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Baurecht - NÖNorm
AVG §63 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde des MW in W, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien I, Freyung 7, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, gelegen in der Nichterledigung der Berufung vom 9. Mai 1977 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963, Zl. 6-5659/1961, in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 zweiter Satz und § 62 Abs. 2 VwGG wird in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963, Zl. 6-5659/1961, aufgehoben.
Die Stadtgemeinde Klosterneuburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.544,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 8. November 1961 suchte die I-GmbH - in der Folge Bauwerberin genannt - um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Trafostation auf dem Fabriksgelände in Klosterneuburg, K-gasse, an. Den im Verwaltungsakt erliegenden Plänen ist zu entnehmen, daß auf dem an der Kreuzung Klosterneuburg, K-gasse - Z-gasse gelegenen Grundstück Nr. nn4 der KG Klosterneuburg die Errichtung einer Schaltanlage im Ausmaß von 3,40 m x 4,60 m (mit einer lichten Raumhöhe von 2,80 m) an der Grundgrenze zur K-gasse sowie die Errichtung einer Trafobox im Ausmaß von 2,70 m x 4,00 m (mit einer lichten Raumhöhe von 2,80 m) an einer Wand (- nach der Darstellung im Schnitt handelte es sich um die Außenseite -) eines Gebäudes vorgesehen war. Dieser Plan trägt die Unterschrift der beiden Grundeigentümer, des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin. (Nach dem vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Kaufvertrag war der Beschwerdeführer Eigentümer zu 3/4 und seine Ehegattin Eigentümerin zu 1/4 Anteilen.) Entsprechend der Niederschrift über die Bauverhandlung vom 22. Oktober 1962 hat der "Grundeigentümer" (- bei der Verhandlung war nur der Beschwerdeführer, nicht aber seine Ehegattin anwesend -) diese Niederschrift "wegen der Vorschreibung der Grundabtretung nicht unterfertigt".
Mit Bescheid vom 23. Jänner 1963 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung dreier, die Grundabtretung, die Herstellung der Höhenlage und einer Gehsteiganlage betreffender, Bedingungen, die das genannte Grundstück und weitere, im Eigentum des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin stehende, angrenzende Grundstücke betrafen.
Dieser Bescheid war an die Bauwerberin sowie an den Beschwerdeführer und seine Ehegattin als Grundeigentümer gerichtet. Auf dem im Akt erliegenden Rückschein (RSb) waren als Adressaten gemeinsam der Beschwerdeführer und seine Ehegattin genannt. Die Ehegattin des Beschwerdeführers bestätigte mit ihrer Unterschrift auf diesem Rückschein, daß sie diese Sendung am 1. Februar 1963 erhalten habe.
Mit der am 9. Mai 1977 zur Post gegebenen Eingabe vom selben Tag stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963 die Berufung. In diesem Schriftsatz führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er sei am Zustelltag ortsabwesend gewesen, für ihn sei daher die Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht in der im Gesetz vorgeschriebenen Weise erfolgt und es entbehre dieser Bescheid daher ihm gegenüber der Rechtskraft. Er habe erst am 3. Mai 1977 durch Einsichtnahme und Anfertigung einer Abschrift Kenntnis vom angefochtenen Bescheid erlangt. Er stelle daher gemäß § 71 AVG den Antrag auf Wiedereinsetzung und erhebe Berufung. Im folgenden bekämpfte der Beschwerdeführer die im angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid angeführten Bedingungen über die Grundabtretung sowie die Herstellung der Höhelange und der Gehsteiganlage. Abschließend stellte er den Berufungsantrag, die drei Bedingungen des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos aufzuheben oder allenfalls durch Vergleich die erforderlichen Abtretungen und die zu leistenden Entschädigungen zu vereinbaren.
