TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/1 W215 2119005-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
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Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs6 Z2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W215 2119005-1/24E

W215 2160035-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , und 2) XXXX , geb XXXX , beide Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 03.12.2015, Zahl 1065479207-150400508, und 2) 30.03.2017, Zahl 1145601805-170320207, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und 1) XXXX gemäß

§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, iVm § 34 Abs. 2 und Abs. 6 Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass 1) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Der Beschwerde wird stattgegeben und 2) XXXX gemäß

§ 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, kommt 2) XXXX damit eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für die Dauer von drei Jahren zu. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass 2) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (P1) ist die Mutter der in Österreich geborenen Zweitbeschwerdeführerin (P2).

P1 gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 21.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2015, Zahl 1065479207-150400508, wurde der Antrag von P1 auf internationalen Schutz vom 21.04.2014 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. P1 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.12.2016 erteilt.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, zugestellt am 07.12.2015, erhob P1 am 18.12.2015 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, beantragte die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.

2. Die Beschwerdevorlage vom 29.12.2015 langte am 30.12.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde der Gerichtsabteilung W103 zur Bearbeitung zugewiesen.

3. Nach der Geburt von P2 in Österreich stellte P1 für diese am 14.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Dabei wurde angegeben, dass das Kind keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe und sich der Antrag ausschließlich auf die Fluchtgründe der Mutter beziehe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2017, Zahl 1145601805-170320207, wurde der Antrag von P2 auf internationalen Schutz vom 14.03.2017 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. P2 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.12.2018 erteilt.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, zugestellt am 04.04.2017, wurde für P2 am 03.05.2017 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde erhoben, die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage von P2 vom 30.05.2017 langte am 01.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde ebenfalls der Gerichtsabteilung W103 zugewiesen. Nach Unzuständigkeitseinrede des Leiters der Gerichtsabteilung W103 vom 06.06.2017 wurden die Akten von P1 und P2 am 07.06.2017 der Gerichtsabteilung W215 zugewiesen.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 24.01.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschien P1, zugleich als gesetzliche Vertreterin für die minderjährige P2 und deren Vertreterin. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits in den Beschwerdevorlagen für die Verhandlung entschuldigt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan; P1 und deren Vertreterin verzichteten auf Ausfolgung.

Mit Schreiben vom 03.02.2018 brachte P1 eine Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichten ein.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.03.2018, Zahlen

1) W215 2119005-1/10E und 2) W215 2160035-1/6E, wurden die Beschwerden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen. Das Vorbringen von P1 zu den angeblichen Gründen für ihre Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat bzw. zu ihren angeblichen Gründen für ihren Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates war nicht glaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht ging nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zusammengefasst davon aus, dass P1 keiner wie immer gearteten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt war und ihr Vorbringen zu den angeblichen Ausreisegründen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Es war P1 nicht gelungen, individuelle und konkrete Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen, da sie nicht in der Lage war, das Szenario, das zu ihrer Ausreise geführt haben soll, nachvollziehbar und glaubhaft darzustellen.

Nach Zustellung der Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wurden fristgerecht außerordentliche Revisionen an den Verwaltungsgerichthof erhoben und mit Erkenntnis vom 12.12.2018, Ra 2018/19/0293-12, Ra 2018/19/0439-12, Ra 2018/19/0387-7, die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes behoben. Dieses Erkenntnis langte am 15.01.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identitäten von P1 und P2 stehen nicht fest. P1 ist die Mutter von P2, beide sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia.

P1 reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 21.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Geburt von P2 in Österreich wurde für diese am 14.03.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2015, Zahl 1065479207-150400508, wurde der Antrag von P1 auf internationalen Schutz vom 21.04.2014 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. P1 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.12.2016 erteilt. Gegen Spruchpunkt I. erhob P1 am 18.12.2015 fristgerecht gegenständliche Beschwerde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2017, Zahl 1145601805-170320207, wurde der Antrag von P2 auf internationalen Schutz vom 14.03.2017 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. P2 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 03.12.2018 erteilt. Gegen Spruchpunkt I. erhob P2 am 03.05.2017 fristgerecht gegenständliche Beschwerde.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.03.2018, Zahlen

1) W215 2119005-1/10E und 2) W215 2160035-1/6E, wurden die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen. Das Vorbringen von P1 zu den angeblichen Gründen für ihre Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat bzw. zu ihren angeblichen Gründen für ihren Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates war nicht glaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht ging nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zusammengefasst davon aus, dass P1 keiner wie immer gearteten Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt war und ihr Vorbringen zu den angeblichen Ausreisegründen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Es war P1 nicht gelungen, individuelle und konkrete Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen, da sie nicht in der Lage war, das Szenario, das zu ihrer Ausreise geführt haben soll, nachvollziehbar und glaubhaft darzustellen.

