TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/26 W187 2207010-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.2019
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Entscheidungsdatum

26.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W187 2207010-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das Bundesgebiet ein, wo er am XXXX seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am XXXX wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinen Fluchtgründen einvernommen. Hier gab er an, am XXXX in Afghanistan, Kabul, geboren zu sein, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören und konfessionslos bzw. Atheist zu sein. Als Beweggrund für seine Ausreise führte er aus, aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist von Personen, die gegen die Regierung waren, bedroht worden zu sein. Weiter werde er auch von der Mafia in Kabul bedroht, weil er Rechtsanwalt sei. Zudem sei er kein gläubiger Moslem, sondern Atheist. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er, aufgrund seiner Tätigkeit getötet zu werden.

3. Trotz laufenden Asylverfahrens verließ der Beschwerdeführer ungefähr im September 2016 die Republik Österreich und reiste nach Deutschland, wo er ebenfalls einen Asylantrag stellte. Der Beschwerdeführer wurde wieder nach Österreich überstellt und ist seit XXXX wieder im Bundesstaat hauptwohnsitzgemeldet.

4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier wiederholte er seine Fluchtgründe aus der Erstbefragung und führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sich seine Arbeit als Journalist gegen die Taliban und die Extremisten gerichtet habe. Er habe alle ihre kriminellen Aktivitäten im Programm gezeigt und sei dafür eingetreten, Religion und die Politik zu trennen. Der Mediensprecher der Taliban habe ihn kurz vor seiner Flucht zweimal angerufen und sich über die Sendung beschwert. Er habe ihn telefonisch bedroht und aufgefordert, sich zu entschuldigen. Der Beschwerdeführer habe diese Drohungen nicht ernst genommen. Er habe dann jedoch ein Schreiben von den Taliban erhalten. Daraufhin habe es einen Angriff in Kabul gegeben, bei dem 20 Kollegen des Beschwerdeführers ums Leben gekommen seien. Der Beschwerdeführer sei sich sicher gewesen, ebenfalls umgebracht zu werden, wenn er nicht flüchte. Weiter habe er einmal einen Bericht mit einem Ministeriumsmitarbeiter gemacht, in dem es um über 25 Millionen Afghani gegangen sei, die verschwunden seien. Er habe verraten, dass die Ministeriumsmitarbeiter die Taliban mit diesem Geld unterstützten. Daraufhin sei er von diesen Mitarbeitern entführt und illegal eingesperrt worden. Sie hätten wissen wollen, wer ihn unterstützt habe und warum er sich in diese Angelegenheiten einmische. Der Beschwerdeführer sei zehn Stunden verhört und gefoltert worden. Mit einer Waffe hätten sie ihm die Nase gebrochen. Die Entführer hätten gefordert, dass der Beschwerdeführer eine neue Sendung produziere und alles widerrufe. Der Beschwerdeführer habe drei Personen genannt, die im Ministerium Infos an die Medien weitergegeben hätten. Nach dem Vorfall habe der Beschwerdeführer Probleme mit den Taliban und dem Ministerium gehabt. Er habe eine Ladung der Staatsanwaltschaft erhalten und sei beschuldigt worden, falsche Infos zu verbreiten und gegen die Heiligtümer zu agieren. Er habe außerdem als Anwalt gearbeitet und als solcher einen Klienten gehabt, welcher Mitglied einer mafiösen Gruppe gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe den Fall verloren, der Mandant sei zum Tode verurteilt worden. Daraufhin sei er von anderen Mitgliedern der Mafia bedroht worden. Aus all diesen Gründen habe der Beschwerdeführer beschlossen, aus Afghanistan zu flüchten.

5. Mit dem gegenständlichen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sodann sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater, der Verein Menschenrechte Österreich, zur Seite gestellt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch den amtswegig beigegebenen Rechtsvertreter, mit Schreiben vom

XXXX fristgerecht vollumfängliche Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften.

7. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.

8. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

9. Mit Schreiben vom XXXX legte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung, die Caritas Österreich eine Vollmacht und eine Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien über den Religionsaustritt des Beschwerdeführers vor.

10. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und seines ausgewiesenen Rechtsvertreters vom erkennenden Richter zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und seinen Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung unentschuldigt fern.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Nein.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: XXXX . Ich bin in Kabul geboren. Mein Vater ist aus der Provinz Wardak, meine Mutter ist aus Kabul.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ich spreche hervorragend Pashtu und Dari, Englisch beherrsche ich gut und Deutsch auf B1-Niveau. Ich kann auch in den angegebenen Sprachen schreiben und lesen.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen an, ich bin Atheist und ledig.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben?

Beschwerdeführer: Ich hatte nur in Kabul gelebt.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführer: Ich habe in einem Miethaus gelebt, wo ich natürlich die Miete bezahlt habe.

Richter: Was haben Sie in Afghanistan gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Ich habe zwölf Jahre die Schule besucht und somit Matura (auf Deutsch) gemacht. Vier Jahre habe ich meinen Bachelor gemacht in Politikwissenschaften. Darüber hinaus habe ich ein Jahr lang ein postgraduales Studium, so ähnlich wie ein Masterstudium. Es kommt dem Masterstudium gleich, aber es ist kein Abschluss wie ein Masterstudium.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Familie lebt in Kabul. Sie leben in einem Miethaus, bereits damals, als ich noch in der Heimat war, haben wir getrennt voneinander gelebt.

Richter: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ganz selten.

Richter: Haben Sie in Afghanistan andere weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen, wie Freunde, Studienkollegen usw. und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Ja, habe ich. Zu weitschichtigen Verwandten und anderen Bekannten habe ich keinen Kontakt, lediglich zu einigen Studienkollegen stehe ich nach wie vor in Kontakt.

Richter: Sie haben gerade angegeben, dass Sie Politikwissenschaften studiert, gleichzeitig ist hier festgehalten, dass Sie als Anwalt gearbeitet haben. Dazu braucht man doch ein Jusstudium, haben Sie nicht Rechtswissenschaften studiert?

Beschwerdeführer: In den meisten Ländern, ich spreche von asiatischen Ländern, sind diese beiden Studienzweige, gemeint Jus und Politikwissenschaften miteinander verflochten. Als Jus- oder Politikwissenschaftenabsolvent kann man Diplomat werden, ein Anwalt oder auch ein Staatsanwalt.

Richter: Will Ihre Familie auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Nein, nicht.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich führe ein gutes Leben in Österreich. Wenn es Veranstaltungen, vor allem Afghanistan betreffend der politischen Ebene geht, dann nehme ich teil. Ich beteilige mich an den Gesprächen, darüber hinaus habe ich keine weiteren Beschäftigungen hier.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja, aus verschiedenen Nationen.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Ich habe keine Mitgliedschaft, ich nehme aber an Veranstaltungen von Vereinen teil. Ein afghanischer Verein namens

XXXX . (D: XXXX ).

Richter: Was ist das für ein Verein, wie ist der ausgerichtet?

Beschwerdeführer: Wir sind auf kultureller Ebene aktiv. Einmal pro Monat gibt es eine Vereinssitzung, ich bin dort Ehrenmitglied. Es gibt insgesamt 70 Vereinsmitglieder. Vor zwei Monaten ist der Gründer XXXX verstorben, er war der Vereinsgründer. Vor ca. 30 Jahren ist er nach Österreich zugezogen, er hat der kommunistischen, sozialdemokratischen Partei angehört. Die Ideologie ist nicht politisch, sondern es geht darum, die Kultur am Leben zu halten.

Richter: Wie verbringen Sie sonst den Tag, einmal im Monat einen Verein zu besuchen, kann nicht alles in Österreich sein?