Am 23. Juli 1980 erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde; nach seinen Ausführungen habe die zur Entscheidung über die Berufung zuständige Behörde, nämlich der Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg, bis dato über sein Rechtsmittel nicht entschieden.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 21. Oktober 1980 das Verfahren ein. Im Zuge des vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Ermittlungsverfahrens teilte der Beschwerdeführer auf Grund der hg. Verfügung vom 25. November 1983 mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1983 im wesentlichen folgendes mit: Zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 23. Jänner 1963 sei der Beschwerdeführer zu 3/4 Anteilen und seine Ehegattin zu 1/4 Anteilen Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft gewesen. Zu dieser Liegenschaft gehörten unter anderem die Grundstücke Nr. nn4, nn1, nn6 und nn2 der KG Klosterneuburg.
Auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Bauwerberin und den Wiener Stadtwerken-E-Werken seien vor etwa fünfzehn Jahren auf dem Grundstück Nr. nn4 die gegenständliche Schaltanlage an der K-gasse und das Betriebsgebäude, in dem die Trafostation eingebaut worden sei, errichtet worden. Die Grundstückseigentümer, der Beschwerdeführer und seine Ehegattin, hätten mit der Errichtung der Schaltanlage und des Betriebsgebäudes auf Grund mietrechtlicher Vorschriften einverstanden sein müssen. Die Bauwerberin sei Untermieter des Hauptmieters EG gewesen und habe die Schaltanlage zur Stromversorgung ihres im Fabriksgebäude betriebenen Unternehmens benötigt. Aus diesem Grunde seien die Liegenschaftseigentümer auch verhalten gewesen, den Bauplan mitzuunterfertigen. Als sich jedoch anläßlich der Bauverhandlung herausgestellt habe, daß die Stadtgemeinde Klosterneuburg eine Grundstücksabtretung zur Auflage mache, habe der Beschwerdeführer die Bauverhandlung unter Protest verlassen und das Protokoll nicht unterfertigt. Bauführer der Schaltanlage und des Betriebsgebäudes sei die Bauwerberin gewesen, die sohin zunächst mit Wissen und Willen der Liegenschaftseigentümer das Bauwerk errichtet habe. Es werde jedoch auch zu prüfen sein, ob nicht auf Grund besonderer Vorschriften Eigentümer der Bauwerke die Wiener Stadtwerke-E-Werke geworden seien, die ihrerseits jedenfalls unmittelbar nach Fertigstellung des Baues Besitz von den Bauwerken genommen, darin die notwendigen elektrischen Installationen untergebracht, die Bauwerke mit einem eigenen Schloß versehen und in der Folge ausschließlichen Zutritt zu dem Betriebsgebäude gehabt hätten. Jedoch bereits kurze Zeit nach Errichtung dieser Bauwerke, etwa nach eineinhalb Jahren seien die Schaltanlage und die Trafostation aufgelassen worden; seither sei das Gebäude funktions- und einrichtungslos. Nach Rechtsansicht des Beschwerdeführers handelte es sich bei diesem Gebäude um ein Superädifikat, welches entweder im Eigentum der E-Werke oder im Eigentum der Bauwerberin gestanden sei.
Zwischen dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehegattin einerseits und der Bauwerberin andererseits habe kein Rechtsverhältnis bestanden. Mit Mietvertrag vom 7.
bzw. 20. März 1961 hätten die Liegenschaftseigentümer einen Teil ihrer Liegenschaft an Herrn EG vermietet. Der Mieter habe gemäß Punkt VII des Mietvertrages das Recht der ganzen oder teilweisen Untervermietung gehabt. Der Mieter habe in der Folge mit der Bauwerberin einen Untermietvertrag geschlossen und es sei eine Zustimmung der Liegenschaftseigentümer im Sinne der vorzitierten Vertragsbestimmungen nicht notwendig gewesen. Allerdings hätten die Liegenschaftseigentümer ihre Zustimmung zur Errichtung der Trafostation erteilen müssen, damit der Betrieb des Untermieters mit der notwendigen Energiezufuhr versorgt werden konnte. Die Bauwerberin sei in der Folge in Konkurs verfallen, sei aufgelöst und glaublich im Handelsregister gelöscht worden. Dem Bescheid vom 23. Jänner 1963 sei eine Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 17. November 1961 - betreffend Baulinienaussteckung und Höhenlagenbekanntgabe - nicht angeschlossen gewesen. Auch sonstige Unterlagen seien dem ersterwähnten Bescheid nicht angeschlossen gewesen. Mit dem genannten Bescheid legte der Beschwerdeführer Kopien verschiedener Bescheide und weiterer Urkunden vor. Sonstige Bescheide, Bekanntgabe von Baulinien und Höhenlinien usw. seien ihm, seinen Miteigentümern und Rechtsvorgängern wissentlich nicht zugegangen.
