Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des J W in G, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Albrechtgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. November 1996, Zl. UVS 30.2-4/96-25, betreffend Übertretung der Eisenbahnkreuzungsverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 21. November 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 25. November 1993 um 10.32 Uhr in Graz 17 auf der ÖBB-Eisenbahnkreuzung Wagner-Jauregg-Straße ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug gelenkt und habe trotz geschlossener Schrankenbäume und trotz rotem Lichtzeichen "vor dem Bahnübergang angehaltene PKW überholt" und die Eisenbahnkreuzung übersetzt. Er habe dadurch "§ 18 (3) Eisenbahnkreuzung" verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. November 1996 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung abgewiesen, wobei der Spruch des Erstbescheides dahin ergänzt wurde, daß die Tathandlung zu lauten habe, daß der Beschwerdeführer als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten PKWs die Eisenbahnkreuzung übersetzt habe, obwohl die Halbschrankenbäume nicht vollkommen geöffnet, sondern geschlossen gewesen seien und das rote Licht noch nicht erloschen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch die Bestimmung des § 18 Abs. 3 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961, BGBl. Nr. 2/1961 i.d.g.F., verletzt und es werde über ihn gemäß § 54 Abs. 3 Eisenbahngesetz in der Fassung BGBl. 542/1992 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
der Beschuldigte die ihn zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
Gemäß § 45 Abs. 2 VStG genügt ein Aktenvermerk mit Begründung, wenn die Einstellung verfügt wird, es sei denn, daß einer Partei Berufung gegen die Einstellung zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.
Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 18 Abs. 3 der Eisenbahnkreuzungsverordnung wurde über (Privat-)Anzeige vom 25. November 1993 eingeleitet; mit Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 15. Februar 1994 wurde dem Beschwerdeführer der Sachverhalt vorgehalten und er wurde zur Rechtfertigung aufgefordert. Die gegen den Beschwerdeführer wegen des genannten Deliktes erlassene Strafverfügung vom 25. Juli 1994 wurde ihm am 28. Juli 1994 zugestellt, dagegen erhob er am 10. August 1994, bei der Erstbehörde eingelangt am 12. August 1994, Einspruch.
Nach Durchführung von Erhebungen durch die Erstbehörde, teilweise im Rechtshilfeweg durch die Bundespolizeidirektion Graz, und nachdem der Beschwerdeführer über die abgeschlossene Beweisaufnahme mit Schreiben der Erstbehörde vom 1. März 1995, unterfertigt mit "der Bezirkshauptmann: i.V. ASekr. D", verständigt worden war, wurde durch die Erstbehörde folgender Aktenvermerk aufgenommen:
"...
Gegenstand: W J
Aktenvermerk
Gegenständliches Verfahren wird nach § 45 (1)a VStG eingestellt. Begründet wird diese Einstellung damit, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Privatanzeige handelt und im Zuge des Ermittlungsverfahrens ein eindeutiges Verschulden des Angezeigten nicht nachweisbar war bzw. nicht zutage gekommen ist. Im vorliegenden Verfahren ist Beweisnotstand eingetreten, da es Aussage gegen Aussage steht; eine dienstliche Wahrnehmung eines Exekutivorganes liegt der vorliegenden Anzeige nicht zugrunde und war somit das Verfahren im Zweifel für den Angezeigten zur Einstellung zu bringen.