Beschwerdeführer: Ich besuche einen Deutschkurs, ich schreibe Beiträge in sozialen Medien, aber auch auf Seiten, wo Berichterstattungen erfolgen. Ich gehe in die Bücherei. Ich gehe trainieren in einem Fitnessclub. Gelegentlich verbringe ich auch meine Zeit mit meinen Freunden hier.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Mit der Polizei hatte ich bislang keine Probleme, ich hatte allerdings mit einer anderen Person ein Problem, deswegen es eine Gerichtsverhandlung gegeben hat. Mir wurde auf mein Bank Account 1.500 Euro überwiesen. Ich wurde freigesprochen, nicht für schuldig vom Gericht erkannt. Mir wurden 1.500 Euro, aus mir unerklärlichen Gründen auf mein Konto überwiesen, diese Person hat mich dann angezeigt.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Drei Gründe haben mich dazu veranlasst, die Flucht zu ergreifen. In erster Linie, weil ich als Berichterstatter tätig war und über politische Themen gesprochen habe. Ich hatte im Fernsehen und im Radio politische Sendungen. Die Sendungen, die ich gemacht habe, haben Themen wie Radikalismus und Extremismus im Islam angesprochen und unter den Taliban, aber auch in der Gesellschaft. Ich war die erste Person, die öffentlich über die Ideologie der Taliban berichtet bzw. gesprochen hat. Ich habe auch darüber gesprochen, dass, was die Taliban ausmacht und den Islam, den sie predigen, welche Bezüge es zur Realität gibt. Ich habe sehr kritische Punkte den Taliban betreffend aufgezeigt. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, vor allem junge Menschen davon abzubringen, sich zu radikalisieren, den Radikalen so zu sagen in die Arme zu laufen. Auf Grund dessen haben die Taliban meine Existenz bzw. mein Dasein nicht hinnehmen können. Darüber hinaus habe ich Personen, Staatsbedienstete der Regierung aufgedeckt, die im Untergrund den radikalen Islam sowie die Taliban unterstützt haben. Ich habe eine kleine Gruppierung im Innenministerium aufgedeckt, die für den Sicherheitsbereich "höchste Sicherheit" zuständig waren um genauer zu sein, habe ich aufgedeckt, dass im Untergrund 25 Millionen US-Dollar über diese Personen an die Taliban geflossen sind, dazu habe ich Dokumente gefunden. Ich habe gegen den radikalen Islam, geprägt durch die Taliban, aber auch durch die Gesellschaft, angekämpft. Mir wurde Glaublosigkeit, ein Befürworter des Westens vorgeworfen, als Atheist hat sich meine Situation in erster Linie, weil ich gegen den Radikalismus vorgegangen bin, zugespitzt. Ich habe über die Sendungen versucht, die Menschlichkeit, auch die Menschenrechte zu übermitteln und somit ein Sprachrohr dafür zu werden. Ich habe zu den ersten Personen in Afghanistan gezählt, die angefangen haben, über Sendungen durch Gedankengut gegen sie anzukämpfen. Dass hat dann dazu geführt, dass der Talibansprecher XXXX mich kontaktierte. Das war so zu sagen der erste offizielle Kontakt seitens der Taliban mit einer Zurechtweisung. Die erste

