TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 W262 2213060-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W262 2213060-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.11.2018, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist seit 16.04.2007 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

2. Am 15.06.2018 beantragte sie beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), die Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und legte dem Antrag ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

3. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.10.2018 - erstatteten Gutachten vom 07.11.2018 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Encephalomyelitis disseminata Heranziehung dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da mäßig ataktische Gangstörung, Darmentleerungsstörung, Neuromuskuläre Dysfunktion der Harnblase mit Restharn und Fatigue bei EDSS von 5,0 - inkludiert auch Raynauld Symptomatik sowie rezidivierende depressive Störung

04.08.02

60

2

Venöse Insuffizienz Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da keine maßgebliche Schwellungsneigung

05.08.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass Leiden 1 [im Vergleich zum Vorgutachten aus 2007] um eine Stufe erhöht werde und das neu hinzugekommene Leiden 2 mangels Relevanz den Gesamtgrad der Behinderung nicht erhöhe.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom befassten Sachverständigen ausgeführt, dass bei der Beschwerdeführerin eine moderate Einschränkung der Gehfähigkeit vorliege, welche jedoch eine erhebliche Erschwernis des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke, des Ein- und Aussteigens sowie des Fahrens in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend begründen könne. Der benutzte Gehstock erhöhe die Gang- und Standsicherheit, ohne dabei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich zu beinträchtigen. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liege nicht vor.

4. Am 12.11.2018 wurde der Beschwerdeführerin ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. und der Zusatzeintragung "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" ausgestellt. Zugleich erging die Mitteilung an die Beschwerdeführerin, dass über die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" gesondert entschieden werde.

5. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Stellungnahme und gab an, mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden zu sein, da ihre Leiden, insbesondere die Blasen- und Darmentleerungsstörung, zu gering eingeschätzt worden seien. Außerdem sei ein neu aufgetretenes Leiden, nämlich Schmerzen beim Auftreten des linken Fußes, noch nicht berücksichtigt worden.

6. In der Folge forderte die belangte Behörde den bereits befassten Arzt für Allgemeinmedizin auf, zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin Stellung zu nehmen. In der am 28.11.2018 erstatteten gutachterlichen Stellungnahme wurde Folgendes ausgeführt:

"...

Beigelegt wurde ein Defäkographie-Befund des Röntgen XXXX vom 19.10.2017, der eine fehlende Hebung des Beckenbodens bei der Kontraktion mit selbst bei der Kontraktion bis 1,5 cm weitgestellter Sphinkter beschreibt, welcher jedoch gleichzeitig bei der Defäkation deutlich kontrahiert bleibt.

Weiters ein fachärztlicher Befundbericht von XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 28.9.2017, der eine aktive gesicherte Multiple Sklerose beschreibt wobei neben einem ausgeprägten Fatiguesyndrom auch Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen bestehen, und bei Unverträglichkeit von Copaxone und Avonex sowie den vorliegenden Herpesinfekten als Langzeittherapie Immunglobuline empfiehlt.

Außerdem ein Befundbericht der orthopäd. Praxis XXXX vom 12.11.2018, der einen Spreizfuß mit beginnendem Hallux valgus sowie dorsalen Fersensporn beschreibt, sowie eine Verordnung für 1 Paar orth. Schuhzurichtung vom 15.11.2018 von XXXX , Orthopäde.

Die von der Antragstellerin beim Antrag und bei der Untersuchung vorgebrachten Leiden wurden von allgemeinmedizinischer Seite unter Beachtung der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und einer richtsatzgemäßen Einschätzung unterzogen.

Ein weiterer Befund wurde bis jetzt noch nicht vorgelegt.

Insgesamt beinhalten die nachgereichten Einwendungen daher keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, insbesondere auch, da die beschriebene neurologische Symptomatik bereits durch den bei der Untersuchung vorgelegten aktuelleren Befund von der XXXX von 5/2018 beschrieben und im Gutachten berücksichtigt wurde, wobei eine deutliche Besserung am Ende des Rehabilitationsaufenthaltes vermerkt wurde.

