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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §216;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des JH in S, vertreten durch Dr. Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, Schwanthalergasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 12. Mai 1997, Zl. 235/26-20/Zi-1996, betreffend Haftung für Abgabenschulden und Abrechnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis 8. Jänner 1988 Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär GmbH einer Kommanditgesellschaft (im folgenden KG), über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 30. September 1991 der Konkurs eröffnet wurde. Mit Beschluß vom 30. April 1993 wurde der Konkurs aufgehoben und in der Folge die Löschung der KG im Firmenbuch durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14. Juni 1993 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß den §§ 9 und 80 BAO für aushaftende Abgabenschulden der KG im Ausmaß von S 9,633.673,95 in Anspruch. Als Beilage zum Haftungsbescheid wurde eine Aufstellung der einzelnen Abgaben und Zeiträume beigelegt, aus der sich die Fälligkeit der geltend gemachten Abgaben nicht ergibt. Es geht daraus aber hervor, daß die Haftung auch hinsichtlich Abgaben für Zeiträume nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers geltend gemacht wurde.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer Begründungsmängel geltend, verwies auf die Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit mit 8. Jänner 1988, behauptete die Zahlung der während seines Verantwortungszeitraumes fällig gewordenen Abgaben (mit Ausnahme eines durch Wiederaufnahme der Einbringung im Oktober 1986 entstandenen Rückstandes) sowie eine außerordentliche Zahlung von S 2,000.000,-- am 2. Juli 1987. Er brachte vor, er habe alles erdenklich Mögliche getan, um die Abgabenschulden aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichen.
Mit Vorhalt vom 5. April 1996 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, daß sie im Hinblick auf das Ende seiner Geschäftsführertätigkeit mit 8. Jänner 1988 die Haftung auf die - im einzelnen aufgegliederten - bis dahin fällig gewordenen Abgaben in der Höhe von zusammen S 1,892.370,-- einschränke. Er wurde auf die Verpflichtung des Vertreters zur Gleichbehandlung der Gläubiger hingewiesen und zur Dartuung der Gründe, aus denen ihm die Entrichtung der Abgaben nicht möglich gewesen sein solle, bzw. der verhältnismäßigen Befriedigung aller Gläubiger aufgefordert.
In seiner Vorhaltsbeantwortung vom 29. April 1996 machte der Beschwerdeführer geltend, die Einhebung der Abgaben, hinsichtlich welcher er als Haftender in Anspruch genommen werden solle, sei gemäß § 238 BAO verjährt, weil sie bis 1987 fällig geworden seien, die Verjährungsfrist von fünf Jahren daher am 1. Jänner 1988 begonnen habe und daher zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vom 14. Juni 1993 bereits abgelaufen gewesen sei.
Im Hinblick auf Meinungsverschiedenheiten betreffend die Tilgung der Abgabenverbindlichkeiten beantrage er die Erlassung eines Abrechnungsbescheides bezüglich jener Abgaben, für die er zur Haftung herangezogen werde. Soweit er zur Dartuung mangelnden Verschuldens aufgefordert worden sei, weise er darauf hin, daß die Aufbewahrungsfrist gemäß § 132 BAO längst abgelaufen und die Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftspapiere für die Jahre 1985 bis 1987 schon vor Jahren entsorgt worden seien. In einem solchen Fall könne die Rechtsprechung, daß den Vertreter die Darlegungspflicht betreffend sein mangelndes Verschulden treffe, nicht in dieser Strenge angewendet werden. Er gehe davon aus, daß den Abgabenbehörden aufgrund der abgegebenen Steuererklärungen und der Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen über den Zeitraum 1984 bis 1987 genauere Unterlagen zur Verfügung stünden als ihm. Die KG habe für die zur Firmengruppe gehörenden Gesellschaften immer als Bürge und Pfandschuldner eintreten müssen. Da die Tochtergesellschaften keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, hätten Ende 1983/Anfang 1984 die Schulden der KG aus eigenen Mitteln nur mehr anteilig befriedigt werden können. Immer häufiger seien von dritter Seite Leistungen zur Befriedigung der Gläubiger erbracht worden. Zahlenmaterial könne er mangels vollständiger Unterlagen nicht beibringen. Dieses liege jedoch der Abgabenbehörde vor, die es im Rahmen der sie treffenden amtswegigen Ermittlungspflicht zu beurteilen habe. Insbesondere im Hinblick auf die eingetretene Einhebungsverjährung halte er seine Berufung aufrecht.