Frage, die mir gestellt wurde war jene: "Für welches Land, für welche Vertretung, in Form von einer Botschaft arbeitest du?". Ich habe darauf geantwortet, dass ich für kein anderes Land arbeite, sondern nur für das, woran ich im Leben glaube. Mir wurde auch gesagt: "Solltest du mit deinen Sendungen weitermachen, uns in dieser Form zum Thema machen, dann wird unsere militärische Vereinigung über dich entscheiden." Unser Gespräch über dieses Thema hat ungefähr drei bis vier Minuten gedauert. Ungefähr acht Tage später, nach dem Anruf, hatte ich eine Sendung, die auch über " XXXX " abzurufen ist, wo ich berichtet habe, dass 25 Millionen Dollar der Amerikaner insgeheim an die Taliban geflossen sind. Das habe ich aufgedeckt, diese Sendung kann man - wie gesagt - über " XXXX " aufrufen. Am Tag nach der Sendung, nach dieser Aufdeckung, wurde ich von jenen Taliban, die für das Innenministerium arbeiten und so zu sagen, "Krawatten tragen", entführt. Ich wurde acht Stunden lang verhört. Diese Gruppe wollte von mir erfahren, wie ich das Dokument in die Hände bekommen habe, das veranschaulicht, dass sie den Taliban Hilfe geleistet hat. Sie wollten von mir erfahren, welche Botschaft mich unterstützt bzw., wer die Personen sind, die hinter mir stehen. Diese Gruppe, die ich angesprochen habe, arbeitet nach wie vor für das Innenministerium, sie haben ihre Positionen behalten und üben nach wie vor ihre Macht aus. Bei dem Verhör wurde ich psychisch und physisch gequält, mir wurde die Nase gebrochen. Ich habe am Kopf Risswunden erlitten. Sie habe mich an einen unbekannten Ort gebracht, getötet haben sie mich nicht. Ich habe mich gezwungen gesehen, die Namen der Personen, die mir diese Dokumente gegeben haben, die beweisen, dass diese Personen 25 Millionen den Taliban gegeben haben, zu nennen. Sie hatten die Absicht mich zu töten. Nur damit das klar wird, warum sie mich nicht sofort auslöschen könnten. Sie Personen, die mich entführt haben, waren zuvor in meiner Sendung. So wäre ganz Afghanistan sofort draufgekommen, wer mich getötete hätte. Nach diesen acht Stunden wurde ich dann freigelassen. Ich habe mit meinen Sendungen bzw. meinen Arbeiten weitergemacht. Etwa nach vier Sendungen, in den ich auch ernsthaft Taliban thematisiert habe, habe ich erneut einen Anruf von XXXX erhalten. Mir wurde bei dem Gespräch mitgeteilt, dass die Ratssitzung der Talibanregierung über mich entschieden hat und mich als einen "Ungläubigen" erachtet, der die "westliche Ideologie" vertritt und darüber hinaus aktiv gegen den Islam wirkt und den Schariastaat der Taliban gezielt deformiert. Etwa 15 Tage nach diesem zweiten Anruf habe ich dann ein Drohschreiben mit meinem Todesurteil erhalten. In dem Drohschreiben, das an mich gerichtet war, wurde ich von deren Militär als Zielperson ernannt, darüber hinaus wurde auf der offiziellen Seite der Taliban im Jahre 2016, generell ausgesprochen, dass Personen, die Sendungen bzw. Berichterstattungen gegen ihre Vereinigung machen, zu Zielscheiben werden. Etwa drei Tage nachdem ich das Drohschreiben erhalten habe, haben die Militäroperationen der Taliban begonnen. Sie haben gezielt 30 Berichterstatter bzw. Kollegen getötet. Seit 2016 bis 2018 wurde Afghanistan von den Vereinigten Nationen als das gefährlichste Land für Berichterstattung ernannt. Diese Vorgehensweise bzw. Kriegserklärung gegen Berichterstattung haben mich in die Flucht getrieben.

Wir Atheisten sind in Afghanistan eine Minderheit. Wir haben keinerlei Rechte, im Vergleich zu den Muslimen in Afghanistan. Seit 2010 bis zum heutigen Tage bin ich ein Atheist, somit seit nunmehr acht Jahren. Bis 2015 bin ich als Atheist unentdeckt geblieben, auf Grund meiner humanistischen Tätigkeiten bzw. Aktivitäten, haben sie meine Ideologie ausforschen können. In den 34 Provinzen, die es in Afghanistan gibt, wurde ich zu einer Berühmtheit, allerdings im negativen Sinne, ich wurde von der Bevölkerung ausgegrenzt. Seit Mitte 2015 konnte ich in der Öffentlichkeit mich nicht so geben, wie zuvor, weil die Menschen mich als einen "Ungläubigen" gesehen bzw. genannt haben. Ich wurde diskriminiert. Ich habe dann eine Ladung seitens der Staatsanwaltschaft in Afghanistan bekommen, eingeleitet vom Gericht, mit der Absicht, dass ich vorerst in Untersuchungshaft genommen werde. Nach der islamischen Gesetzgebung in Afghanistan, wird ein Atheist mit dem Tod bestraft, es wird ein Todesurteil in Form von Steinigung ausgesprochen. Einen Monat bevor ich den offiziellen Termin beim Gericht hätte wahrnehmen müssen, habe ich die Flucht aus Afghanistan ergriffen. Als eine sehr kleine Minderheit wurden uns in Afghanistan keinerlei Rechte zugesprochen. Ich kann mit meiner Denkweise dort nicht leben, ich muss mich der islamischen Gesetzgebung beugen. Nachdem das atheistische Mädchen XXXX 2015 getötet wurde, dieser Vorfall hat sich in Kabul ereignet, danach waren die Menschen noch mehr gegen die Atheisten sensibilisiert. Meine Denkweise bzw. Einstellung, haben mich dazu veranlasst wegzugehen.

Richter: Auf welchen Sender und in welcher Sendung sind Sie aufgetreten?

