Entscheidungsdatum
06.08.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W103 1435786-5/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2019, Zl. 820904809-190766005, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Zum vierten Antrag auf internationalen Schutz, welchen der AS nunmehr ohne Familienangehörige gestellt hat, wird zum besseren Verständnis der Verfahrensgang der gesamten Familienangehörigen zu den vorangegangen Verfahren dargestellt.
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der mj. Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer. Der Erstbeschwerdeführer ist der Adoptivvater der mj. Fünft- und Sechstbeschwerdeführer sowie der leibliche Vater der mj. Dritt-, Viert und Siebtbeschwerdeführer (alle gemeinsam als Beschwerdeführer bezeichnet). Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer reisten am 18.07.2012 in das österreichische Bundesgebiet ein; die Siebtbeschwerdeführerin wurde am 05.08.2012 im österreichischen Bundesgebiet geboren.
Erste Anträge auf internationalen Schutz:
Die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer stellten am 18.07.2012, die Siebtbeschwerdeführerin am 14.08.2012, Anträge auf internationalen Schutz.
Hinsichtlich der Fluchtgründe gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein Cousin Regierungschef bei Aslan MASCHADOV gewesen sei. Der Erstbeschwerdeführer sei einer der Securities bzw. Leibwächter seines Cousins gewesen. Er sei gemeinsam mit seinem Cousin im Mai 2000 festgenommen, zwei Tage lang festgehalten und gefoltert worden. Sein Cousin sei seit damals verschollen. Einige seiner Leibwächter seien schon ermordet worden. 2005 sei dann auch der Bruder des verschwundenen Cousins verschwunden, wobei man im Jahr 2012 dessen Knochen gefunden habe). Der Erstbeschwerdeführer habe sich daraufhin einige Jahre außerhalb von Tschetschenien in der Russischen Föderation aufgehalten und sei dann im Jahr 2012 wieder nach Tschetschenien in der Hoffnung zurückgekehrt, dass er dort wieder leben könne. Im Jahr 2012 sei es jedoch zweimal zu Verfolgungshandlungen gegen den Erstbeschwerdeführer gekommen, sodass die Familie dann aus diesem Grund aus der Russischen Föderation geflüchtet sei.
Die Zweitbeschwerdeführerin machte hinsichtlich ihrer Fluchtgründe geltend, primär wegen der Probleme ihres Mannes ausgereist zu sein, wobei sie nicht genau über seine Fluchtgründe Bescheid wisse. Zudem sei sie im August und im November 2003 wegen ihrer vier Brüder mitgenommen und befragt worden. Diese hätten im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft, seien nun nicht mehr zu Hause und die Behörden hätten deren Aufenthaltsort wissen wollen. Der Erstbeschwerdeführer habe im Gebiet Orlow beim Bruder der Zweitbeschwerdeführerin gelebt, sie selbst habe sich überwiegend bei ihren eigenen Eltern und den Eltern des Erstbeschwerdeführers aufgehalten. Nachdem ihr Bruder ins Gefängnis gekommen sei, habe man aber die Zweitbeschwerdeführerin und ihre Familie in Ruhe gelassen. 2012 seien aber dann mehrmals bei Tag und zweimal bei Nacht Behörden zum Haus der Beschwerdeführer gekommen und hätten den Erstbeschwerdeführer nicht in Ruhe gelassen.
Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 24.05.2013 wurden die Anträge aller sieben Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkte I.), als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.) und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.). Beweiswürdigend wurde darin zusammengefasst ausgeführt, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich des Bestehens einer aktuellen Verfolgungsgefahr die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Die Angaben der Beschwerdeführer in Bezug auf den Vorfall im Jahr 2000 seien widersprüchlich zu Sachverhaltsangaben gewesen, welche sich aus den Rechercheergebnissen, insbesondere aus einer Entscheidung des EGMR betreffend den Cousin des Erstbeschwerdeführers ergäben. Der Erstbeschwerdeführer habe sich zudem mehrere Jahre ohne Probleme in der Heimat aufhalten können.
