TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 W238 2208610-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W238 2208610-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.09.2018, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des

angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:

"Der Antrag vom 22.06.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wird gemäß §§ 40,41 und 45 BBG aufgrund eines festgestellten Grades der Behinderung von 30 von Hundert (30 v.H.) abgewiesen."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 22.06.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.08.2018 erstatteten - Gutachten vom 21.08.2018 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Teilentfernung des Magens nach Karzinoid 2008 Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Dumpingsymptomatik, jedoch guter Allgemein- und Ernährungszustand und Zustand nach Anastomosen-Ulcera.

07.04.02

20 %

2

Abnützung beider Kniegelenke Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da nur leichtgradige Funktionseinschränkung.

02.05.19

20 %

3

Zustand nach Schilddrüsenoperation Unterer Rahmensatz, da therapeutisch kompensiert.

09.01.01

10 %

4

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Heranziehung dieser Position, da Grad 1 nach GOLD mit dem unteren Rahmensatz, da grenzwertig normale Lungenfunktion.

06.06.01

10 %

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, das führende Leiden 1 würde durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Es handle sich um einen Dauerzustand.

Dieses Gutachten wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.08.2018 dem Parteiengehör unterzogen.

3. Mit Eingabe vom 27.08.2018 erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens. Er brachte im Wesentlichen vor, er leide seit Jahrzehnten (auch nach der Magenoperation 2008) an wiederkehrenden Magengeschwüren. Bei der Operation sei ein Schlauchmagen mit Hochzug des Magens gebildet worden. Der Schließmuskel zur Speiseröhre sei nicht mehr voll intakt. Da Nerven beschädigt worden seien, habe er Probleme mit der Magensäure und Rückfluss; es entstünden immer wieder Geschwüre am Mageneingang. Auch die Speisenaufnahme sei schwierig, da immer wieder Speisen im Schlauchmagen stecken bleiben und Schmerzen bzw. Brechreiz verursachen würden. Ein Weiteressen sei dann nicht möglich. Die Beeinträchtigungen und auch die Sorge über eine neue Karzinoid-Bildung seien sehr groß. Weiters sei das rechte Knie in einem sehr schlechten Zustand mit Arthrose Grad IV; ihm werde von den Fachärzten zu einer Operation geraten. Eine Belastung sei sehr schwierig, längeres Gehen sowie Stufen würden starke Schmerzen verursachen, auch in Ruhelage. Es würden laufend Besuche beim Orthopäden mit Behandlungen (Spritzen, physikalische Therapie) sowie Kuraufenthalte erfolgen. Der Beschwerde wurden Befunde beigelegt.

4. Zu den Einwendungen erstattete der befasste Sachverständige für Allgemeinmedizin am 05.09.2018 eine Stellungnahme. Darin führte er aus, das Magenleiden sei entsprechend der Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt worden. Die beschriebene Refluxsymptomatik sei medikamentös ausreichend behandelbar und erreiche keinen gesonderten Behinderungsgrad, ebenso wie das beschriebene, medikamentös gut behandelbare Ulcus. Das Knieleiden sei bei nur geringem Funktionsdefizit (0-0-120°) korrekt eingeschätzt worden. Insgesamt seien die Einwendungen nicht geeignet, die Einschätzung zu entkräften.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.09.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Aufgrund der im Zuge des Parteiengehörs erhobenen Einwände sei eine abermalige Überprüfung durch den ärztlichen Sachverständigen durchgeführt und festgestellt worden, dass eine Änderung des Gutachtens nicht angezeigt sei. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sei daher abzuweisen gewesen. Als Beilagen zum Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das Gutachten vom 21.08.2018 und die gutachterliche Stellungnahme vom 05.09.2018 übermittelt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin führte er im Wesentlichen aus, der Umstand, dass er nach der Karzinoid-Operation im Jahr 2008 an jährlich wiederkehrenden Ulcera und den damit verbundenen Beschwerden und Unannehmlichkeiten leide, habe keinerlei Berücksichtigung in der gutachterlichen Einschätzung gefunden. Die medikamentöse Behandlung sei nicht so gut wie vom Sachverständigen dargestellt, da sie immer nur für relativ kurze Zeit wirke. Er müsse viele Medikamente zur Abheilung nehmen, um die Ulcera halbwegs in den Griff zu bekommen. Es werde ca. alle vier Monate eine Gastroskopie mit Sedierung durchgeführt. Die Sedierung und die Protonenpumpenhemmer seien ebenfalls eine große Belastung und mit dem Risiko von Nebenwirkungen verbunden. Die zahlreichen Untersuchungen seien auch eine große psychische Belastung, da immer die Gefahr bestehe, dass sich wieder ein Karzinoid oder Karzinom gebildet habe. Die Problematik betreffend Schwierigkeiten mit Essen und Reflux habe er bereits ausführlich dargelegt. Die Einschätzung sei daher insgesamt nicht nachvollziehbar.