Mit Erkenntnis vom 12.12.2018, Ra 2018/19/0293-12, Ra 2018/19/0439-12, Ra 2018/19/0387-7, wurden die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes behoben. Dieses Erkenntnis langte am 15.01.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein.

2. Das Vorbringen von P1 zu den angeblichen Gründen für ihre Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat bzw. zu ihren angeblichen Gründen für ihren Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates ist nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 in der Bundesrepublik Somalia einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sein wird.

3. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer wird festgestellt:

Allgemein

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt:

a) In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den

al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu.

b) Der so genannte Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten. Stammesmilizen spielen eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln und im Süden aktuell zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

c) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wird durch die abermalige Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert dort keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten.

Vor diesem Hintergrund ist zu beinahe allen folgenden Abschnitten eine Dreiteilung notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden.

ad a) Süd- und Zentralsomalia: Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten. Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt. Einen wichtigen Meilenstein in Richtung allgemeiner Wahlen könnte der derzeit laufende Wahlprozess darstellen. Erstmals ist eine Abstimmung in allen Gliedstaaten (außer Somaliland) geplant, pro Sitz im Ober- und Unterhaus müssen mindestens zwei Kandidaten zur Wahl stehen, die von über 14.000 Wahlmännern gewählt werden sollen (AA 01.01.2017).

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).

Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).

Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).

Parteiensystem ad a) in Süd- und Zentralsomalia: Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung bildet. Zu befürchten ist, dass die Parteienbildung ausschließlich anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 01.01.2017).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand November 2017, abgefragt 12.03.2018).

Die Regierung von Puntland verlegte am 12.08.2017 Soldaten in die Regionen Sool und Sanaag, um die Vorbereitungen der somaliländischen Regierung für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im November 2017 zu verhindern. Puntland und Somaliland streiten seit langem über die Zugehörigkeit dieser beiden Regionen (BAMF 21.08.2017).

(DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267

VOA, Voice of America, Somalis Optimistic About New President, 09.02.2017,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017

UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 21.08.2017,

https://www.ecoi.net/file_upload/5734_1503567872_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-21-08-2017-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik,

Stand November 2017, abgefragt am 12.03.2018, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Sicherheitslage

Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AU [Afrikanische Union]-Mission AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und "Somaliland" ist die Lage stabiler. In den zwischen den beiden Gliedstaaten umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kommt es vereinzelt zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Gleiches gilt für die Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug (AA Innenpolitik Stand November 2017, abgefragt 12.03.2018).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden "Somaliland" (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt. In vielen Gebieten der Gliedstaaten Süd-/Zentralsomalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung, die nur innere Autonomie anstrebt, aber keine Unabhängigkeit; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd- und Zentralsomalia. Es kommt jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen in der Grenzregion zu "Somaliland" sowie in der mit Galmugud geteilten Stadt Galkacyo. In "Somaliland", das sich 1991 unabhängig erklärt hat, aber bislang von keinem Staat anerkannt wird, wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. Die erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische "Somaliland" (AA 01.01.2017).

Die Streitkräfte machten keine Angaben zu zivilen Opfern.US-Kampfjets haben zum zweiten Mal binnen weniger Tage die Terrormiliz al-Shabaab angegriffen. Wie das US-Afrika-Kommando am 12.11.2017 mitteilte, zielten die Luftangriffe am Vortag auf Stellungen rund 400 Kilometer von der Hauptstadt Mogadischu entfernt. Die Aktionen würden fortgesetzt, um den Terrorismus in Afrika zu bekämpfen. Bereits am 09.11.2017 hatte das US-Militär nach eigenen Angaben bei einem Luftangriff etwa 160 Kilometer westlich der Hauptstadt Mogadischu mehrere Mitglieder der Terrormiliz getötet. Die sunnitischen Extremisten von al-Shabaab kämpfen seit Jahren um die Vorherrschaft in Somalia, um dort einen sog. Gottesstaat zu errichten (BAMF 13.11.2017).

