TE Vwgh Erkenntnis 1981/4/9 0529/79

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Veröffentlicht am 09.04.1981
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Index

Verwaltungsverfahren - VVG

Norm

AVG §8
VVG §7

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde

1) der FL, 2) der AH als Inhaberin der Firma AM, 3) der Firma P, sämtliche vertreten durch Dr. Theodor Kovarbasic und Dr. Alfred Ebner, Rechtsanwälte in Salzburg, Imbergstraße 8, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. Jänner 1979, Zl. 1.02-17.628/1-1978, betreffend die Abweisung von Anträgen auf Zustellung einer Vollstreckungsverfügung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von je S 300,-- (zusammen S 900,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Salzburg erließ am 12. Jänner 1978 zu Zl. V/2-4750/69 an den Eigentümer des Hauses in Salzburg, Pgasse 5, Herrn EM, einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß § 7 VVG 1950 (Verwaltungsvollstreckungsgesetz) wird angeordnet, daß der dem Bescheid vom 17. November 1977, Zl.: V/2- 4750/69 (Verfügung der Räumung des Objektes P-gasse 5) entsprechende Zustand durch Anwendung unmittelbaren Zwanges hergestellt wird, falls dies nicht bis Dienstag, den 17. Jänner 1978, 8.00 Uhr, durch den Verpflichteten bewirkt wird."

In der Begründung finden sich unter anderem folgende Ausführungen:

     "Der unmittelbare Zwang gemäß § 7 VVG, der auch physisch zu

verstehen ist, ist das äußerste Mittel der Vollstreckung, um die

Erfüllung einer durch Bescheid auferlegten Verpflichtung

durchzusetzen. Vor Anwendung dieser Bestimmung ist im Sinn der

Grundsätze gemäß § 2 VVG zu prüfen, ob diese Leistung nicht auch

im Weg einer Ersatzvornahme oder durch die Verhängung von

Zwangsstrafen durchsetzbar ist. Eine Ersatzvornahme scheint

rechtlich unmöglich, weil es sich bei den nunmehrigen Bewohnern

des Hauses nicht um den Verpflichteten selbst, sondern um Mieter

handelt. Diese haben aber in einem baupolizeilichen Verfahren

keine Parteienstellung und können daher auch nicht Träger von

Rechten und Pflichten sein. Ein Verfahren nach dem Mietrecht kann

die Behörde wiederum nicht anstreben, weil ihr keine

Klagslegitimation zukommt. Rechtlich bestünde die Möglichkeit, den

Hauseigentümer durch Verhängung von Zwangsstrafen zur Aufkündigung

der Mietrechte bei Gericht zu zwingen. ... Wegen Gefahr im Verzug

ist aber ein solches Verfahren nicht geeignet, einen dem Bescheid

entsprechenden Zustand rechtzeitig herzustellen. ... Dem

Hauseigentümer wird aufgetragen, die Mieter von diesem Bescheid unverzüglich und nachweislich in Kenntnis zu setzen. ...."

Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 1978 beantragten die nunmehrigen Beschwerdeführer die Zustellung dieses Bescheides mit der Begründung, im gegenständlichen Verwaltungsverfahren Parteistellung zu haben.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg vom 30. März 1978, Zl.: V/1-4750/69, wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin, mit Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg vom 17. Mai 1978, Zl.: V/1-4750/69, der Antrag der Drittbeschwerdeführerin gemäß § 8 AVG 1950 und § 7 VVG 1950 "als unbegründet abgewiesen". In der gleichlautenden Begründung beider Bescheide wurde ausgeführt: Mit der vorliegenden Vollstreckungsverfügung solle der dem Titelbescheid vom 17. November 1977 entsprechende Zustand hergestellt werden, nämlich die Erfüllung des an den bücherlichen Alleineigentümer des Hauses gemäß § 19 Abs. 5 und § 20 Abs. 4 des Baupolizeigesetzes ergangenen Auftrages, dieses Haus sofort, spätestens jedoch bis 15. Dezember 1977 zu räumen. Titelbescheid und Vollstreckung stünden rechtsnotwendig in einem unmittelbar korrespondierenden Zusammenhang. Weil der Titelbescheid an den verpflichteten Hauseigentümer ergangen sei, könne die Vollstreckungsverfügung nur an diesen ergehen und es seien daher die gestellten Anträge als unbegründet abzuweisen. In diesem Zusammenhang werde auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1977, Zl. 2537 und 2538/77, verwiesen.