Die gegen diese Bescheide fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 19.11.2014 mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.11.2014 gemäß § 3 und § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte A.I. und A.II.) und die Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkte A.III.). Auch das Bundesverwaltungsgericht konnte im Vorbringen der Beschwerdeführer aufgrund grober Widersprüche und Ungereimtheiten keine asylrelevante Verfolgung erkennen.
Mit Bescheiden vom 17.12.2014 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den § 57 und § 55 AsylG 2006, erließ gegen diese gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist zur freiwilligen Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Die dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2015 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde darin im Wesentlichen festgehalten, dass bei den Beschwerdeführern keine der Rückkehr entgegenstehende Integration erkannt werden könne und deren Rückkehr keinen (unzulässigen) Eingriff in deren Privat- und Familienleben darstelle.
Die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer verließen Österreich Ende 2014/Anfang 2015 Richtung Deutschland.
Am 18.05.2015 stellte der Erstbeschwerdeführer den zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Hiezu wurde er am 19.05.2015 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung an, dass seine ursprünglich angegebenen Gründe und die Probleme mit den Russen und dem FSB aufgrund seines Cousins nach wie vor gelten würden. "Bis zum heutigen Tage" komme der FSB zu seinem Vater und frage nach seinem Aufenthaltsort. Er stelle gerade jetzt einen neuen Antrag, da er keine Gutscheine mehr bekommen habe und ihm die Volkshilfe geraten habe, einen neuen Antrag zu stellen.
Am 13.10.2015 wurden die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer von Deutschland nach Österreich rücküberstellt. Sie stellten noch am selben Tag ebenfalls weitere Anträge auf internationalen Schutz. Hiezu wurde die Zweitbeschwerdeführerin am 13.10.2015 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung an, dass sie nicht nach Tschetschenien zurückkehren könnten, da die Familie dort immer noch verfolgt werde. Zudem habe sie auch Angst vor ihrem Bruder, da ihr dieser ihre Kinder wegnehmen wolle und sie alle auch schlage. Das habe er auch früher schon gemacht. Ihr Bruder denke, dass sie noch in Deutschland seien und wolle sie nach Tschetschenien zurückholen. Er sei auch sechs Jahre im Gefängnis gewesen, weil er im Krieg gewesen und verurteilt worden sei. Sie wisse nicht genau, warum er im Gefängnis gewesen sei.
Am 15.03.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Der Erstbeschwerdeführer gab dabei im Wesentlichen Folgendes an: Er sei gesund. In Tschetschenien leben noch seine Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder, der nach Zurückziehung seines Asylantrages in Österreich nach Tschetschenien zurückgekehrt sei. Ein weiterer Bruder lebe in Zentralrussland, ein Bruder sei bereits im Krieg verstorben. Er stehe mit seiner Familie in Kontakt, es gehe ihr gut. An seinen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Er stütze sich auf seine bisherigen Angaben. Seine Situation sei anders als die seines zurückgekehrten Bruders, er halte eine Rückkehr für unmöglich. Er würde im Falle der Rückkehr weiterhin vom FSB verfolgt werden. Es könne auch noch schlimmer werden. Für seine Kinder gelten die gleichen Fluchtgründe.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab dabei im Wesentlichen Folgendes an:
Sie sei gesund. In Tschetschenien leben noch ihre Mutter, ihre vier Brüder, eine Halbschwester und ein Halbbruder väterlicherseits. Grundsätzlich beziehen sich ihre Fluchtgründe auf die Probleme ihres Mannes, ohne diese wäre sie nicht aus Tschetschenien ausgereist. Sie habe aber auch Probleme mit einem Bruder. Dieser tyrannisiere die ganze Familie und wolle die Macht in der Familie ausüben. Er sei sehr aggressiv. Er habe sie und ihre Kinder schon vor der Flucht tyrannisiert, ihr etwa verboten, ihren Beruf als Krankenschwester weiter auszuüben. Seit dem Jahr 2014 gebe es nunmehr Drohungen durch ihren Bruder. Er habe sie auch in Österreich angerufen und gesagt, dass er sie finden werde.
