beiziehung einer Begleitperson darzustellen (vgl. VwGH 01.03.2016, Ro 2014/11/0024).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde eine Ergänzung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt, das diesen Anforderungen gerecht wird (siehe dazu Pkt. II.2.2. der Beweiswürdigung).

Soweit seitens der Beschwerdeführerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Neurologie angeregt wurde, ist festzuhalten, dass das Gesetz keine Regelung enthält, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114). Dazu wird auf die ausführliche Beweiswürdigung verwiesen.

3.5. Wie oben unter Punkt II.2.2. eingehend ausgeführt, wird der Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 18.01.2019 samt Ergänzung vom 30.01.2019 und ergänzendem Gutachten vom 26.03.2019 zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis zu entkräften, zumal das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte ergänzende Gutachten von der Beschwerdeführerin unwidersprochen blieb.

Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung erreichen die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt kein Ausmaß, das die Vornahme der Zusatzeintragung "Bedarf einer Begleitperson" rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführerin bedarf zur Fortbewegung im öffentlichen Raum nicht ständig der Hilfe einer zweiten Person. Bei ihr bestehen keine derartigen kognitiven Einschränkungen, die bewirken, dass sie im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedarf.

Die Beschwerdeführerin verfügt als Inhaberin eines Behindertenpasses auch weder über eine Eintragung nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. a ("ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen") noch über eine Eintragung nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b ("blind oder hochgradig sehbehindert") oder nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. d ("taubblind") der unter Pkt. II.3.3. auszugsweise wiedergegebenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.

Somit erfüllt die Beschwerdeführerin keine der in § 1 Abs. 4 Z 2 lit. a der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die Vornahme der von ihr begehrten Zusatzeintragung geforderten Voraussetzungen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren (objektivierten) Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des "Bedarfs einer Begleitperson" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.6. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.6.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.6.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem im Verwaltungsverfahren eingeholten und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergänzten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin. Diesem - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten samt Ergänzung ist die Beschwerdeführerin weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten. Das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte ergänzende Gutachten, das auf die Einwendungen in der Beschwerde in fachlicher Hinsicht eingeht, wurde im Rahmen des Parteiengehörs seitens der Beschwerdeführerin unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.6.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine (unvertretene) Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab (vgl. dazu Pkt. II.3.4.); die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, sind - soweit für den Fall von Bedeutung - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2215446.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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