Gegen diese Bescheide beriefen mit Schriftsatz vom 17. April 1978 die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie mit Schriftsatz vom 2. Juni 1978 die Drittbeschwerdeführerin. In den im wesentlichen gleichlautenden Berufungen wurde ausgeführt: Der als Vollstreckungsbescheid anzusehende Bescheid vom 12. Jänner 1978, dessen Zustellung begehrt worden sei, gehe von anderen Voraussetzungen aus als der diesem Vollstreckungsbescheid zugrunde liegende Titelbescheid. Die Begründung weise überdies bezüglich des Ergebnisses einer Hausbesichtigung vom 5. Jänner 1978 Aktenwidrigkeiten auf. Während in einem Aktenvermerk vom 9. Jänner 1978 von akuter Einsturzgefahr nicht gesprochen werde, heiße es im Bescheid vom 12. Jänner 1978, das Objekt müsse von den Mietern geräumt werden, weil akute Einsturzgefahr bestehe. Auch im Titelbescheid vom 17. November 1977 werde nicht von einer akuten Einsturzgefahr ausgegangen, welche sich erst ab einem gewissen Stadium des Sanierungs- bzw. Umbauverfahrens ergeben würde. Der Vollstreckungsbescheid sei somit durch den Titelbescheid nicht gedeckt. Im Bescheid vom 12. Jänner 1978 werde auch nicht auf § 2 VVG 1950 Bedacht genommen. Das gelindere noch zum Ziele führende Zwangsmittel wäre nämlich ein Vorgehen gemäß § 4 VVG. Es seien auch nicht sämtliche im konkreten Fall maßgeblichen und entscheidungsrelevanten Umstände erhoben und den Entscheidungen zugrunde gelegt worden. So sei das gegenständliche Sanierungsverfahren untrennbar mit dem vom Hauseigentümer bereits erlangten Baubewilligungsbescheid für den Hausumbau verbunden. Bei der Besichtigung des Hauses am 5. Jänner 1978 seien seitens der Baubehörde auch Feststellungen getroffen worden, die mit einem Sanierungsverfahren in keinem Zusammenhang stünden, sondern lediglich den Hausumbau beträfen. Auch im Aktenvermerk vom 9. Jänner 1978 werde auf "die Fenster gem. dem genehmigten Projekt" bezug genommen. Die untrennbare Verquickung von Sanierungsakten und Umbaumaßnahmen im Zusammenhang damit, daß die vom Hauseigentümer beabsichtigte Sanierung bei weitem überhöhte Kosten verursachen würde, sei bedeutsam bei Prüfung der Frage der Parteistellung der Mieter (vgl. Ringhofer, "Strukturprobleme des österr. Verwaltungsrechtes", S. 62 f). Zum Beweis für diese Behauptungen wurde die Beischaffung des Gerichtsaktes zu 9 C 334/78 beantragt. Weiters wurde der Antrag auf Einvernahme der zuständigen Amtssachverständigen darüber gestellt, daß diese nicht geprüft hätten, ob eine Sanierung auch mit einfacherem finanziellem Aufwand möglich wäre, welche Frage, als von öffentlichem Interesse, von Amts wegen aufzugreifen wäre. In der Berufung der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin heißt es noch: Die zur Verneinung der Parteistellung zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen beträfen durchwegs Fälle, in denen Abtragungsaufträge ergangen seien. Im Falle einer bloßen Instandsetzung gehe jedoch die Bestandsache und damit das Mietrecht nicht unter. Aus § 68 AVG 1950 sei abzuleiten, daß sich die materielle Rechtskraft nur gegenüber den Parteien äußere, an die ein Bescheid ergangen sei (Mannlicher-Quell, "Das Verwaltungsverfahren", S. 371; VwGH Slg. 2728/A; VfGH Slg. 6603 u. v.a.). Insbesondere werde zu § 8 AVG noch auf Schmelz, "Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens", S. 55, Mannlicher-Quell, a. a.O. S. 167, und Ringhofer, a.a.O. S. 62 ff verwiesen. Die gegenteilige Literatur, so zuletzt Mayer in "Zeitschrift für Verwaltung" 1977, S. 485 ff, die von einem engeren

