TE Vwgh Beschluss 2019/8/22 Ra 2019/21/0107

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Veröffentlicht am 22.08.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §120 Abs5 Z2
FrPolG 2005 §46 Abs3 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des E M in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 4. März 2019, Zl. LVwG 30.16-2116/2018-17, betreffend Bestrafung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Über den aus Tschetschenien stammenden, nach seinen Angaben staatenlosen Revisionswerber wurde mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom 22. Juni 2018 gemäß § 120 Abs. 1a zweiter Satz FPG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,-- verhängt, weil er sich am 10. Dezember 2017 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, in der vom Revisionswerber der Sache nach mit Beziehung auf § 120 Abs. 5 Z 2 FPG geltend gemacht wurde, wegen seiner Staatenlosigkeit nicht ausreisen zu können, wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. 3 Das LVwG stellte fest, dass der Revisionswerber am 1. Februar 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei und am 7. Februar 2001 einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei in zweiter Instanz negativ abgeschlossen worden. Am 8. November 2001 sei gegen den Revisionswerber ein unbefristetes, am 23. November 2001 in Rechtskraft erwachsenes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Am 1. Jänner 2007 habe der Revisionswerber erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der am 17. Jänner 2007 vom Bundesasylamt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Unter einem sei der Revisionswerber nach Russland ausgewiesen worden. Der Bescheid des Bundesasylamtes sei in Rechtskraft erwachsen. Gegen den Revisionswerber schienen insgesamt zehn strafgerichtliche Verurteilungen und 27 Verwaltungsstrafen auf. Mit Bescheid vom 31. März 2016 sei "das unbefristete Aufenthaltsverbot gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf die Dauer von zehn Jahren abgeändert" worden.

4 Mit Schreiben vom 16. November 2001 habe "die Bundespolizeidirektion" bei der Botschaft der Russischen Föderation um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Revisionswerber ersucht; die Botschaft habe mitgeteilt, dass der Revisionswerber in der Russischen Föderation unbekannt sei. Auf Grund von Hinweisen, dass der Revisionswerber möglicherweise Armenier sei, sei sodann die Erlangung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft der Republik Armenien versucht worden; auf Grund von fehlenden Angaben bezüglich "Passinformation" und Registrierung in Armenien habe ein solches jedoch nicht ausgestellt werden können. Im Zuge einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13. Juli 2017 habe der Revisionswerber verneint, jemals Schritte für eine freiwillige Ausreise unternommen zu haben.

5 In seiner Beweiswürdigung führte das LVwG aus, dass sich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zahlreiche Widersprüche manifestiert hätten. So habe der Revisionswerber angegeben, seinen Reisepass an der Grenze weggeworfen zu haben, was seinen früheren Aussagen widerspreche, dass er nie über einen Reisepass verfügt hätte. Er habe auf Fragen in der Verhandlung nur zögerlich und widerwillig geantwortet; seine Angaben seien sehr oberflächlich gewesen, und er habe trotz Nachfragen keine Details genannt. Es sei der Eindruck entstanden, dass er vom Gedanken getragen gewesen sei, möglichst wenig preiszugeben. Die nachgereichten Dokumente, die ohne Stempel belegen sollten, dass der Revisionswerber im Jahr 2014 um ein Heimreisedokument angesucht habe, könnten ihm nicht zum Vorteil gereichen. Das LVwG teile im Licht der gesamten Aktenlage und der Einvernahme vor dem LVwG die Auffassung, dass der Revisionswerber falsche Angaben über seine Identität mache. 6 In der rechtlichen Beurteilung verneinte das LVwG das Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes. Der Revisionswerber halte sich zwar bereits seit dem Jahr 2001 in Österreich auf, sei aber mehrfach straffällig geworden und schlecht integriert; er spreche so schlecht Deutsch, dass die Einvernahme vor dem LVwG nur mit Dolmetscher möglich gewesen sei, sei nicht selbsterhaltungsfähig, habe keine Beziehungen zu Verwandten im Inland und nehme nicht am sozialen Leben teil. Eine Effektuierung der Ausweisung sei zum Tatzeitpunkt jedenfalls geboten gewesen. Es sei außerdem anzunehmen, dass er über die gesamte Dauer seines Aufenthalts in Österreich seine Identität verschleiert haben könnte, damit die Behörde nicht in den Besitz eines Heimreisezertifikats komme. Er habe auch keine Schritte zur Erlangung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a FPG gesetzt. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei.

7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, dass die "belangte Behörde" das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt habe, zumal sie die von ihm "dargelegten Urkunden bzw. nachvollziehbaren Angaben" nur unzureichend berücksichtigt habe und das entsprechende Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung "der Entscheidungsfindung nicht zugrunde gelegt" habe bzw. "die entsprechenden Angaben zu seinen Lasten ausgelegt" habe.

11 In Bezug auf die damit angesprochene Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon generell klargestellt, dass in diesem Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Nach dieser Judikatur ist der Verwaltungsgerichtshof nämlich zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen, sondern hat nur zu prüfen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind und ob das Verwaltungsgericht dabei alle in Betracht kommenden (relevanten) Umstände vollständig berücksichtigt hat (siehe etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0056, Rn 12, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof kann die Beweiswürdigung nicht mit der Begründung verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0206, Rn 10, mwN). Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende gravierende Mangelhaftigkeit der insbesondere auf den persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung gestützten Begründung des LVwG - vor allem zum mangelnden Vorliegen der Voraussetzungen für eine Duldung des Revisionswerbers wegen Verschleierung der Identität iSd § 46 Abs. 3 Z 1 FPG - wird in der Revision aber nicht dargetan. Die Annahme, es sei im vorliegenden Fall kein Strafausschließungsgrund iSd § 120 Abs. 5 Z 2 FPG gegeben, ist daher nicht zu beanstanden. 12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210107.L01

Im RIS seit

11.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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