TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 W247 2114363-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

AsylG 2005 §56
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W247 2114363-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 56 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 16.02.2012 illegal nach Österreich und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 22.08.2015, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg. cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AslyG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 02.10.2015, XXXX , abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass die vorgelegte Wohnsitzbestätigung des Beschwerdeführers seitens des BFA einer Echtheitsprüfung durch Vorortrecherche unterzogen worden sei. Die Befundaufnahme habe ergeben, dass es sich um eine Fälschung handle. Die von ihm vorgelegte Wohnsitzbescheinigung stelle eine Totalfälschung dar, er sei an der angeführten Adresse, weder jemals registriert gewesen noch habe er dort je gelebt. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich aus Tschetschenien stamme.

Beweiswürdigend hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass zentraler Punkt der Unglaubwürdigkeit das Ermittlungsergebnis betreffend die vorgelegte Wohnsitzbestätigung sei. Eine unbedenkliche Überprüfung habe ergeben, dass es sich dabei um eine Totalfälschung handle. Die Unterschrift des ausstellenden Organs sei gefälscht, die angeführte Dokumentnummer sei tatsächlich einem anderen Dokument zugewiesen worden und der Beschwerdeführer habe an der angegebenen Adresse nie seinen Wohnsitz gehabt. Die Behörde habe daher zu Recht Zweifel an der Richtigkeit der Fluchtgeschichte an sich haben können. Die Herkunft des Beschwerdeführers aus Tschetschenien sei nicht wahrscheinlich, weil er ansonsten jedenfalls eine echte Wohnsitzbestätigung hätte besorgen können. Damit einhergehend sei die von ihm geschilderte Fluchtgeschichte nicht glaubwürdig. Das Fehlen einer Erklärung zur Fälschung der Wohnsitzbescheinigung dürfe nach Ansicht des Gerichts als Eingeständnis gedeutet werden.

4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.05.2016, Zl. Ra 2015/19/0257-12, wurde das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

5. Die Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG wurde mit Beschluss vom 16.06.2016, E 2233/2015-15, abgelehnt.

6. Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.12.2017, Zl. W171 2114363-1/39E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

7. Am 12.03.2018 stellte der BF erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

8. Mit Bescheid des BFA vom 11.07.2018, Zl. XXXX , wurde dieser 2. Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchteile I. und II.). In Spruchteil III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchteil IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchteil V.). Unter Spruchteil VI. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Unter Spruchteil VII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

9. Die gegen dieses Erkenntnis fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 09.08.2018, XXXX , gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

10. Am 16.01.2018 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG.

Beigefügt wurden dem Antrag folgende Unterlagen:

* Unterstützungsschreiben des XXXX vom 12.07.2013;

* Prüfungszeugnis ÖIF-Test Deutsch A2 vom 09.11.2016;

* Unterstützungsschreiben XXXX vom 11.10.2016;

* Unterstützungsschreiben XXXX vom 27.12.2016 und 25.04.2017;

* Kursbestätigungen Volkshochschule XXXX Deutsch B1, Teil 1 vom 15.11.2017 und Deutsch B1, Teil 2 vom 09.02.2018;

* Empfehlungsschreiben Marktgemeinde XXXX vom 03.08.2016 und 02.05.2017;

11. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.02.2018 gab dieser zusammenfassend an, dass er weder über keine Dokumente oder Beweismittel über seine Identität verfüge, nicht vorbestraft sei, in Kasachstan geboren wäre und dort bis zu seinem 18. Lebensjahr gelebt hätte. Dann wäre er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Grosny gezogen. Er sei dann bis Jänner 2012 in einer Sportschule gewesen, bis er schließlich nach Österreich geflüchtet sei. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er gehe täglich in den Deutschkurs und trainiere fast täglich im Volleyballverein bzw. Badmintonverein. In Österreich habe er keine Verwandten. Bekannte und Freunde habe er über den Sportverein. Er werde nicht in seine Heimat zurückgehen. Er sei mit einem österreichischen Mädchen befreundet, aber sie könnten nicht zusammenleben, weil er derzeit kein Geld habe. Er würde gern im Sportbereich als Trainer arbeiten. Der BF sei gesund und derzeit nicht in Behandlung.

Nachgereicht wurde weiters ein Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖIF mit Sprachkompetenz auf dem Niveau B1 vom 02.03.2018.