7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 30.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in weiterer Folge eine neuerliche Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen bisher nicht befassten Arzt für Allgemeinmedizin veranlasst. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten allgemeinmedizinischen Gutachten vom 15.03.2019 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Status Präsens:

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: insgesamt gut, Größe:

185cm, Gewicht: 75 kg

Caput/Hals: unauffällig, keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung, blande Narbe nach Schilddrüsenentfernung.

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion.

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe, keine Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer.

Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei.

HWS: Kopfdrehung und Seitneigung: nach rechts und links frei, Inkl. und Rekl. frei.

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und Seitneigung frei.

Extremitäten:

Obere Extremitäten:

Schultergelenk rechts: Beweglichkeit uneingeschränkt, Nackengriff frei, Schürzengriff frei durchführbar.

Schultergelenk links: Beweglichkeit uneingeschränkt, Nackengriff durchführbar, Schürzengriff durchführbar.

Ellenbogengelenke: Beugung und Streckung frei, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits erhalten.

Untere Extremitäten: Hüftgelenk rechts: Flexion, Abd. und Add. altersentsprechend frei.

Hüftgelenk links: Flexion, Abduktion und Adduktion frei.

Kniegelenk rechts: Beugung und Streckung frei, bandstabil, geringes Krepitieren, derzeit keine Beschwerden.

Kniegelenk links: Beugung und Streckung frei, bandstabil, Sprunggelenke bds. frei.

Zehenbeweglichkeit unauffällig, Fußheben und -senken bds. frei durchführbar, beide UE können gut von der Unterlage abgehoben werden, Beinpulse beidseits tastbar, Fußpulse beidseits tastbar.

Venen: unauffällig, Ödeme: keine.

Stuhl: normal, fallweise übelriechend, fallweise bei Diätfehlern Durchfall.

Harn: unauffällig.

Psych.: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich. Klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung ausgeglichen. Denkziel wird erreicht.

Derma: 4 kleine psoriasisartige Hautveränderungen an der rechten Kniescheibe, ein kleines Areal am rechten Ellenbogen, sonst weitgehend unauffälliges Hautbild.

Gang: unauffälliges, sicheres und flüssiges Gangbild, ohne Hilfsmittelverwendung. Aufsetzen und Aufstehen aus liegender und sitzender Körperhaltung selbstständig und unauffällig möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand beidseits durchführbar. Freies Stehen sicher möglich. Konfektionsschuhe. An- und Auskleiden wird im Stehen durchgeführt.

Stellungnahme:

1. Einschätzung des Grades der Behinderung:

1) Zustand nach Karzinoid des Magens 2008 07.04.02 30 %

Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da bei Zustand nach Teilentfernung des Magens mit rezidivierenden Beschwerden im Sinne eines Dumping-Syndroms ein rezidivierendes Geschwürsleiden im Anastomosenbereich belegt ist, bei Vorliegen eines guten Allgemeinzustandes und insgesamt guten Ernährungszustandes.

2) Degenerative Veränderung beider Kniegelenke 02.05.19 20 %

Unterer Rahmensatz dieser Position, da an beiden Kniegelenken eine freie Streck- und Beugefunktion vorliegt.

3) Zustand nach Entfernung der Schilddrüse 09.01.01 10 %

Unterer Rahmensatz dieser Position, da Fehlen von Komplikationen.

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung 06.06.01 10 %

Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da geringgradige Lungenfunktionsstörung bei Emphysem im GOLD-Stadium I, Fehlen von Komplikationen bei auch Phasen der Beschwerdefreiheit.

2. Gesamtgrad der Behinderung: 30 %

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Die Leiden 2, 3 und 4 wirken mit dem führenden Leiden 1 nicht auf maßgebliche Weise wechselseitig negativ zusammen und erhöhen nicht weiter.

Nachsatz: Die objektivierbaren geringgradigen Hautveränderungen bei berichteter Schuppenflechte erreichen keine Behinderungsrelevanz und erreichen keinen Behinderungsgrad.

3. Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung am 22. Juni 2018 anzunehmen.