Die belangte Behörde wies den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 9. Mai 1996 auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, hin. Unter Zugrundelegung dieses Erkenntnisses sei im Hinblick auf wiederholte Unterbrechungshandlungen gegenüber der Primärschuldnerin die Verjährung auch gegenüber dem Beschwerdeführer als Haftungspflichtigem unterbrochen worden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der aushaftenden Abgaben würden die Kontoausdrucke für den entsprechenden Zeitraum übermittelt. Die in der Berufungsschrift erwähnten Gutschriften seien zum Teil gemäß einer erteilten Verrechnungsanweisung verwendet bzw. auf den ältesten Rückstand verbucht worden. Für die Erlassung des vom Beschwerdeführer beantragten Abrechnungsbescheides sei das Finanzamt zuständig. Der Beschwerdeführer hätte für die Möglichkeit des Nachweises pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen gehabt. Die Bankschulden hätten laut Bilanz zum 31. Dezember 1983 S 131,242.132,78 betragen und seien laut Bilanz zum 31. Dezember 1984 auf S 70,543.401,79 gesunken. Im Folgejahr sei ein Abbau auf S 14,264.926,12 erfolgt. In der Bilanz zum 31. Dezember 1986 schienen die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditunternehmungen nur mit S 6,711.701,76 auf und seien Guthaben gegenüber Kreditunternehmungen mit S 7,905.582,89 ausgewiesen; dazu komme ein Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1986 im Ausmaß von S 4,595.688,--. Im Jahr 1987 seien die Bankschulden auf S 4,484.295,16 reduziert worden. Im Gegensatz dazu sei ein Ansteigen der Abgabenverbindlichkeiten festzustellen. Es müsse daher auf das Vorhandensein entsprechender Mittel geschlossen werden, die jedoch nicht für die (anteilsmäßige) Zahlung der Abgaben verwendet worden seien.
In der Vorhaltsbeantwortung vom 13. Juni 1986 vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis sei in seinem Fall nicht anwendbar, weil es einen anders gelagerten Sachverhalt betreffe. Im übrigen bestünden gegen die Richtigkeit der Ausführungen zur Verjährungsfrage in dem zitierten Erkenntnis Bedenken, weil nicht einzusehen sei, daß jemand Amtshandlungen gegen sich gelten lassen müsse, die ausdrücklich gegen Dritte gerichtet seien. Er halte auch seinen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides aufrecht, der an die zuständige Behörde weitergeleitet werden möge. Im übrigen treffe ihn keine Vorsorgepflicht im Sinne des Vorhaltes vom 9. Mai 1996 hinsichtlich solcher Unterlagen, bei denen die Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen sei, bevor seine persönliche Inanspruchnahme erkennbar gewesen sei.
Mit Abrechnungsbescheid des Finanzamtes vom 20. August 1996 wurde ausgesprochen, daß die Verpflichtung zur Zahlung der im Vorhalt der belangten Behörde vom 5. April 1996 im einzelnen angeführten Abgaben im Gesamtbetrag von S 1,892,370,-- nicht erloschen sei. In den diesem Bescheid angeschlossenen Beilagen wurde hinsichtlich jeder einzelnen Abgabe die Verrechnung dargestellt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ausführte, der Bescheid lasse nicht erkennen, ob bei der vorgenommenen Abrechnung eine Gutschrift vom 1. Juli 1987 über S 2,000.000,-- berücksichtigt worden sei.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1996 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit, daß durch die am 30. Oktober 1986 erfolgte Wiederaufnahme der ausgesetzten Einbringung Abgabenrückstände entstanden seien, die die Jahre 1980 bis 1982 betroffen hätten. Gemäß § 214 Abs. 1 BAO sei die Gutschrift von S 2,000.000,-- auf diese ältesten Abgabenschuldigkeiten verrechnet worden.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 1996 brachte der Beschwerdeführer vor, die Verwendung einer durch ihn und seine Tochter am 1. Juli 1992 erfolgten zusätzlichen Zahlung von 4,5 Millionen Schilling sei aufzuklären. Dies werde durch Akteneinsicht erfolgen.
