Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §113 Abs5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der B L in H, vertreten durch die AnwaltGmbH Rinner Teuchtmann in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. April 2019, Zl. LVwG-AV-710/001-2018, betreffend Vorschreibung einer Sperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde B), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 26. April 2018 wurde der Revisionswerberin als Betreiberin einer näher bezeichneten Diskothek gemäß § 113 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) vorgeschrieben, dass der Betrieb der Diskothek wegen sicherheitspolizeilicher Bedenken im Zeitraum zwischen 04.00 Uhr (Sperrstunde) und 09.00 Uhr (Aufsperrstunde) einzustellen sei. Mit Berufungsbescheid vom 22. Mai 2018 wies der Gemeindevorstand der Gemeinde B (belangte Behörde) die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerberin als unbegründet ab. 2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. April 2019 als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der Berichte der Polizeiinspektion H (zuletzt vom 12. Februar 2019) stellte das Verwaltungsgericht insbesondere folgende ab 04.00 Uhr Früh stattgefundene, zu berücksichtigende Vorfälle fest: im Dezember 2017 drei Körperverletzungen, im Jänner 2018 eine Körperverletzung und eine Übertretung des Waffengesetzes, zwischen Februar und Juli 2018 fünf Körperverletzungen sowie im Jänner 2019 einen Vorfall betreffend den Ausschank von gebrannten Getränken an Personen unter 18 Jahren. Zudem sei es in der Diskothek im Dezember 2017 und im Jänner 2018 zu Diebstählen sowie im Mai 2018 zu einem Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz gekommen, wobei diesbezüglich die genaue Uhrzeit, zu denen sich diese Vorfälle ereignet hätten, nicht festgestellt werden habe können.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht auf insgesamt zwölf Vorfälle (davon neun Körperverletzungen) über einen Zeitraum von 16 Monaten, die zwischen 04.00 Uhr und 06.20 Uhr in bzw. vor der gegenständlichen Diskothek stattgefunden hätten. Weitere Vorfälle zu früheren Zeitpunkten seien festgestellt worden. Aufgrund der Beschaffenheit der angezeigten Vorfälle würden sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck kommen. Durch die Vorschreibung einer Sperrstunde um 04.00 Uhr morgens könne der Begehung derartiger Delikte wirksam begegnet werden. § 113 Abs. 5 GewO 1994 kenne kein an der jeweiligen Betriebsart des Gastgewerbes zu messendes "Durchschnittskalkül". Es sei vielmehr entscheidend, ob die angezeigten Vorfälle eine ausreichende Grundlage für sicherheitspolizeiliche Bedenken begründen würden. Auf das Verschulden der Revisionswerberin komme es ebenso wenig an wie auf die Höhe des Prozentsatzes der durch eine Vorverlegung der Sperrstunde verhinderten Delikte oder die potentielle wirtschaftliche Beeinträchtigung der Revisionswerberin. Die von der Revisionswerberin im Jänner 2018 zusätzlich getroffenen Sicherheitsmaßnahmen seien - auch wenn sich zwischen Juli und Dezember 2018 keine Vorfälle ereignet hätten - nicht geeignet gewesen, derartige Vorfälle abzustellen. Es sei daher keine günstige Prognose zu treffen gewesen. Die gegenständliche Vorschreibung der Sperrstunde sei auch nicht als unverhältnismäßig einzustufen.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshof habe noch nicht dazu Stellung genommen, in welcher Quantität sich Vorfälle ereignen müssten, um die Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken zu rechtfertigen. In der Vergangenheit sei der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine bedeutend größere Anzahl von Vorfällen zugrunde gelegen (Verweis auf VwGH 25.9.2012, 2012/04/0115). Es stelle sich daher die Frage, ob allein das Vorliegen von Vorfällen "im Dunstkreis des StGB" zur Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken führe oder ob es näherer Abgrenzungskriterien hinsichtlich der Anzahl der Vorfälle bedürfe.
6 Nach § 113 Abs. 5 GewO 1994 kann die Gemeinde u.a. dann eine frühere Sperrstunde vorschreiben, wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" gemäß § 113 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2015/04/0007; sowie - zum Widerruf einer bewilligten Vorverlegung der Aufsperrstunde - VwGH 22.3.2019, Ra 2018/04/0089; jeweils mwN).
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiter zum Ausdruck gebracht, dass der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine einzelfallbezogene Beurteilung zugrunde liegt (siehe wiederum VwGH Ra 2015/04/0007). Ausgehend davon ist das Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Vorfällen für diese Annahme nicht erforderlich. Dass das Verwaltungsgericht die hier vorliegende Anzahl (zwölf Vorfälle in 16 Monaten) und Beschaffenheit (überwiegend handelte es sich um Körperverletzungen) als hinreichende Grundlage für die Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken angesehen hat, ist angesichts der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes herausgebildeten Grundsätze nicht zu beanstanden (vgl. wiederum VwGH Ra 2018/04/0089, in dem - ungeachtet des Umstandes, dass das Landesverwaltungsgericht dort ergänzend auch weitere, länger zurückliegende Vorfälle angeführt hatte - zwölf Vorfälle in einem Zeitraum von 15 Monaten als hinreichend angesehen wurden, um sicherheitspolizeiliche Bedenken zu begründen; vgl. weiters VwGH 21.1.2014, 2013/04/0161, in dem die Abweisung eines Antrags auf Widerruf der Vorverlegung der Sperrstunde - gestützt auf elf sicherheitspolizeilich bedenkliche Vorfälle, von denen sich sieben nach der vorverlegten Sperrstunde ereignet hatten, innerhalb von neuneinhalb Monaten - nicht als rechtswidrig angesehen worden ist; weiters VwGH 22.4.2010, 2009/04/0050, in dem die Vorverlegung einer Sperrstunde gestützt auf 15 Straftaten in einem Zeitraum von 20 Monaten nicht als rechtswidrig erkannt worden ist).
9 Die Revisionswerberin moniert weiters, die Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken bedürfe - zumal subjektive Aspekte bei der Beurteilung keine Rolle spielen würden - einer sorgfältigen Begründung und eine "reflexartige Ableitung" sicherheitspolizeilicher Bedenken allein daraus, dass es Vorfälle gegeben habe, sei nicht zulässig. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht die sicherheitspolizeilichen Bedenken nicht "reflexartig" abgeleitet, sondern unter Bezugnahme auf näher beschriebene Vorfälle (und unter Berücksichtigung sowohl ihrer Anzahl als auch ihrer Beschaffenheit) sicherheitspolizeiliche Missstände als gegeben annahm, denen durch die Vorverlegung der Sperrstunde wirksam begegnet werden könne. Soweit damit in der Sache ein Begründungsmangel behauptet wird, fehlt es dem Vorbringen schon an einer entsprechenden Relevanzdarstellung (vgl. etwa VwGH 21.11.2018, Ra 2018/04/0088, mwN).
10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
12 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 8. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019040078.L00Im RIS seit
11.10.2019Zuletzt aktualisiert am
11.10.2019