4. Stellungnahme zu den im Lauf des Verfahrens vorgelegten

Unterlagen und Befunden:

MRT des rechten Kniegelenks vom 16. März 2016: Gonarthrose mit viertgradigem Knorpelschaden, Meniskusschaden, Ganglion im lateralen Tibiaplateau, Ganglion im posteromedialen Tibiaplateau, perifokales Knochenmarksödem, geringe Ergusssammlung im Schleimbeutelbereich.

Chirurgische Abteilung Kaiserin-Elisabeth-Spital vom 7. Oktober 2008: niedrig malignes Karzinoid der Cardia, periphere Peroneusparese links. Magenwandexcision und Magennaht am 8. September 2008, proximate Magenresektion mit Magenschlauchbildung und Osophagogastrostomie sowie Lymphknotendissektion am 12. September 2008. Auch die Operationsberichte liegen vor.

Lungenärztlicher Befund ... vom 3. Oktober 2017:

chronisch-obstruktive Lungenerkrankung Gold-Stadium I, Knotenstoma, Z.n. Magen-Karzinoid, Zustand nach Nikotinabusus.

Internistische Operationsfreigabe vom 2. Oktober 2017: Z.n. Magen-Karzinoid 2008, Lungenemphysem, Verdacht auf chronisch obstruktive Atemwegserkrankung. Lungenröntgen: Emphysemzeichen, sonst unauffällig.

Chirurgische Abteilung Hanuschkrankenhaus vom 7. Dezember 2017:

Aufnahme zur totalen Entfernung der Schilddrüse am 10. Oktober 2017 bei Struma nodosa beidseits. Weitere Diagnosen: COPD I, Lungenemphysem, Z.n. Magenteilresektion 2008 bei Magen-Karzinoid

Vorliegend sind auch die histologischen Befunde nach Gastroskopie, welche eine Gastritis beschreiben.

Im Rahmen der Untersuchung am 15. Januar 2019 werden folgende

Befunde vorgelegt:

Ösophagus-Gastro-Duodenoskopie vom 5. April 2017: Zustand nach proximaler Magenresektion mit Magenschlauchbildung und Ösophagus-Gastrostomie bei Magenkarzinoid 2008, rezentes fibrinbedecktes Rezidiv-Ulcus an der Anastomose, Bild wie bei geringgradig-chronische Stumpfgastritis.

Ösophagus-Gastro-Duodenoskopie vom 11. April 2016: Zustand nach proximaler Magenresektion mit Magenschlauchbildung und Ösophagus-Gastrostomie bei Magenkarzinoid 2008, fibrinbedeckte Erosion an der Anastomose, Ulkus abgeheilt, Bild wie bei geringgradig-chronische Gastritis.

Ösophagus-Gastro-Duodenoskopie vom 2. August 2018: Zustand nach proximaler Magenresektion mit Magenschlauchbildung und Ösophagus-Gastrostomie bei Magenkarzinoid 2008, rezentes fibrinbedecktes Rezidiv-Ulcus an der Anastomose, Bild wie bei geringgradig-chronische Stumpfgastritis. Medikamentöse Therapie wurde verordnet, Gastroskopie-Kontrolle in 3 Monaten.

Welters vorliegend sind die Gastroskopie Befunde vom 9. Februar 2016, vom 20. Oktober 2015, vom 6. März 2013, vom 20. Dezember 2011, welche Ulzerationen im Anastomosenbereich nach Magenoperation dokumentieren.

Unter Berücksichtigung der Neuerungsbeschränkung wird zudem folgender Befund vorgelegt:

Ösophagus-Gastro-Duodenoskopie vom 13. November 2018: Zustand nach proximaler Magenresektion mit Magenschlauchbildung und Ösophagus-Gastrostomie bei Magenkarzinoid 2008, Ulcus an der Anastomose abgeheilt, Bild wie bei diskret chronischer Stumpfgastritis.

5. Einwendungen im Rahmen des Parteiengehörs vom 27. August 2018:

Der BF leide seit Jahrzehnten und auch nach der Magenoperation-Karzinoid 2008 an wiederkehrenden Magengeschwüren. Er habe dadurch Probleme mit der Magensäure und Rückfluss und es entstehen immer wieder Geschwüre am Mageneingang. Auch die Speiseaufnahme sei nicht so einfach durch den Schlauchmagen. Es würden Speisen im Schlauchmagen stecken bleiben und zu Schmerzen und Brechreiz führen.

Besonders das rechte Knie sei in einem sehr schlechten Zustand bei einer Arthrose Grad IV. Von den Fachärzten sei zu einer Operation geraten worden. Um die Schmerzen in Grenzen zu halten und eine Operation hinauszuzögern, werden zahlreiche Therapiemaßnahmen absolviert.

