TE Vwgh Beschluss 2019/8/19 Ra 2019/01/0240

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Veröffentlicht am 19.08.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

B-VG Art133 Abs4
StbG 1985 §10 Abs1 Z7
StbG 1985 §10 Abs1b
StbG 1985 §10 Abs5
VwGG §39 Abs2 Z1
VwGG §39 Abs2 Z6

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der T D in W, vertreten durch Mag. Peter Michael Wolf, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. April 2019, Zl. VGW-152/058/786/2019-25, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Angefochtenes Erkenntnis

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde in der Sache der Antrag der Revisionswerberin, einer am 25. September 1949 geborenen russischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.) und eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig erklärt (II.).

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, die Revisionswerberin sei am 18. Dezember 2005 nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. September 2008 sei ihr der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden.

3 Die Revisionswerberin sei seit ihrer Einreise nie erwerbstätig gewesen. Vom Mai 2008 bis September 2009 sei die Revisionswerberin beim Arbeitsmarktservice Wien (AMS Wien) als arbeitssuchend vorgemerkt gewesen. Mit Erreichen des Pensionsalters habe die Vormerkung beim AMS Wien geendet. Die Revisionswerberin beziehe seit Februar 2010 durchgehend Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Mindestsicherung. Am 19. Mai 2017 habe die Revisionswerberin den (zweiten) Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. 4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass im Fall der Revisionswerberin die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG nicht erfüllt seien, da die Revisionswerberin seit Februar 2010 durchgehend Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehe.

5 Zu § 10 Abs. 1b StbG führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe nicht vorgebracht, auf Grund einer dauerhaften Behinderung oder schwerwiegenden Erkrankung bzw. auf Grund ihres Gesundheitszustandes gehindert zu sein, den Lebensunterhalt im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG nachzuweisen. Eine solche dauerhafte Behinderung oder schwerwiegende Erkrankung sei aufgrund der eingeholten amtsärztlichen Gutachten auch nicht anzunehmen.

6 Die Revisionswerberin bringe jedoch vor, sie sei wegen ihres fortgeschrittenen Alters (sie werde am 25. September 2019 das 69. Lebensjahr überschreiten) auf dem Arbeitsmarkt unvermittelbar und daher aus tatsächlichen, von ihr nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße in der Lage, einen gesicherten Lebensunterhalt nachzuweisen. Dass sie das Pensionsalter erreicht habe, sei ihr auch nicht vorwerfbar. 7 Damit verkenne die Revisionswerberin, dass die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 1b StbG darauf abstelle, dass ein Einbürgerungswerber, welcher sich grundsätzlich im erwerbsfähigen Alter befinde und arbeitsfähig sei, gerade im Hinblick auf eine schon zu diesem Zeitpunkt bestehende dauerhafte Behinderung oder schwerwiegende Erkrankung den Lebensunterhalt in der geforderten Höhe im Sinne des § 10 Abs. 5 StbG nicht nachweisen könne. 8 Die bei der Revisionswerberin bestehende Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit sei jedoch auf keine Behinderung oder dauerhafte schwerwiegende Krankheit im Sinne des § 10 Abs. 1b StbG bzw. den der Norm zugrundeliegenden Gedanken der unverschuldeten Notlage, sondern auf das "normale" Alter der Revisionswerberin zurückzuführen.

9 Eine andere Auslegung des § 10 Abs. 1b StbG würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass ab Erreichen des Pensionsalters bzw. darüber hinaus, bei dem mit einer Erwerbstätigkeit auch bei völlig gesunden Personen nicht mehr zu rechnen sei, grundsätzlich der Nachweis gemäß § 10 Abs. 5 StbG entfallen könne. Eine solche Konstellation habe der Gesetzgeber jedoch nicht im Sinne gehabt, zumal auch Personen im fortgeschrittenen Alter, welche nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehörten, für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nachzuweisen hätten, dass ihr Lebensunterhalt durch regelmäßige Einkünfte (etwa durch Versicherungsleistungen) gesichert sei. Die Voraussetzungen seien somit für Personen, die dem regulären Arbeitsmarkt angehörten sowie jenen, die dem regulären Arbeitsmarkt auf Grund des fortgeschrittenen Alters nicht mehr angehörten, gleich. Eine Diskriminierung auf Grund des Alters bzw. eine Benachteiligung von Personen im Pensionsalter liege somit entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht vor. Vielmehr würde ein grundsätzliches Absehen vom Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts von Personen im Pensionsalter jene Personen benachteiligen, die tatsächlich noch im erwerbfähigen Alter seien.