Bei einem Angriff der US-Luftwaffe am 21.11.2017 sind nach Militärangaben mehr als 100 Kämpfer der islamistischen Terrororganisation al-Shabaab getötet worden. Ziel des Luftangriffs war ein Trainingslager der Miliz 200 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Mogadischu. Weiter wurde bekanntgegeben, die Militäroperation sei mit der international anerkannten Übergangsregierung Somalias koordiniert gewesen (BAMF 27.11.2017). Bei einem Angriff der al-Shabaab auf einen Konvoi der somalischen Armee kamen am 01.12.2017 in der Region Hiiraan zwei Soldaten und 12 Extremisten ums Leben. Das Afrikanische Kommando der Vereinigten Staaten (US Africa Command - AFRICOM) bombardierte am 30.11.2017 eine Basis der al-Shabaab in der Ortschaft Torotorow (Region Lower Shabelle). Im November 2017 führte AFRICOM rund ein Dutzend Luftschläge gegen al-Shabaab- und IS-Extremisten durch (BAMF 04.12.2017).

Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen in der Zeit vom 01.01.2016 bis 14.10.2017 im Konflikt in Somalia 2.078 Angehörige der Zivilbevölkerung ums Leben, 2.507 wurden verletzt. Für mehr als 60% der zivilen Opfer macht der UN-Bericht die al-Shabaab verantwortlich. Etwa ein Viertel der Toten lasse sich auf den verheerenden Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu zurückzuführen. Clanmilizen seien für 13% der Opfer verantwortlich, somalische Stellen einschließlich Polizei und Armee für 11%, AMISOM für 04%. Nicht identifizierte Täter verursachten 12% der Opfer (BAMF 11.12.2017).

Ein als Polizist verkleideter Selbstmordattentäter tötete in der General-Kahiye-Polizeiakademie im Stadtteil Hamar Jabjab in Mogadischu am 14.12.2017 mehr als 18 Polizisten, weitere 20 wurden verletzt. Zum Anschlag bekannte sich die al-Shabaab. Am 12.12.2017 ermordeten al-Shabaab-Kämpfer in Mogadischu drei Polizisten (BAMF 18.12.2017).

Bei einem Luftangriff des US-Militärs auf die Terrormiliz al-Shabaab sind nach US-Angaben 13 Islamisten getötet worden. Der Angriff habe am Morgen des 24.12.2017 im Süden des Landes stattgefunden, teilte die für Afrikaeinsätze zuständige Kommandozentrale des US-Militärs am 27.12.2017 mit. Das US-Militär unterstützt die somalischen Streitkräfte und eine Truppe der Afrikanischen Union gegen al-Shabaab und hat seine Einsätze gegen die mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbundene Miliz zuletzt deutlich ausgeweitet. Die sunnitischen Fundamentalisten wollen in dem Land am Horn von Afrika einen sogenannten Gottesstaat mit strikter Auslegung des islamischen Rechts errichten (BAMF 08.01.2018).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 13.11.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423218/5734_1517399772_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-13-11-2017-deutsch.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.11.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423247/5734_1517403447_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-27-11-2017-deutsch.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 04.12.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423367/5734_1517487807_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-04-12-2017-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 11.12.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423368/5734_1517488502_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-11-12-2017-deutsch.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 18.12.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423371/5734_1517488939_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-18-12-2017-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik,

Stand November 2017, abgefragt am 12.03.2018, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 08.01.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423374/5734_1517489965_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-01-2018-deutsch.pdf)

Justiz und Sicherheitsbehörden in Süd- und Zentralsomalia

Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt. In den unter Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehenden Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der al-Schabaab nicht anerkannt. Zu den anderen, weder von Regierung, noch von al-Schabaab, sondern von weiteren Clan- oder anderen Milizen kontrollierten Gebieten liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist aber nach Einschätzung von Beobachtern davon auszugehen, dass Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zumeist in der Hand einer kleinen Gruppe von Notabeln (z.B. "Clanältesten") liegen. Von einer Gewaltenteilung ist nicht auszugehen. Die Ausführungen zu Süd-/Zentralsomalia gelten analog für Puntland und "Somaliland" mit der Einschränkung, dass in Puntland und "Somaliland" keine Gebiete unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz stehen.

