Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §24Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der K GmbH als Rechtsnachfolgerin der T Holding GmbH in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. März 2018, Zl. RV/2100179/2018, betreffend Feststellungsbescheide Gruppenträger 2007 bis 2009, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Das mit der vorliegenden Revision angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts erging im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Jänner 2018, Ro 2016/15/0020, im Folgenden: Vorerkenntnis, auf welches hinsichtlich des Verfahrensganges verwiesen wird.
2 Die Revisionswerberin ist aufgrund Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der T-Holding GmbH, an der im Streitzeitraum die M GmbH und die F GmbH & Co KG zu jeweils 50 % beteiligt waren. 3 Im Zuge einer im Jahr 2010 durchgeführten Außenprüfung bei der T-Holding GmbH traf der Prüfer die Feststellung, dass die in den Jahren ab 2007 geltend gemachte Firmenwertabschreibung der Beteiligung an der B GmbH im Betrag von jeweils jährlich 202.429,97 EUR wegen Vorliegens eines Konzernerwerbs (zivilrechtlicher Erwerb von der M GmbH) steuerlich nicht anzuerkennen und daher dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sei.
4 Gegen die daraufhin erlassenen (geänderten) Feststellungsbescheide Gruppenträger 2007 bis 2009 erhob die T-Holding GmbH Berufung (nunmehr: Beschwerde), in der sie beantragte, die Firmenwertabschreibung anzuerkennen. 5 Mit Erkenntnis vom 3. Mai 2016 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt. Das Finanzamt habe keine Umstände festgestellt, die eine zumindest auf Grundsätzliches bezogene Koordinierung in den wichtigsten Fragen der Unternehmenspolitik einheitlich für die T-Holding GmbH einerseits und die anderen Tochtergesellschaften der M GmbH andererseits hätten erkennen lassen. Das Bundesfinanzgericht könne auch keine Umstände erkennen, die einen beherrschenden Einfluss der M GmbH auf die T-Holding GmbH belegen. Die Teilnahme am Cash-Pooling der M Gruppe habe lediglich in der Teilnahme am täglichen Ausgleich der Kontokorrentkonten der beteiligten Gesellschaften bei der Bank bestanden, was aber in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht keinen beherrschenden Einfluss der M GmbH auf die T-Holding GmbH vermittle. Im Hinblick auf eine näher geschilderte Gesellschaftervereinbarung lasse auch die Aufgabenverteilung in der Geschäftsordnung nicht den Schluss zu, dass die M GmbH dadurch einen beherrschenden Einfluss auf die T-Holding GmbH gehabt hätte. 6 Nachdem der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung über Revision des Finanzamtes wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Vorerkenntnis aufgehoben hatte, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der nunmehrigen Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Abweisung wird damit begründet, dass die M GmbH schon in der Gesellschaftervereinbarung zugesagt habe, "zur Förderung der gemeinsamen Gesellschaft" die Aufgaben "Finanzen, Controlling, IT, Technik (Planung/Konstruktion, Statik, Kalkulation)" zu übernehmen. Mit der Person des Geschäftsf??hrers der M GmbH, der auch Teil der Geschäftsführung der T-Holding GmbH gewesen sei, habe es eine personelle Verflechtung gegeben. Zudem sei auf Ebene der Geschäftsführung der T-Holding GmbH Einstimmigkeit erforderlich gewesen, womit - abgesehen von der Befassung Dritter im Streitfall - grundsätzlich keine Entscheidung gegen den Willen der M GmbH habe gefällt werden können. Auch sei die T-Holding GmbH über eine Cash-Pooling-Vereinbarung der K Gruppe (der die M GmbH angehört) näher verbunden gewesen. Ziel der Gründung der T-Holding GmbH sei es gewesen, alle Tiefbauaktivitäten der M GmbH einerseits und der konzernfremden F GmbH & Co KG als zweiter Gründungsgesellschafterin andererseits zu bündeln. Diese sachverhaltsmäßigen Umstände lägen im Revisionsfall unbestritten vor. "Soweit die Einwendungen von Seiten der Beschwerdeführerin den vom Verwaltungsgerichtshof im (Vorerkenntnis) mit für das gegenständliche Verfahren bindender Wirkung geäußerten Rechtsansichten widersprechen", könne diesen nicht gefolgt werden. Das Bundesfinanzgericht gehe daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass im Revisionsfall so gewichtige Umstände für eine "koordinierte Unternehmenspolitik" zwischen der T-Holding GmbH als Erwerberin der Gesellschaftsanteile und ihrer Gründungsgesellschafterin der M GmbH als Verkäuferin bestanden hätten, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vom Vorliegen eines Konzernverhältnisses iSd § 9 Abs. 7 KStG 1988 auszugehen sei. Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht sei daher nicht zu veranlassen. 7 Da die Erledigung im Wege der Beweiswürdigung unter Zugrundelegung der im Vorerkenntnis klargestellten Rechtsmeinungen des Verwaltungsgerichtshofes zu erfolgen hatte, sei eine Revision nicht zulässig.
