TE Bvwg Beschluss 2019/7/23 W212 2133436-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W212 2133432-2/3E

W212 2133434-2/3E

W212 2133436-2/3E

W212 2133435-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Singer als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , und 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 17.08.2018, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/0194/2018, beschlossen:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der minderjährigen Zweit- bis Drittbeschwerdeführer, die mj. Viertbeschwerdeführerin ist nicht blutsverwandt; alle sind Staatsangehörige von Afghanistan. Sie stellten am 16.01.2018 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde der angebliche Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin bzw. leibliche Vater der mj. Zweit- bis Drittbeschwerdeführer bzw. Adoptivvater der mj.

Viertbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, namhaft gemacht, welchem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.2014, Zahl W201 1426168-1/15E, der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Mit Erledigung vom 03.08.2018 wurde seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mitgeteilt, dass die Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter oder Asylberechtigter nicht wahrscheinlich sei, da die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Identität einwandfrei nachzuweisen. Außerdem würden die Angaben der Erstbeschwerdeführerin in mehrfacher Hinsicht jenen der Bezugsperson in deren Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Die Erstbeschwerdeführerin hätte angegeben, mit 13 Jahren die Bezugsperson geheiratet zu haben, während die von ihr vorgelegten Dokumente, nämlich Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Schulbesuchsbestätigung und Reisepass, einen um sechs Jahre früheren Geburtstermin aufweisen würde. Die Angaben der Bezugsperson würden wiederum ein ganz anderes Geburtsdatum der Erstbeschwerdeführerin ergeben. Es seien überdies Widersprüche beim Wohnort und beim Ort der Eheschließung aufgetreten. Bei der angeblich adoptierten minderjährigen Viertbeschwerdeführerin wäre keine Urkunde über eine offizielle Obsorge bzw. Adoptionserklärung beigebracht worden. Die vorgelegten Urkunden und Dokumente wären seitens der Vertretungsbehörde keiner Prüfung auf Echtheit und Unverfälschtheit unterzogen worden und könne daher zum derzeitigen Zeitpunkt nur eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose abgegeben werden.

Mit Schreiben vom 06.08.2018, wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt.

In der Stellungnahme vom 13.08.2018 wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung 19 Jahre alt gewesen sei und eine Urkunde über diese Eheschließung, welche in Jahr 1992 nach religiösem Ritus geschlossen wurde, zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2018 ausgestellt worden wäre. Nachdem das Ehepaar Probleme hatte, eigene Kinder zu bekommen, wäre die minderjährige Viertbeschwerdeführerin auf in Afghanistan übliche Weise adoptiert worden. Nach der Adoption konnte die Erstbeschwerdeführerin zwei leibliche Kinder zur Welt bringen.

Die Eheschließung wäre durch eine Heiratsurkunde bestätigt, doch selbst wenn die eingereichten Dokumente nicht ausreichen würden, um die Familieneigenschaft nachzuweisen, würde die Familie jedenfalls für eine DNA-Analyse zur Verfügung stehen und wolle diese zur Bestätigung der Familieneigenschaft durchführen lassen. Bezüglich der Adoption wäre das Schreiben vorgelegt worden, in dem der leibliche Vater des Mädchens erklärt habe, seine Tochter an die Familie XXXX zu übergeben. Dies sei die übliche Vorgehensweise in Afghanistan, wenn eine Mutter bei der Geburt versterbe und sich sonst niemand in der Familie um das Kind annehmen könne. Auf dem Schreiben befinde sich ein Stempel des Krankenhauses und einer des Ortsvertreters und wäre ein anderes Verfahren in Afghanistan nicht vorgesehen. Die gesamte Familie habe bis zur Flucht der Bezugsperson im gemeinsamen Haushalt gelebt und gäbe es für die minderjährige Viertbeschwerdeführerin keine anderen Bezugspersonen. Bezüglich der vorgelegten Dokumente ergebe sich zweifelsfrei, dass das BFA die Botschaft ersucht habe weitere Ermittlungen zu tätigen. Die Beschwerdeführer würden sich ausdrücklich mit einer Prüfung der Dokumente durch die Botschaft einverstanden erklären.

Das BFA teilte nach Befassung mit dieser Stellungnahme in einer E-Mail-Nachricht vom 17.08.2018 mit, dass die negative Entscheidung aufrecht bleibe. Es wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Dokumente seitens des BFA erst nach Einreise der Personen einer Überprüfung unterzogen werden könnten, was das Risiko in sich bergen würde, dass möglicherweise eine andere Identität der Antragsteller vorliege und die Personen möglicherweise eine Gefahr für die Republik Österreich darstellen könnten.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2018 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG 2005 iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status von Asylberechtigten oder subsidiäre Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

3. Gegen den Bescheid richtet sich die am 10.09.2018 eingebrachte Beschwerde, in welcher auf das Vorbringen der eingebrachten Stellungnahme vom 13.08.2018 verwiesen wird. Die Behörde wäre auf diese Argumentation in keiner Weise eingegangen und wäre auch der Antrag eine DNA-Analyse durchzuführen, nicht berücksichtigt worden. Im Sinne des Kindeswohls der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin sei es unumgänglich, dass diese weiterhin bei ihrer Familie leben kann. Die Viertbeschwerdeführerin lebe seit ihrer Geburt ununterbrochen bei der Familie, sie wisse gar nicht, dass es sich nicht um ihre leibliche Familie handle und würde eine negative Entscheidung einer Verletzung des Artikel 8 EMRK darstellen. Der EGMR habe in seiner Entscheidung vom 10.07.1978, B8257/78, X versus Schweiz, hervorgehoben, dass auch Beziehungen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern im Lichte des Artikel 8 EMRK unter den Schutz des Familienlebens fallen, je nachdem wie lange das Kind mit den Pflegeeltern gelebt habe sowie wie intensiv der Kontakt zu den leiblichen Eltern sei.