Aufgrund des andauernden Bürgerkriegs spielen die Sicherheitsorgane in Süd- und Zentralsomalia eine herausgehobene Rolle. Sie arbeiten in der Regel in einem Kontext humanitären Völkerrechts. Gleichwohl bleibt die tatsächliche zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte und insbesondere die justizielle Verantwortlichkeit einzelner Mitglieder der Sicherheitsorgane in den meisten Fällen schwach bis inexistent. Hinzukommt, dass der Sold sehr unregelmäßig ausgezahlt wird. Ausbildung und Training im Menschenrechtsbereich werden zwar zunehmend international unterstützt, für die Mehrzahl der regulären Kräfte muss jedoch weiterhin davon ausgegangen werden, dass ihnen die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns nur äußerst begrenzt bekannt sind. Für die regierungsnahen Milizen gilt dies erst recht. Von Seiten der Kämpfer der al-Schabaab-Miliz wird ein völkerrechtlicher Rahmen als solcher nicht anerkannt. (Die Ausführungen zu Süd- und Zentralsomalia gelten weitgehend analog für Puntland, obgleich die zivile Kontrolle stärker ausgeprägt ist).

Die Rolle des Staatsschutzes in Süd- und Zentralsomalia liegt in der Hand der National Intelligence and Security Agency (NISA). NISA ist mit exekutiven Vollmachten ausgestattet (In Puntland gibt es eine nachrichtendienstlich arbeitende Innenbehörde mit exekutiven Vollmachten. In "Somaliland" ist die Einrichtung einer nachrichtendienstlich arbeitenden Innenbehörde ist nicht rechtlich geregelt. Allerdings gibt es dem Vernehmen nach eine Einheit mit vergleichbaren Aufgaben[ AA 01.01.2017]).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017)

Folter/Unmenschliche Behandlung

Die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte und insbesondere der Nachrichtendienst NISA entziehen sich in Süd- und Zentralsomalia oftmals der öffentlichen Kontrolle. Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben. Jedoch kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass Sicherheitskräfte den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und bei Verstößen straffrei davonkommen. In den von al-Schabaab kontrollierten Gebieten ist regelmäßig von unmenschlicher Behandlung im Sinne des Übereinkommens auszugehen, wenn einzelne Personen gegen die Interessen von al-Schabaab handeln oder dessen verdächtigt werden. Für Puntland und "Somaliland" gilt, dass auch die dortigen Sicherheitskräfte sich in ihrem Handeln weitgehend der öffentlichen Kontrolle entziehen. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben (AA 01.01.2017).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017)

Korruption (Information für ganz Somalia)

Somalia stand im Jahr 2016 auf dem letzten Platz des Korruptionswahrnehmungsindexes von Transparency International 176 von 176 (TI 2016). Für Somalier ist es einfach, echte Dokumente (fast jeden) unwahren Inhalts zu besorgen. Das gilt auch für unrichtige Pässe der Nachbarländer Dschibuti, Äthiopien und Kenia (AA 01.01.2017). Im Jahr 2017 belegte Somalia im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Platz 180 von 180 (TI 2017).

(TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2016, Somalia, http://www.transparency.org/country/SOM

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017

TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2017, Somalia, https://www.transparency.org/country/SOM)

Menschenrechte in Süd- und Zentralsomalia

Der Schutz der Menschenrechte ist in Süd- und Zentralsomalia der Verfassung verankert, ebenso wie die prägende Rolle der Schari'a als Rechtsquelle. Somalia hat folgende Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung,

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat einen Unabhängigen Experten zur Beobachtung der Menschenrechtslage in Somalia ernannt (Der Schutz der Menschenrechte ist in Puntland und "Somalialand" in der Verfassung verankert - ebenso wie die prägende Rolle der Schari'a als Rechtsquelle[ AA 01.01.2017]).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017)

Todesstrafe (Information für ganz Somalia)

Die Todesstrafe wird in allen Landesteilen verhängt und vollzogen, allerdings deutlich seltener in Gebieten unter der Kontrolle der jeweiligen Regierung/Behörden und dort nur für schwerste Verbrechen. In den von al-Schabaab beherrschten Landesteilen wird die Todesstrafe auch für Ehebruch und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d. h. mit der Regierung, der AU-Mission AMISOM, den VN oder Hilfsorganisationen) verhängt und öffentlich, z. T. durch Steinigung, vollzogen. Eine Zusicherung der Nichtverhängung oder des Nichtvollzugs der Todesstrafe erscheint im Hinblick auf die jeweiligen Regierungen sehr unwahrscheinlich, im Hinblick auf die von al-Schabaab kontrollierten Gebiete aussichtslos (AA 01.01.2017).

Es gab insgesamt 14 Exekutionen im Jahr 2016 in Somalia, davon 01 in Puntland, 06 in "Somaliland" und 07 im Gebiet der Zentralregierung (AI 11.04.2017).

Ein Militärgericht verurteilte einen al-Shabaab-Extremisten zum Tod, der für schuldig befunden worden war, den Anschlag in Mogadischu vom Oktober 2017 mit mehr als 500 Toten geplant zu haben. Ein weiterer al-Shabaab-Angehöriger wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er soll das Fahrzeug, mit dem der Anschlag ausgeführt wurde, beschafft haben (BAMF 12.02.2018).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2016, 01.01.2017

AI, Amnesty International, Death Sentences and Executions 2016, 11.04.2017, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/5740/2017/en

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 12.02.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1424838/5734_1519115760_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-12-02-2018-deutsch.pdf)

2. Beweiswürdigung:

1. P1 hatte beim Ausfüllen des Formblattes angegeben, am XXXX geboren zu sein und dies in der niederschriftlichen Befragung am 22.04.2015 wiederholt; diese Angaben wurden ihr rückübersetzt. Ab der Befragung am 03.11.2015 gab P1 an, am XXXX geboren zu sein. Die Identitäten von P1 und P2 konnten mangels Vorlage somalischer Identitätsdokumente mit Lichtbild nicht festgestellt werden (siehe Feststellungen 1.). Clanzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit und dass P1 aus Südsomalia, Heimatdorf XXXX , stammt, wurden von ihr bloß behauptet. Dass P1 die Mutter der minderjährigen P2 ist, wurde auf Grund der Vorlage einer (österreichischen) Geburtsurkunde, welche kein Identitätsdokument ersetzen kann, glaubhaft gemacht (siehe Feststellungen 1.).

2. Die Feststellung, dass P1 keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war und auch im Fall ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Somalia nicht sein wird (siehe Feststellungen 2.), ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Festzuhalten ist, dass P1 im Rahmen ihrer niederschriftlichen Befragung am 03.11.2015 angab, dass sie in der Bundesrepublik Somalia zuletzt in ihrem Heimatdorf XXXX gelebt und von dort aus, mit nur einer Übernachtung in Mogadischu, ihre Reise nach Europa angetreten habe. Etwas später im Verfahren behauptete P1 demgegenüber widersprüchlich, dass sie den letzten Monat vor ihrer Ausreise in einer anderen Region im Dorf XXXX gelebt und von dort aus ihre Reise angetreten habe:

"...Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

Im November 2014..." (niederschriftliche Befragung vom 22.04.2015)

"...LA: Wo lebten Sie zuletzt in Somalia, bevor Sie die Reise nach Europa antraten?

VP: Ich lebte zuletzt im Heimatdorf XXXX . Ich möchte anführen, dass ich beim Schlepper eine Nacht in Mogadishu verbrachte. Er organisierte für mich einen gefälschten somalischen Reisepass, mit welchem ich von Mogadishu nach Istanbul geflogen bin.

LA: Wann haben Sie das Heimatdorf XXXX verlassen?

VP: Ich verließ im November 2014 mein Heimatdorf [...]