Beschwerdeführer: Beim Fernsehsender XXXX , die Sendungen, die ich im Fernsehen hatte hießen: " XXXX ". (D: XXXX ). Zweite Sendung:

XXXX (D: XXXX ). Ich habe auch zahlreiche Radiosendungen. Ein Radiosender, der unter Frequenz XXXX empfangen wurde, die eine Sendung XXXX (D: XXXX ) und eine Morgensendung namens XXXX (D: XXXX).

Richter: Unter welchen Namen sind im Radio und Fernsehen aufgetreten?

Beschwerdeführer: XXXX .

Richter: Bei Ihrer Berichterstattung war Ihnen nicht von Anfang klar, dass Sie sich einer Gefahr aussetzen, wenn Sie - so wie Sie angeben - es gemacht zu haben, über die Taliban berichten? Haben Sie gedacht, dass ein gewisser Grad an öffentlicher Bekanntheit Sie davor schützt?

Beschwerdeführer: Jemand muss in der afghanischen Gesellschaft endlich anfangen, den radikalen Islam zu bekämpfen. Es war mir bewusst, dass ich mich Drohungen bzw. einer Gefahr aussetze. In Afghanistan gibt es zahlreiche Probleme in der Gesellschaft, ich hätte aber niemals gedacht, dass der Druck solch ein Ausmaß nehmen würde, in dem nicht nur die Taliban, sondern die Bevölkerung, die Gesellschaft mich ausgrenzt. Die Menschen lehnen mich ab, ich widere sie an. Ich spreche von diesen 34 Provinzen in Afghanistan.

Richter: Seit wann bezeichnen Sie sich als Atheist?

Beschwerdeführer: Im Jahr 2010, damals habe ich mich im zweiten Universitätsjahr befunden, ich habe damals den Zugang zur Philosophie und in weiterer Folge zum Atheismus kennengelernt. Mitte 2015 haben dann auch die Öffentlichkeit meine Ideologie herausgefunden, durch die Gespräche findet man das auch heraus.

Richter: Ich nehme an, dass Sie in gewisser Weise islamisch erzogen wurden, warum konkret haben Sie sich vom Islam abgewandt?

Beschwerdeführer: Die islamische Gesellschaft, nicht nur in Afghanistan, ich spreche von der islamischen Welt, ist nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Ich spreche vom Bild und Vermittlung. Ich möchte dazu anführen, dass das, was ich beim Teilstudium des Jus über das islamische Strafverfahren erlernt habe, mich erstaunt hat. Es bedeutet für mich Freiheitsentzug.

Richter: Warum wäre ganz Afghanistan darauf gekommen, wer Sie entführt und allenfalls umgebracht hätte, weil diese Personen in Ihrer Sendung waren? Woraus hätte sich diese unmittelbare Verbindung ergeben?

Beschwerdeführer: Bei diesen Personen handelte es sich um hochrangige Beamten des Innenministeriums. Ich habe gezielt angesprochen, dass diese Gruppierung die 25 Millionen an die Taliban weitergeleitet haben. Wir haben über dieses Thema diskutiert, am Tag darauf wurde ich von ihnen dann verhört. Sie haben mich nicht getötet, weil ein Tag davor, sie öffentlich mit mir zu sehen waren. Auch diese Personen hätten unter Druck zur Verantwortung gezogen werden können, immerhin war ich in der Öffentlichkeit.

Richter: Hat sich durch die von Ihnen angesprochen Ermordung von 30 Journalisten durch die Taliban die Berichterstattung in Afghanistan geändert?

Beschwerdeführer: Natürlich sind Veränderungen in der Arbeit eingetreten. Wenn man nicht die Sicherheit hat, muss man auf sich achten und anders arbeiten. Viele meiner Freunde wurden getötet. Es kommt darauf an, von wem die Berichterstattung veröffentlicht wird. Es sind Berichterstatter, die sich den Taliban gebeugt haben, andere Berichterstattungen sind finanziell geprägt, d. h. von Unterstützern gelenkt. Dann gibt es eine Minderheit, die sich tatsächlich mit den Taliban anlegt, so wie ich. Ich habe aus einer philosophischen Sicht versucht aufzuklären, zum Nachdenken zu bewegen, natürlich ist solch eine Person von den Taliban nicht erwünscht.

Richter: Vor dem BFA haben Sie noch einen weiteren Fluchtgrund in Verbindung mit Ihrer Tätigkeit als Anwalt in einem verlorenen Fall geschildert.