Der angefochtene Bescheid sei somit in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig ergangen.

4. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 23.10.2018, am 25.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

3.1.2. § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

3.1.3. § 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegen gehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen ist.

Aus der Stellungnahme des BFA vom 03.08.2018 ergibt sich, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose "zum derzeitigen Zeitpunkt", ohne die Dokumente auf Echtheit und Richtigkeit und ohne widersprüchliche Angaben in irgendeiner Weise verifizieren zu können, getroffen worden ist. Ungeachtet der Tatsache, dass seitens des BFA eine andere Erledigungsform hätte gewählt werden müssen, hätte die Vertretungsbehörde also nicht von einer abschließenden negativen Prognose ausgehen dürfen.

Das BFA hielt nämlich fest, dass die von den Beschwerdeführern vorgelegten Dokumente seitens der Vertretungsbehörde nicht auf Echtheit respektive Unverfälschtheit überprüft worden wären und dies aufgrund der Differenzen zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Bezugsperson notwendig gewesen wäre. Im vorliegenden Fall wäre es unabdingbar gewesen, die Erstbeschwerdeführerin mit den verschiedenen Geburtsdaten zu ihrer Person zu konfrontieren. So wäre es möglicherweise auf einfache Weise zu einer Klärung gekommen, bedenkt man, dass in sämtlichen Dokumenten der Erstbeschwerdeführerin dasselbe Geburtsdatum, nämlich der XXXX angeführt ist, auch in ihrem Reisepass, der beispielsweise bereits im Jahr 2015 ausgestellt wurde.

Für die entscheidungswesentliche Frage der staatlichen Gültigkeit einer im Jahr 1992 traditionell geschlossenen Ehe fehlen daher Sachverhaltsfeststellungen und kann nicht beurteilt werden, ob die Erstbeschwerdeführerin unter den Begriff der Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 fällt.

Da die Beweismittel als nicht geeignet befunden wurden, um das behauptete Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson bzw. zwischen den minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführern und der Bezugsperson nachzuweisen, wären DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft erforderlich gewesen. Bevor ein Antrag gemäß § 35 AsylG 2005 aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird, hat jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg:

"hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren"). Im vorliegenden Fall, in dem die Beschwerdeführer bereits in ihrer Stellungnahme zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose ihre Bereitschaft erklärten, allfällige Zweifel an ihrem Verwandtschaftsverhältnis durch die Vornahme eines DNA-Tests zu zerstreuen, kann dieses Ersuchen aus dem Kontext nur so verstanden werden, dass die beschwerdeführenden Parteien um eine behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit eine Anleitung betreffend der Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse ersuchten.

Aus den vorgelegten Verfahrensakten ist nicht ersichtlich, dass den (in diesem Fall relevanten) zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien eine derartige organisatorische Hilfestellung gewährt wurde. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die Regelung des § 13 Abs. 4 BFA-VG vor.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren - unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 22.02.2018, RA2017/18/0131) - eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).

Sollte es im fortgesetzten Verfahren im Zuge der DNA-Gutachtensergebnisse erweislich sein, dass die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien, die nach der Verfahrenslage unbestritten als die Kinder der Erstbeschwerdeführerin erachtet wurden, die Kinder der Bezugsperson sind, könnte die Frage der Glaubwürdigkeit der behaupteten Eheschließung zwischen der Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin - auch ohne oben genannter Recherche - neu zu beurteilen sein.

Im Hinblick auf die Familieneigenschaft zwischen der Erstbeschwerdeführerin mit ihren minderjährigen Kindern ist - sollte im Ergebnis keine gültige Eheschließung mit der Bezugsperson hervorkommen - darauf zu verweisen, dass der VfGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, in Visa-Verfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Artikel 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere VfGH 06.06.2014, B369/2013; 23.11.2015, E1510-1511/2015-15; 27.11.2017, E1001-1005/2017). Aus der Judikatur des VfGH ergibt sich zumindest, dass eine konkrete und individuelle Prüfung der beteiligten Interessen nach den Kriterien des Artikel 8 EMRK stattzufinden hat, und eine eventuelle Ablehnung eines Einreisetitels entsprechend begründet werden muss. Bei dieser Prüfung ist jedenfalls auch die minderjährige Viertbeschwerdeführerin einzubeziehen, sollte eine Überprüfung ergeben, dass von keiner Annahme an Kindesstatt auszugehen wäre, was jedoch in einem ersten Schritt konkreter Feststellungen bedarf, in welcher rechtlichen Form nach afghanischem Recht eine Annahme an Kindesstatt/staatliche Gültigkeit erlangt.

Der Bezugsperson wurde per 16.12.2014 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl W201 1426168-1/15E der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Der Einreiseantrag wurde am 16.01.2018, somit jedenfalls außerhalb der in § 35 Abs. 1 AsylG vorgesehenen dreimonatigen Frist und auch außerhalb der in § 75 Abs. 24 AsylG vorgesehenen dreimonatigen Übergangsfrist nach Inkrafttreten des BGBL I. Nr. 24/2016 am 01.06.2016, innerhalb derer die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht erfüllt werden müssten, gestellt. Im vorliegenden Fall wurden bereits diverse Unterlagen vorgelegt, anhand derer die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG überprüft werden können. Im fortgesetzten Verfahren sind diese Voraussetzungen jedoch einer aktuellen Prüfung zu unterziehen.

Aus obgenannten Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB-Islamabad die Erlassung neuer Bescheide aufzutragen. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W212.2133436.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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