8 Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:
9 Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit der Revision u. a. aus, es träfe nicht zu, dass der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis eine bindende eindeutige Rechtsanschauung zur gegenständlichen Rechtsfrage vorgegeben habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Frage des Vorliegens eines Konzernerwerbs weder im Detail geprüft noch näher beurteilt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass Indizien für ein Konzernverhältnis vorliegen würden, mit welchen sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt habe. Er habe das Bundesfinanzgericht mit seinen Ausführungen "angeleitet", wie es im fortgesetzten Verfahren an die Lösung der Rechtsfrage heranzugehen habe, welche Normen und Entscheidungen dabei zu beachten seien, welche Feststellungen noch zu treffen und welche Indizien zu würdigen seien. Dazu, wie die Rechtsfrage inhaltlich zu lösen sei, habe sich der Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht geäußert. Im Ergebnis fehle daher nach wie vor eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage, ob bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation ein Konzernverhältnis gegeben sei. Zudem lägen näher dargestellte wesentliche Verfahrensmängel vor.
10 Die Revision ist aus den in ihr aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
11 Gemäß § 9 Abs. 7 KStG 1988 idF vor dem AbgÄG 2014 war im Falle der Anschaffung einer Beteiligung durch ein Gruppenmitglied bzw. den Gruppenträger, ausgenommen unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter, ab Zugehörigkeit dieser Körperschaft zur Unternehmensgruppe beim unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger eine Firmenwertabschreibung in einer dort näher beschriebenen Weise vorzunehmen.
12 Gegenständlich ist ausschließlich strittig, ob der Revisionswerberin als Rechtsnachfolgerin der T-Holding GmbH im Zusammenhang mit der Anschaffung von 100 % der Geschäftsanteile an der B GmbH eine Firmenwertabschreibung gemäß § 9 Abs. 7 KStG 1988 zusteht.
13 Anders als im ersten Rechtsgang ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass eine Firmenwertabschreibung gemäß § 9 Abs. 7 zweiter Satz KStG 1988 nicht zulässig sei, weil ein so genannter Konzernerwerb vorliege, also die Anschaffung der Anteile "unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter" erfolgt sei. 14 Dagegen wendet sich die Revision mit dem Vorbringen, an der T-Holding GmbH seien die F GmbH & Co KG und die M GmbH zu jeweils 50 % beteiligt. Es lägen keinerlei interne Vereinbarungen vor, die eine beherrschende Stellung der M GmbH begründen würden. Beide Gesellschafter seien völlig gleichberechtigt. Nach der Gesellschaftervereinbarung vom 2. Dezember 2005 müssten sämtliche Beschlüsse der Generalversammlung grundsätzlich mit 75 % der Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen gefasst werden. Im Falle einer "Patt-Situation" sei ein Schiedsrichter beizuziehen. Auf Grund dieser Vereinbarung seien beide Gesellschafter absolut gleichberechtigt.
15 Auch im Bereich der Geschäftsführung habe eine völlige Gleichstellung der beiden Gesellschaften vorgelegen: Die T-Holding GmbH habe über weite Teile des revisionsgegenständlichen Zeitraums über drei Geschäftsführer verfügt. Ein Geschäftsführer sei gleichzeitig Geschäftsführer der M GmbH, der zweite Geschäftsführer sei hingegen der F GmbH & Co KG zuzurechnen gewesen. Diesen beiden Geschäftsführern seien die strategischen langfristigen Entscheidungen oblegen, während ein dritter Geschäftsführer für die operative Leitung der T-Holding GmbH zuständig gewesen sei. Der dritte Geschäftsführer sei - wie in der Revision eingehend geschildert - keinem der beiden Gesellschafter nahegestanden. Da die Beschlüsse der Geschäftsführung einstimmig zu fassen waren und jedem der Geschäftsführer eine Stimme zugestanden sei, sei es unmöglich gewesen, auf Geschäftsführerebene die Interessen der M GmbH durchzusetzen. 16 Auch habe keine finanzielle Abhängigkeit zur M GmbH bestanden. Bereits in der Gesellschaftervereinbarung vom 2. Dezember 2005 sei zwischen der M GmbH und der F GmbH & Co KG festgelegt worden, dass die T-Holding GmbH am Cash-Pooling des Konzerns (dem die M GmbH angehöre) zu fremdüblichen Konditionen teilnehmen solle. Da der Kaufpreis der Anteile nahezu zur Gänze fremdfinanziert worden sei, habe durch die kurzfristige Teilnahme am Cash-Pooling kein beherrschender Einfluss der M GmbH hergestellt werden können. Insgesamt hätten die zwischen den beiden Gesellschaftern bestandenen vertraglichen Beziehungen deren völlige Gleichberechtigung bewirkt. Überdies zeige auch die "gelebte Unternehmenspraxis" - wie in der Revision an Hand einzelner Beispiele dargestellt -, dass keine faktische Leitung seitens der M GmbH vorgelegen habe.