Weiters vorliegend ist eine Beschwerde vom 23. Oktober 2018, in welchem der BF anführt, dass das jährlich wiederkehrende Geschwürsleiden mit all den Beschwerden und Unannehmlichkeiten in der Beurteilung keine Berücksichtigung fand. Die medikamentöse Behandlung sei leider nicht so gut, wie dargestellt. Die Behandlung wirke immer nur für relativ kurze Zeit und das Geschwür komme nach ca. 5 Monaten wieder. Die vielen Untersuchungen seien auch eine große psychische Belastung, da immer die Gefahr bestehe, dass sich wieder ein Karzinoid oder Karzinom bilde.

6. Stellungnahme zu den Einwendungen im Rahmen der Beschwerde:

Sowohl im Beschwerdeschreiben vom 27. August 2018, als auch im Rahmen der nunmehr durchgeführten Anamneseerhebung werden Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme bzw. des Magens beschrieben. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Gastroskopie-Befunde aus den Jahren 2011-2018 sind rezidivierende Geschwüre im Bereich der Anastomose nach Magenteilentfernung dokumentiert. Eine medikamentöse Therapie zur Behandlung ist etabliert und Kontrollgastroskopien sind erforderlich. Unter Berücksichtigung des wiederkehrenden Geschwürsleidens und der Beschwerdesymptomatik bei erforderlichem Kontrollbedarf kommt es zu einer Änderung der Einschätzung hinsichtlich des führenden Leidens Nummer 1 (siehe Punkt 1 und 7).

Hinsichtlich des Kniegelenksleidens lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung keine maßgeblichen Einschränkungen der Streckfunktion und der Beugefunktion an beiden Kniegelenken objektivieren. Die radiologisch beschriebenen degenerativen Veränderungen sind unter der gewählten Rahmensatzposition nachvollziehbar beurteilt.

7. Begründung einer allfälligen zu den angefochtenen Sachverständigengutachten vom 21. August 2018 einschließlich Stellungnahme vom 5. September 2018 abweichenden Beurteilung:

Die zahlreich vorliegenden Gastroskopie-Kontrollen der letzten Jahre bei Zustand nach Magenteilresektion nach Karzinoid 2008 belegen eine rezidivierende Geschwürsbildung im Anastomosenbereich. Medikamentöse Behandlungsmaßnahmen sowie Kontrollgastroskopien sind erforderlich. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und der berichteten Beschwerdesymptomatik erfolgt eine Anhebung des Behinderungsgrades hinsichtlich Leiden Nummer 1 (Zustand nach Karzinoid des Magens 2008) im Vergleich zum Gutachten aus 1. Instanz um eine Stufe, da rezidivierende und jährlich auftretende Ulzerationen belegt sind. Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich bei dem BF ein guter Allgemeinzustand und ein insgesamt guter Ernährungszustand dar. Ein reduzierter Ernährungszustand lässt sich nicht erheben.

8. Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich. Es besteht ein Dauerzustand.

Nachsatz: Der unter Berücksichtigung der Neuerungsbeschränkung vorgelegte Gastroskopie- Befund vom 13. November 2018, in welchem ein abgeheiltes Geschwür des Magens im Anastomosenbereich beschrieben ist, führt zu keinen Änderungen der Einschätzung."

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.04.2019 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

10. Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 22.06.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Zustand nach Karzinoid des Magens 2008 und Teilentfernung des Magens mit rezidivierenden Beschwerden im Sinne eines Dumping-Syndroms, rezidivierendes Geschwürsleiden im Anastomosenbereich belegt bei Vorliegen eines guten Allgemeinzustandes und insgesamt guten Ernährungszustandes;

2) Degenerative Veränderung beider Kniegelenke mit jeweils freier Streck- und Beugefunktion;

3) Zustand nach Entfernung der Schilddrüse, medikamentös gut kompensierbar bei Fehlen von Komplikationen;

4) Chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit geringgradiger Lungenfunktionsstörung bei Emphysem im GOLD-Stadium 1, ohne Komplikationen bei auch Phasen der Beschwerdefreiheit.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, ihres Ausmaßes, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.03.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellung zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 15.03.2019. Darin wird auf die Leiden des Beschwerdeführers, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte. Im Gutachten erfolgte eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Befundlage und mit den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren sowie im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 15.03.2019 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung im Ergebnis korrekt eingestuft.