Mit Bescheiden vom 03.04.2017 wurden die zweiten Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I.) und den Beschwerdeführern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkte II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte III.). Begründend wird darin hinsichtlich der Spruchpunkte I. ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer gar kein neues Vorbringen erstattet habe, sondern den gegenständlichen Folgeantrag mit dem schon im ersten Asylverfahren ins Treffen geführten Fluchtgrund begründe. Die Zweitbeschwerdeführerin beziehe ihre Fluchtgründe im Wesentlichen auf die dem Erstbeschwerdeführer drohende Verfolgungsgefahr. Ihrem neuen Vorbringen, ihr drohe in Tschetschenien eine Gefahr aufgrund ihres Bruders könne kein glaubhafter Kern beigemessen werden. Für die mj. Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer seien keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden. Es könne daher weiterhin davon ausgegangen werden, dass gegen die Beschwerdeführer keine gezielt gerichtete Verfolgung in Russland bestehe. Daher handle es sich letztlich um eine bereits entschiedene Sache, sodass die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen seien. Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration der Beschwerdeführer könne ebensowenig erkannt werden, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation in der Russischen Föderation.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 14.04.2017 fristgerecht Beschwerde, in welcher die Bescheide zur Gänze wegen mangelhaftem Ermittlungsverfahren, unrichtiger Feststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und daraus resultierend unrichtiger rechtlicher Beurteilung in Beschwerde gezogen werden. Ferner wird beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht von entschiedener Sache ausgegangen sei. Sie habe sich nicht mit der Lage von Frauen in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien auseinander gesetzt. Angesichts der seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gegen die Zweitbeschwerdeführerin ergangenen Bedrohungen durch deren Bruder sowie der fortgeschrittenen Integration der Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer könne nicht von einem identischen Sachverhalt bzw. einer unveränderten Rechtslage ausgegangen werden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe Angst, dass ihr ihr Bruder die aus erster Ehe stammenden Dritt- und Viertbeschwerdeführer wegnehme und sie selbst von ihrem Bruder ermordet werde. Die belangte Behörde hätte daher eine inhaltliche Entscheidung zu treffen gehabt und den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen.
Mit Erkenntnis vom 24.04.2017, Zl. W236 1435786-3/3E u.a. wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Dies mit folgender Begründung:
"Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Anträge auf internationalen Schutz, den Einvernahmen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, aufgrund der Bescheide vom 03.04.2017, der dagegen erhobenen Beschwerden vom 14.04.2017, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Hinsichtlich des neuerlichen Antrag (3. Verfahren) auf internationalen Schutz vom 12.05.2017, wurde vom BFA am 27.06.2017, mit mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG iVm § 22 Abs 10 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben.
Mit Beschluss des BVwG zur Zl. W226 1435786-4/3E wurde die Aufhebung des Abschiebeschutzes als rechtmäßig erklärt.
In weiterer Folge ist der BF untergetaucht und wurde abgemeldet.
Am 16.01.2018 wurde der BF gemeinsam mit seiner Familie im Zuge einer Dublinüberstellung aus Deutschland nach Österreich überstellt.
In weiterer Folge ist der BF jedoch wieder mit seiner Familie untergetaucht und wurde abgemeldet.
Am 17.05.2018 wurde der neuerliche Antrag des BF vom 03.04.2017 mit Bescheid des BFA gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedene Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Diese erwuchs am 15.06.2018 in Rechtskraft.
Am 23.05.2018 ersuchten die französischen Behörden im Zuge eines Dublinverfahrens um Übernahme der Familie, dies fand jedoch nicht statt.
Am 15.05.2019 ersuchten die niederländischen Behörden im Zuge eines Dublinverfahrens um Übernahme der Familie, dies fand jedoch nicht statt, da der BF zuvor untertauchte.
Am 14.07.2019 stellte der BF neuerlich einen neuen Antrag auf internationalen Schutz, als Begründung brachte er vor, er könne nicht in die Heimat zurück.