Ich wurde somalischen Regierungssoldaten in das Nachbardorf gebracht. Dort wurde ich von einer Frau versorgt bzw. bereut. Ich war dann drei Tage bei dieser Frau aufhältig, bis sie mich zu meiner Familie zurückbrachten. [...] Als ich zu Hause ankam, sah ich meinen verletzten Sohn XXXX , der einen Verband am Kopf trug. [...] Meine Familie hat mich dann in einer anderen Region - nämlich das Dorf XXXX - versteckt [...]

LA: Wie lange hielte Sie sich in dem Dorf XXXX auf?

VP: Es war ca. ein Monat, bis das Geld für die Ausreise organisiert war [...]

Der Schlepper ist - nach dem einmonatigen Aufenthalt - zu mir ins Dorf XXXX gekommen und brachte mich nach Mogadishu..."

(niederschriftliche Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2015)

Abgesehen davon, dass P1 in der Beschwerdeverhandlung die eben zitierten widersprüchlichen Angaben nicht plausibel erklären konnte, führte sie auf Nachfrage erstmals ein drittes Dorf an, in dem sie sich sechs Monate aufgehalten haben soll:

"...Die Al Shabaab Leute sind zu mir auf den Markt gekommen. Danach befragt gebe ich an, dass es ca. am 11. April 2014 war. [...] Sie haben mir die Augen verbunden [...] steckten mich in das Fahrzeug und nahmen mich mit [...] Ich wurde dort acht Tage lang angehalten [...] Am achten Tag der Anhaltung griffen die somalischen Regierungssoldaten das Gebiet. Die Al Shabaab sind von dort geflüchtet. Die somalischen Regierungssoldaten haben mich befreit. Ich wurde somalischen Regierungssoldaten in das Nachbardorf gebracht. Dort wurde ich von einer Frau versorgt bzw. bereut. Ich war dann drei Tage bei dieser Frau aufhältig, bis sie mich zu meiner Familie zurückbrachten. [...] Meine Familie hat mich dann in einer anderen Region - nämlich das Dorf XXXX - versteckt [...]

LA: Wie lange hielte Sie sich in dem Dorf XXXX auf?

VP: Es war ca. ein Monat, bis das Geld für die Ausreise organisiert war [...]

Der Schlepper ist - nach dem einmonatigen Aufenthalt - zu mir ins Dorf XXXX gekommen und brachte mich nach Mogadishu..."

"...R: Der Ablauf Ihrer Geschichte passt einfach nicht. Sie haben in der ersten niederschriftlichen Befragung wiederholt behauptet im November 2014 die Bundesrepublik Somalia verlassen zu haben, behaupteten jedoch in der zweiten niederschriftlichen Befragung wiederholt, dass sich die fluchtauslösenden Vorfälle bereits ca. am 11. April 2014 ereignet hätten, Sie danach 8 Tage entführt gewesen seien, eine Nacht im Heimatdorf, drei Tage im Nachbardorf und einen Monat in XXXX , danach seien Sie ausgereist, das wäre somit ca. Ende Mai 2014 gewesen und nicht im November 2014.

P: Ich war in einem anderen Dorf, in XXXX . Dort war ich ca. ein halbes Jahr, bis meine Reise organisiert wurde..."

(Verhandlungsschrift vom 24.01.2018, Seite 14)

Es erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb P1 erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24.01.2018 einen angeblichen sechsmonatigen Aufenthalt in dem Dorf XXXX anführen sollte, zumal sie bereits in der niederschriftlichen Befragung am 03.11.2015 ausführlich zu ihrem Fluchtgrund und den Modalitäten ihrer Ausreise befragt wurde und ihr die niederschriftliche Befragung vor Unterfertigung in ihrer Muttersprache rückübersetzt wurde.