Im Schreiben vom 6. Dezember 1996 ergänzte der Beschwerdeführer seine Berufung gegen den Abrechnungsbescheid. Er vertrat auch in diesem Zusammenhang die Auffassung, die Abgaben, für die er zur Haftung herangezogen worden sei, seien verjährt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 14. Juni 1993 teilweise durch Einschränkung der Haftung auf S 1,892.370,-- Folge (Spruchpunkt I). Die Berufung gegen den Abrechnungsbescheid vom 20. August 1996 wurde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II).
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides sei die siebenjährige Aufbewahrungsfrist für Bücher und Aufzeichnungen für die Jahre 1986 und 1987 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Vernichtung der Bücher und Aufzeichnungen hinsichtlich dieser Jahre gehe zu Lasten des Beschwerdeführers. Zu der im Vorhalt vom 9. Mai 1996 dargestellten Entwicklung der Bankverbindlichkeiten gegenüber den Abgabenschulden und dem daraus gezogenen Schluß auf das Vorhandensein entsprechender Mittel, die nicht für die (anteilsmäßige) Entrichtung der Abgaben verwendet worden seien, habe der Beschwerdeführer keine konkrete Stellungnahme abgegeben, sondern im Schreiben vom 13. Juni 1996 das Schwergewicht auf die Verjährungsproblematik gelegt. Der Beschwerdeführer habe demnach die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht glaubhaft gemacht, sodaß von einer schuldhaften Verletzung der den Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin treffenden Zahlungspflichten auszugehen gewesen sei.
Gegen die Primärschuldnerin seien bis zuletzt laufend die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO unterbrechende Amtshandlungen gesetzt worden, sodaß der Erlassung des Haftungsbescheides nicht die Verjährung der fälligen Abgaben entgegengestanden sei. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, daß die Abgaben gegenüber der Primärschuldnerin noch nicht verjährt seien, vertrete aber die Ansicht, daß ihm gegenüber innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist keine Unterbrechungshandlungen gesetzt worden seien und Unterbrechungshandlungen, die der Primärschuldnerin gegenüber gesetzt worden seien, gegenüber Personen, die noch nicht zur Haftung herangezogen worden seien, keine Wirkung entfalten könnten.
Dem Beschwerdeführer sei einzuräumen, daß sich der zur Haftung Herangezogene in dem dem mehrfach zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995 zugrunde liegenden Beschwerdefall auf die gegenüber der Primärschuldnerin eingetretene Einhebungsverjährung gestützt habe, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aber durch Amtshandlungen gegenüber dem Haftungspflichtigen unterbrochen worden sei. Daraus sei aber für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil im Hinblick auf die im genannten Erkenntnis näher begründete anspruchsbezogene Wirkung von Unterbrechungshandlungen die Unterbrechung gegen jeden eintrete, der als Zahlungspflichtiger in Betracht komme, ohne daß es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hätten. Es könne daher nicht darauf ankommen, ob gegen den Beschwerdeführer innerhalb der Frist für die Einhebungsverjährung Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO gesetzt worden seien. Es genüge vielmehr, wenn im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme die Einhebungsverjährung gegenüber der Primärschuldnerin noch nicht eingetreten sei.
Die relativ spät erfolgte Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung habe ihre Ursache darin, daß erst mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 30. April 1993 das Konkursverfahren über das Vermögen der KG nach Verteilung des Massevermögens beendet worden sei. Erst dadurch habe sich die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin ergeben. Zuvor sei der Abschluß eines Zwangsausgleiches angestrebt worden. Andere Billigkeitsgründe seien nicht vorgetragen worden und auch nicht aktenkundig. Das überwiegende Interesse des Abgabengläubigers an der Einbringung der Abgaben spreche für die Ermessensübung im Sinne der Geltendmachung der Haftung.
