TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/5 G304 2221080-1

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Veröffentlicht am 05.08.2019
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Entscheidungsdatum

05.08.2019

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G304 2221080-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX, hinsichtlich Spruchpunkt V. betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist, gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, und mit verfahrensgegenständlichem Spruchpunkt V. einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vollumfänglich Beschwerde erhoben.

Dabei wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid zu beheben, in eventu das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu das Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 10.07.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina.

1.2. Er weist ab 2013 - mit zwischenzeitigen Unterbrechungen - Hauptwohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf.

1.3. Der BF war zuletzt nach Verlängerung seines vorherigen von 27.01.2014 bis 27.01.2015 gültigen Aufenthaltstitels im Zeitraum von 27.01.2015 bis 07.09.2015 im Besitz eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus". Sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte (§ 41/2/1) Fachkraft in Mangelberufen" wurde von der zuständigen NAG-Behörde am 20.12.2012 abgewiesen.

Am 05.11.2013 stellte der BF einen Antrag auf "Rot-Weiß-Rot plus Karte" (Familiennachzug). Daraufhin wurde dem BF ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot plus-Karte" mit Gültigkeit von 27.01.2014 bis 26.01.2015 erteilt.

Nach Geburt seines Sohnes beantragte der BF am 23.12.2014 die Verlängerung seines Aufenthaltstitels, woraufhin ihm von 27.01.2015 bis 07.09.2015 erteilt wurde.

Auf seinen Antrag vom 14.08.2015 folgte die Verlängerung seines Aufenthaltstitels für den Zeitraum von 08.09.2015 bis 07.09.2016.

Auf einen neuerlichen Verlängerungsantrag des BF vom 22.08.2016 wurde am 13.09.2016 der Akt der zuständigen NAG-Behörde zwecks Einholung einer Stellungnahme gemäß § 25 NAG der belangten Behörde übermittelt, und zwar mit der Mitteilung, dass ein weiterer Aufenthalt des BF wegen seiner Arbeitslosigkeit zur Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Ermittlungen der belangten Behörde ergaben, dass sich der BF am 16.08.2016 beim AMS arbeitslos gemeldet habe, zu einem beim AMS vereinbarten Termin am 21.11.2016 nicht erschienen sei und das vorhergehende Dienstverhältnis des BF von ihm selbst aufgelöst worden sei.

1.4. Der BF wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

* im Juni 2017 wegen gefährlicher Drohung und, teilweise versuchter, Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, und

* im April 2018 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

1.5. Gegen den BF wurde am 08.01.2017 für die eheliche Wohnung ein Betretungsverbot ausgesprochen.

1.6. Der BF hat in Österreich einen minderjährigen nunmehr vierjährigen Sohn aus seiner vergangenen Ehe mit einer bosnischen Staatsangehörigen, die er im Jahr 2012 geheiratet und von welcher er sich zwischenzeitig wieder scheiden lassen hat, und einen Onkel mit dessen Familie als familiäre Anknüpfungspunkte, in seinem Herkunftsstaat demgegenüber seine Eltern und eine Schwester. Mit seinen Eltern hat der BF keinen Kontakt mehr, was aufgrund diesbezüglich gleicher Angaben seiner ehemaligen Ehegattin in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2018 und in der Beschwerde feststellbar war, mit seiner Schwester hat er laut glaubhaften Angaben seiner ehemaligen Ehegattin in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2018 "ab und zu" Kontakt.

1.6.1. Festgestellt werden kann, dass am 15.03.2018 die ehemalige Ehegattin des BF sich betreffend den BF an die belangte Behörde wandte.

Nachdem eine Mitarbeiterin der belangten Behörde die ehemalige Ehegattin des BF um nähere Angaben zu ihrem Mann ersucht hatte, erkannte die ehemalige Ehegattin des BF aus der Signatur im E-Mail eine Verwandtschaft der Mitarbeiterin zu einer ihrer flüchtigen Bekannten.