Die ausweichende Antwort auf die Frage, weshalb P1 die Information mit dem Dorf XXXX zum ersten Mal dermaßen spät im Verfahren vorbrachte, war nicht geeignet, zur Glaubwürdigkeit beizutragen und steht zudem im Widerspruch zu den früheren Angaben, wonach P1 in einem Nachbardorf - und nicht in XXXX - drei Tage von einer Frau namens XXXX behandelt worden sein soll:

"...VP: Ich wurde von den somalischen Regierungssoldaten in das Nachbardorf gebracht. Dort wurde ich von einer Frau versorgt bzw. betreut. Ich war dann drei Tage bei dieser Frau aufhältig, bis sie mich zu meiner Familie zurückbrachte. Während des dreitägigen Verbleibs bei der Frau namens XXXX erzählte sie mir, dass meine Mutter von den Al Shabaab Leuten geschlagen und mein Sohn XXXX von einem Auto der Al Shabaab angefahren wurde. [...] Meine Familie hat mich dann in einer anderen Region - nämlich in das Dorf XXXX - versteckt, bis das Geld für die Ausreise zusammen gespart war..."

(niederschriftliche Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2015.)

"...P: Ich war in einem anderen Dorf, in XXXX . Dort war ich ca. ein halbes Jahr, bis meine Reise organisiert wurde R: Warum bringen Sie das heute zum ersten Mal vor?

P: In XXXX wurde ich behandelt. Dort gab es eine Frau die XXXX heißt. Ich war bei ihr..." (Verhandlungsschrift vom 24.01.2018, Seite 14)

Hätte P1 die vorgebrachte Fluchtgeschichte tatsächlich erlebt, wäre anzunehmen, dass sie in der Lage wäre, gleichbleibende Angaben zu tätigen und auf Grund der Einprägsamkeit der Vorfälle gewusst hätte, ob sie nun in XXXX (wo sie einen Monat gewesen sein soll) oder doch im Nachbardorf (wo sie nur drei Tage gewesen sein soll) von XXXX behandelt wurde.

Des Weiteren behauptete P1 im erstinstanzlichen Verfahren, dass die Soldaten sie nach der Befreiung ins Nachbardorf zu XXXX gebracht hätten und diese P1 drei Tage gepflegt habe, danach sei P1 ins Heimatdorf XXXX zurückgekehrt, wo sie bis einen Tag vor der Ausreise geblieben sei und über Mogadischu ausgereist sei. In einer zweiten Variante gab P1 hingegen an, dass sie nach ihrer Rückkehr ins Heimatdorf XXXX noch einen Monat im Dorf XXXX versteckt gewesen sei und in weiterer Folge ohne Rückkehr in ihr Heimatdorf über Mogadischu ausgereist sei. Beide Versionen widersprechen aber der Behauptung in der Beschwerdeverhandlung, wonach P1 erst nach ihrem einmonatigen Aufenthalt in XXXX drei Tage im Nachbardorf gewesen sein soll:

"...Meine Familie hat mich dann in einer anderen Region - nämlich in das Dorf XXXX - versteckt, bis das Geld für die Ausreise zusammen gespart war.

LA: Wie lange hielten Sie sich zu Hause auf, bis Sie dann in das Dorf XXXX übersiedelt sind?

VP: Ich war nur eine Nacht zu Hause. Am nächsten Tag brachte mich eine Bekannte meiner Mutter zu Fuß nach XXXX .

LA: Wie lange hielten Sie sich in dem Dorf XXXX auf?

VP: Es war ca. ein Monat, bis das Geld für die Ausreise organisiert war und ein geeigneter Schlepper gefunden wurde.

LA: Wohin haben Sie sich dann begeben?

VP: Der Schlepper ist - nach meinem einmonatigen Aufenthalt - zu mir ins Dorf XXXX gekommen und brachte mich nach Mogadishu..."

(niederschriftliche Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2015, Seite 06f.)

"...P: In XXXX war ich ca. ein Monat und dann drei Tage im Nachbardorf und sechs Monate war ich in XXXX ..."

(Verhandlungsschrift vom 24.01.2018, Seite 14)

Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Aussagen, wo sich P1 vor ihrer Ausreise aufgehalten habe - vorgebracht wurden ihr Heimatdorf XXXX - und ihrer divergierenden Angaben, an welchen Orten sie sich über welchen Zeitraum in welcher Reihenfolge aufgehalten habe, erscheint es nicht plausibel, dass P1 die von ihr geschilderte Fluchtgeschichte tatsächlich erlebt hat.