Darüber hinaus bewirkt eine, insbesondere auch durch orthopädische Behelfe suffizient behandelte Spreizfußfehlstellung und Fersenspornbildung keinen GdB. Eine maßgebliche Stuhl- oder Harninkontinenz war nicht objektivierbar.

Überdies konnte auch in der hierortigen Begutachtung eine derartige Einschränkung der Gehfähigkeit oder körperlichen Leistungsfähigkeit, welche eine erhebliche Erschwernis der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bewirken könnte, gerade eben nicht objektiviert werden und ist auch den vorhandenen Befundberichten nicht zu entnehmen."

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend wurde unter Bezugnahme auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Das Gutachten vom 07.11.2018 und die Stellungnahme vom 28.11.2018 wurde der Beschwerdeführerin als Beilagen des Bescheides übermittelt.

8. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 09.01.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie im Wesentlichen aus, es stimme nicht, dass keine der festgestellten Funktionseinschränkungen eine Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel begründen würde. Außerdem seien vom beigezogenen Sachverständigen die Blasen- und Darmstörungen als Inkontinenz abgetan worden, da sie bei Inkontinenz keinen Harndrang verspüren würde. Weiters sei es im Hinblick auf den beigelegten Befundbericht ihrer Neurologin falsch, dass keine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliege.

9. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 16.01.2019 vorgelegt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie ein. In diesem - nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.04.2018 erstatteten - Gutachten vom selben Tag wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

" ...

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.

Die Muskeleigenreflexe sind rechtsbetont übermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt bis auf leichten Haltetremor re. > li. an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen.

Fersen/Zehenspitzen/Einbeinstand bds. möglich (durch Keratosen schmerzhaft eingeschränkt, die Muskeleigenreflexe sind rechtsbetont übermittellebhaft auslösbar).

Die Koordination ist leicht ataktisch gestört. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben.

Das Gangbild ist mit einem Stock etwas breitbasig, aber am Gang relativ flüssig.

...

1) Die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin sind als Diagnoseliste anzuführen.

Diagnosen:

1. Sekundär progrediente Encephalitis disseminata.

2. Venöse Insuffizienz.

2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Keine. Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300-400m), das Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren.

3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Nein.

4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Nein.

5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

7) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten fachbezogenen Befunden und medizinische Unterlagen (Abl. 1-9, Abl. 62) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.

Abl. (1-9, 62): Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsausfälle klinisch und befundmäßig nicht objektiviert werden kann. Im Rehabbefund von XXXX ist von einer deutlichen Besserung der Gangstörung die Rede. Die Stuhl- und Harnentleerungsstörung wird von meiner Seite nicht gesondert eingeschätzt (dies zu beurteilen mit evt. Zumutung verfügbarer Hilfsmittel liegt außerhalb meines Fachgebietes).

8) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde (Abl. 63) erhobenen Einwendungen. Die Beschwerdeführerin legt einen fachärztlichen Befundbericht vom 18.12.2018 vor und gibt an, nicht in der Lage zu sein, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen. Darüber hinaus sei die Blasen- und Darmstörung unrichtigerweise als Inkontinenz angegeben worden und nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Abl. 63: Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsausfälle klinisch und befundmäßig nicht objektiviert werden kann. Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300 - 400 m), das Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren. Die sensomotorischen Ausfälle sind mäßig, die Fortbewegung mit Hilfsmitteln ist möglich und zumutbar.

9) Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300 - 400 m), das Ein und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren. Schmerzen werden keine angegeben.

10) Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 abweichenden Beurteilung.

Keine Änderung zum VGA.

11) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Dauerzustand."

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.04.2019 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Beide Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. und der Zusatzeintragung "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen".