Was den vom Beschwerdeführer begehrten Abrechnungsbescheid betreffe, stehe fest, daß die vom Beschwerdeführer als Tilgungstatbestände ins Treffen geführten Zahlungen auf ältere Abgaben als die von der (eingeschränkten) Haftung betroffenen anzurechnen gewesen seien.
Die im Berufungsverfahren gegen den Abrechnungsbescheid geltend gemachte Einhebungsverjährung der Abgaben gegenüber dem Beschwerdeführer sei nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheidverfahrens. In diesem gehe es nur um die Richtigkeit der Gebarung. Im übrigen sei die Unrichtigkeit des Verjährungseinwandes bereits im Zusammenhang mit der Berufung gegen den Haftungsbescheid begründet worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 8. Oktober 1997, B 1624/97-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Beschwerdeführer erstattete einen die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz, in dem er die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Im Beschwerdefall sind die Vertretereigenschaft des Beschwerdeführers (bis 8. Jänner 1988) und die Uneinbringlichkeit der Abgaben, hinsichtlich welcher mit dem angefochtenen Bescheid die Haftung geltend gemacht wird, nicht strittig. Im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen steht die vom Beschwerdeführer behauptete Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO.
Im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, hat der Verwaltungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung die Auffassung der "anspruchsbezogenen Wirkung" von Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO vertreten. Demnach unterbrechen Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des im § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne daß es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Die Zulässigkeit der Erlassung eines Haftungsbescheides ist verjährungsrechtlich im Lichte der Bestimmung des § 238 Abs. 1 BAO demnach ausschließlich daran zu messen, ob diese Einhebungsmaßnahme innerhalb der im § 238 Abs. 1 BAO geregelten, allenfalls durch - gegen wen immer gerichtete - Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO unterbrochenen Einhebungsfrist gesetzt worden ist.
Diese Auffassung hatte im genannten Beschwerdefall zur Folge, daß auch einer innerhalb der Verjährungsfrist gesetzten Amtshandlung gegen einen potentiellen Haftungspflichtigen verjährungsunterbrechende Wirkung zuerkannt wurde, obwohl gegen den Abgabenschuldner innerhalb der Verjährungsfrist keine Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO gesetzt worden waren. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, von der abzugehen der Beschwerdefall keinen Grund bietet, besteht kein Zweifel, daß der Verjährungseinwand des Beschwerdeführers unbegründet ist, zumal unbestritten ist, daß die Verjährungsfrist gemäß § 238 Abs. 1 BAO infolge wiederholter gegen die KG (Primärschuldnerin) gesetzter Amtshandlungen und dadurch bewirkter Unterbrechung der Verjährung im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides gegen den Beschwerdeführer noch nicht verstrichen war.
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden (Erlassung des Haftungsbescheides innerhalb der durch Amtshandlungen gegen den Primärschuldner unterbrochenen Verjährungsfrist) die Erlassung des Haftungsbescheides auch schon vor dem mehrfach genannten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995 und der darin dargelegten Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen unter dem Gesichtspunkt der Verjährung für zulässig angesehen wurde (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 2462).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Vertreters darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Reichen die vorhandenen Mittel zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht aus, hat der Vertreter darzutun, daß er den Abgabengläubiger bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, 92/14/0088, mwN).
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß ihn seit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer nicht mehr die Aufbewahrungspflicht im Sinne des § 132 BAO treffe. Dies ist zwar richtig, doch ist ihm zu entgegnen, daß die Haftung nicht auf die Verletzung der Aufbewahrungspflicht gemäß § 132 BAO gestützt wird. Die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit enthebt den Vertreter nicht von der oben beschriebenen Darlegungspflicht. Daß dem Beschwerdeführer die Bücher der KG - soweit sie vorhanden sind - nicht zugänglich gewesen wären, behauptet er nicht. Im übrigen ist jedem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind.
Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend, die belangte Behörde hätte im Rahmen der sie treffenden amtswegigen Ermittlungspflicht aufgrund seines Vorbringens, daß die Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin seit Ende 1983/Anfang 1984 nur mehr anteilig hätten befriedigt werden können und immer häufiger von dritter Seite Leistungen zur Gläubigerbefriedigung erbracht worden wären, die erforderlichen Ermittlungen durchführen müssen. Der belangten Behörde seien im Gegensatz zum Beschwerdeführer alle entscheidungserheblichen Unterlagen vorgelegen. Durch die "einschlägigen Betriebsprüfungen" und das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin sei aktenkundig festgestanden, daß die Bankverbindlichkeiten nicht aus Mitteln der Primärschuldnerin befriedigt worden seien, worauf der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft keinen Einfluß gehabt habe, und aus eigenen Mitteln der Primärschuldnerin stets eine anteilsmäßige Befriedigung sämtlicher Gläubiger - somit keine Benachteiligung des Abgabengläubigers - erfolgt sei.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß der Beschwerdeführer mit der in der Vorhaltsbeantwortung vom 29. April 1996 aufgestellten Behauptung, die Behörde verfüge aufgrund der Steuererklärungen und des Ergebnisses der durchgeführten Prüfungen für den Zeitraum 1984 bis 1987 über vollständige Unterlagen, seine Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn nicht erfüllt hat. Inwiefern sich aus diesen Unterlagen schlüssig ergeben soll, daß der Beschwerdeführer das Gleichbehandlungsgebot beachtet habe, ist nicht nachvollziehbar. Die Behauptung, daß die Bankverbindlichkeiten durch Zahlungen von dritter Seite verringert worden seien, wurde nicht konkretisiert, sodaß nicht erkennbar ist, welche Ermittlungen die belangte Behörde in dieser Richtung hätte führen sollen. Selbst in der Beschwerde ist nur von "erforderlichen Ermittlungen" die Rede, ohne daß ausgeführt wird, welche konkreten Beweise die belangte Behörde hätte aufnehmen sollen. Soweit in diesem Zusammenhang auf Zahlungen an das Finanzamt in den Jahren 1991 und 1992 Bezug genommen wird, ist nicht nachvollziehbar, weshalb aus diesen Zahlungen - deren Verrechnung das Finanzamt im Verfahren nach § 216 BAO dargestellt hat - Schlüsse auf die Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes durch den Beschwerdeführer während seiner (bis 8. Jänner 1988 dauernden) Geschäftsführertätigkeit möglich sein sollen.
Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe das von ihr bei seiner Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger gemäß § 224 in Verbindung mit § 20 BAO zu übende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie hätte als Billigkeitsgrund zu seinen Gunsten berücksichtigen müssen, daß das Finanzamt dingliche Absicherungen der gegenständlichen Abgabenforderungen nach der letzten Einzahlung in der Höhe von S 4,500.000,-- aufgegeben habe.
Bei diesem Vorbringen handelt es sich - worauf in der Gegenschrift mit Recht hingewiesen wird - um im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen, sodaß es einer näheren Auseinandersetzung mit den in der Gegenschrift enthaltenen Ausführungen, daß die dingliche Besicherung (eines Teiles) der haftungsgegenständlichen Abgaben aufgrund der Höhe vorrangiger Pfandforderungen wertlos gewesen sei, nicht bedarf.
Warum die Dauer des Berufungsverfahrens bei der Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen soll, wird in der Beschwerde nicht näher begründet. Der erstinstanzliche Haftungsbescheid, aufgrund dessen dem Beschwerdeführer klar sein mußte, daß er als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen wird, wurde kurze Zeit nach Erkennbarkeit der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin erlassen. Andere im Rahmen der Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände sind nicht geltend gemacht worden und auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, sodaß gegen die Ermessensübung im Sinne der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung keine Bedenken bestehen.
Gegen die Richtigkeit des Abrechnungsbescheides (Spruchpunkt II) führt der Beschwerdeführer nichts Konkretes ins Treffen. Die der Anfechtung auch dieses Spruchteiles erkennbar zugrunde liegende Auffassung, die gegen die Haftungsinanspruchnahme vorgebrachten Argumente hätten im Falle ihres Zutreffens auch die Rechtswidrigkeit des Abrechnungsbescheides zur Folge, ist verfehlt, weil sich der Abrechnungsbescheid auf die Richtigkeit der Verrechnung zu beschränken hat (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 2315 f, mwN). Ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger herangezogen werden durfte, war nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 216 BAO.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997140160.X00Im RIS seit
19.02.2002Zuletzt aktualisiert am
05.03.2010