P1 erstattete auch widersprüchliche Angaben zu dem Zeitraum, den sie mit ihrem verletzten Sohn (dieser soll von al-Schabaab bewusst mit einem Auto überfahren worden sein), unmittelbar nach ihrem dreitägigen Aufenthalt im Nachbardorf bei XXXX , verbracht haben soll. Während P1 in der niederschriftlichen Befragung vom 03.11.2015 noch angab, eine Nacht zu Hause geblieben und am nächsten Tag Richtung XXXX gegangen zu sein, gab sie in der mündlichen Verhandlung am 24.01.2018 an, lediglich etwa vier Stunden dort verbracht zu haben und noch am Nachmittag Richtung XXXX gegangen zu sein:

"...Als ich zu Hause ankam, sah ich meinen verletzten Sohn XXXX , der einen Verband am Kopf trug. [...] Er hatte die Wunde am Kopf und ein geschwollenes Auge davon getragen. [...]

LA: Wie lange hielten Sie sich zu Hause auf, bis Sie dann in das Dorf XXXX übersiedelt sind? VP: Ich war nur eine Nacht zu Hause. Am nächsten Tag brachte mich eine Bekannte meiner Mutter zu Fuß nach XXXX ..." (niederschriftliche Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2015, Seite 06f.)

"...R: Wie lange waren Sie bei Ihrem verletzten Sohn?

P: Nicht lange. Ich konnte nicht lange bei ihm bleiben. Ich war nicht lange bei ihm.

R: Was verstehen Sie unter "nicht lange"?

P: Nicht lange.

R: Eine Stunde, zwei Stunden, einen halben Tag oder zwei Tage?

P: Ca. vier Stunden.

R: Das ist doch einprägsam. Wann ungefähr sind Sie gekommen und wann ungefähr gegangen?

P: Am späten Nachmittag bin ich wieder gegangen und war ca. vier Stunden bei ihm. Genauer kann ich es nicht angeben [...]

R: Widersprüchlich zu Ihrem heutigen Vorbringen, wonach Sie nur vier Stunden bei Ihrem Sohn waren, haben Sie in der Befragung am 03.11.2015 angegeben, dass Sie eine Nacht im Haus waren. (Befragung S. 07).

P: Nein, ich konnte die Nacht dort nicht verbringen. Sie hätten hinkommen und das Haus kontrollieren können..." (Verhandlungsschrift vom 24.01.2018, Seiten 11 und 12)

Festzuhalten ist, dass es nicht nachvollziehbar erscheint, dass sich eine Mutter bei einem derart einprägsamen Erlebnis, wie der behaupteten Verletzung des eigenen Kindes durch al-Schabaab, nicht erinnern könnte, ob sie nur vier Stunden bis zum späten Nachmittag oder eine ganze Nacht mit dem Kind verbracht habe, zumal es sich hierbei um die letzte Begegnung für eine lange Zeit gehandelt haben soll.

Ein in Vorlage gebrachtes Foto des Kindes mit einem verschwollenen Auge und einem Kopfverband ist nicht geeignet, das unglaubwürdige Vorbringen der Beschwerdeführer zu unterstützen.

Insgesamt betrachtet erweckte das Vorbringen von P1 zu ihren Fluchtgründen aufgrund der nicht nachvollziehbaren Zeitabläufe und gravierenden Widersprüche einen unstimmigen bzw. nicht schlüssigen Eindruck. Auf genauere Nachfragen reagierte P1 ausweichend und erstattete dermaßen divergierende Angaben, dass davon auszugehen ist, dass P1 keinen tatsächlich erlebten Sachverhalt geschildert hat. P1 konnte nicht glaubhaft machen, einer wie immer gearteten individuellen und konkreten Verfolgung in der Bundesrepublik Somalia ausgesetzt gewesen zu sein und es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb P1 bei einer Rückkehr in die Bundesrepublik Somalia einer solchen ausgesetzt sein sollte.

3. Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer (siehe Feststellungen 3.) beruhen auf dem in den Beschwerdeverhandlungen zitierten Dokumentationsmaterial und den Feststellungen in den vorangegangenen Erkenntnissen. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben zu keinem Zeitpunkt Einwand gegen die Heranziehung der Informationsquellen erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen hauptsächlich von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerden

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG).

Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung (§ 3 Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016).

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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