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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des Q K in W, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 2019, Zl. W134 2179494- 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 4. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, sein Vater sei von den Taliban entführt und er, der Revisionswerber, sei von unbekannten Männern geschlagen worden.
2 Mit Bescheid vom 8. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Februar 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 In seiner Begründung legte das BVwG dar, dass der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Weiters schloss das BVwG eine Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatprovinz Ghazni aufgrund der dortigen Lage der Sicherheit aus. Es verwies aber auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat. Die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan sei weiterhin volatil, jedoch nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Nach den vorliegenden Länderberichten sei die allgemeine Lage in Kabul insgesamt als ausreichend sicher zu bezeichnen. Ebenso seien die Provinzen Herat und Balkh sicher. Dem Revisionswerber sei die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den genannten Städten auch zumutbar.
5 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1064/2019-7, ablehnte und über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 15. Juli 2019, E 1064/2019-9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG habe sich darüber hinweggesetzt, dass der UNHCR in der aktuellen Fassung der Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 die Auffassung vertrete, dass die Stadt Kabul für die Annahme eine innerstaatlichen Fluchtalternative nicht in Frage komme und diese in Bezug auf andere afghanische Städte von der sorgfältigen Prüfung für die jeweils betroffene Person abhängig mache. Die Annahme des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif entspreche nicht den Anforderungen an eine sorgfältig vorzunehmende Prüfung, wie sie in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellt werden.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN). Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0187, mwN).
11 Da sich das BVwG in seiner Begründung auch auf die Möglichkeit der Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazare Sharif stützt, wird die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels, soweit die Revision der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul entgegentritt, schon deshalb nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2018/01/0475, mwN).
12 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG umfassend mit dem Vorliegen der Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Bezug auf Herat und Mazare Sharif auseinandergesetzt und dabei die aktuellen Berichte zur Lage in Afghanistan - unter anderem sowohl die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 sowie das aktuelle Länderinformationsblatt mit Stand vom 23. November 2018 - und die individuellen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigt. Die Revision zeigt fallbezogen weder auf, dass in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellen würde, noch dass ihm eine Ansiedelung in diesen Städten nicht zumutbar wäre (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2018/14/0418, mwN). Dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, wonach in den Provinzen Balkh und Herat eine schwere Dürresituation herrsche, lässt sich schließlich keine Relevanzdarstellung im Sinne der zitierten Rechtsprechung entnehmen
13 Jedenfalls begegnet die Einschätzung des BVwG, wonach der junge, mobile, gesunde sowie anpassungs- und arbeitsfähige Revisionswerber, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut sei, in den Städten Herat und Mazare Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde, deren Inanspruchnahme ihm auch zumutbar sei, nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN).
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. September 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200438.L00Im RIS seit
17.10.2019Zuletzt aktualisiert am
17.10.2019