Parteienbegriff  ausgehe, sei unzutreffend, da insbesondere die Frage der Tatbestandswirkung von Bescheiden, also, inwieweit durch bestehende Bescheide in weitere Rechtsverhältnisse eingegriffen werde, ununtersucht bleibe (vgl. Antoniolli, "Allgemeines Verwaltungsrecht", S. 215 f, und Pesendorfer, "Bauaufträge als Rechtsproblem", ÖJZ 1975, S. 376 ff). Weiters ergebe sich aus dem Zusammenspiel von Hauseigentümer und Behörde, womit die Bestimmungen des Mietengesetzes de facto umgangen würden, daß die geschilderte Vorgangsweise als unzulässige Umgehungshandlung und faktische Amtshandlung zu qualifizieren sei. In diesem Zusammenhang sei auf die Judikatur zur Frage der Parteistellung der Mieter im Verfahren zur Erlangung eines Interessenbescheides gemäß § 19 des Mietengesetzes zu verweisen, wonach die Mieter in diesem Verwaltungsverfahren Parteistellung hätten (vgl. Mietsammlung 23.353 u.v.a.).

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 1979 wurden die Berufungen aller drei Beschwerdeführerinnen gemäß § 10 Abs. 3 VVG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach einer Darstellung des Verfahrensverlaufes im wesentlichen ausgeführt: Partei in einem Verwaltungsvollstreckungsverfahren sei derjenige, der aus dem zu vollstreckenden Bescheid zu einer Leistung verpflichtet sei, unter Umständen der Antragsteller, sowie von diesem verschiedene Personen dann, wenn die durch die Vollstreckungsverfügung getroffene Anordnung als Befehl ihnen gegenüber ergangen sei. Bei dem dem gegenständlichen Vollstreckungsverfahren zugrunde liegenden Titelbescheid vom 17. November 1977 handle es sich um einen baupolizeilichen Auftrag nach § 19 Abs. 5 und § 20 Abs. 4 des Baupolizeigesetzes, der im Zusammenhang mit § 7 Abs. 6 dieses Gesetzes nur dem Eigentümer, nicht aber allfälligen Mietern erteilt werden könne und im gegenständlichen Fall auch nur dem Eigentümer erteilt worden sei. Aus dieser Rechtslage ergebe sich als weitere Folge, daß das Vollstreckungsverfahren nur gegenüber dem Eigentümer durchgeführt werden könne (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1954 Slg. N.F. Nr. 3487/A). Partei des gegenständlichen Vollstreckungsverfahrens könne daher auch grundsätzlich nur EM als Eigentümer des Hauses Pgasse 5 sein, es sei denn, die Vollstreckungsverfügung vom 12. Jänner 1978 wäre gegen die Berufungswerber erlassen worden. Hievon könne jedoch nicht die Rede sein, da trotz der etwas unklaren Fassung des Spruches der Vollstreckungsverfügung vom 12. Jänner 1978 alleiniger Bescheidadressat eindeutig nur der Verpflichtete, EM sei. Da sich daher auch aus dem Inhalt der Vollstreckungsverfügung keine Parteistellung der Berufungswerber ableiten lasse, stehe ihnen auch kein Recht auf Zustellung dieser Vollstreckungsverfügung zu, weshalb ihre Berufungen spruchgemäß abzuweisen gewesen seien. Bei dieser Situation sei es entbehrlich gewesen, auf den genaueren Inhalt der Berufungen näher einzugehen.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Die belangte Behörde beantragt unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die Verweigerung der Parteistellung und die Verweigerung der Bescheidzustellung in einem Vollstreckungsverfahren, welches mit dem Eigentümer des Hauses in Salzburg, Pl-gasse 5, abgeführt wurde und die Räumung dieses Objektes betraf. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der der Vollstreckung zugrunde liegende Titelbescheid und die Vollstreckungsverfügung selbst seien rechtswidrig, geht dieses Vorbringen an der Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vorbei, weil diese Fragen im angefochtenen Bescheid weder behandelt wurden noch zu behandeln waren. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Titelbescheides kommt in einem Verwaltungsvollstreckungsverfahren überhaupt nicht in Betracht. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsverfügung würde aber voraussetzen, daß den Beschwerdeführern in dem betreffenden Vollstreckungsverfahren eine Parteistellung zukommt und demgemäß der Bescheid ihnen gegenüber erlassen wurde, was für den vorliegenden Fall nicht zutrifft. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen können daher nicht berücksichtigt werden.