Befragt ob sich seit dem Vorbringen im Erstverfahren bzgl. seiner Fluchtgründe etwas verändert habe, gab der Antragsteller an: Er sei in mehreren Ländern in Europa gewesen, die Fluchtgründe seien noch dieselben, der Vater sei in Tschetschenien getötet worden. Auf Vorhalt, dass er bei der Einvernahme am 16.01.2018 davon gesprochen habe, sein Vater sei im Juni 2017 verstorben und nicht von einem Mord gesprochen habe, gibt der AS an, er habe damals nicht alles genau erzählen können. Jedenfalls sei er illegal in Weißrussland gewesen und habe zum Begräbnis seines Vaters nach Tschetschenien fahren wollen. Seine Frau halte sich mit den Kindern in Frankreich auf, er könne nicht ohne Familie zurückkehren, dadurch würde er mit den Brüdern seine Frau Probleme bekommen. Seine Frau habe 5 Brüder, wenn er ohne Frau nach Tschetschenien komme, dann gebe es Krieg mit diesen.
Befragt ob es sonst noch neue Fluchtgründe gebe, gab der BF an "Nein".
Auf Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme von einer Ladung durch russische Behörden gesprochen habe, gab der BF an, im Jahre 2017 eine Ladung als Beschuldigter erhalten zu haben, um was es gehe könne er nicht angeben. Befragt warum er dies nicht schon im vorangegangenen Verfahren angegeben habe, gibt der BF an ich glaube, davon habe ich nichts gesagt, es ist nicht so gut mit meinem Gedächtnis.
Am 23.07.2019 wurde dem Antragsteller gem. § 29 Abs. 3 Z 4 u 6 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen.
Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 30.07.2019 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG u § 62 Abs. 2 AVG wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 idgF aufgehoben.
Das BFA führt dazu folgendes an:
"C) Feststellungen
Die Behörde gelangt daher zu folgenden Feststellungen:
-
zu Ihrer Person:
Ihre Identität steht fest.
Bis zur Bescheiderlassung ergaben sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung in die Russische Föderation eine unzumutbare Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bewirken würde.
Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.
-
zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:
Sie brachten im neuerlichen Asylverfahren keine asylrelevanten Gründe vor bzw. ergab sich kein neuer objektiver Sachverhalt.
Nicht festgestellt werden konnte, dass Sie tatsächlich von den Angehörigen ihrer Ex-Frau mit dem Tode bedroht wären.
Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
-
zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass ihre
Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
-
zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Ihr Privat- und Familienleben hat sich seit Rechtskraft ihres Vorverfahrens nicht wesentlich geändert.
Von ihrer Familie haben Sie sich mittlerweile getrennt.
Unter Beachtung sämtlicher bekannten Tatsachen kann kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art 3 und Art. 8 erkannt werden. "
...(.....)
"D) Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
-
betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:
Ihre Identität steht aufgrund der Aktenlage fest.
Betreffend ihren Gesundheitszustand wird angeführt, dass Sie zwar in ihrer Einvernahme anführten, dass man beim Lungenröntgen ¿etwas¿ entdeckt hätte und Sie in 6 Monaten wiederholt ein Röntgen machen sollten, doch kann daraus keine Lebensbedrohung abgeleitet werden, ansonsten hätten man sofort medizinische Maßnahme ergriffen und nicht einen Zeitaufschub von 6 Monaten gegeben. Befunde, die eine Krankengeschichte dokumentieren haben Sie keine vorgelegt. Krankenhausaufenthalte oder Zwangseinweisungen sind auch nicht bekannt. Da entgegenstehende Informationen nicht vorliegen geht das Bundesamt davon aus, dass Sie derzeit weder an einer schweren Krankheit leiden, noch ein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf besteht und es kann auch davon ausgegangen werden, dass ihr derzeitiger Gesundheitszustand nicht von lebensbedrohlichem Charakter ist, was schon der Umstand beweist, dass Sie in häusliche Pflege entlassen wurden. (vgl. Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.03.2009, Zahl: A13 241.833-3/2009/2E)
Aus den Länderfeststellungen geht klar hervor, dass die Medizinische Versorgung von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt wird und alle Staatsbürger im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung. Sollten weitere Behandlungen nötig sein, so können diese auch in ihrem Heimatland durchgeführt werden.
Eine entscheidungswesentliche Änderung des refoulementrelevanten Sachverhalts liegt somit nicht vor.