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate lang andauern werden:

1) Encephalomyelitis disseminata mit mäßig ataktischer Gangstörung, Darmentleerungsstörung, neuromuskulärer Dysfunktion der Harnblase mit Restharn, Fatiguesyndrom, Raynauld Symptomatik sowie rezidivierender depressiver Störung;

2) Venöse Insuffizienz ohne maßgebliche Schwellungsneigung.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 sowie im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 04.02.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Bei der Beschwerdeführerin liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Bei ihr besteht eine mäßig ataktische Gangstörung; das Gangbild ist bei ausreichender Stand- und Gangsicherheit mit einem Gehstock etwas verlangsamt bzw. breitbasig, jedoch ausreichend sicher. Eine maximale Gehstrecke von nur 150 Metern wurde anlässlich der Untersuchung durch den fachärztlichen Sachverständigen nicht objektiviert; das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern ist möglich. Das Ein- und Aussteigen ist möglich und der sichere und gefährdungsfreie Transport in (fahrenden) öffentlichen Verkehrsmitteln ist, da Haltegriffe und Aufstiegshilfen erreicht und benutzt werden können, gewährleistet. Die Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen bedingen keine Inkontinenz, die eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel verunmöglichen.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden Depressio. Bei ihr liegen aber keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor.

Es bestehen auch keine Hinweise auf das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Ebenso wenig liegt bei der Beschwerdeführerin eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet werden kann.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Behindertenpass sowie zu Zeitpunkt der Einbringung des Antrages ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 sowie auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten eines Facharztes für Neurologie vom 04.02.2019.

Die vorliegenden Sachverständigenbeweise werden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).

In den eingeholten Gutachten wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände detailliert und nachvollziehbar dargelegt, warum der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten den Gutachten zufolge weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden. Bei ihren Einschätzungen konnten sich die Sachverständigen auf den von ihnen jeweils erhobenen klinischen Untersuchungsbefund sowie die vorgelegten Befunde und medizinischen Unterlagen stützen.

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und der Beschwerde waren ebenfalls nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigenbeweise in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese von den befassten Sachverständigen in ihren Gutachten gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso ausführlichen wie schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Diesbezüglich wurde insbesondere ausgeführt, dass sich einerseits die Gangstörung durch den letzten Rehabilitationsaufenthalt der Beschwerdeführerin im Mai 2018 deutlich gebessert hat und andererseits durch die vorgelegten Befunde keine maßgeblichen neurologischen Funktionseinschränkungen objektiviert werden konnten, die das Zurücklegen einer Gehstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe verunmöglichen. Zur Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung führt die Beschwerdeführerin selbst in der Beschwerde aus, dass keine Inkontinenz vorliegt.

Im Ergebnis begründen die befassten Sachverständigen schlüssig, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht gegeben ist, zumal das Ausmaß bzw. die Auswirkungen der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände im Rahmen der klinischen Untersuchungen und anhand der Befundlage in der von der Beschwerdeführerin subjektiv empfundenen Form nicht objektiviert werden konnten.

Die bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen - wie dargelegt - kein entsprechend schweres Ausmaß, um die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass zu rechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen der Sachverständigen zu entkräften, ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, zumal die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde von den Sachverständigen in ihren Gutachten entsprechend gewürdigt wurden. Schließlich hat sich die Beschwerdeführerin zu dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 04.02.2019 im Rahmen des Parteiengehörs nicht mehr geäußert.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 sowie vom 04.02.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.2.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.2.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

..."

3.3.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.3.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

3.4. Wie unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der Entscheidung das Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.11.2018 samt Stellungnahme vom 28.11.2018 sowie das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 04.02.2019 zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten vom 04.02.2019 im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr entgegengetreten.

Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

3.5. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren (objektivierten) Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.6. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.6.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.6.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin samt Stellungnahme sowie dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie. Das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten vom 04.02.2019 wurde von den Verfahrensparteien letztlich unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Die Beschwerdeführerin ist diesen Gutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.6.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin keinen Antrag gestellt.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, sind - soweit für den Fall von Bedeutung - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, S
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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