Beschwerdeführer: Ich war selbst Anwalt im Strafbereich, unter Berücksichtigung bzw. Wahrung der Menschenrechte. Die anwaltliche Vertretung in dieser Form wurde neu eingeführt und ist somit in der afghanischen Gesellschaft etwas Neues. Dazu möchte ich anführen, dass man dort noch nicht erfasst hat, dass die Aufgabe eines Anwalts als Vertreter ist. Die Angehörigen und Straftäter glauben, wenn sie einen Anwalt genommen haben, dass dieser den Straftäter zum Freispruch bringen muss. Generell ist das Bildungsniveau der Menschen niedrig, somit definieren sie ihre Erwartungen anders. Etwa ein Jahr vor meiner Ausreise habe ich einen Fall übernommen. Ich war der Anwalt von einer kriminellen Vereinigung, die für kriminelle Taten, u. a. Drogenhandel und Entführungen verantwortlich waren. Darüber hinaus wurde diese kriminelle Bande für 33 Morde verantwortlich gemacht. Ich habe einen von dieser Bande anwaltlich vertreten. Der Bandenanführer namens XXXX war auf der Flucht, ein Täter, der gefasst wurde, habe ich vertreten. Meine Aufgabe war es, dass seine Menschenrechte gewahrt werden und ein fairer Prozess abgewickelt wird. Ich habe die anwaltliche Vertretung übernommen. Drei Tage habe ich über diese Banden Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass sie für zahlreiche Morde verantwortlich sind. Nach diesen drei Tagen wurde auch der Bandenanführer gefasst. Das Gericht hat beiden Straftäter mit einem Todesurteil bestraft. Sie waren ein Jahr in Haft, das Todesurteil wurde ausgesprochen, aber nicht vollzogen. Die Erwartung von seinen Angehörigen und den Personen zu ihnen gehört haben waren, dass ich deren Todesurteil in eine 16-jährige Strafe umwandle. Darüber hinaus haben die Angehörigen des gefassten Bandenoberhauptes geglaubt, dass ich dazu beigetragen haben, dass das Bandenoberhaupt gefasst wurde, in dem ich vertraute Informationen meines Klienten weitergegeben habe, dem war aber nicht so.

Richter: Sind Sie über die von Ihnen vorhin geschilderte Entführung hinaus, jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Ich wurde auch persönlich, damals, als ich die Universität besucht habe, bedroht. Ich spreche vom Zeitraum 2011 - 2012. Es gab Bedrohungen, die aber nicht einem extrem ernsten Ausmaß hatten, ich bin vorsichtiger geworden. Ich habe dann, wie ich 2015 bzw. 2016 mich noch mehr bzw. ernsthafter in meiner Arbeit vertieft, dann haben sie die Drohungen dementsprechend zugespitzt. Von 2011 - 2012 habe ich damals schon deshalb gesprochen, weil ich damals schon ein überzeugter Atheist war. Ich wurde von Studienkollegen, die geahnt haben, welche Denkweise ich befolge, verbal angegriffen und zurechtgewiesen, aber auch von Mullahs und Gelehrten, die eine Vermutung hatten. Als ich dann meine offizielle Tätigkeit aufgenommen habe, wurde ich dann direkt bedroht, wie bereits heute in diesem Verfahren angegeben.

Richter: Wodurch sind Sie aktuell in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer: Jene Bedrohungen, die ich Ihnen geschildert habe, bestehen für mich aktuell, nach wie vor, für mich in Afghanistan. Wenn ich am Flughafen Kabul aussteige, wird man mit mir abrechnen.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin von Kabul nach Kasachstan geflogen, mit Hilfe eines Schleppers, illegal. Mit "illegal" meine ich damit, dass der Schlepper ein Visum für mich besorgt hat und darüber hinaus Personen am Flughafen Kabul bestochen hat, damit ich problemlos abfliegen kann. Von Kasachstan auf dem Landweg weiter nach Russland, über Ukraine/Kiew, Slowakei, nach Österreich. Alles über den Landweg, nur der Flug war nach Kasachstan.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Es waren meine Ersparnisse, ich habe das Geld selbst bezahlt.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich habe eine Beschwerde eingebracht, weil ich die Entscheidung der ersten Instanz (BFA), ankämpfen will.

[...]