Aus den vom Handelsgericht Wien auf Grund der hg. Verfügung vom 19. Oktober 1984 übermittelten Akten ergibt sich, daß mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 31. Oktober 1983, Zl. S 49/63-2, über das Vermögen der Bauwerberin der Konkurs eröffnet und mit Beschluß vom 5. Oktober 1985, Zl. S 49/63-245, der Konkurs nach Verteilung des Massevermögens gemäß § 139 der Konkursordnung wieder aufgehoben wurde. In der Folge wurde die Bauwerberin im Handelsregister von Amts wegen gelöscht.
Am 13. November 1985 gab die Ehegattin des Beschwerdeführers, vor dem Verwaltungsgerichtshof als Zeugin einvernommen, zum Zustellvorgang des angefochtenen Bescheides befragt, an, daß sie diesen Bescheid seinerzeit am 1. Februar 1963 übernommen habe. Wie ihr vorgehalten werde, weise der Rückschein als Empfänger ihren Gatten und sie selbst auf. Da sie zu diesem Zeitpunkt nur Vierteleigentümerin, ihr Ehegatte aber Dreivierteleigentümer gewesen sei, habe sie angenommen, daß dieser Bescheid auch ihrem Ehegatten gesondert zugestellt worden sei. Ihr Ehegatte habe schon immer ihre Vollmacht in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke gehabt. Er habe auch das Geschäftliche abgewickelt. Sie - die Zeugin - habe daher seinerzeit keine Veranlassung gesehen, ihren Gatten auf diesen Bescheid aufmerksam zu machen. Es sei auch nur eine Ausfertigung in der von ihr übernommenen Sendung gewesen. Ihr Ehegatte sei überdies zur Zeit der Zustellung sechs bis sieben Monate in Kanada gewesen, er sei jedenfalls vor Weihnachten weggefahren und erst nach Schulschluß (also im Juli) zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer habe ihr - der Zeugin - keine Vollmacht hinterlassen.
In der Folge gaben am selben Tag der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen ausgewiesenen Vertreter, und die Ehegattin des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgerichtshof die Erklärung ab, als Eigentümer der Grundstücke Nr. nn3, nn4, nn6 und nn2, inneliegend in EZ 951 der KG Klosterneuburg, ihre Zustimmung zum Ansuchen der Bauwerberin vom 8. November 1961 an die Stadtgemeinde Klosterneuburg für eine Schalt- und eine Trafostation zu widerrufen. Dazu führten sie weiters aus, nachdem bereits die (Unter-)Mietrechte der Bauwerberin mit der Aufhebung des Konkurses mit Beschluß vom 5. Oktober 1965 des Handelsgerichtes Wien und der daraufhin erfolgten Löschung im Handelsregister untergegangen wären, seien auch die zunächst EG zustehenden (Haupt-)Mietrechte, übergegangen auf die Firma G OHG, mit deren Schreiben vom 26. Juni 1975 zum 30. September 1975 aufgekündigt worden. Spätestens seit diesem Zeitpunkt bestünden keinerlei Rechte (gemeint ist: dritten Personen) im Zusammenhang mit den den Gegenstand der Bewilligung bildenden Gebäuden und baulichen Anlagen. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin erklärten weiters, daß sie, soweit sie daher als Träger der Baubewilligung anzusehen seien, das noch nicht rechtskräftig erledigte Bauansuchen zurückziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die Formulierung in der Säumnisbeschwerde "die zur Entscheidung über die Berufung zuständige Behörde, nämlich der Gemeinderat der Stadt Klosterneuburg, hat bis dato über mein Rechtsmittel nicht entschieden" ist zunächst davon auszugehen, daß Säumnisbeschwerde nur wegen der Nichterledigung der in der Eingabe des Beschwerdeführers vom 9. Mai 1977 enthaltenen Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963, nicht aber wegen der Nichterledigung des ebenfalls in dieser Eingabe gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt wurde.