10 Somit liege nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes in der vorliegenden Rechtssache keine spezifische Ausnahmesituation vor, die der Gesetzgeber mit § 10 Abs. 1b StbG berücksichtigen habe wollen.

11 Daher erweise sich die Abweisung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft als rechtmäßig. 12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Zulässigkeit

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 16 Vorliegend bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit in dem alleine maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob auch Verleihungswerber, die an sich arbeitsfähig und arbeitswillig seien, aber wegen ihres fortgeschrittenen Alters auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar seien, vom Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes ausgenommen seien.

17 Damit wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:

18 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 136/2013, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann. 19 Gemäß § 10 Abs. 1b StbG hat der Fremde seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt insbesondere dann nicht zu vertreten, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist.

20 Nach der bereits zu § 10 Abs. 1b StbG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Staatsbürgerschaftsbehörde ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2014), 13, FN 46). Entscheidend ist dabei, dass der Gesetzgeber eine spezifische Ausnahmeregelung für besonders berücksichtigungswürdige Situationen schaffen wollte. Sowohl der Grund als auch die Nachweisbarkeit des Grundes müssen der in § 10 Abs. 1b StbG angeführten Behinderung oder dauerhaft schwerwiegenden Krankheit in ihrer Bedeutung vergleichbar sein. Für diese Tatbestände hält der Gesetzgeber fest, dass nur Personen, die aufgrund ihres Behinderungsgrades oder Krankheitsbildes tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen können, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung gelangen (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169, und 15.11.2016, Ra 2016/01/0034, mwN, unter anderem auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung in RV 2303 BlgNR 24. GP, 7).

21 Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Erreichen des Pensionsalters durch die Revisionswerberin stelle schon deshalb keine besonders berücksichtigungswürdige Situation im Sinne des § 10 Abs. 1b StbG dar, weil bei einer anderen Sichtweise die vom Gesetzgeber geschaffene spezifische Ausnahmeregelung für alle, auch völlig gesunde Personen gelten würde, die das gesetzliche Pensionsalter erreichten, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

22 Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) jüngst festgehalten, dass die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z 7, Abs. 1b und Abs. 5 StbG in Konstellationen, in denen eine Erwerbstätigkeit des Fremden zur Sicherung seiner Selbsterhaltungsfähigkeit altersbedingt nicht mehr erwartet werden kann, darauf abstellen, dass der Fremde im erwerbsfähigen Alter - insbesondere durch den Erwerb entsprechender Pensionsansprüche - für seinen Erhalt im Alter vorgesorgt hat. Im Lichte der Entscheidung VfSlg. 19.732/2013 ist dabei gegebenenfalls auch zu prüfen, ob dem Fremden eine solche Vorsorge aus den in § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 1b StbG genannten Gründen nicht möglich war (vgl. zu allem VfGH 26.6.2019, E 89/2019, mit Verweis auf VwGH 28.10.2009, 2007/01/0295). Es stellt keine Benachteiligung auf Grund des Alters dar, wenn in diesem Sinn für die Selbsterhaltungsfähigkeit im Alter auf eine entsprechende Vorsorge in Zeiten altersbedingt zumutbarer Erwerbstätigkeit abgestellt wird.

Dass der Revisionswerberin eine Vorsorge wegen einer im Sinne des § 10 Abs. 1b StbG besonders berücksichtigungswürdigen Situation nicht möglich war, bringt die Revision nicht vor. Ergebnis

23 In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

24 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 6 VwGG Abstand genommen werden, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und in der vorliegenden Revision zur Zulässigkeit entsprechend Art. 133 Abs. 4 B-VG Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169, mwN).

Wien, am 19. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010240.L00

Im RIS seit

15.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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