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ausführlich zu den ins Verfahren eingebrachten Länderinformationen Stellung, brachte neue Länderberichte ins Verfahren ein und erstattete Vorbringen zum Atheismus des Beschwerdeführers. Die eingebrachten Berichte, welche unter anderem zum Beweis, dass Journalisten gezielt verfolgt werden, vorgelegt wurden, wurden in Kopie zum Akt genommen. Weiter legte der Beschwerdeführer ein Zertifikat Deutsch B1 vor.

11. Mit Schreiben vom XXXX wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass die bisherige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, der Verein Menschenrechte, die erteilte Vollmacht niederlegt und das Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer beendet ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den gegenständlichen Verfahrensakt betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Afghanistan

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bezeichnet sich selbst als Atheist. Er ist konfessionslos und glaubt nicht an den Islam. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch hervorragend Paschtu. Auch Englisch beherrscht er gut sowie Deutsch auf Niveau B1. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan in Kabul geboren und wuchs im afghanischen Familienverband mit seinem Vater, seiner Mutter, einer Schwester und zwei Brüdern auf. In Kabul lebte der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise im Jahr 2016 in einer eigenen Mietwohnung.

Der Beschwerdeführer besuchte in Kabul zwölf Jahre die Schule und studierte anschließend vier Jahre Politik- und Rechtswissenschaften an der Universität in Kabul. Dieses Studium schloss der Beschwerdeführer erfolgreich ab. Weiter absolvierte er ein Jahr lang ein postgraduales Studium. Anschließend arbeitete der Beschwerdeführer in Kabul bis zu seiner Ausreise als Journalist für den Fernsehsender XXXX und die Radiostation, die auf der Frequenz XXXX zu empfangen war, sowie als Anwalt.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in seinem Herkunftsstaat in Kabul. Neben seiner Kernfamilie leben auch noch weitere Verwandte des Beschwerdeführers, wie Tanten, Cousins und Cousinen, sowie Studienkollegen des Beschwerdeführers in Afghanistan. Der Beschwerdeführer steht in sporadischem Kontakt zu seiner Familie.

1.2 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer reiste im Juni 2016 illegal in das Österreichische Bundesgebiet ein, wo er am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nach seiner Einreise reiste der Beschwerdeführer im Jahr 2016 nach Deutschland aus, hält sich jedoch zumindest seit März 2017 weder durchgehend in Österreich auf.

Seit seiner Einreise besucht der Beschwerdeführer regelmäßig Deutschkurse. Im Oktober 2018 erwarb er ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B1. Der Beschwerdeführer nimmt regelmäßig an Veranstaltungen von Vereinen teil und ist Ehrenmitglied in einem afghanischen Kulturverein. Weiter schreibt er Beiträge in sozialen Medien sowie Berichterstattungen. In seiner Freizeit besucht er die Bibliothek oder trainiert in einem Fitnessclub. Er hat in Österreich soziale Kontakte - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft und verbringt gelegentlich Zeit mit seinen Freunden.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige enge Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er ist gesund und arbeitsfähig.

1.3 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz bereits in seiner Erstbefragung mit Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeiten als Journalist und Rechtanwalt sowie mit Verfolgung aufgrund seiner Abkehr vom islamischen Glauben (Apostasie). Diese Fluchtgründe hielt der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens aufrecht.

Der Beschwerdeführer arbeitete nach seinem Studienabschluss für den Fernsehsender XXXX . Dort trat er unter anderem in den Sendungen " XXXX " (auf Deutsch: XXXX ) und " XXXX " (auf Deutsch: XXXX ) auf. Weiter hatte der Beschwerdeführer zahlreiche Radiosendungen, darunter die Sendung " XXXX " (auf Deutsch: XXXX ) sowie eine Morgensendung namens " XXXX " (auf Deutsch: XXXX ). Die Sendungen sind zum Teil auf XXXX abrufbar. Der Beschwerdeführer erlangte aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist große Bekanntheit in Afghanistan.

In seinen Sendungen berichtete der Beschwerdeführer über politische Themen wie Radikalismus und Extremismus im Islam und unter den Taliban. Der Beschwerdeführer trat gegen die Taliban ein, deckte deren kriminelle Aktivitäten auf und machte es sich zur Aufgabe, junge Menschen davon abzubringen, sich zu radikalisieren. Er verteidigte Menschenrechte und die Demokratie und trat für den Säkularismus ein.