Diesbezüglich ist im Lichte der - in der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung teilweise wiedergegebenen - Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass angesichts des beim Beschwerdeführerin festgestellten Zustands nach Karzinoid des Magens 2008 und Teilentfernung des Magens im allgemeinmedizinischen Gutachten unter dem führenden Leiden 1 korrekt die Positionsnummer 07.04.02 unter Heranziehung eines Rahmensatzes von 30 v.H. (zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz) angesetzt wurde. Seitens des Sachverständigen wurde schlüssig ausgeführt, dass es unter Berücksichtigung des wiederkehrenden Geschwürsleidens im Anastomosenbereich und der Beschwerdesymptomatik im Sinne eines Dumping-Syndroms bei erforderlichem Kontrollbedarf zu einer Änderung der Einschätzung kommt. Die höhere Einschätzung von Leiden 1 (30 v. H.) im Vergleich zu dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten (20 v.H.) führte auch zur Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe.

Die unter Leiden 2 berücksichtigten degenerativen Veränderung beider Kniegelenke bewirken mit Blick auf die freie Streck- und Beugefunktion keine maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen, weshalb auch keine höhere Einschätzung als im Vorgutachten zu treffen war. Im Sachverständigengutachten wurde korrekt die Positionsnummer 02.05.19 unter Heranziehung des unteren Rahmensatzes von 20 v.H. angesetzt.

Der unter Leiden 3 erfasste Zustand nach Schilddrüsenentfernung wurde aufgrund der medikamentösen Einstellbarkeit der Stoffwechsellage in Positionsnummer 09.01.01 mit dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. eingeschätzt.

Bei der Einschätzung von Leiden 4 (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) wurde im Sachverständigengutachten die Positionsnummer 06.06.01 und der untere Rahmensatz von 10 v.H. gewählt, da ein Emphysem im GOLD-Stadium 1 mit geringgradiger Lungenfunktionsstörung besteht.

Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung im Ausmaß von 30 v.H. wurde im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten schlüssig ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch die übrigen Leiden nicht erhöht wird, weil kein wechselseitiges ungünstiges Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen in behinderungsrelevantem funktionsbeeinträchtigendem Ausmaß gegeben ist.

Auch die Einwendungen im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese vom befassten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 15.03.2019 gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso schlüssigen wie ausführlichen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Auch wurden im Beschwerdeverfahren keine Befunde vorgelegt, die das Ergebnis des Gutachtens widerlegen könnten.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 15.03.2019 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Er hat zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr Stellung genommen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 15.03.2019. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

3.4. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht - soweit für den Beschwerdefall relevant - auszugsweise Folgendes vor (geringfügige Formatierungsänderungen durch das Bundesverwaltungsgericht):

"07.04 Magen und Darm

07.04.02. Teilentfernung des Magens 10 - 40 %

10 - 20 %: Teilresektionen des Magens, Gastroenterostomien mit guter

Funktion aber anhaltenden Beschwerden, z.B. Dumping-Syndrom

30 - 40 %: Rezidivierende Ulcera, reduzierter Allgemein- und

Ernährungszustand"

"02.05.19 Funktionseinschränkungen geringen Grades beidseitig 20 - 30 %

Streckung/Beugung bis 0-0-90°"

"09.01.01 Endokrine Störungen leichten Grades 10 - 40 %

Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten

10 - 20 %:

Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Keine bis geringste Entgleisungswahrscheinlichkeit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der Substitutions-, Inhibitionstherapie ist sehr gut. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitestgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.

30 - 40 %:

Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Geringe Entgleisungswahrscheinlichkeit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der Substitutions-, Inhibitionstherapie ist gut bis mäßig. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist gering eingeschränkt."

"06.06 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

06.06.01 Leichte Form - COPD I 10 - 20 %

Fehlende bis leichte Behinderung der Ventilation (FEV1/FVC>80% =Atemkapazität)"

3.5. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eines bisher nicht befassten Arztes eingeholt, das auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstattet wurde und - sowohl hinsichtlich der Einschätzung der einzelnen Funktionseinschränkungen als auch hinsichtlich der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung - den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.

3.6. Wie oben unter Punkt II.2.2. eingehend ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 15.03.2019 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften, zumal das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Gutachten vom Beschwerdeführer letztlich unwidersprochen blieb.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt - entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid - 30 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind jedoch die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.7.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.7.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin. Diesem - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Gutachten, das auf die Einwendungen des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, wurde im Rahmen des Parteiengehörs vielmehr unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.7.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihm seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte er eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Der Beschwerdeführer hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an den Beschwerdeführer und der ihm explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W238.2208610.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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