-
betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung:
Sie brachten im Erstverfahren im Wesentlichen vor, dass Sie als Leibwächter ihres Cousins XXXX tätig gewesen wären, und dass man Sie im Mai 2000 gemeinsam mit XXXX festgenommen hätte. Dieser wäre seitdem verschollen, einige andere Leibwächter wären ermordet worden. Es wäre dann gegen Sie zu Verfolgungshandlungen gekommen, und sie hätten deswegen die Russische Föderation verlassen.
In ihren weiteren Folgeverfahren stützen Sie wiederholt ihre Angaben auf ihre im ersten Asylverfahren getätigten Ausreisegründe, bzw. steigerten ihre Behauptungen einer Verfolgung, wobei auf die Ausführungen in sämtlichen Vorverfahren verwiesen wird, wo schon festgestellt wurde, dass ihre Angaben zu den Fluchtgründen unglaubwürdig und widersprüchlich sind.
Sie führten nun im gegenständlichen Verfahren an, dass Sie sich nach ihrer letzten Entscheidung in Österreich für ca. dreieinhalb Monate in Weißrussland aufgehalten hätten.
Näher zur ihrer behaupteten Rückreise nach Weißrussland befragt konnten Sie jedoch nicht überzeugen. Für die Reise von Österreich über Polen nach Weißrussland hätten Sie insgesamt 2.500 Euro bezahlt, für die Rückreise wieder nach Österreich dann 2.200 Euro. Es kann in keiner Weise nachvollzogen werden, dass Sie insgesamt eine dermaßen hohe Geldsumme bezahlt hätten und das Risiko auf sich genommen hätten, ohne Dokumente betreten zu werden, nur um sich von ihrer Mutter dann in Weißrussland sagen zu lassen, dass es nicht sicher wären, wenn Sie heimkommen würden, und dass Sie wieder ausreisen sollten. Es kann auch in keiner Weise nachvollzogen werden, dass es Ihnen nicht möglich wäre, genauere Angaben über die von Ihnen durchgereisten Länder und Städte zu machen. Hätten sie diese Reise nach Weißrussland tatsächlich unternommen, so wären Sie zweifellos in der Lage und willens gewesen, die Strapazen dieser Reise umfassend bzw. detaillierter zu erzählen, so aber verblieben Sie letztlich bei einer abstrakten "Kurzgeschichte". Auch ihre vorgelegt Kopie eines Mietvertrages hat keine Beweiskraft, zumal eine solche jederzeit als Gefälligkeitshandlung ausgestellt werden kann. Aus diesem Grund konnte auch eine Übersetzung unterbleiben.
Zur Photographie eines in einem Sarg liegenden Mannes und eines Grabsteines sei gesagt, dass daraus weder abgeleitet werden kann, ob diese Person tatsächlich verstorben ist, ob es sich hier tatsächlich um ihren Vaters handelt und sollte es sich um einen Verstorbenen handeln, wie diese Person umgekommen ist. Hier ist ergänzend zu erwähnen, dass Sie entgegen ihrer Behauptung im gegenständlich Verfahren, dass man ihren Vater umgebracht hätte, noch bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 16.01.2018 anführten, dass ihr Vater im Juli 2017 verstorben wäre. Es ist kaum nachvollziehbar, dass Sie beim gewaltsamen Tod ihres Vaters den Ausdruck ¿verstorben¿ verwendet hätten.