12. Mit Stellungnahme vom 26.03.2018 brachte der BF im Hinblick auf die geforderte Wohnsitzauflage vor, dass er sich seit über 6 Jahren in Österreich aufhalte und sich in dieser Zeit nichts zuschulden kommen habe lassen. Aufgrund des langen Aufenthaltes in XXXX habe er starke Bindungen zu diesem Ort. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt falsche oder widersprüchliche Angaben erstattet. In seinem Fall wäre die Erlassung einer Wohnsitzauflage nicht notwendig, weshalb beantragt werde, von dieser Maßnahme abzusehen.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2018 brachte der BF ein Empfehlungsschreiben der Obfrau des Ausschusses für Soziales, Familien, Senioren und Integration in Vorlage.

Weiters wurden mit Schriftsätzen vom 15.02.2019 sowie 27.05.2019 folgende Integrationsunterlagen nachgereicht:

* Empfehlungsschreiben der XXXX vom 29.10.2018;

* Vereinbarung XXXX ;

* Empfehlungsschreiben von XXXX vom 31.01.2019;

* Teilnahmebestätigung XXXX vom 25.05.2019;

13. Mit Bescheid des BFA vom 17.06.2019 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 16.01.2018 gem. § 56 AsylG 2005 abgewiesen.

Begründend wurde festgehalten, dass der BF in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Bindung bestehe. Er habe in Österreich keine besonderen sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden. Er befinde sich in der Grundversorgung und gehe in Österreich auch keiner Beschäftigung nach. Er verfüge über keine Einstellungszusage. Weder sei er selbsterhaltungsfähig, noch könne er einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweisen. Eine Patenschaftserklärung liege nicht vor. Entscheidend sei aber, dass er über ein rechtskräftiges Einreiseverbot verfüge und somit ein absoluter Versagungsgrund vorliege. Das Nichtvorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG als Erteilungsvoraussetzung sei im Fall des BF nicht gegeben. Er verfüge über eine aufrechte Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 2 Jahren befristeten Einreiseverbot, rechtskräftig mit dem Erkenntnis des BVwG vom 10.08.2018, Zl. XXXX . Es liege somit ein absoluter Versagungsgrund vor und dürfe auf keinen Fall ein Aufenthaltstitel nach dem AsylG erteilt werden. Ausgehend von dem bereits bestehenden vierjährigen Aufenthaltsverbot gegen den BF bedürfe es in casu keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung.

14. Mit Verfahrensanordnung vom 21.06.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

15. Mit Schriftsatz vom 16.07.2019 erhob der BF durch seinen Rechtsberater fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.06.2019. Darin wurde dargelegt, dass es zutreffend sei, dass gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren verhängt worden sei, welches per 10.08.2018 in Rechtskraft erwachsen sei und dieses einen Versagungsgrund gemäß § 56 Abs. 1 AsylG darstelle. Bei der konkreten Beurteilung, ob nun tatsächlich der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG auch versagt werde, seien jedoch der Grad der Integration, die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung und die Kenntnisse der deutschen Sprache eines Antragstellers entsprechend zu berücksichtigen. Das habe die belangte Behörde in rechtswidriger Art und Weise unterlassen. Das BFA gehe in letzter Konsequenz in der Annahme fehl, wenn es den Grad der Integration des BF hinter sein - am unteren Rand angesiedelten - Einreiseverbot zurückfallen lasse, zumal es eine Begründung vermissen lasse. Die Annahmen des BFA würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung basieren. Zu berücksichtigen sei, dass die Kenntnisse der deutschen Sprache des BF hervorragend, sowie sein Hineinwachsen in die österreichische Gesellschaft mehr als evident wären. Seine Begeisterung für Sport sei ein Vorbild für Jugendliche für Ausdauer, Trainingseifer und den Drang, im Leben weiterzukommen. Er achte die österreichische Rechtsordnung, sei strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten. All diese positiven Aspekte habe das BFA leider nicht entsprechend gewürdigt. Sein Aufenthalt gefährde, weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung, noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Es wäre seiner Beschwerde weiters die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ausdrücklich beantragt würde auch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Es werde beantragt, 1) den hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG zu erteilen; 2) in eventu, die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen; 3) sowie zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; 4) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen;

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG vom 16.01.2019, der Einvernahme des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018, der Beschwerde vom 16.07.2019 gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2019, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte und in die beschwerdeseitig vorgelegten Schriftstücke, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und führt die im Spruch angeführten Personalien. Die Identität des BF steht nicht fest. Er stellte am 16.01.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Der BF ist ledig und kinderlos. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandten. Eltern und Schwester leben im Herkunftsstaat des BF.