17 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis vom 31. Jänner 2018, Ro 2016/15/0020, zum Ausdruck gebracht hat, steht der Umstand, dass neben der M GmbH auch die F GmbH & Co KG über ihre Hälftebeteiligung maßgeblichen Einfluss auf die T-Holding GmbH hatte, einer Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes nach § 9 Abs. 7 KStG 1988 nicht entgegen. Durch die von der Revisionswerberin geschilderten Vereinbarungen und personellen Verflechtungen war es beiden Gründungsgesellschaftern möglich, beherrschenden Einfluss auf die T-Holding GmbH auszuüben. Bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation ist der Ausschlusstatbestand erfüllt, wenn die Anschaffung der Beteiligung von dem einen oder dem anderen Gesellschafter erfolgt. 18 Die Revisionswerberin bringt weiters vor, dass die Anteile an der B GmbH sukzessive angeschafft worden seien. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 7. Jänner 2005 habe die M GmbH zunächst 56 % der Anteile erworben. Am 2. Dezember 2005 hätten die M GmbH und die F GmbH & Co KG einen Rahmenvertrag zur Gründung eines Joint-Ventures (Bündelung sämtlicher Tiefbauaktivitäten in der neu gegründeten T-Holding GmbH) geschlossen. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31. März 2006 seien 20 % und mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27. September 2006 die restlichen Anteile an der B GmbH erworben worden. Bereits im Rahmenvertrag vom 2. Dezember 2005 sei vereinbart worden, dass die Anteile an der B GmbH von der T-Holding GmbH erworben werden sollen. Ein direkter Erwerb seitens der T-Holding GmbH sei jedoch nicht möglich gewesen, weil die verkaufenden Gesellschafter der B GmbH und der Konzern, dem die F GmbH & Co KG ("F-Gruppe") angehört habe, erbitterte Konkurrenten gewesen seien. Ein Verkauf der Gesellschaftsanteile an eine Gesellschaft der "F-Gruppe" sei für die Veräußerer undenkbar gewesen. Daher habe zunächst die M GmbH die Anteile erwerben müssen. Zwischen der M GmbH und der F GmbH & Co KG sei jedoch bereits im Vorfeld vereinbart worden, dass die Anteile an der B GmbH an die T-Holding GmbH weiterveräußert werden müssten, was insbesondere in den Verträgen vom 2. Dezember 2005 dokumentiert werde. Obgleich die Anteile zivilrechtlich (zwangsweise) von der M GmbH erworben worden seien, sei aus wirtschaftlicher Sicht und auf Grund der vertraglichen Einigung über die Weitergabe der Anteile der Anteilskauf bereits der T-Holding GmbH zuzurechnen. Die M GmbH habe wirtschaftlich gesehen nur als Treuhänder fungiert. Auf Grund der Vereinbarungen habe die T-Holding GmbH einen "Herausgabeanspruch" gegenüber der M GmbH gehabt, was sich auch im nahezu gleichen Kaufpreis der Anteile samt Verrechnung von Zinsen für die Vorfinanzierung widerspiegle.
19 Der Ausschluss der Firmenwertabschreibung im Falle eines so genannten Konzernerwerbes soll sicherstellen, dass nicht durch Beteiligungsverschiebungen im Konzern künstlich Firmenwerte generiert werden (vgl. RV 451 BlgNR 22. GP 26). Allerdings geht die Firmenwertabschreibung auch dann verloren, wenn eine Beteiligung zunächst "fremdbezogen" angeschafft wurde, im Anschluss aber innerhalb der Unternehmensgruppe veräußert worden ist (vgl. Urtz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 9 Tz 419, mit Hinweisen auf Lehrmeinungen, die die Regelung als überschießend betrachten; Hofstätter in Lang/Schuch/Staringer/Stefaner (Hrsg), Grundfragen der Gruppenbesteuerung, 263).
20 Der Begriff der "Anschaffung" ist nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen zu verstehen; es kommt daher auf den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums (§ 24 BAO) an (vgl. Wiesner/Mayr, Zweifelsfragen zur Gruppenbesteuerung, RdW 2004, 497; Urtz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 9 Tz 409). 21 Das Bundesfinanzgericht hat sich mit den schon in der Berufung gegen die Bescheide des Finanzamtes vorgebrachten, einen treuhändigen Erwerb der Beteiligungen an der B GmbH durch die M GmbH behauptenden Einwendungen in keiner Weise auseinandergesetzt. Hinsichtlich der nach der Gesellschaftervereinbarung vom 2. Dezember 2005 erfolgten Beteiligungserwerbe ist der diesbezügliche Begründungsmangel auch wesentlich, weil in Anbetracht des zeitlichen Ablaufs der Anteilserwerbe durch die M GmbH einerseits und die Weiterveräußerung an die T-Holding GmbH andererseits das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150052.L00Im RIS seit
31.10.2019Zuletzt aktualisiert am
31.10.2019