Sie führten nun im gegenständlichen Verfahren an, dass Sie noch 2017 eine Ladung von den tschetschenischen Behörden bekommen hätten, es wäre eine Gerichtsladung, sie hätten es aber im Vorverfahren nicht erwähnt. Unverständlicherweise führten Sie noch bei der Erstbefragung an, dass Sie nicht wüssten was drinnen stehen würde. Konkret darauf aufmerksam gemacht, dass dies nicht nachvollziehbar wäre, dass Sie sich nicht dafür interessieren würden, gaben Sie nur unglaubwürdig an, Sie wüssten schon über den Inhalt Bescheid, dass es ein Missverständnis wäre und es an dem Georgisch-Dolmetscher bei der Erstbefragung gelegen hätte. Näher über den Inhalt befragt konnten Sie jedoch nicht überzeugen, zumal es Ihnen nicht möglich war, genauere Angaben darüber zu machen, was genau diese Ladung enthalten hätte. Ergänzend ist zu erwähnen, dass Ihnen der Umstand, dass man Sie neuerlich geladen hätte bei der Einvernahme erst wieder eingefallen ist, als Sie vom Sachbearbeiter konkret auf Neuerungen angesprochen wurden. Zudem wird darauf hingewiesen, dass Sie noch bei ihrer Einvernahme im Vorverfahren am 12.06.2017 widersprüchlich dazu angegeben haben, seit Sie Tschetschenien verlassen hätten, wüssten auch die Behörden, dass sie nicht in ihrem Herkunftsland wären und diese deshalb keine Ladungen zustellen würden. Auch das diesbezügliche Vorbringen bezieht sich nämlich darauf, dass Ihr angebliches jedoch nicht glaubwürdiges Problem in der Russischen Föderation, nämlich einer Verfolgung durch staatliche Organe ausgesetzt zu sein, bis zum heutigen Tag fortwirkt. Damit könnte auch keine Änderung der Entscheidung herbeigeführt werden, da ihr Vorbringen aus den Vorverfahren als unglaubwürdig qualifiziert wurde und kein neuer Sachverhalt vorliegt. Sie begehren daher faktisch die Auseinandersetzung mit Ihren bereits in Ihrem vorangegangenen - rechtskräftig beendeten - Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründen. Durch den Grundsatz "ne bis in idem" soll jedoch gerade eine solche nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2-4, 69 und 71 AVG, nicht erfolgen.
Sie konnten auch ihre neuerlichen Behauptungen, nicht durch entsprechende Fakten oder Ereignisse untermauern, welche bei objektiver Betrachtung für eine tatsächliche Bedrohungslage sprechen würden. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass es Ihnen auch im Folgeverfahren nicht gelungen ist, ihr Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen und es hier mangels glaubhaften Kerns des neuen Vorbringens auch zu keiner entscheidungsrelevanten und zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderung gekommen ist.
Sie gaben nun zudem an, dass Sie fürchten müssten, dass Sie von den Angehörigen ihrer Ex-Frau mit dem Tode bedroht wären, da es ihre Pflicht wäre, die Kinder wieder in das Heimatland zurückzubringen. Vorweg ist zu erwähnen, dass Sie diese neue Bedrohungslage bei der Erstbefragung noch nicht angeführt haben. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch aus den aktuellen Länderfeststellungen nicht. Zudem wird ihre Ehegattin von niemand gehindert, mit ihren Kindern wieder in ihr Heimatland zurückzureisen. Abschließend ist zu erwähnen, dass Sie sich trotz aufrechter und auch neuer Fluchtgründe für die freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland entschlossen haben. Vor dem Hintergrund, dass Sie ihre Heimat behauptetermaßen aus Angst vor Verfolgung verlassen haben wollen, bzw. neue Verfolgungsgründe konstruieren, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass Sie sich für die freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland entschieden haben.
Das Bundesamt vertritt wie schon in ihren Vorverfahren weiterhin die Ansicht, dass ihre Fluchtgeschichte und ihre jetzigen Behauptungen frei erfunden sind. Das zeigt wiederholt, dass auch gegenständlicher Asylantrag nicht zur Erlangung von Schutz vor asylrelevanter Verfolgung gestellt wurde und daher unbegründet ist.
Die von Amts wegen berücksichtigte Ländersituation brachte keinen entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt hervor. Den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation sind Sie nicht substanziell entgegengetreten. Diese stammen aus verschiedenen verlässlichen, aktuellen und unbedenklichen Quellen, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei ist. Im Ergebnis konnten Sie sohin keinen Sachverhalt glaubhaft dartun, auf Grund dessen die erkennende Behörde Zweifel an den vorliegenden Informationen, welche auf verschiedene und objektive Quellen basieren, hegen müsste.
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betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation:
Aufgrund der Feststellung zur Lage in ihrem Herkunftsland in Verbindung mit ihrem Vorbringen droht Ihnen keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z.3 beschrieben.