Aufgrund seiner politischen Tätigkeit als Journalist wurde der Beschwerdeführer von einem Talibansprecher zweimal telefonisch kontaktiert und bedroht. Beim zweiten Anruf wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Ratssitzung der Taliban über ihn entschieden habe und ihn als einen "Ungläubigen" erachte, der die "westliche Ideologie" vertrete, aktiv gegen den Islam wirke und den Schariastaat der Taliban gezielt deformiere. Zwei Wochen nach dem zweiten Drohanruf erhielt der Beschwerdeführer einen Drohbrief, in welchem er als Zielperson des Militärs der Taliban bezeichnet wurde. Drei Tage nach Erhalt des Drohschreibens begannen die Militäroperationen der Taliban gegen Journalisten. Es wurden gezielt Journalisten bzw. Berichterstatter getötet. Der Beschwerdeführer befürchtet, ebenfalls durch die Taliban getötet zu werden.

Als Journalist deckte der Beschwerdeführer auch eine kleine Gruppierung im afghanischen Innenministerium auf, über die 25 Millionen US-Dollar an die Taliban geflossen sind. Diese Sendung ist über XXXX aufrufbar. Nach Ausstrahlung dieser Sendung wurde der Beschwerdeführer von dieser Gruppierung im Innenministerium entführt, gefoltert und acht bis zehn Stunden verhört. Der Beschwerdeführer wurde gezwungen, seinen Entführern die Namen der Personen zu nennen, die ihm Dokumente gaben, welche beweisen, dass diese Personen 25 Millionen US-Dollar an die Taliban weiterleiteten. Danach ließen die Mitarbeiter des Innenministeriums den Beschwerdeführer frei. Vor seiner Ausreise erhielt der Beschwerdeführer eine Ladung der afghanischen Staatsanwaltschaft zur Einvernahme wegen Gerüchteverbreitung und Manipulation öffentlicher Gedanken. Der Beschwerdeführer ist überzeugt, dass ihm im Fall einer Verurteilung die Todesstrafe in Form von Steinigung droht.

Weiter war der Beschwerdeführer als Anwalt im Strafbereich tätig, um die Einhaltung der Menschenrechte und einen fairen Prozess zu garantieren. Als Anwalt einer kriminellen Vereinigung, welche für mehrere Morde verantwortlich gemacht wurde, vertrat der Beschwerdeführer ein Mitglied dieser mafiösen Gruppe. Der Mandant des Beschwerdeführers wurde zum Tode verurteilt. Die kriminelle Vereinigung machte den Beschwerdeführer hierfür verantwortlich und forderte vom Beschwerdeführer, das Todesurteil in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln. In Folge wurde der Beschwerdeführer durch die Mafia bedroht.

Der Beschwerdeführer entstammt einer muslimischen Familie, hat sich jedoch mittlerweile aus ideeller Überzeugung vom islamischen Glauben abgewandt und bezeichnet sich seit seinem zweiten Jahr an der Universität (2010) als Atheist. Der Beschwerdeführer bekannte sich in Afghanistan nicht öffentlich zu seiner Abkehr vom Islam, aufgrund seines Einsatzes für Menschenrechte, Demokratie und den Säkularismus wurde er von der Öffentlichkeit jedoch als ungläubig angesehen. Man wirft dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Berichterstattung und seiner humanistischen Tätigkeiten in Afghanistan Glaublosigkeit vor. Er ist in allen Provinzen Afghanistans bekannt und wird von der Bevölkerung wegen seiner Ungläubigkeit ausgegrenzt.

Dem Beschwerdeführer droht daher im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung aus Gründen seiner politischen und religiösen Gesinnung sowohl durch die Taliban und die Mafia als auch durch den afghanischen Staat. Von einer solchen Verfolgung ist aufgrund der Bekanntheit des Beschwerdeführers im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan auszugehen.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 29.06.2018, außer wenn anders angegeben):

1.4.1.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1.1 Kurzinformation vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

1.4.1.1.2 Kurzinformation vom 29.10.2018

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

1.4.1.1.3 Kurzinformation vom 19.10.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

1.4.1.1.4 Kurzinformation vom 11.9.2018

Anschläge in Nangarhar

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheliegenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Sc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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