Seit seiner ersten Antragstellung auf internationalen Schutz am 16.02.2012 hält sich der BF durchgängig in Österreich auf. Der BF konnte mit Ausnahme der Dauer seines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens vom 20.12.2017 keinen Aufenthaltstitel nachweisen.

Gegen den BF besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung mit einem auf 2 Jahre befristeten Einreiseverbot, welches mit 10.08.2018 rechtskräftig wurde.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung

Der oben angeführte Verfahrensgang, sowie die festgestellten Tatsachen zum Ablauf des Asylverfahrens, sowie des gegenständlichen Verfahrens, ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu Identität, Volljährigkeit, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf dessen insofern unbedenklichen Angaben im bisherigen Verfahren. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren keine unbedenklichen Dokumente zu seiner Identität vorgelegt, weshalb die Feststellungen ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren gelten.

Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in Österreich stützt sich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der für die Einreise geregelten Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente am 16.02.2012 nach Österreich einreiste.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und Verfahren:

Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 56 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), idgF., kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist (Z 1), davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist (Z 2) und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 3). Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 56 Abs. 3 AsylG 2005 hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 60 Abs. 1 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht (Z 1), oder gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht (Z 2).

Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 dürfen einem Drittstaatsangehörigen gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Im vorliegenden Fall sind bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht erfüllt, da, wie bereits das BFA festgestellt hat und der BF selbst auf Seite 3 der Beschwerdeschrift zugesteht, eine aufrechte Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG iVm einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 iVm Abs. 3 FPG gegen den BF besteht (vgl. diesbezüglich u.a. auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 225/16 vom 26.07.2017, wonach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen sei, dass die darin vorgesehene Dauer eines Einreiseverbots, die grundsätzlich nicht fünf Jahre überschreite, ab dem Zeitpunkt zu berechnen sei, zu dem der Betroffene tatsächlich das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen hat).

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat, dass ein aufrechtes Einreiseverbot die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz bei zwingenden Gründen des Art 8 EMRK nicht behindert, so trifft diese einschränkende Interpretation des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 jedoch nicht auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 zu (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037: ... "Gemäß diesen Ausführungen hat also im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 auch eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FPG verbunden ist, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FPG gegenstandslos, sodass auch dem - deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden - Einreiseverbot der Boden entzogen ist. Vor diesem Hintergrund ist die vom BVwG angesprochene allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann".

Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (zur gebotenen Beachtung von Gründen des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit der Aufhebung von Einreiseverboten siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2012, G 74/12)").

Die in der Beschwerde auf Seite 3 der Beschwerdeschrift angeführten Argumente, insbesondere der Verweis auf die Achtung Privat- und Familienlebens des BF nach Art. 8 EMRK sind im gegenständlichen Verfahren unerheblich.

So führte der Verwaltungsgerichtshof in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung vom 16.12.2015 weiters aus (vom erkennenden Gericht zusammengefasst bzw. gekürzt wiedergegeben), "dass einem Drittstaatsangehörigen zur Geltendmachung seines Privat- und Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Verfügung stünde, der nach Maßgabe des Vorliegens weiterer Voraussetzungen (§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG) entweder als "Aufenthaltsberechtigung plus" oder als "Aufenthaltsberechtigung" auszustellen sei, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK geboten sei (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005). Bei Zutreffen von Letzterem stünde der Erteilung eines Aufenthaltstitels auch der Versagungsgrund nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht entgegen (die Begründung dafür wurde bereits weiter oben angeführt). Für eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG im Rahmen eines an das Verfahren nach § 56 AsylG 2005 geknüpften Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehe kein Bedürfnis. Dies würde letztlich auch dem sich aus § 58 Abs. 6 AsylG 2005 ergebenden Grundsatz der Antragsbindung zuwiderlaufen."

Ergo hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid somit den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 zu Recht abgewiesen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (v.a. die Entscheidung des VwGH vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037) stützen.

Schlagworte

Interessenabwägung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W247.2114363.3.00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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