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betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:
Diese wurde aufgrund Ihrer nicht anzuzweifelnden Angaben in Übereinstimmung mit der Aktenlage getroffen.
Über die Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation wurde nach einer Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände bereits im ersten Asylverfahren, sowie bei ihrem Folgeantrag abgesprochen und für zulässig erklärt. Da Sie seither keine Änderung der Situation ihres Privat- und Familienlebens vorgebracht haben, kann eine Rückkehr in ihr Heimatland daher auch in diesem Verfahren keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen. Ergänzend ist zu erwähnen, dass Sie sich mittlerweile von ihrer Familie getrennt haben, ein Familienleben besteht keines mehr, Sie haben nur noch zeitweise telefonischen Kontakt mit ihren Kindern. Sie behaupten, dass ihre Familie derzeit in Frankreich lebt.
Zudem ist anzuführen, dass sich die Dauer ihres bisherigen Aufenthalt in Österreich lediglich auf ihre abgewiesene und zurückgewiesenen Asylanträge und dem Ergreifen von Rechtsmittels ergibt und somit auch kein Eingriff in ihr Privatleben vorliegt (vgl. etwa Erk. des VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479-7, VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216- 0219-6, VwGH vom 04.03.2008, Zl. 2006/19/0409-6 und Beschluss des VfGH vom 29.11.2007, Zl. B 1654/07-9 sowie jüngstes Urteil des EGMR vom 08.04.2008, Beschwerde Nr. 21878/06, Nnyanzi v. The United Kingdom, Randnr. 76). Ergänzend ist zu erwähnen, dass aus diesem Grund auch der Teilnahme ihrer Kinder an Vereinstätigkeiten kein großes Gewicht zukommt.
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betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsstaat:
Die Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen objektiven Zusammenstellungen und Auskünften der österreichischen Staatendokumentation.
Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können."
Die Verwaltungsakten langten am 31.07.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein, worüber das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom selben Tag informiert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Sachverhalt:
Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2013 zur Zl. W133 1435786-1/13E bzw. EK des BvWG vom 26.02.2015 zur Zl. W112 1435786-2/3E, abgewiesen, des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF § 57 AsylG 2005 § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 Z 2 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen. Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit 09.03.2015.
Zum neuerliche Antrag auf internationalen Schutz wurde vom BFA am 27.06.2017
mit mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG iVm § 22 Abs 10 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben.
Mit Beschluss des BVwG vom 03.07.2017 zur Zl. W226 1435786-4/3E wurde die Aufhebung des Abschiebeschutzes als rechtmäßig erklärt.
Zuletzt wurde am 17.05.2018 der neuerliche Antrag des BF vom 03.04.2017 mit Bescheid des BFA gem. § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedene Sache zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Diese erwuchs am 15.06.2018 in Rechtskraft.
Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der AS auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten vom AS initiierten Verfahrens bestanden haben, bzw. die bereits im Kern unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant sind.
In Bezug auf den AS besteht kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Der AS ist soweit gesund und befindet sich nicht laufend in dringender ärztlicher Behandlung.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des AS in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es liegen keine Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten.
Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
II.2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des AS und zur Situation in der Russischen Föderation ergeben sich aus der Aktenlage. Die den AS betreffende Sicherheitslage im Herkunftsstaat wurde durch Vorlage neuer Länderberichte erörtert und abgewogen und ist daher aufgrund der zeitlichen Nähe zum gegenständlichen Verfahren von ausreichender Aktualität auszugehen.
Der AS hat nunmehr wiederkehrend Verfolgung im Heimatstaat aufgrund eines bereits vorgebrachten Verfolgungsgrundes behauptet. Sein Asylvorbringen wurde bereits im ersten Verfahren als unglaubwürdig angesehen.
Befragt ob sich seit dem Vorbringen im Erstverfahren bzgl. seiner Fluchtgründe etwas verändert habe, gab der Antragsteller an: Er sei in mehreren Ländern in Europa gewesen, die Fluchtgründe seien noch dieselben, der Vater sei in Tschetschenien getötet worden. Seine Frau halte sich mit den Kindern in Frankreich auf, er könne nicht ohne Familie zurückkehren, dadurch würde er mit den Brüdern seine Frau Probleme bekommen. Seine Frau habe 5 Brüder, wenn er ohne Frau nach Tschetschenien komme, dann gebe es Krieg mit diesen.