2. Die Voraussetzungen zur Erhebung der Säumnisbeschwerde liegen vor, da der Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG entschieden und die versäumte Berufungsentscheidung auch nicht innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten achtwöchigen Frist nachgeholt hat.
3. a) Gemäß § 23 Abs. 7 AVG 1950 (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 199/1982) ist, wenn der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nur vorübergehend verlassen hat und ihm das zuzustellende Schriftstück nicht rechtzeitig nachgesendet werden kann, dieses der Behörde zurückzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war daher bei der vorübergehenden Abwesenheit des Empfängers von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort eine Ersatzzustellung in keinem Fall (auch nicht im Falle der Annahmebereitschaft der im § 23 Abs. 1 und 2 leg. cit. genannten Personen) als zulässig anzusehen und daher, wenn sie dennoch vorgenommen wurde, nicht gültig. Da auf Grund der Zeugenaussage der Ehegattin des Beschwerdeführers feststeht, daß sich dieser zum Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Ausland befunden hat und die Beschwerdeführerin auch weder zur Annahme von Schriftstücken des Beschwerdeführers bevollmächtigt war, noch dieses Schriftstück ausdrücklich mit dem Zusatz übernommen hat, es auch für den Beschwerdeführer zu übernehmen, konnte die Zustellung dieses Bescheides an die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht auch die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer bewirken.
b) Nach den unwiderlegten und durch das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens bestätigten Ausführungen des Beschwerdeführers hat dieser vom Inhalt des angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides durch Akteneinsicht und Anfertigen seiner Abschrift am 3. Mai 1977 Kenntnis erhalten. Die Vorschrift des § 63 Abs. 5 AVG 1950, wonach die Frist zur Erhebung der Berufung für jede Partei mit der an sie erfolgten (Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser, beginnt, bedeutet nur, daß vor Zustellung des Bescheides an jede einzelne Partei bzw. vor Ablauf der Berufungsfrist ihr gegenüber der Bescheid formell nicht in Rechtskraft erwächst. Das hindert aber nicht, daß die Partei gegen einen Bescheid, der durch Zustellung an andere Parteien als bereits erlassen angesehen werden muß, Berufung erheben kann, bevor er ihr zugestellt worden ist; die Berufung muß in einem solchen Falle jedenfalls als rechtzeitig erhoben betrachtet werden (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 19. November 1952, Slg. N. F. Nr. 2728/A).
Wenngleich daher im Beschwerdefall die Kenntnisnahme vom Bescheidinhalt durch Akteneinsicht und Herstellen einer Abschrift nicht eine Frist zur Erhebung der Berufung auslösen könnte, so war der Beschwerdeführer dennoch im Hinblick auf die obigen Erwägungen berechtigt, bereits die Berufung gegen den ihm zur Kenntnis gelangten Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963 zu erheben.
4. Gemäß § 121 Abs. 3 erster Satz, der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 8200-0, (Wiederverlautbarung) in der Fassung der Novelle 1981, LGBl. Nr. 8200-1, sind die im Zeitpunkt des Inkraftretens dieses Gesetzes bereits in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen.
Diese Bestimmung entstammt dem der Wiederverlautbarung zugrundeliegenden Stammgesetz vom 13. Dezember 1968, mit dem eine Bauordnung für Niederösterreich erlassen wird, LGBl. Nr. 166/1969. Dieses Gesetz ist zufolge von dessen § 122 Abs. 1 erster Satz, am 31. Dezember 1969 in Kraft getreten. Wenn die Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 8200-1 diese Bestimmung auch aufgehoben hat, so ist dennoch für Zwecke der Berechnung des in § 121 Abs. 3 erster Satz genannten Zeitpunktes vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stammgesetzes auszugehen, weil diese Bestimmung anders keinen Sinne ergäbe.
Art. II Abs. 4 der zitierten Novelle 1981 ist im Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil es sich hiebei um die Übergangsbestimmung für diese Novelle handelt; dies ergibt sich schon daraus, daß durch diese Novelle die Übergangsbestimmung des § 121 Abs. 3 des Stammgesetzes unberührt geblieben ist.