Daraufhin wurde der besagten Mitarbeiterin von ihrer Verwandten am 17.03.2018 telefonisch Folgendes mitgeteilt:

"Kannst du der (...) sagen, sie soll die Fr. (...) überreden, dass sie das Einreiseverbot zu Gunsten meines Mannes entscheidet."

1.6.2. Mit E-Mail der ehemaligen Ehegattin des BF an die belangte Behörde vom 05.04.2019 wurde der belangten Behörde Folgendes mitgeteilt:

"(...) Für meinen Sohn (...) wäre es wichtig, dass sein Vater in Österreich bleiben darf. (...) leidet sehr jetzt schon unter der jetzigen Situation, wenn sein Vater abgeschoben wird, besteht für ihn noch weniger Chance, ein gutes Vater-Kind-Verhältnis zu haben, ich bitte sie dies alles zu berücksichtigen, auch wenn wir geschieden sind, möchte ich für meinen Sohn, dass er in der Nähe seines Vaters aufwächst. Sein Vater ist kein schlechter Mensch, er hat einen sehr großen Fehler begangen, von dem er alles bereit und genug Zeit hat, aus dem zu lernen und vielleicht werden wir ja wieder eins die Liebe ist groß und Hoffnung stirbt zuletzt."

1.7. Er war in Österreich ab März 2014 bis einschließlich März 2017 bei einigen Dienstgebern jeweils nur kurzzeitig und teilweise auch nur geringfügig beschäftigt. Eine gewerblich selbstständige Tätigkeit des BF im Bundesgebiet war entgegen der diesbezüglichen Angaben seiner Ehegattin in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2018 aus einem aktuellen AJ WEB Auskunftsverfahrensauszug jedoch nicht ersichtlich. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der BF im Gewerbe "Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten", welches er angemeldet und für welches er von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft am 12.05.2017 eine Bescheinigung erhalten hat, gewerblich selbstständig erwerbstätig war.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Prozessgegenstand und Prüfungsumfang:

Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden und in Form eines Teilerkenntnisses ergehenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht gesondert.

3.2. Zu den einzelnen Spruchpunkten:

3.2.1. Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs. 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).

3.2.2. Zu Spruchteil B):

Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise geboten ist.

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht enthalten. Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hier nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit einem bloßen Verweis auf einen zuvor abgehandelten Spruchpunkt, aus welchem nicht ersichtlich war, inwieweit konkret eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit besteht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der in diesem Teilerkenntnis behandelte Spruchteil des angefochtenen Bescheids aufzuheben ist.

3.2.2.1. Abgesehen davon sind im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erfüllt:

In der Beschwerde wurde auf das Privatleben des BF in Österreich und vor allem auf seine zu seinem minderjährigen Sohn bestehende Bindung verwiesen und dabei unter anderem ausgeführt:

"Besonders gegenüber seinem Sohn (...) möchte der BF nun endlich Verantwortung übernehmen, für diesen sorgen und auch aufgrund dessen ein vorbildliches Verhalten an den Tag legen. (...) Im gegebenen Fall müssen der Aufenthalt, die Bindung zu Österreich, die soziale und sprachliche Integration und die nicht vorhandene Bindung zu Bosnien-Herzegowina gewichtet werden."

Aus dem Beschwerdevorbringen zu einer bestehenden Bindung des BF zu seinem minderjährigen Sohn waren vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsakt einliegenden nachdrücklichen E-Mail der ehemaligen Ehegattin vom 09.04.2019, in welchem auf eine notwendige Weiterführung der Beziehung des BF zu seinem minderjährigen Sohn, der bei Abwesenheit seines Vaters leide, hingewiesen wurde, jedenfalls konkrete Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Art. 8 EMRK - Verletzung bei Aufenthaltsbeendigung hindeuten, weshalb bereits deswegen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gewesen wäre.

3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt C.):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2221080.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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