Entscheidungsdatum
23.07.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G306 2211655-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX,
StA.: Serbien, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl.XXXX, zu
Recht:
A)
Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Einreiseverbot auf 2 Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Im Zuge einer Kontrolle der Wiener Finanzpolizei in einem namhaften Hotel in Wien am 06.11.2018, wurde die Beschwerdeführerin (BF) bei einer illegalen Erwerbstätigkeit betreten (Fensterputzen).
Am 19.11.2018, wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab die BF zusammengefasst im Wesentlichen die illegale Erwerbstätigkeit zu und erklärte sich bereit freiwillig nach Serbien zurückzureisen.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, der BF durch persönliche Übernahme am 19.11.2018 rechtmäßig zugestellt, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt gegen die BF gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm.
§ 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig ist, gemäß § 53 Abs. iVm Abs. 2 Z 6 u 7 FPG wurde gegen die BF ein Einreiseverbot in der Höhe von 4 Jahren erlassen. Zur freiwilligen Ausreise wurde keine eingeräumt sowie die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.
Die BF reiste am 22.11.2018 freiwillig in ihr Herkunftsland Serbien zurück.
Am 17.12.2018 langte beim BFA die Beschwerde der BF - durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter - ein. In Folge wurde diese am 21.12.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt.
Die BF beantragte in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid in seinem "Spruchpunkt VI. Verhängung des Einreiseverbotes" aufzuheben bzw. die Dauer des Einreiseverbotes entsprechend herabzusetzten, in eventu die Angelegenheit zur Sanierung der Verfahrensmängel an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.
Die Spruchpunkt I. , II., III., IV. und V. wurden nicht in Beschwer gezogen und sind somit bereits in Rechtskraft erwachsen.
Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt (Beschwerdeeingabe) verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Die BF ist serbische Staatsangehörige. Sie spricht serbisch. Sie ist ledig und hat zwei Kinder. In Österreich lebt ihre Schwester sowie weitschichtige Verwandte.
Die BF wies sich mit seinem gültigen serbischen Reisepass aus.
Der BF wurde am 06.11.2018 bei einer illegalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet angetroffen. Sie arbeitete ohne Anmeldung zur Sozialversicherung und ohne Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und gab die illegale Erwerbstätigkeit im Zuge der Einvernahme vor dem BFA zu. Die BF hatte des Weiteren keine ausreichende finanzielle Mittel bei sich und konnte auch keinen Nachweis über welche in Vorlage bringen.
Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt. Sie lebte bis zur Einreise in das Bundesgebiet in Serbien. In Österreich hält sich ihre Schwester sowie weitschichtige Verwandte auf. Sie verfügt weder über einen Aufenthaltstitel noch über eine Beschäftigungsbewilligung für das Bundesgebiet. Die BF weist im Bundesgebiet immer wieder Hauptwohnsitz- sowie Nebenwohnsitzmeldungen auf. Letztmalig war die BF von 29.06.2015 - 07.08.2015 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Zurzeit ihrer Festnahme war die BF behördlich nicht gemeldet.
Der BF reiste am 22.11.2018 freiwillig in Richtung Serbien aus dem Bundesgebiet aus.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die BF wurde von der belangten Behörde ausgiebig zu den, für die Entscheidungsfindung wesentlichen Punkten, niederschriftlich einvernommen. Es wird in der Beschwerde den wesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten bzw. ist das Entgegentreten nicht substatiert.
Die Feststellungen zur Identität der BF beruhen auch auf ihren eignen Angabe bzw. der Vorlage seines gültigen serbischen Reisepasses.
Die BF hielt sich seit dem 16.09.2018 im Schengen Raum auf.
Die BF gab die illegale Beschäftigung zu. Sie wurde auch unmittelbar bei der ausgeübten Tätigkeit von Orangen der Finanzpolizei betreten.
Die Feststellungen zu den persönlichen, familiären sowie finanziellen Verhältnissen der BF ergeben sich aus den eigenen Angaben. Das Fehlen einer Beschäftigungsbewillig, eines Aufenthaltstitels sowie Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet, ergibt sich aus den diesbezüglich Anfragen den jeweiligen staatlichen Registern.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF wird durch die Einsicht in das Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, belegt.
Dass die BF arbeitsunfähig bzw. an einer Erkrankung leidet hat sich nicht ergeben und wurde dies auch nicht behauptet. Unbeschadet dessen, wurde die BF bei einer arbeiteten Tätigkeit angetroffen sodass davon auszugehen ist, dass die BF gesund und arbeitsfähig ist.
Zu Zeitpunkt der Festnahme gab die BF an ca. 200,- Euro zu besitzen.
Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich hervorgekommen. Der Lebensmittelpunkt der BF liegt in Serbien, wo sich ihre Kernfamilie aufhält. Zu den in Österreich lebenden Verwandten konnte kein Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden und wurde von der BF auch nicht behauptet.
Rechtliche Beurteilung:
Die BF ist als Staatsangehörige der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Zu Spruchteil A):
Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:
"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. wenn er bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundenen Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Die belangte Behörde ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 u 7 FPG erfüllt ist, zumal die BF am 06.11.2018 bei einer Beschäftigung ohne die dafür erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG betreten wurde. Die BF hatte kaum Barmittel bei sich und konnte auch sonstige finanzielle Absicherungen nicht substantiiert vorbringen. Der BF ist darüber hinaus der Verstoß gegen das Meldegesetz anzulasten, weil sie Unterkunft nahm, ohne sich bei der Meldebehörde anzumelden.
Serbische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (Verordnung [EG] Nr. 539/2001 ABl. Nr. L81 vom 21.03.2001, S.1, idgF) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Der BF durfte daher unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gem Art 20 Schengener Durchführungsübereinkommen unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Durchführungsübereinkommen frei bewegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass er den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben, und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt.
Der Aufenthalt der BF in Österreich war vor diesem Hintergrund nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG, weil sie während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet die Bedingungen des visumfreien Aufenthalts, der nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, nicht einhielt.
Aufgrund des persönlichen Verhaltens der BF, der verschiedenen Vorschriften (insbesondere im Bereich des Fremdenrechts) missachtete, gefährdet ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Wegen des Fehlens einer legalen Beschäftigung und ihrer finanziellen Lage ist konkret zu befürchten, dass sie dieses Verhalten auch in Zukunft fortsetzt. Die BF gab in ihrer niederschriftlichen Befragung selbst an, eigentlich nur hier her gekommen zu sein um ihre Verwandten zu besuchen. Sie habe nicht arbeiten wollen, dies habe sich so ergeben und würde sie dies auch bereuen. Sie habe jedoch das Geld, welches sie aus Serbien mitgebracht habe, bereits aufgebraucht. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass Wiederholungsgefahr besteht und für die BF keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann. Die mit Mittellosigkeit allgemein verbundene Gefahr der Beschaffung finanzieller Mittel aus illegalen Quellen hat sich bereits durch die unrechtmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Absicht, sich dadurch Einkünfte zu verschaffen, realisiert.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und an der Verhinderung von Schwarzarbeit kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse der BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal ihr Lebensmittelpunkt in Serbien liegt und sie keine schützenswerten Bindungen in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot umfassten Staaten hat. Abgesehen von ihrer illegalen Erwerbstätigkeit liegen keine Integrationsmomente vor. Trotz aufrechtem Einreiseverbot für den gesamten Schengen Raum, steht es jedem Mitgliedsstaat frei, für sein Land einen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch bei einem aufrechten Einreiseverbot (Artikel 11 der RückführungsRL).
Die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) oder das Unterbleiben eines Einreiseverbotes kommt nur in Betracht, wenn vom betroffenen Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht und sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit nur geringfügig beeinträchtigt (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Hier sind der BF aber (neben dem wenig gravierenden Verstoß gegen das MeldeG) und insbesondere der Umstand vorzuwerfen, dass sie bei einer Beschäftigung betreten wurde, für die weder die erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG noch eine Anmeldung bei der Sozialversicherung vorlag. Daher kommt trotz der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF gänzliche Entfall nicht in Betracht. Die in der Beschwerde angestrebte Reduktion der Dauer des Einreiseverbots war jedoch stattzugeben - hat doch die belangte Behörde beinahe den höchstmöglichen Rahmen von bis zu 5 Jahren - BF erhielt 4 Jahre - ausgeschöpft, obwohl die BF erstmalig in Erscheinung trat, sie die Tat nicht leugnete und sich bei der Einvernahme auch reuig zeigte. Auch die persönlichen und familiären Verhältnisse der BF, die ihren Lebensmittelpunkt in Serbien hat, wo sie ihr Privat- und Familienleben gestaltete, stehen dem vom BFA erlassenen Einreiseverbot nicht entgegen. Nur was die Höhe anbelangt war zu beanstanden sodass der Beschwerde in diesem Bereich stattzugeben war.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, konnte eine mündliche Verhandlung gem § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.
Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 MRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Da hier in der Beschwerde keine über den festgestellten Sachverhalt hinausgehenden Tatsachen vorgebracht werden und auch bei einem positiven persönlichen Eindruck von der BF weder ein Entfall noch eine Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots denkbar ist, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig.
Spruchteil B.)
Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessensabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Einreiseverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung, Milderungsgründe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2211655.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2019