Im Beschwerdefall war das erstinstanzliche Verfahren durch die Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 23. Jänner 1963 am 1. Februar 1963 an die Parteien des Verwaltungsverfahrens - wenn eine ordnungsgemä??e Zustellung auch nur gegenüber einem Teil der Parteien, nämlich der Bauwerberin und der Ehegattin des Beschwerdeführers, nicht aber gegenüber dem Beschwerdeführer erfolgt ist -, als "abgeschlossen" zu beurteilen.
Der Erledigung des vorliegenden Rechtsfalles waren daher die Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. Nr. 36/1883, in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 17/1887, Nr. 132/1922, Nr. 70/1934 und Nr. 131/1955, zugrunde zu legen.
5. Wie sich aus der Zusammenschau der Bestimmungen des § 1 Abs. 1, § 3, § 12 Abs. 1, § 13, § 20 Abs. 1 Z 1 und § 28 der Niederösterreichischen Bauordnung aus 1883, in der zuletzt geltenden Fassung, ergibt, ist Inhalt einer Baubewilligung nicht nur die Erteilung des Baukonsenses für die Errichtung von Baulichkeiten usw., sondern zwingend auch die Festsetzung der Baulinie des Niveaus. Wird die Baulinie hinter die bestehende Grundgrenze zurückgerückt, so ist damit notwendigerweise auch eine Grundabtretung (sei sie nun entgeltlich oder unentgeltlich) verbunden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1928, Slg. 15.258/A). Mit der Baubewilligung für ein "neues Gebäude" ist weiters gemäß § 70 Abs. 2 leg. cit. kraft Gesetzes die Verpflichtung zur Gehsteigherstellung verknüpft (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1907, Slg. 5365/A, vom 28. Juni 1966, Slg. N. F. Nr. 6961/A, und vom 1. Februar 1971, Zl. 576/69).
Die aus Anlaß der Erteilung einer Baubewilligung in den Baubewilligungsbescheid aufzunehmenden Vorschreibungen über die Festsetzung der Baulinie und der Höhenlage und die sich aus diesen Festlegungen ergebenden Verpflichtungen zur Grundabtretung und zur Gehsteigherstellung bilden daher eine untrennbare Einheit mit dem Baukonsens.
Wenn sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung zunächst ausdrücklich nur gegen die, solche Vorschreibungen enthaltenen Bedingungen wandte, so muß auf Grund des oben dargestellten inneren Zusammenhanges (vgl. dazu unter anderem auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1976, Zl. 603/75, und zum Begriff des inneren Zusammenhanges das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Zl. 82/11/0270) davon ausgegangen werden, daß eine Teilrechtskraft hinsichtlich der Erteilung der Baubewilligung nicht eintreten konnte. Von der Berufung des Beschwerdeführers ist demnach von vornherein der gesamte erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg erfaßt worden. Durch die Bekämpfung der Vorschreibungen, die als unselbständige Teile der Baubewilligung anzusehen sind, wurde die Baubewilligung daher schlechthin Gegenstand des Berufungsverfahrens.
6. Aus den vom Handelsgericht Wien vorgelegten Konkursakten sowie dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dessen Ehegattin ergibt sich, daß die Bauwerberin mit der Aufhebung des Konkurses mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5. Oktober 1965 und der daraufhin erfolgten Löschung im Handelsregister untergegangen ist. Auch die Grundeigentümer - der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin - sind nicht in das Baubewilligungsverfahren eingetreten, sondern haben vielmehr erklärt, ihre Zustimmung zur Bauführung zurückzuziehen, und damit zu erkennen gegeben, sich nicht mit dem Bauansuchen zu identifizieren. Somit war das anhängige Bauverfahren einzustellen und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben.
7. Der Ausspruch über die in beantragter Höhe zuerkannten Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 3. Dezember 1985
Schlagworte
Baurecht allgemein spezielle Zuordnung offen BauRallg12Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1980002461.X00Im RIS seit
15.10.2019Zuletzt aktualisiert am
15.10.2019