Für das Schicksal der vorliegenden Beschwerde ist es auch ohne Bedeutung, ob der als Partei im Vollstreckungsverfahren wie auch im vorangegangenen baupolizeilichen Verfahren aufgetretene Hauseigentümer, wie die Beschwerdeführer behaupten, durch sein Verhalten gegen seine aus dem Bestandverhältnis mit den Beschwerdeführern erfließenden Verpflichtungen verstoßen hat. Dieser Umstand könnte lediglich zivilrechtliche Konsequenzen haben, vermag aber die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nicht zu berühren.

Auch die Behauptung, es sei zwischen Erlassung des Titelbescheides (17. November 1977) und tatsächlich durchgeführter Räumung (4. bis 8. August 1978) eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten, welche der Durchführung des Vollstreckungsbescheides entgegengestanden sei, hat auf das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht bezug, weil dieses ja nicht darüber abgeführt wird, ob die tatsächliche Durchführung der Vollstreckung Rechte der Beschwerdeführer verletzt hat, sondern ausschließlich darüber, ob den Beschwerdeführern im Verfahren zur Anordnung der Vollstreckung die Parteistellung und damit der Anspruch auf Bescheidzustellung zukam.

Zur Frage der Parteistellung wird in der Beschwerde vorerst vorgebracht, es handle sich um einen Präzedenzfall für eine ganze Reihe von ähnlich gelagerten Fällen, in denen eine Spekulation mit Althäusern und eine Aushöhlung des Mietengesetzes durch entschädigungslose Delogierung der Mieter im Verwaltungswege vorliege, zu deren Verhinderung es notwendig erscheine, den Mietern Parteistellung zu gewähren; als Indiz der Parteistellung sei jedenfalls das Vorhandensein wirtschaftlicher Interessen am Ausgang des Verwaltungsverfahrens zu werten (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1962, Zl. 63/61). Damit können die Beschwerdeführer jedoch nicht durchdringen. Die Parteistellung kann nur aus dem Gesetz, nicht aber aus rechtspolitischen Erwägungen abgeleitet werden. Das wirtschaftliche Interesse allein genügt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa das Erkenntnis vom 12. Juli 1948, Slg. N.F. Nr. 495/A) nicht, um eine Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950, welcher gemäß § 10 Abs. 1 VVG 1950 auch im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung findet, zu begründen.

Die Beschwerdeführer behaupten aber auch ein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG 1950 unter Hinweis auf in der Literatur vertretene Meinungen (Schmelz, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", S. 55; Mannlicher-Quell, "Das Verwaltungsverfahren" 8. Auflage, S. 167; Ringhofer, "Strukturprobleme des österreichischen Verwaltungsrechtes", S. 62 f); sie vertreten dabei insbesondere den Standpunkt, daß die Parteistellung nicht nur aus der angewendeten Verwaltungsvorschrift, sondern auch aus dem Gesamtbereich der Rechtsordnung einschließlich des Privatrechtes abgeleitet werden könne. Der im Schrifttum vertretenen gegenteiligen Auffassung (so Mayer, Zeitschrift für Verwaltung 1977, S. 485 ff) halten sie entgegen, daß dabei die Frage der Tatbestandswirkung von Bescheiden, insbesondere deren Eingriff in weitere Rechtsverhältnisse, unberücksichtigt bleibe, wobei sie auf die Ausführungen Pesendorfers, "Bauaufträge als Rechtsproblem", ÖJZ 1975, S 376 ff, verweisen. Im besonderen betonen sie, daß ihr Bestandrecht nach der zivilgerichtlichen Judikatur, anders als bei baupolizeilichen Demolierungsaufträgen, durch den baupolizeilichen Instandsetzungsauftrag und die baupolizeiliche Bewilligung von Umbaumaßnahmen nicht untergegangen sei. Der Gerichtshof kann den Beschwerdeführern auch in diesem Punkte aus folgenden Gründen nicht beipflichten:

Jener Bescheid, dessen Zustellung die Beschwerdeführer kraft behaupteter Parteistellung begehren, ist eine, wie sich aus Spruch und Begründung eindeutig ergibt, ausschließlich gegen den Hauseigentümer gerichtete Vollstreckungsverfügung. Die behördliche Befehls- und Zwangsgewalt wird daher unmittelbar nur gegen ihn, nicht aber gegen die Beschwerdeführer gehandhabt. Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Anderen Personen kommt eine Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren nach dieser Gesetzesstelle nicht zu. Im vorliegenden Fall wurde nun, durch die Anordnung der Vollstreckung im Wege unmittelbaren Zwanges nach § 7 VVG 1950 gegenüber dem Hauseigentümer, nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer als Bestandnehmer eingegriffen. Wie sie selbst zutreffend ausführten, hat die zwangsweise Räumung zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten nicht den Untergang des Bestandrechts zur Folge. Auch das Bestandobjekt geht durch die bloße Räumung nicht unter, sodaß der Untergang des Bestandrechtes auch nicht durch den Untergang der Bestandsache herbeigeführt wird. Der von den Beschwerdeführern befürchtete Untergang des Bestandrechtes auf dem Umwege, daß der Hauseigentümer nach erfolgter Räumung die Bestandobjekte so umgestaltet, daß ihre Identität nicht mehr gegeben sei, ist mit der angeordneten Räumung keineswegs zwangsläufig verbunden, also auch keine unmittelbare Folge der Vollstreckung. Mittelbare Auswirkungen eines behördlichen Aktes begründen jedoch kein rechtliches, sondern bloß ein wirtschaftliches Interesse und sind somit nicht geeignet, die Parteistellung zu begründen.

Soweit in der Beschwerde aber vorgebracht wird, es hätte gegen die Beschwerdeführer eine Vollstreckungsmaßnahme erst dann gesetzt werden können, wenn ihnen gegenüber ein baubehördlicher Räumungsbescheid rechtskräftig ergangen wäre, so geht dieses Vorbringen deswegen am Kern der Sache vorbei, weil ja, wie bereits ausgeführt, gegen die Beschwerdeführer selbst eine Vollstreckungsverfügung gar nicht erlassen wurde und Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht die tatsächliche - im übrigen vorübergehende - Räumung, sondern die Frage der Parteistellung bei deren bescheidmäßiger Anordnung ist.

Aus der Zurückweisung der gemäß Art. 144 des Bundes-Verfassungsgesetzes an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde mangels Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges kann für den vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nichts abgeleitet werden, weil dem betreffenden Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1978, GZ.: B 178/78-15, bezüglich der Parteistellung der Beschwerdeführer im Vollstreckungsverfahren eine verbindliche Wirkung nicht zukommt; seine Rechtskraftwirkung erstreckt sich ausschließlich auf die Frage der Unzulässigkeit der Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

Das Vorbringen im Rahmen der Verfahrensrüge, es sei nicht geprüft worden, wer Vollstreckungsadressat sei und wem gegenüber tatsächlich vollstreckt worden sei, geht schon deswegen fehl, weil die Feststellung des Vollstreckungsadressaten keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage ist und daher ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren nicht in Betracht kommt, die tatsächliche Vollstreckung aber der Erlassung jenes Bescheides, dessen Zustellung begehrt wurde, nachfolgte, also nicht rückwirkend auf die Parteistellung Einfluß auszuüben vermochte. Auch die Prüfung, ob der Titelbescheid den Beschwerdeführern gegenüber rechtskräftig geworden sei, gehörte nicht in den Bereich der Sachverhaltsermittlung, sondern in jenen der Prüfung der Rechtsfrage, abgesehen davon, daß die Rechtskraft - besser gesagt:

die Vollstreckbarkeit - des Titelbescheides nur von Einfluß auf die Frage sein könnte, ob die Vollstreckungsverfügung rechtswidrig war, nicht aber auf die Frage, ob sie den Beschwerdeführern wegen deren Parteistellung zuzustellen war.

Da sich sohin die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der vorzitierten Fassung und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, RGBl. Nr. 542. Wien, am 9. April 1981

Schlagworte

Baurecht Mieter Bestandnehmer Gewerbebetrieb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1979000529.X00

Im RIS seit

15.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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