TE Vwgh Beschluss 2019/8/27 Ra 2018/08/0008

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Veröffentlicht am 27.08.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §10
AlVG 1977 §24 Abs1
AlVG 1977 §9
AlVG 1977 §9 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des B A B in L, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Dezember 2017, L503 2161528- 1/3E, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 11. April 2017 stellte das Arbeitsmarktservice (AMS) Linz das Arbeitslosengeld des Revisionswerbers ab dem 16. März 2017 gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 24 Abs. 1 AlVG ein. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 8. Juni 2017 ab. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird vorgebracht, dem BVwG sei bei Auslegung der Erklärungen des Revisionswerbers eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen. Die Äußerung des Revisionswerbers gegenüber dem AMS mit Email vom 13. März 2017, sich "von den verfickten Systemen" abzumelden, sei nicht als Ausdruck der mangelnden Arbeitswilligkeit zu verstehen. Zur Frage des Vorliegens des vom BVwG angenommenen Verzichtes des Revisionswerbers auf den Anspruch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

6 Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG u. a. wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

7 Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG) durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. 8 Wenn ein Arbeitsloser eine zumutbare Beschäftigung im Sinne des § 9 AlVG nicht annimmt bzw. die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, ist gemäß § 10 AlVG ein temporärer Verlust des Arbeitslosengeldes auszusprechen. Eine generelle Arbeitsunwilligkeit führt dagegen zur Einstellung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 1 AlVG (vgl. VwGH 8.10.2013, 2012/08/0197; 28.6.2006, 2005/08/0128, jeweils mwN; Julcher in Pfeil (Hrsg.), AlVG-Komm § 24 AlVG Rz 11). 9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass etwa aus wiederholten Vereitelungshandlungen, die zu temporären Verlusten der Notstandshilfe bzw. des Arbeitslosengeldes nach § 10 AlVG geführt haben, - als Richtschnur können drei festgestellte Vereitelungshandlungen gelten - geschlossen werden kann, dass bei einem Arbeitslosen eine generelle Ablehnung der Annahme zumutbarer Beschäftigungen vorliegt und es ihm damit auf Dauer an der Arbeitswilligkeit mangelt. Lässt der Arbeitslose erkennen, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg keine neue Arbeit anzunehmen gewillt ist, dann steht er der Arbeitsvermittlung in Wahrheit nicht zur Verfügung (vgl. etwa VwGH 16.3.2016, Ra 2015/08/0100, mwN). Neben solchen Verhaltensweisen kann eine generelle Arbeitsunwilligkeit auch unmittelbar aus Äußerungen des Arbeitslosen folgen, aus denen sich ergibt, dass er nicht bereit ist, seinen Verpflichtungen nach § 9 Abs. 1 AlVG nachzukommen;

somit insbesondere eine ihm durch das AMS vermittelte Beschäftigung anzunehmen (vgl. VwGH 5.9.1995, 94/08/0235, mwN;

30.5.1995, 93/08/0151).

10 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes hat der Revisionswerber mit an das AMS gerichtetem Email vom 13. März 2017 mitgeteilt, dass er sich "hiermit von den verfickten Systemen" abmelde. Auch in weiteren Schreiben - teilweise nach Aufforderung zur Stellungnahme durch das AMS - hat der Revisionswerber deutlich seine Ablehnung der Tätigkeit des AMS zum Ausdruck gebracht und sein Email vom 13. März 2017 dahingehend erläutert, dass er sich zwar nicht vom Arbeitslosengeldbezug, aber von den "verfickten Systemen", worunter insbesondere der "menschenunwürdige sowie gesundheitsschädigende Umgang" des AMS mit ihm zu verstehen sei, abgemeldet habe.

11 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Erklärungen einer Partei nicht revisibel ist. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn die diesbezügliche rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unvertretbar erschiene (vgl. etwa VwGH 22.3.2019, Ra 2017/04/0137, mwN). Diese Rechtsprechung hat auch für das Verständnis von Äußerungen eines Arbeitslosen gegenüber dem AMS Anwendung zu finden. Im vorliegenden Fall erscheint fallbezogen die Beurteilung nicht unvertretbar, der Revisionswerber habe insgesamt zum Ausdruck gebracht, dass er generell nicht bereit sei, seine mit dem Bezug des Arbeitslosengeldes verbundenen Verpflichtungen - somit insbesondere im Sinn des § 9 AlVG eine ihm vom AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen bzw. sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen oder an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen - zu erfüllen.

12 Davon ausgehend stand der Revisionswerber aber der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und lagen die Voraussetzungen für eine Einstellung des Bezuges gemäß § 24 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitswilligkeit vor. Von der Alternativbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe mit seinem Email vom 13. März 2017 auch zum Ausdruck gebracht, auf seine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung zu verzichten, hängt das Schicksal der Revision somit nicht ab.

13 Die Revision rügt im Übrigen unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

14 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich hinsichtlich des Entfalls der Verhandlung auf § 24 Abs. 4 VwGVG gestützt. Die Revision tritt der Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergebe sich aus den im Akt befindlichen Schreiben des Revisionswerbers und sei unstrittig, nicht konkret entgegen. Davon ausgehend ist aber nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs. 4 VwGG hätte erwarten lassen (vgl. VwGH 9.5.2018, Ra 2018/03/0046, mwN). Es entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist; und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Rn. 97 ff; vgl. idS VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132, mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080008.L00

Im RIS seit

14.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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