Befragt ob es sonst noch neue Fluchtgründe gebe, gab der BF an "Nein".
Auf Vorhalt, dass er bei der Ersteinvernahme von einer Ladung durch russische Behörden gesprochen habe, gab der BF an, im Jahre 2017 eine Ladung als Beschuldigter erhalten zu haben, um was es gehe könne er nicht angeben. Befragt warum er dies nicht schon im vorangegangenen Verfahren angegeben habe, gibt der BF an ich glaube, davon habe ich nichts gesagt, es ist nicht so gut mit meinem Gedächtnis.
Der Antragsteller hat nach der Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidungen am 14.07.2019 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
In diesem Zeitraum hat sich jedoch weder die Sachlagen noch die Rechtslage verändert, der Antragsteller gibt selbst an, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts verändert habe.
In vorangegangenen Verfahren konnte der damalige BF alle seine Fluchtgründe vorbringen, jedoch wurden diese für unglaubwürdig befunden.
Sowohl seine Fluchtgründe hinsichtlich seines Cousins bzw. seiner Tätigkeit als Leibwächter wurden bereits im Erstverfahren als unglaubwürdig gewertet.
Auch die Verfolgungsgründe hinsichtlich der Brüder seiner Ehefrau sind als völlig unglaubwürdig einzustufen und wurden die angeblichen Probleme mit den Brüdern der Ehefrau bereits im zweiten Verfahren als nicht asylrelevant eingestuft.
Auch hinsichtlich des Todes seines Vaters gibt der BF zu, davon bereits vor dem dritten Asylverfahren in Kenntnis gewesen zu sein und damals dies nicht als Fluchtgrund angegeben zu haben, sodass der Sachverhalt von der damaligen Entscheidung vom 17.05.2018, gemäß § 68 AVG, erfasst und somit rechtskräftig ist. Offensichtlich ist der Vater eines natürlichen Todes gestorben, ansonsten der AS dies im vorangehenden Verfahren logischerweise angegeben hätte. Gegen eine aktuelle Verfolgungsgefahr spricht auch der Umstand, das der AS bereit war zum Begräbnis seines Vaters nach Tschetschenien zurückzukehren.
Auch hinsichtlich der angeblichen Ladung hat der AS diese im vorangegangenen Verfahren aus dem Jahr 2018 nicht erwähnt, obwohl diese aus dem Jahre 2017 stammen sollen, sodass diese Angaben als unglaubwürdig gewertet werden müssen. Auch wäre der Sachverhalt von der damaligen Entscheidung vom 17.05.2018, gemäß § 68 AVG, erfasst und somit rechtskräftig ist.
Da der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist, wird eine Zurückverweisung des Folgeantrages zu erfolgen haben.
Das Vorliegen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens wurde im Verfahren gar nicht glaubwürdig behauptet. Auch sonstige beachtenswerte Integrationsmerkmale ergeben sich aus der Aktenlage nicht. Die Ehefrau und die Kinder sollen sich in Frankreich aufhalten.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:
§12a (2) AsylG 2005 idgF:
Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
§ 75 (23) AsylG idgF:
Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.
Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:
Gegen den Beschwerdeführer besteht nach der - rechtskräftigen - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes eine Rückkehrentscheidung/Ausweisung, die mangels Ausreise aus dem Bundesgebiet noch aufrecht ist
Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich - siehe obige Sachverhaltsfeststellungen - kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Auch die Ländersituation ist im Wesentlichen gleich geblieben.
Bereits im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesasylamt ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.
Auch im nunmehr zweiten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen
u. Asyl ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des AS in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht.
Es ist der Ansicht des Bundesamtes beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar ist und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht dazu Anlass gibt, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Da insgesamt die Voraussetzung des § 12 a Abs. 2 iVm § 22 Abs.10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG idgF für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.07.2019 rechtmäßig.
Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Voraussetzungen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W103.1435786.5.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2019