Weiz, am 30.08.1995"
Gefertigt ist dieser Aktenvermerk durch den Bearbeiter, Amtssekretär D.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 45 VStG auf Seite 1017 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) erwächst aus der Einstellung des Verfahrens die Rechtswirkung, daß von der Durchführung des Strafverfahrens nach einer erfolgten Einstellung in der Folge abgesehen werden muß, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Sinne des § 52 VStG innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 leg. cit. die Wiederaufnahme dieses durch Einstellung abgeschlossenen Strafverfahrens verfügt worden ist. Ein nach der Einstellung des Strafverfahrens dennoch erlassenes erstinstanzliches Straferkenntnis ist von der Rechtsmittelbehörde ersatzlos aufzuheben. Ein Verwaltungsstrafverfahren gilt nur dann als eingestellt, wenn eine der Vorschrift des § 45 Abs. 2 VStG in formeller Hinsicht entsprechende Verfügung getroffen worden ist. Es muß sich also um einen dem Beschuldigten erkennbaren Akt der Verwaltung handeln; somit ist es, damit die Rechtswirkungen der Einstellung eintreten, erforderlich, dem Beschuldigten, der - wie hier - vom Verfahren Kenntnis hatte, mitzuteilen, daß das gegen ihn geführte Strafverfahren eingestellt wurde. Es muß für die Partei erkennbar sein, ob die Einstellung des Strafverfahrens verfügt wurde oder ob es sich bei dem Geschäftsstück, das den Aktenvermerk über die Einstellung trägt, bloß um einen Entwurf handelt, der erst der Genehmigung bedarf. Die Partei kann sich in der Frage, ob die mit einem solchen Verwaltungsakt - Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch Aktenvermerk - verbundenen Rechtsfolgen eintreten, nur am äußeren Tatbestand orientieren (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985, 84/03/0018).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid, in dem sie das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigte und damit die Fortführung des Verwaltungstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer ungeachtet des Aktenvermerkes vom 30. August 1995 billigte, in keiner Weise zur Frage der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens Stellung genommen, obwohl der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung vom 9. Dezember 1995 auf die Einstellung des Strafverfahrens mit 30. August 1995 hingewiesen und die Fortführung des Verfahrens gerügt hatte. Schon deshalb kann entgegen der von der belangten Behörde im Rahmen der Gegenschrift vertretenen Auffassung, das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei ihm der Aktenvermerk vom 30. August 1995 am 1. September 1995 zugestellt und damit von der Einstellung des Strafverfahrens Mitteilung gemacht worden, nicht als Neuerung abgetan werden.
Insoweit die belangte Behörde - gleichfalls erst in der Gegenschrift - behauptet, "ein Schreiben oder dgl., mit welchem dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden wäre, daß das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden wäre", liege nicht vor, es habe sich nicht um eine bescheidmäßige Einstellung des Verfahrens gehandelt, sondern die Behörde habe davon ausgehen können, daß lediglich ein Entwurf vorgelegen sei, der der Genehmigung des zuständigen Referenten bedurft hätte, ist ihr folgendes zu entgegnen:
Es mag zutreffen, daß sich im Verwaltungsstrafakt kein Rückschein über die Zustellung des Aktenvermerkes der Erstbehörde vom 30. August 1995 findet. Der Beschwerdeführer selbst hat jedoch eine Ausfertigung des zitierten Aktenvermerkes vom 30. August 1995, versehen mit der Originalunterschrift des Sachbearbeiters - der im übrigen namens der Erstbehörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer tätig gewesen war - vorgelegt, der ihm seiner unwiderlegten Behauptung nach am 1. September 1995 zugestellt worden war. Ein stichhältiges Argument dafür, hiedurch sei nicht der unbedenkliche äußere Tatbestand einer Mitteilung von der Einstellung des Strafverfahrens im Sinne der eingangs dargestellten Rechtsprechung vorgelegen, vermag die belangte Behörde nicht aufzuzeigen. Insbesondere kann dem Vorgang auch nicht entnommen werden, es habe sich lediglich um einen Entwurf eines zur Verfahrenseinstellung nicht berechtigten Organwalters gehandelt. Daß dem Organwalter, der den Aktenvermerk unterfertigte, die Approbationsbefugnis für die Erstbehörde zur Gänze gefehlt hätte, wird von der belangten Behörde nicht behauptet. Damit muß sich die Erstbehörde - ungeachtet des von der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behaupteten Fehlens der Approbationsbefugnis des Amtssekretärs D. für Einstellungen von Verwaltungsstrafverfahren - das in Rede stehende Schriftstück zurechnen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1988, 87/17/0245, 0246), auch wenn der betreffende Organwalter - wie die belangte Behörde im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in ihrem Schreiben vom 3. Juli 1997 behauptet - seine Kompetenz überschritten hätte, weil er nicht zur Einstellung des Strafverfahrens berechtigt gewesen sei und der Referatsleiter die Einstellung nicht zur Kenntnis genommen habe.
Da dies die belangte Behörde verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen Bedacht genommen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1998, 96/21/0735).
Wien, am 28. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997030010.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
05.03.2010